S. 180 / Nr. 30 Erfindungsschutz (d)

BGE 69 II 180

30. Urteil der I. Zivilabteilung vom 13. April 1943 i. S. Schmidli und
Konsorten gegen Hofer.

Regeste:
Patentrecht; Kombinationspatent für einen Parkettbodenbelag.
Begriff und Erfordernisse der Kombination: Erforderlich ist ein Zusammenwirken
der verschiedenen Elemente zur Erreichung eines einheitlichen technischen
Zweckes. Im Patentanspruch muss zum Ausdruck kommen, dass der Erfindungsschutz
für die Kombination beansprucht wird.
Die Kombination muss auf einer schöpferischen Idee beruhen, einen technischen
Fortschritt darstellen und neu sein. PatG. Art. 16 Ziffer 1 und 4.

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Brevet d'invention. Combinaison. Parquets.
Notion et conditions de l'invention consistant dans une combinaison: Nécessité
du concours des divers éléments pour atteindre un but technique commun.
La revendication doit indiquer que le brevet est demandé pour la combinaison.
La combinaison doit procéder d'une idée créatrice, constituer un progrès
technique et être nouvelle. (Art. 16 ch. 1 et 4 LBI).
Brevetti d'invenzione. Combinazione.
Concetto e requisiti dell'invenzione consistente in una combinazione: è
necessario il concorso di diversi elementi per conseguire uno scopo tecnico
comune.
La rivendicazione deve indicare che il brevetto è chiesto per la combinazione.
La combinazione deve basarsi su un'idea creatrice, costituire un progresso
tecnico ed essere nuova (art. 16 cifre 1 e 4 LBI).

Aus dem Tatbestand:
Der Kläger Hofer ist Inhaber des schweizerischen Patentes Nr. 182641 vom 16.
Juni 1936, betreffend einen aus Holzstücken zusammengesetzten Belag für
Fussböden oder Wände, dessen Hauptanspruch lautet:
«Aus Holzstücken zusammengesetzter Belag für Fussböden oder Wände, dadurch
gekennzeichnet, dass die Holzstücke in zur Verwirklichung einer
Kleinstückverlegearbeit geeigneter Form und Grösse fugenlos aneinandergereiht
auf ihrer Unterseite mittels eines erhärtenden, säurefreien Bindemittels auf
einer Unterlage fest aufgeklebt sind».
Als Bindemittel ist gemäss Unteranspruch 1 eine Bitumenemulsion zu verwenden.
Der wegen Verletzung dieses Patentes belangte Beklagte Schmidli erhob unter
Berufung auf das im Jahre 1926 einem gewissen Noël erteilte Patent Nr. 118279
die Einrede, das Patent des Klägers sei mangels Neuheit und mangels
Erfindungshöhe nichtig. Die Einrede wird vom Handelsgericht des Kantons Aargau
und vom Bundesgericht abgewiesen.
Aus den Erwägungen:
3.- Die Berufung stützt sich im Wesentlichen auf die Behauptung, durch das
Noëlpatent - dessen Gültigkeit von keiner Seite in Frage gestellt wird - werde
die im streitigen Patent beanspruchte Erfindung

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vorweggenommen. Zur Prüfung dieses Einwandes ist daher zunächst an Hand der
von der Vorinstanz gemachten tatsächlichen Erhebungen und der Akten
festzustellen, welches die Berührungspunkte der beiden Patente sind und worin
sie sich von einander unterscheiden.
a) Gemeinsam ist beiden Patenten, dass sie eine Mosaikartige Zusammensetzung
des Parketts vorsehen; die einzelnen Holzstücke, aus denen sich das Parkett
zusammensetzt, sind von bedeutend kleineren Ausmassen, als dies bei den bisher
gebräuchlichen Parkettkonstruktionen der Fall war, bei denen das Parkett aus
grösseren Riemen, Tafeln oder Würfeln bestand. Die einzelnen Holzstücke
mussten nämlich bei den bisher Üblichen Konstruktionen eine bestimmte
Mindestgrösse haben, weil sie seitlich durch Nut und Feder miteinander
verbunden wurden; Nut und Feder konnten aber nur bei Stücken einer gewissen
Grösse angebracht werden. Das Fehlen einer seitlichen Verbindung dieser Art
ist eine weitere gemeinsame Eigenschaft der beiden zu vergleichenden Patente.
Gemeinsam ist weiter den beiden Patenten auch noch, dass die Holzstücke des
Parketts durch ein Bindemittel mit der Unterlage derart fest verbunden sind,
dass Parkett und Unterlage ein einheitliches Ganzes bilden. Diese Art der
Parkettverlegung war nach den Akten schon vorher gebräuchlich; man kannte
neben dem sog. Nagelparkett, bei dem die Parkettbestandteile auf einen
Blindboden, einen Lattenrost oder dergleichen aufgenagelt wurden, auch das
sog. Klebeparkett, bei dem als Bindemittel Heiss- oder Kaltasphalt angewendet
wurde; insbesondere war nach den Erklärungen der Experten auch die Verlegung
von Parkett mit Bitumenemulsion seit längerer Zeit gebräuchlich.
Die beiden Patente stimmen schliesslich auch noch in der Art und Weise
überein, in der das Verlogen des Parketts vor sich geht. Bei beiden
Parkettarten werden nämlich eine Anzahl Hölzchen mit der nachherigen Oberseite
auf Papier geklebt und dann mit dem Papier nach

