S. 174 / Nr. 40 Strafgesetzbuch (d)

BGE 69 IV 174

40. Urteil des Kassationshofes vom 1. Oktober 1943 i.S. S. gegen
Jugendanwaltschaft des Kantons Luzern.


Seite: 174
Regeste:
1. Art. 191
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person in Kenntnis ihres Zustandes zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB. Auf unzüchtige Handlungen, welche das noch nicht sechzehn
Jahre alte Kind mit einem ebenfalls im Schutzalter stehenden Kinde vornimmt,
ist das Strafgesetzbuch nur anwendbar, wenn sie eine rechtsbrecherische
Gesinnung des Täters verraten.
2. Auslegung des Strafgesetzes.
1. Art. 191 CP. Les actes contraires à la pudeur qu'un enfant de moins de
seize ans commet sur la personne d'un enfant du même âge ne tombent sous le
coup du Code pénal que s'ils dénotent une mentalité criminelle.
2. Interprétation de la loi pénale.
1. Art. 191 CP. Gli atti di libidine, che un fanciullo minore degli anni
sedici commette sopra un fanciullo della stessa età, sono punibili a norma del
codice penale soltanto se denotano una mentalità criminale.
2. Interpretazione della legge penale.

A. - In Bestätigung des Urteils des kantonalen Jugendgerichts hat das
Obergericht des Kantons Luzern am 14. Juli 1943 A. S. im Sinne des Art. 191
Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person in Kenntnis ihres Zustandes zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB der Unzucht mit Kindern schuldig erklärt und ihn in Anwendung von
Art. 91 Ziff. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 91 - 1 Gegen Gefangene und Eingewiesene, welche in schuldhafter Weise gegen Strafvollzugsvorschriften oder den Vollzugsplan verstossen, können Disziplinarsanktionen verhängt werden.
1    Gegen Gefangene und Eingewiesene, welche in schuldhafter Weise gegen Strafvollzugsvorschriften oder den Vollzugsplan verstossen, können Disziplinarsanktionen verhängt werden.
2    Disziplinarsanktionen sind:
a  der Verweis;
b  der zeitweise Entzug oder die Beschränkung der Verfügung über Geldmittel, der Freizeitbeschäftigung oder der Aussenkontakte;
c  die Busse; sowie
d  der Arrest als eine zusätzliche Freiheitsbeschränkung.
3    Die Kantone erlassen für den Straf- und Massnahmenvollzug ein Disziplinarrecht. Dieses umschreibt die Disziplinartatbestände, bestimmt die Sanktionen und deren Zumessung und regelt das Verfahren.
StGB in eine Erziehungsanstalt eingewiesen. A. S., geb. 29.
Oktober 1926, und seine Schwester, geb. 15. September 1927, hatten sich im
Herbst 1941 oder im folgenden Winter gegenseitig die Geschlechtsteile gezeigt
und berührt. Ausserdem hatte sich der Knabe zum Mädchen ins Bett gelegt und
ihm das Glied zwischen die Oberschenkel gestossen. Das Mädchen hatte sich um
die Jahreswende 1941/ 42 auf ähnliche Weise auch noch mit zwei anderen Knaben
eingelassen.
B. - A. S. ficht das Urteil des Obergerichts mit der Nichtigkeitsbeschwerde
an. Er beantragt die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu seiner
Freisprechung; eventuell sei die Anstaltserziehung durch Erziehung in einer
Familie im Sinne des Art. 91 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 91 - 1 Gegen Gefangene und Eingewiesene, welche in schuldhafter Weise gegen Strafvollzugsvorschriften oder den Vollzugsplan verstossen, können Disziplinarsanktionen verhängt werden.
1    Gegen Gefangene und Eingewiesene, welche in schuldhafter Weise gegen Strafvollzugsvorschriften oder den Vollzugsplan verstossen, können Disziplinarsanktionen verhängt werden.
2    Disziplinarsanktionen sind:
a  der Verweis;
b  der zeitweise Entzug oder die Beschränkung der Verfügung über Geldmittel, der Freizeitbeschäftigung oder der Aussenkontakte;
c  die Busse; sowie
d  der Arrest als eine zusätzliche Freiheitsbeschränkung.
3    Die Kantone erlassen für den Straf- und Massnahmenvollzug ein Disziplinarrecht. Dieses umschreibt die Disziplinartatbestände, bestimmt die Sanktionen und deren Zumessung und regelt das Verfahren.
StGB zu ersetzen; subeventuell sei der
Entscheid gemäss Art. 97
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 97 - 1 Die Strafverfolgung verjährt, wenn die für die Tat angedrohte Höchststrafe:
1    Die Strafverfolgung verjährt, wenn die für die Tat angedrohte Höchststrafe:
a  lebenslängliche Freiheitsstrafe ist: in 30 Jahren;
b  eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren ist: in 15 Jahren;
c  eine Freiheitsstrafe von drei Jahren ist: in 10 Jahren;
d  eine andere Strafe ist: in 7 Jahren.134
2    Bei sexuellen Handlungen mit Kindern (Art. 187) und Abhängigen (Art. 188) sowie bei Straftaten nach den Artikeln 111, 113, 122, 124, 182, 189-191, 195 und 197 Absatz 3, die sich gegen ein Kind unter 16 Jahren richten, dauert die Verfolgungsverjährung in jedem Fall mindestens bis zum vollendeten 25. Lebensjahr des Opfers.135
3    Ist vor Ablauf der Verjährungsfrist ein erstinstanzliches Urteil ergangen, so tritt die Verjährung nicht mehr ein.
4    Die Verjährung der Strafverfolgung von sexuellen Handlungen mit Kindern (Art. 187) und minderjährigen Abhängigen (Art. 188) sowie von Straftaten nach den Artikeln 111-113, 122, 182, 189-191 und 195, die sich gegen ein Kind unter 16 Jahren richten, bemisst sich nach den Absätzen 1-3, wenn die Straftat vor dem Inkrafttreten der Änderung vom 5. Oktober 2001136 begangen worden ist und die Verfolgungsverjährung zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingetreten ist.137
StGB aufzuschieben und der Beschwerdeführer unter
Ansetzung einer Probefrist von sechs Monaten unter Schutzaufsicht

