S. 151 / Nr. 33 Strafgesetzbuch (d)

BGE 69 IV 151

33. Urteil des Kassationshof vom 1. Oktober 1943 i.S. Gunzinger gegen
Statthalteramt Luzern-Stadt.


Seite: 151
Regeste:
1. Art. 269 Abs. 1 BStrP. Die Verletzung des Grundsatzes «in dubio pro reo»
kann mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht geltend gemacht werden.
2. Art. 41
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 41 - 1 Le juge peut prononcer une peine privative de liberté à la place d'une peine pécuniaire:
1    Le juge peut prononcer une peine privative de liberté à la place d'une peine pécuniaire:
a  si une peine privative de liberté paraît justifiée pour détourner l'auteur d'autres crimes ou délits, ou
b  s'il y a lieu de craindre qu'une peine pécuniaire ne puisse pas être exécutée.
2    Il doit motiver le choix de la peine privative de liberté de manière circonstanciée.
3    Est réservée la peine privative de liberté prononcée par conversion d'une peine pécuniaire (art. 36).
StGB. Wenn die Strafe durch Anrechnung der Untersuchungshaft
getilgt ist, stellt sich die Frage des bedingten Strafvollzuges nicht.
1. Art. 269 al. 1 PPF. La violation du principe «in dubio pro reo» ne donne
pas ouverture au pourvoi en nullité.
2. Art. 41 CP. Lorsque la peine est éteinte par l'imputation de la détention
préventive, la question du sursis à l'exécution ne se pose plus.
1. Art. 269 cp. 1 PPF. La violazione del principio «in dubio pro reo» non può
essere impugnata mediante ricorso per cassazione
2. Art. 41 CP. Se la pena è estinta col computo del carcere preventivo, la
questione della sospensione condizionale della pena non ha più motivo
d'essere.

A. - Durch Urteil des Amtsgerichts Luzern-Stadt vom 13. Mai 1943 ist Bertha
Gunzinger des Diebstahls schuldig befunden und zu einer Gefängnisstrafe von
acht Tagen, getilgt durch die ausgestandene Untersuchungshaft, verurteilt
worden. Der bedingte Strafvollzug wurde ihr versagt, weil die Strafe durch die
Untersuchungshaft getilgt und gegenüber dem Antrage des Statthalters
weitgehend gemildert sei, und aus Gründen der Prävention.
B. - Die Verurteilte hat die Nichtigkeitsbeschwerde erklärt. Sie bestreitet,
die Täterin zu sein; die gegenteilige Feststellung der Vorinstanz sei unter
Verweigerung des rechtlichen Gehörs und in Verletzung des Grundsatzes «in
dubio pro reo» zustandegekommen. Ferner wendet sie sich gegen die Verweigerung
des bedingten Strafvollzugs. Die hiefür angegebenen Gründe seien
unstichhaltig. Insbesondere sei die Tilgung der Strafe durch die
Untersuchungshaft kein tauglicher Ersatz des bedingten Strafvollzuges, weil
die unbedingte Freiheitsstrafe im allgemeinen Urteil schwerer wiege als die
bedingte, und weil bei letzterer eine Bewährungsfrist auferlegt werde und
damit die Möglichkeit bestehe, dass die Strafe schon nach zwei Jahren im
Strafregister gelöscht werde.