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oben auf die mit dem Bindemittel versehene Unterlage gebracht; nach dem
Erhärten des Bindemittels wird das Papier abgeschliffen. Dieses Aufkleben der
Parkettbestandteile war bei den früheren Parkettkonstruktionen, auch beim sog.
Klebeparkett, nicht bekannt. Es bestand auch kein Bedürfnis dafür, da die
seitliche Verbindung der einzelnen Parkettbestandteile das gleichzeitige
Aufbringen einer bestimmten Parkettfläche auf die Unterlage ohne weiteres
gestattete.
b) Die Unterschiede zwischen den beiden zu vergleichenden Patenten sind die
folgenden:
Beim Noëlparkett sind zwischen den einzelnen Holzstücken, aus denen sich der
Belag zusammensetzt, Zwischenräume freigelassen. Beim Hoferparkett liegen im
Gegenteil die Holzteile so dicht nebeneinander, als dies überhaupt möglich
ist; sie sind, wie sich der Patentanspruch ausdrückt, «fugenlos
aneinandergereiht». Insofern entspricht das Hoferparkett den früher
gebräuchlichen Konstruktionen, bei denen die einzelnen Parketteile ebenfalls
unmittelbar aneinandergereiht, aber, wie oben erwähnt, im Gegensatz zum
Hoferparkett seitlich miteinander verbunden waren.
Beim Noëlparkett wird das Bindemittel in einer Schicht von einer gewissen
Dicke auf die Unterlage aufgebracht mit der Wirkung, dass das Bindemittel in
die Zwischenräume zwischen den einzelnen Holzteilen eindringt und sie
ausfüllt. Die einzelnen Holzteile sind also durch das Bindemittel nicht nur
auf ihrer Unterseite mit der Unterlage, sondern auch mit ihren Seiten
untereinander verbunden. Es besteht somit, wie bei den früher gebräuchlichen
Konstruktionen, eine seitliche Verbindung, die aber anders geartet ist als bei
jenen. Nach dem Abschleifen des Papiers sind die vom Bindemittel gebildeten
Streifen zwischen den einzelnen Holzteilen sichtbar und bilden einen Teil des
Parkettmusters.
Beim Hoferparkett werden die einzelnen Holzstücke ausschliesslich mit der
Unterseite durch das dünn

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aufgetragene Bindemittel mit der Unterlage verbunden. Eine seitliche
Klebewirkung kommt nicht in Frage, da zwischen den einzelnen Hölzchen kein
Zwischenraum besteht, in den das Bindemittel eindringen könnte.
Beim Noëlparkett ist die Beschaffenheit des Bindemittels im Patentanspruch
nicht umschrieben. Dass als solches Magnesiazement zu verwenden sei, wird in
Unteranspruch 1 gesagt.
Nach dem Hauptanspruch des Hoferpatentes dagegen ist ein säurefreies
Bindemittel zu verwenden; in den Unteransprüchen sind dann verschiedene
solcher Bindemittel aufgeführt, insbesondere in dem allein in Betracht
fallenden Unteranspruch I eine Bitumenemulsion.
4.- Aus den vorstehenden Darlegungen ist ersichtlich, dass von den
verschiedenen Elementen des Hoferpatentes ein einziges neu ist, nämlich der
Verzicht auf irgendwelche seitliche Verbindung der einzelnen Holzstücke
untereinander. Alle übrigen Elemente waren bereits bekannt. Zum Teil war dies
schon seit langem der Fall, wie die möglichst enge Aneinanderreihung der
einzelnen Holzstücke und das Aufkleben des Parketts auf die Unterlage
vermittels einer Bitumenemulsion; zum Teil wurden die Elemente aus dem
Noëlpatent herübergenommen, so die Verwendung von Holzstücken kleinen
Ausmasses, der Verzicht auf eine seitliche Verbindung der Parketteile durch
Nut und Feder, und schliesslich die Verlegung unter Aufkleben auf ein Papier.
Nach der Behauptung der Kläger soll aber die Kombination dieser verschiedenen
bekannten Elemente unter sich und mit dem einen neuen Element neu und
patentwürdig sein. Es wird mit andern Worten das Vorliegen eines
Kombinationspatentes behauptet.
Der Begriff des Kombinationspatentes ist in der Tat im schweizerischen
Patentrecht, ohne im Gesetz besonders erwähnt zu sein, ebenfalls anerkannt.
Der Umstand, dass die sämtlichen Elemente eines Erzeugnisses oder Verfahrens
an sich bereits bekannt waren. schliesst das Vorliegen

