S. 165 / Nr. 39 Zollgesetz (d)

BGE 68 IV 165

39. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. Dezember 1942 i. S.
Bundesanwaltschaft gegen Suter.

Regeste:
Art. 77 Abs. 4
SR 631.0 Zollgesetz vom 18. März 2005 (ZG)
ZG Art. 77 Inhalt und Form - 1 Durch die Zollbürgschaft als Solidarbürgschaft können sichergestellt werden:
1    Durch die Zollbürgschaft als Solidarbürgschaft können sichergestellt werden:
a  eine bestimmte Zollforderung (Einzelbürgschaft); oder
b  alle Zollforderungen gegenüber der Zollschuldnerin oder dem Zollschuldner (Generalbürgschaft).
2    Die Bürgschaft ist auf amtlichem Formular zu errichten; darin ist namentlich der Höchstbetrag der Haftung einzutragen.
ZG.
1. Vom Vorwurf der Fahrlässigkeit entlastet ist nicht nur, wer alles getan
hat, was das Gesetz objektiv von ihm verlangt, sondern auch, wer in seiner
Person liegende Entschuldigungsgründe nachweist.
2. Auch wer bloss als Beauftragter zollmeldepflichtig ist, hat sich zu
vergewissern, was er über die Zollgrenze schafft, und darf sich nicht auf die
Angaben des Auftraggebers verlassen.

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Art. 77 al. 4 loi sur les douanes.
1. Echappe au reproche de négligence non seulement celui qui a fait tout ce
que la loi réclamait objectivement de lui, mais encore celui qui établit
l'existence en sa personne de causes d'exculpation.
2. Celui-là même qui n'est tenu de faire une déclaration que comme mandataire
doit s'assurer de ce qu'il transporte au delà de la frontière, et ne doit pas
s'en remettre aux indications de son mandant.
Art. 77 cp. 4 LDog.
1. Sfugge all'addebito di negligenza non soltanto obi ha fatto tutto quanto la
logge esigeva da lui, ma anche chi prova l'esistenza nella sua persona di
motivi di discolpa.
2. Anche chi è tenuto a fare una dichiarazione doganale soltanto come
mandatario deve accertarsi di ciò che trasporta oltre la frontiera e non può
rimettersi semplicemente alle indicazioni del suo mandante.

Tatbestand:
A. ­ Camionneur Albert Suter meldete am 16. Dezember 1941 beim Strassenzollamt
Riehen gebrauchtes Übersiedelungsgut, welches er im Auftrag von Annelise Merz
aus der Schweiz ausführen wollte, zur Zollabfertigung an. In einem
verschlossenen Korb, zu welchem er den Schlüssel nicht besass, befanden sich
verschiedene Waren, deren Ausfuhr gemäss Verfügung des eidgenössischen
Volkswirtschaftsdepartements vom 22. September 1939 verboten ist und auf
welche sich die von Annelise Merz für das andere Gut erwirkte
Ausfuhrbewilligung nicht erstreckte. Die Ausfuhrbewilligung galt auch nicht
für verschiedene neue Gebrauchsgegenstände, welche sich unter den anderen
Sachen befanden. In der an Ort und Stelle ausgefüllten und a per Frl. Merz A.
Suter» unterzeichneten Ausfuhrdeklaration verwies Suter auf das von seiner
Auftraggeberin erhaltene und von ihm vorgelegte Verzeichnis, welches die nicht
zur Ausfuhr freigegebenen Waren und Gegenstände nicht enthielt. Diese Sachen
kamen bei der sofort vorgenommenen Revision zum Vorschein. Der Korb, der
solche enthielt, wurde gewaltsam geöffnet.
B. ­ Gegen die Strafverfügung der Zollkreisdirektion Basel, welche ihm in
Anwendung von Art. 76 Ziff. 2 und Art. 77 des BG vom 1. Oktober 1926 über das
Zollwesen