Seite: 152
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.- Der Kassationshof ist an den festgestellten Tatbestand gebunden (Art. 275
Abs. 1 BStrP). Er kann daher die Rüge, die Feststellung sei in Missachtung des
rechtlichen Gehörs und des Grundsatzes «in dubio pro reo» zustandegekommen,
nicht hören. Der Schutz des rechtlichen Gehörs ist mit staatsrechtlicher
Beschwerde nachzusuchen (Art. 269 Abs. 2 BStrP in der Fassung gemäss BB vom
11. Dezember 1941), und der Grundsatz «in dubio pro reo» ist eine
Beweiswürdigungsregel, gehört also dem kantonalen Recht an, dessen Anwendung
gemäss Art. 269 Abs. 1 BStrP der Kassationshof nicht überprüft. Hingegen steht
diesem innerhalb der durch BGE 68 IV 71 festgelegten Grenzen die Kognition
über die Verweigerung des bedingten Strafvollzugs zu.
2.- Mit der Milde der ausgesprochenen im Vergleich zur beantragten Strafe
lässt sich die Verweigerung des bedingten Strafvollzugs nicht begründen, und
die Berufung auf die Spezialprävention entbehrt der erforderlichen
Bestimmtheit. Allein die Frage des bedingten Strafvollzugs stellt sich gar
nicht, da die ausgesprochene Strafe durch Anrechnung der Untersuchungshaft
bereits getilgt ist. Hierin unterscheidet sich das Institut des bedingten
Strafvollzuges von demjenigen der bedingten Verurteilung. Diese ist
anerkanntermassen möglich ohne Rücksicht darauf, ob die ausgefällte Strafe
bereits durch Anrechnung der Untersuchungshaft getilgt ist oder nicht. Der
bedingte Strafvollzug aber ist ausgeschlossen, wenn es infolge solcher
Anrechnung nichts mehr zu vollziehen gibt. Er hat freilich noch eine Wirkung,
die mit dem Vollzug selbst nichts zu tun hat: die vorzeitige Rehabilitation
durch Löschung des Urteils im Strafregister im Falle der Bewährung während der
Probezeit (Art. 41 Ziff. 4
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 41 - 1 Le juge peut prononcer une peine privative de liberté à la place d'une peine pécuniaire:
1    Le juge peut prononcer une peine privative de liberté à la place d'une peine pécuniaire:
a  si une peine privative de liberté paraît justifiée pour détourner l'auteur d'autres crimes ou délits, ou
b  s'il y a lieu de craindre qu'une peine pécuniaire ne puisse pas être exécutée.
2    Il doit motiver le choix de la peine privative de liberté de manière circonstanciée.
3    Est réservée la peine privative de liberté prononcée par conversion d'une peine pécuniaire (art. 36).
StGB). Diese Wirkung aber ändert das Wesen des
bedingten Strafvollzugs nicht, nähert ihn nicht der bedingten Verurteilung,
ist doch die Löschung des Urteils unter der

Seite: 153
gleichen Bedingung rechtfertigenden Verhaltens für jede Verurteilung
vorgesehen (Art. 80
SR 311.0 Code pénal suisse du 21 décembre 1937
CP Art. 80 - 1 Il est possible de déroger en faveur du détenu aux règles d'exécution de la peine privative de liberté:
1    Il est possible de déroger en faveur du détenu aux règles d'exécution de la peine privative de liberté:
a  lorsque l'état de santé du détenu l'exige;
b  durant la grossesse, lors de l'accouchement et immédiatement après;
c  pour que la mère puisse vivre avec son enfant en bas âge, pour autant que ce soit aussi dans l'intérêt de l'enfant.
2    Le détenu qui n'exécute pas sa peine dans un établissement d'exécution des peines, mais dans un autre établissement approprié, est soumis aux règles de cet établissement à moins que l'autorité d'exécution n'en dispose autrement.
StGB) und hier lediglich die Frist dafür abgekürzt. Diese
Abkürzung ist reine Folge des bedingten Strafvollzuges. Dieser kann also nicht
um ihretwegen Platz greifen, wenn seine Voraussetzungen nicht gegeben sind,
wie hier, wo die zugemessene Strafe bereits vollzogen ist. Sie ist tatsächlich
bei der Ausfällung bereits vollzogen. Denn die Anrechnung der
Untersuchungshaft ist nach der Auffassung des Strafgesetzbuches eine
richterliche Massnahme der Strafbemessung, fällt also notwendigerweise mit der
Festsetzung der Strafe zusammen. Dessen ungeachtet den bedingten Strafvollzug
zu gewähren, hiesse ihn seines Zweckes entkleiden, ihn zum blossen Mittel
vorzeitiger Löschung des Urteils im Strafregister werden lassen. Den wahren
Sinn der Massnahme - Bewahrung vor dem Strafvollzug bei Wohlverhalten - dahin
umzudeuten, geht nicht an, auch wenn es unbefriedigend sein mag, dass bei
dieser gesetzlichen Ordnung die Löschung des Urteils im Strafregister zeitlich
von der Tatsache und der Dauer unverschuldeter Untersuchungshaft abhängen
kann.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Soweit auf die Nichtigkeitsbeschwerde eingetreten werden kann, wird sie
abgewiesen.