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zu stellen. Den Hauptantrag begründet der Beschwerdeführer damit, dass ein
Kind unter sechzehn Jahren das Verbrechen des Art. 191 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person in Kenntnis ihres Zustandes zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB nicht
begehen könne, denn diese Bestimmung bezwecke den Kinderschutz gegenüber
Angriffen von Erwachsenen. Ferner ginge es gegen den Sinn des Gesetzes, das
gleiche Kind wegen ein und derselben Handlung sowohl als Täter wie als Opfer
zu behandeln.
C. - Die Jugendanwaltschaft des Kantons Luzern verweist auf die Akten und die
Urteile, ohne einen Antrag zu stellen.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.- Nach dem Wortlaut der Bestimmung über Unzucht mit Kindern (Art. 191
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person in Kenntnis ihres Zustandes zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB)
ist der Kreis der Personen, welche Täter dieses Verbrechens sein können, nicht
begrenzt. Demnach müssten uneingeschränkt die allgemeinen Vorschriften gelten,
wonach auch Kinder von mindestens sechs Jahren (Art. 82 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 82 - Dem Gefangenen ist bei Eignung nach Möglichkeit Gelegenheit zu einer seinen Fähigkeiten entsprechenden Aus- und Weiterbildung zu geben.
StGB) und
Jugendliche (Art. 89
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 89 - 1 Begeht der bedingt Entlassene während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen, so ordnet das für die Beurteilung der neuen Tat zuständige Gericht die Rückversetzung an.
1    Begeht der bedingt Entlassene während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen, so ordnet das für die Beurteilung der neuen Tat zuständige Gericht die Rückversetzung an.
2    Ist trotz des während der Probezeit begangenen Verbrechens oder Vergehens nicht zu erwarten, dass der Verurteilte weitere Straftaten begehen wird, so verzichtet das Gericht auf eine Rückversetzung. Es kann den Verurteilten verwarnen und die Probezeit um höchstens die Hälfte der von der zuständigen Behörde ursprünglich festgesetzten Dauer verlängern. Erfolgt die Verlängerung erst nach Ablauf der Probezeit, so beginnt sie am Tag der Anordnung. Die Bestimmungen über die Bewährungshilfe und die Weisungen sind anwendbar (Art. 93-95).
3    Entzieht sich der bedingt Entlassene der Bewährungshilfe oder missachtet er die Weisungen, so sind die Artikel 95 Absätze 3-5 anwendbar.
4    Die Rückversetzung darf nicht mehr angeordnet werden, wenn seit dem Ablauf der Probezeit drei Jahre vergangen sind.
5    Die Untersuchungshaft, die der Täter während des Verfahrens der Rückversetzung ausgestanden hat, ist auf den Strafrest anzurechnen.
6    Sind auf Grund der neuen Straftat die Voraussetzungen für eine unbedingte Freiheitsstrafe erfüllt und trifft diese mit der durch den Widerruf vollziehbar gewordenen Reststrafe zusammen, so bildet das Gericht in Anwendung von Artikel 49 eine Gesamtstrafe. Auf diese sind die Regeln der bedingten Entlassung erneut anwendbar. Wird nur die Reststrafe vollzogen, so ist Artikel 86 Absätze 1-4 anwendbar.
7    Trifft eine durch den Entscheid über die Rückversetzung vollziehbar gewordene Reststrafe mit dem Vollzug einer Massnahme nach den Artikeln 59-61 zusammen, so ist Artikel 57 Absätze 2 und 3 anwendbar.
StGB) sich schuldig machen können. Gegen diesen Schluss
vermag der Einwand des Beschwerdeführers, dass niemand für ein und dieselbe
Handlung Opfer und Täter zugleich sein könne, nicht aufzukommen. Denn wenn
Kinder unter sechzehn Jahren wegen gegenseitiger unzüchtiger Handlungen
verfolgt werden, so werden sie es nicht wegen des Angriffs, dessen Opfer sie
geworden sind, sondern wegen des Angriffs, den jedes auf das andere ausgeübt
hat.
So logisch es nach dem Wortlaut des Gesetzes daher wäre, für Handlungen im
Sinne des Art. 191
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person in Kenntnis ihres Zustandes zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB auch Täter unter sechzehn Jahren zur Verantwortung zu
ziehen, so stossend wäre jedoch diese Lösung, wenn sie uneingeschränkt gälte.
Art. 191
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person in Kenntnis ihres Zustandes zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB will Kinder unter sechzehn Jahren vor Angriffen auf ihre
geschlechtliche Unversehrtheit schützen. Sie sind dabei gedacht als Opfer
derer, die ihnen, weil selbst dem Schutzalter entwachsen, geschlechtlich
überlegen sind. Solchen Einflüssen soll das