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einer Erfindung nicht aus. Dagegen darf sich die neue Kombination nicht auf
eine blosse Aneinanderreihung der verschiedenen bereits bekannten Elemente
beschränken. Damit eine Kombination im Rechtssinne vorliegt, ist vielmehr
erforderlich, dass durch die Zusammenfassung der an sich bekannten Elemente
ein neuer technischer Effekt bewirkt wird. Es muss ein Zusammenwirken der
einzelnen Elemente zur Erreichung eines einheitlichen technischen Zweckes
stattfinden in der Weise, dass von einer Funktionsverschmelzung der Elemente
gesprochen werden kann (BGE 58 II 61, 274; 57 II 229).
Diesen Anforderungen genügt die Kombination, welche Gegenstand des
Hoferpatentes bildet. Diese vereinigt in der Tat die Vorteile der bisher
bekannten Konstruktionen auf sich unter gleichzeitiger Vermeidung der ihnen
anhaftenden Nachteile und ergibt auf diese Weise als neuen technischen Effekt
einen Bodenbelag, der qualitativ besonders hoch steht.
5.- Eine Kombination im Rechtssinne liegt daher bei der streitigen Erfindung
tatsächlich vor. Dies genügt jedoch noch nicht. Es muss in formeller Hinsicht
überdies im Patentanspruch zum Ausdruck kommen, dass es die Kombination ist,
für die der Erfindungsschutz beansprucht wird. Nicht notwendig ist dagegen,
dass der Ausdruck «Kombination» im Patentanspruch gebraucht wird. Es genügt
vielmehr nach der Rechtsprechung, wenn der Fachmann aus den angeführten
Merkmalen zu entnehmen vermag, dass die Erfindung in einer Kombination besteht
und dass der Schutz für diese beansprucht wird. Dabei kann nach allgemeinen
Grundsätzen zur Auslegung - nicht dagegen auch zur Ergänzung - des
Patentanspruches auch die Patentbeschreibung herangezogen werden (BGE 58 II
63
, 57 II 230).
Diesem Erfordernis ist im vorliegenden Fall genügt. Die einzelnen Elemente der
Erfindung, nämlich die Verwendung von Holzstücken kleinen Ausmasses
(«Holzstücke in zur Verwirklichung einer Kleinstückverlegearbeit

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geeigneter Form und Grösse»), die fugenlose Aneinanderreihung derselben, das
Aufkleben nur mit der Unterseite unter Verzicht auf seitliche Verbindung und
die Verwendung eines säurefreien Bindemittels, sind alle im Patentanspruch
genannt und der Fachmann erkennt, zumal wenn er die Patentbeschreibung zur
Auslegung des Anspruchs mit heranzieht, dass durch das Zusammenwirken dieser
verschiedenen Elemente ein bestimmter Erfolg erzielt werden soll, nämlich die
Erreichung einer Parkettkonstruktion, welche die in der Patentbeschreibung
genannten Mängel des Noëlparketts nicht aufweist.
6.- Nicht jede Kombination im Rechtssinne bedeutet ohne weiteres eine
schutzfähige Erfindung. Die Vereinigung der verschiedenen Elemente, aus denen
sich die Kombination zusammensetzt, muss vielmehr auf einer schöpferischen
Idee beruhen, einen technischen Fortschritt darstellen und als Kombination neu
sein (BGE 58 II 61, 43 II 112).
a) Das Vorliegen der Neuheit haben die Berufungskläger an der heutigen
Verhandlung nicht mehr ernstlich bestritten. Mit Recht; denn angesichts der
tatsächlichen und daher für das Bundesgericht verbindlichen Feststellung der
Vorinstanz, es fehle ein Beweis dafür und es werde ein solcher nicht einmal
angetragen, dass das Hoferparkett mit sämtlichen Elementen der
Gesamtkombination bekannt gewesen sei - was allein den Einwand der
Nichtneuheit zu begründen vermöchte - ergibt sich in rechtlicher Hinsicht
zwangsläufig die Bejahung der Neuheit.
b) Auch die Erfindungshöhe, die von den Berufungsklägern in Abrede gestellt
wird, ist zu bejahen. Zwar ist es an sich richtig, dass es Noël war, der als
erster auf die Idee verfiel, auf die seitliche Verbindung der Parketteile
durch Nut und Feder zu verzichten, um sich die Vorteile zu Nutze zu machen,
die die Verwendung nur kleiner Holzstücke in sich barg. Allein wegen der oben
geschilderten andern Nachteile, die dem Noëlparkett anhafteten, war ihm
offenbar in der Praxis ein Erfolg von

