S. 391 / Nr. 62 Erbrecht (d)

BGE 69 II 391

62. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. November 1943 i. S.
Brodmann gegen Brodmann und Konsorten.

Regeste:
Bäuerliches Erbrecht, Art. 620 ff . ZGB.
Art. 621 Abs. 2: Selbstbetrieb bedeutet persönliche Leitung, sei es auch mit
Anstellung von Hilfskräften und neben der Ausübung anderer Berufsarbeit.
Art. 62 1 Abs. 3: Das Vorrecht des Sohnes dringt auch dann durch, wenn die
Töchter, die ihm das Gewerbe streitig machen bereit wären, mehr persönliche
Arbeit darauf zu verwenden als er.
Partage successoral.:Exploitations agricoles.
Art. 621 al. 2 CC: Faire valoir personnellement un domaine signifie qu'on en
assume la direction, serait-ce même à côté d'une autre activité et avec l'aide
de tiers.
Art. 621 al. 3: Le privilège du fils l'emporte même si les filles qui lui
contestent le droit de se faire attribuer le domaine sont prêtes à s'y
consacrer personnellement dans une mesure plus forte que lui.
Divisione d'ell'eredità. Aziende agricole.
Art. 621 cp. 2 CC: Esercitare personalmente l'azienda significa assumerne la
direzione, anche se accanto ad un'altra attività e con l'aiuto di terzi.
Art. 621 cp. 3: Il privilegio del figlio prevale anche se le figlie, che gli
contestano il diritto di farsi attribuire l'azienda, sono disposte a fornire
maggior lavoro personale che il figlio.

Aus dem Tatbestand:
A. ­ Der am 18. Juni 1940 gestorbene Vater der Parteien hat ein bäuerliches
Heimwesen hinterlassen, das nun nach dem Tode ihrer Mutter zur Teilung kommt.
Es besteht aus zehn Parzellen von insgesamt 201.80 Aren (rund 5 1/2
Jucharten): Wies- und Ackerland mit Obstbäumen, Wald, Rebland und
Gebäudegrundfläche. Nach Expertenbefund beträgt der «bereinigte Ertragswert»
Fr. 35700.-.
B. ­ Die Parteien sind mit dieser Sohätzung einverstanden.

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Sie streiten nur darüber, wer das Heimwesen zum erwähnten Ertragswert
übernehmen dürfe, der Kläger (ein Sohn des Erblassers) oder die Beklagten
(zwei Töchter des Erblassers).
C. ­ Die kantonalen Instanzen von Basel-Landschaft haben den Anspruch der
Beklagten geschützt und ihnen auch die Lebware und die sonstige Fahrhabe
zugewiesen, zu einer noch festzusetzenden Übernahmesumme. Der Kläger hält mit
der vorliegenden Berufung am Begehren fest, dass ihm das Heimwesen zum
Ertragswerte von Fr. 35700.- zuzuweisen und auch die landwirtschaftliche
Fahrhabe und das Vieh zu überlassen sei.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
In BGE 42 II 426 ist eingehend dargelegt dass bei mehreren geeigneten
Bewerbern (Art. 620 ZGB), die das Gewerbe selbst betreiben wollen (Art. 621
Abs. 2), das Vorrecht der Söhne gegenüber den Töchtern (Art. 621 Abs. 3) den
Ausschlag gibt, und dass nur da, wo sich die Entscheidung nicht auf dieser
Grundlage ergibt, ein allfälliger Ortsgebrauch und die persönlichen
Verhältnisse der Erben (Art. 621 Abs. 1) in Betracht fallen. Einem Sohn kann
auch nicht entgegengehalten werden, die Tochter sei noch geeigneter als er.
Vorausgesetzt ist nur, dass der Sohn gleichfalls genügende Eignung besitzt,
wofür als Massstab einfach die ortsübliche Art der Bewirtschaftung zu gelten
hat. Solche Eignung kann dem Kläger nach den Ausführungen der kantonalen
Gerichte nicht abgesprochen werden.
Die Vorinstanz hält aber dafür, der Kläger erfülle die Bedingung des
Selbstbetriebes nicht, da er seine Stelle als gelernter Küfer beim Allgemeinen
Consumverein beider Basel in Basel bis auf weiteres beibehalten will. Er könne
also nur in der Freizeit selbst im Landwirtschaftsbetriebe Hand anlogen und
müsse die hauptsächlichen landwirtschaftlichen Arbeiten durch andere besorgen
lassen, nämlich durch seine Ehefrau, «der als ehemaliger Serviertochter

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jede Eignung dazu abgeht», und allenfalls durch einen Knecht. Das sei
höchstens ein mittelbarer Selbstbetrieb, der vor dem unmittelbaren,
«eigenhändigen n Betrieb, wie ihn die Beklagten, namentlich die ledige
Wilhelmine Brodmann, entsprechend der bisherigen Betätigung ausüben würden,
zurückzutreten habe. Diese Betrachtungsweise geht jedoch von einem zu engen
Begriff des Selbstbetriebes aus. Ein solcher liegt nicht nur vor, wenn der
Übernehmer des Gewerbes die meisten dazu gehörenden Arbeiten eigenhändig
ausführt. Vielmehr ist dem Begriffe genügt, wenn er persönlich die Leitung
hat. Der Unterschied zwischen unmittelbarem und mittelbarem Selbstbetrieb ist
dem Gesetz unbekannt. Weder ist unmittelbarer Betrieb im Sinne der
vorinstanzlichen Erwägungen erforderlich, noch kann solcher Betrieb durch eine
Tochter (die sich nur nebensächlich durch Aushilfe in andern Haushaltungen
betätigen würde) dem Vorrecht des Sohnes, der immerhin den Betrieb leiten
würde, entgegengehalten werden. Anders wäre es, wenn der Kläger das Gut
übernehmen wollte, nur um es zu verpachten, und allenfalls auch noch, wenn er
es zwar auf eigene Rechnung, aber ohne wesentliche eigene Betätigung betreiben
wollte. Hier aber steht eine den Selbstbetrieb ausmachende Tätigkeit des
Klägers in Aussicht. Er wird morgens und abends sowie in sonstigen Freizeiten
die Landwirtschaft besorgen, im übrigen den Betrieb überwachen und jeweilen
die wichtigeren Anordnungen treffen. Dass nötigenfalls eine Hilfskraft
angestellt werden muss, hebt den Selbstbetrieb nicht auf. Auch die Ehefrau
wird übrigens wesentliche Mitarbeit leisten können, sobald sie einige
Erfahrung gewonnen hat.
Wenn die Vorinstanz endlich hervorhebt, Wilhelmine Brodmann habe länger als
der Kläger auf dem Gute gearbeitet und könne daraus für sich mehr als nur
einen Nebenverdienst erzielen, so zieht sie die persönlichen Verhältnisse der
Erben in Betracht. Solche Erwägungen können, wie dargetan, gegen das Vorrecht
des Sohnes nicht aufkommen. Es geht auch nicht an, dieses Recht nur gelten zu
lassen,

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wenn der Kläger auf volle Ausnützung seiner Arbeitskraft
verzichten und sich auf den Betrieb dieser kleinen Landwirtschaft beschränken
wollte, es dagegen zu verneinen, weil der Kläger das wenig Ertrag abwerfende
Heimwesen als Nebenbetrieb zu gestalten beabsichtigt, um seiner Familie durch
Berufsarbeit als Küfer ein besseres Auskommen zu verschaffen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung des Klägers wird gutgeheissen und das Urteil des Obergerichtes
des Kantons Basel-Landschaft vom 25. Juni 1943 aufgehoben.