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Kind im Schutzalter entzogen werden. Sie fehlen in der Regel dann, wenn die
unzüchtigen Handlungen von einem Kinde begangen werden, das selber noch nicht
sechzehn Jahre alt ist. Hier lässt sich oft nicht sagen, dass eines der Kinder
dem Einfluss des anderen erlegen sei. Auch reimt sich schlecht, das Kind unter
sechzehn Jahren einerseits als geschlechtlich unversehrt zu schützen und
anderseits seinen eigenen Handlungen unbesehen die gleiche Bedeutung
beizumessen wie denen der Geschlechtserfahrenen. Die Massnahmen der Erzieher
und Vormundschaftsbehörden sind auf diesem Gebiete geeigneter, das Kind zu
bessern und vor Schaden zu bewahren, als der Zugriff des Jugendrichters mit
der Folge der Eintragung im Strafregister. Dem vernünftigen Sinne des Gesetzes
entspricht es, diesen nur einschreiten zu lassen, wenn die unzüchtige Handlung
des noch nicht sechzehnjährigen Täters eine rechtsbrecherische Gesinnung
verrät. Diese ist nicht zu finden, wenn ungefähr gleichaltrige oder gleich
entwickelte junge Leute sich im gegenseitigen Einverständnis geschlechtlichen
Ausschweifungen hingeben. Dagegen muss Art. 191
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person in Kenntnis ihres Zustandes zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB auf nötigende Angriffe
ohne Rücksicht auf das jugendliche Alter des Täters angewendet werden, wie
auch auf Verleitung Jüngerer noch völlig Einsichtsloser zur Unzucht. Ob der
subjektive Tatbestand der Unzucht beim jugendlichen Täter verwirklicht sei,
bleibt dabei jedesmal eine Frage für sich.
Mit dieser Einschränkung erscheint die Auffassung des Beschwerdeführers, dass
Art. 191
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person in Kenntnis ihres Zustandes zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB den Kinderschutz gegenüber Angriffen Erwachsener bezweckt, als
richtig. So eingeschränkt, steht sie auch mit den Gesetzesmaterialien in
Einklang. In der zweiten Expertenkommission wurde beantragt, wegen Unzucht mit
Kindern nur zu verfolgen, wer das sechzehnte Altersjahr zurückgelegt hat, weil
man bei unzüchtigen Handlungen unter Jüngeren nicht von einem Täter und einem
Opfer sprechen könne (Protokoll 3 S. 161, 168). Dieser Antrag wurde zuerst
angenommen, dann aber in Wiedererwägung