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nennenswertem Ausmasse versagt. Eine befriedigende, praktisch verwertbare
Lösung ergab sich erst auf Grund der Idee Hofers, auf die seitliche Verbindung
überhaupt zu verzichten, was gestattete, die einzelnen Parketteile wie bei den
früher gebräuchlichen Konstruktionen unmittelbar aneinander zu reiben. Aus dem
Expertengutachten, auf das die Vorinstanz abgestellt hat, und insbesondere aus
den mündlichen Ergänzungen, die der Experte Amsler an der Verhandlung vor der
Vorinstanz dazu gab, ist zu entnehmen, dass diese Massnahme durchaus nicht
derart nahe lag, dass jeder gutausgebildete Fachmann, der sich mit dem Problem
befasste, ebenfalls darauf verfallen wäre. Der Experte Amsler erklärte
vielmehr ausdrücklich, es sei «eine kühne Tat» Hofers gewesen, und es habe
«Überwindung gekostet», die Hölzchen ohne seitliche Verbindung aneinander zu
reihen. Danach bedurfte es wirklich eines originellen Gedankens, einmal die
Stichhaltigkeit der bisher als Axiom betrachteten Auffassung zu überprüfen,
dass eine seitliche Verbindung der Hölzchen unbedingt erforderlich sei. Im
Wagemut, in dieser Weise einen eigenen Weg zu gehen und die praktische
Durchführbarkeit einer Idee zu erproben, die auf Grund der herrschenden
Ansichten als von vorneherein aussichtslos gelten musste, liegt aber eine
schöpferische Tätigkeit, die den Erfindungscharakter kennzeichnet. Dass die
von Hofer gefundene Kombination keineswegs nahelag, wird wohl am besten durch
die Tatsache bestätigt, dass es volle 10 Jahre dauerte, nämlich von 1926 bis
1936, ehe jemand auf die Idee verfiel, durch den Verzicht auf jede seitliche
Verbindung die Mängel des Noëlparketts auszuschalten, ohne deswegen auch
dessen Hauptvorzug - die Parketteile von kleiner Dimension - preisgeben zu
müssen.
c) Endlich wird auch das Vorliegen eines technischen Fortschrittes von den
Berufungsklägern zu Unrecht bestritten. Wie unter Bezugnahme auf die
Feststellungen der Experten bereits festgestellt worden ist, weist das
Hoferparkett gegenüber demjenigen nach dem Noëlpatent

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erhebliche Vorzüge auf, indem es durch die Unterdrückung der mit der
Bindemasse ausgefüllten Fugen die Gefahr der Spalten- und Rissbildung
beseitigte, ohne dass deswegen auf die Verwendung der die grösste
Raumbeständigkeit gewährleistenden Kleinholzstücke verzichtet werden muss.
Schon dieser Umstand allein, der die Herstellung eines Parketts von besonders
hochstehender Qualität ermöglicht, stellte einen klar erkennbaren technischen
Fortschritt dar, der auf dem Gebiete der Parkettkonstruktion von bedeutender
Tragweite war und darum den Anforderungen genügt, die bezüglich des
technischen Fortschrittes für die Patentwürdigkeit gestellt werden müssen.
Einen technischen Fortschritt bedeutet die Konstruktion nach dem Hoferpatent
aber auch aus dem weiteren Grunde, dass nach den Feststellungen der Vorinstanz
die Arbeit des Verlegens erheblich einfacher ist als beim Noëlpatent, darum
rascher vor sich geht und infolgedessen billiger zu stehen kommt.
Endlich lässt die Tatsache, dass nach den Feststellungen des Experten Weideli
Böden nach dem Hoferparkett in grosser Zahl hergestellt werden, das Vorliegen
eines technischen Fortschrittes als unzweifelhaft gegeben erscheinen; denn die
Durchsetzung einer Erfindung in der Praxis ist sozusagen immer ein schlüssiger
Beweis dafür, dass sie einen technischen Fortschritt in sich schliesst.