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gezogen und mit der Begründung abgelehnt, dass bei dieser Lösung auch der ganz
verdorbene jugendliche Täter nicht zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen
werden könnte, was einer Privilegierung der sexuellen Verfehlungen im
jugendlichen Alter gleichkomme (Protokoll 3 174 f.). Die Auffassung ging somit
letzten Endes dahin, dass es zwar stossend sei, mit den Mitteln der
Jugendrechtspflege einzuschreiten, wenn nach natürlichem Empfinden bei den
weniger als sechzehn Jahre alten Beteiligten nicht von einem Opfer und einem
Täter gesprochen werden kann, dass aber jugendliche Sexualverbrecher für ihre
Taten an Kindern unter sechzehn Jahren nicht privilegiert werden sollen.
Wenn auch diese Auffassung im Wortlaut des Gesetzes nicht zum Ausdruck
gekommen ist, so ist der Richter doch nicht gehindert, das Gesetz entsprechend
seinem tieferen Sinne auszulegen. Die Regeln der Gesetzesauslegung sind im
Strafrecht nicht andere als in anderen Gebieten der Rechtsordnung, soweit dem
nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen. Eine solche Bestimmung enthält
Art. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 1 - Eine Strafe oder Massnahme darf nur wegen einer Tat verhängt werden, die das Gesetz ausdrücklich unter Strafe stellt.
StGB, wonach strafbar nur ist, wer eine Tat begeht, die das Gesetz
ausdrücklich mit Strafe bedroht. Daher darf niemand bestraft werden für eine
Tat, deren Strafbarkeit sich nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt. Das
Gegenteil jedoch ist zulässig: einen Täter von Strafe auszunehmen, der nach
dem Buchstaben des Gesetzes bestraft werden müsste.
2.- Hier haben sich die Vorfälle zwischen zwei fast gleich alten Geschwistern
abgespielt, die als solche in gleichen Verhältnissen erzogen wurden. Der Knabe
hat das Mädchen nicht zu den unzüchtigen Handlungen genötigt, vielmehr
erscheinen diese als sittliche Entgleisung zweier gleich verantwortlicher
Kinder, von denen keines das Opfer des anderen geworden ist. Daher ist Art.
191
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 191 - Wer eine urteilsunfähige oder eine zum Widerstand unfähige Person in Kenntnis ihres Zustandes zum Beischlaf, zu einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlung missbraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
StGB nicht anzuwenden.

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Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des
Kantons Luzern vom 14. Juli 1943 aufgehoben und die Sache zur Freisprechung
des Beschwerdeführers an die Vorinstanz zurückgewiesen.