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eine Busse von Fr. 221.80 auferlegte, erhob Albert Suter Einspruch. Das
Polizeigericht und das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt sprachen
ihn frei, das Appellationsgericht am 15. September 1942 mit der Begründung,
objektiv liege zwar Bannbruch vor, doch habe der Angeschuldigte im Sinne des
Art. 77 Abs. 4
SR 631.0 Zollgesetz vom 18. März 2005 (ZG)
ZG Art. 77 Inhalt und Form - 1 Durch die Zollbürgschaft als Solidarbürgschaft können sichergestellt werden:
1    Durch die Zollbürgschaft als Solidarbürgschaft können sichergestellt werden:
a  eine bestimmte Zollforderung (Einzelbürgschaft); oder
b  alle Zollforderungen gegenüber der Zollschuldnerin oder dem Zollschuldner (Generalbürgschaft).
2    Die Bürgschaft ist auf amtlichem Formular zu errichten; darin ist namentlich der Höchstbetrag der Haftung einzutragen.
ZG bewiesen, dass ihn kein Verschulden treffe. Das Gericht nahm
an, es seien keine Anzeichen vorhanden, wonach der Angeschuldigte bösgläubig
gewesen sei und somit vorsätzlich gehandelt habe. Auch gegenüber dem Vorwurf
der Fahrlässigkeit habe er sich nicht ins Ungewisse verteidigen müssen,
sondern habe bloss die gegen ihn erhobenen konkreten Vor halte zu entkräften
brauchen und habe es auch getan. Der Vorwurf, er hätte sich entweder
überzeugen sollen, ob der Inhalt des Gepäcks mit seiner Deklaration
übereinstimme, oder dann hätte er die Abgabe der Deklaration ablehnen sollen,
sei nicht gerechtfertigt. Er habe nämlich annehmen dürfen, es treffe ihn keine
Verantwortung, wenn er auf das ohne sein Zutun entstandene Verzeichnis seiner
Auftraggeberin verweise in einem Zeitpunkt, da sich der Zollbeamte zur
Überprüfung des bereits geöffneten Gepäcks anschickte. Seine Deklaration habe
ja erkennbar nicht auf eigenem Wissen beruht, daher habe er annehmen dürfen,
nicht sie, sondern das ihr zugrunde liegende, von seiner Auftraggeberin
aufgestellte Verzeichnis gelte als massgebende Urkunde. Hätte er erkannt, dass
ihn seine Unterschrift haftbar mache, so hätte er die Deklaration nicht
ausgestellt. Die Verkennung der Sachlage durch den Angeschuldigten sei
entschuldbar.
C. ­ Mit rechtzeitiger Nichtigkeitsbeschwerde beantragte der Bundesanwalt
Aufhebung dieses Urteils und Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu neuer
Entscheidung. Er war der Auffassung, das angefochtene Urteil verletze Art. 77
Abs. 4
SR 631.0 Zollgesetz vom 18. März 2005 (ZG)
ZG Art. 77 Inhalt und Form - 1 Durch die Zollbürgschaft als Solidarbürgschaft können sichergestellt werden:
1    Durch die Zollbürgschaft als Solidarbürgschaft können sichergestellt werden:
a  eine bestimmte Zollforderung (Einzelbürgschaft); oder
b  alle Zollforderungen gegenüber der Zollschuldnerin oder dem Zollschuldner (Generalbürgschaft).
2    Die Bürgschaft ist auf amtlichem Formular zu errichten; darin ist namentlich der Höchstbetrag der Haftung einzutragen.
ZG. Der Zollmeldepflichtige habe alle Sorgfalt anzuwenden. Die
Sorgfaltspflicht bestimme sich nach objektivem Massstab und werde nicht durch
persönliche Umstände abgeschwächt. Die Vorinstanz hätte

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es bei der Erwägung bewenden lassen sollen, dass Suter wenigstens die Abgabe
einer eigenen Deklaration hätte ablehnen sollen.
D. ­ Der Beschwerdebeklagte schloss auf Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.
Der Kassationshof hiess sie gut.
Aus den Erwägungen:
1. ­ Da dem Beschwerdebeklagten nicht vorgeworfen wird, er habe den Inhalt der
Gepäckstücke gekannt, kann er den Bannbruch höchstens fahrlässig begangen
haben. Dass auch Fahrlässigkeit strafbar ist, ergibt sich aus Art. 77 Abs. 4
SR 631.0 Zollgesetz vom 18. März 2005 (ZG)
ZG Art. 77 Inhalt und Form - 1 Durch die Zollbürgschaft als Solidarbürgschaft können sichergestellt werden:
1    Durch die Zollbürgschaft als Solidarbürgschaft können sichergestellt werden:
a  eine bestimmte Zollforderung (Einzelbürgschaft); oder
b  alle Zollforderungen gegenüber der Zollschuldnerin oder dem Zollschuldner (Generalbürgschaft).
2    Die Bürgschaft ist auf amtlichem Formular zu errichten; darin ist namentlich der Höchstbetrag der Haftung einzutragen.

ZG, wonach von der Strafe befreit wird, wer nachweist, «dass ihn kein
Verschulden trifft und namentlich dass er alle Sorgfalt angewendet hat, um die
Vorschriften zu befolgen».
Vom Vorwurf der Fahrlässigkeit entlastet ist nicht nur, wer alles getan hat,
was das Gesetz objektiv von ihm verlangt, sondern auch, wer in seiner Person
liegende Entschuldigungsgründe nachweist. Andernfalls wäre der Bannbruch
Formaldelikt, d. h. bloss von objektiven, nicht auch von subjektiven
Voraussetzungen abhängig. Durch Art. 77 Abs. 4
SR 631.0 Zollgesetz vom 18. März 2005 (ZG)
ZG Art. 77 Inhalt und Form - 1 Durch die Zollbürgschaft als Solidarbürgschaft können sichergestellt werden:
1    Durch die Zollbürgschaft als Solidarbürgschaft können sichergestellt werden:
a  eine bestimmte Zollforderung (Einzelbürgschaft); oder
b  alle Zollforderungen gegenüber der Zollschuldnerin oder dem Zollschuldner (Generalbürgschaft).
2    Die Bürgschaft ist auf amtlichem Formular zu errichten; darin ist namentlich der Höchstbetrag der Haftung einzutragen.
ZG wollte man indessen das
Formaldelikt, wie es unter der Herrschaft des alten Zollgesetzes anerkannt
gewesen war, abschaffen, um das Zollstrafrecht in dieser Beziehung der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung anzugleichen. Auch die grammatikalische
Auslegung der erwähnten Bestimmung führt zu diesem Schluss. Wer nachweist,
dass ihn kein Verschulden trifft, ist nicht strafbar. Dieser Nachweis kann
namentlich dahin gehen, dass der Angeschuldigte alle Sorgfalt angewendet habe,
um die Vorschriften zu befolgen. Er kann aber auch auf andere Weise erbracht
werden. Die Anwendung aller Sorgfalt zur Befolgung der Vorschriften ist nur
ein Beispiel, in welchem das Verschulden ausgeschlossen ist.
2. ­ Nach Art. 9
SR 631.0 Zollgesetz vom 18. März 2005 (ZG)
ZG Art. 9 Vorübergehende Verwendung von Waren - 1 Der Bundesrat kann vorsehen, dass ausländische Waren zur vorübergehenden Verwendung im Zollgebiet oder inländische Waren nach vorübergehender Verwendung im Zollausland unter teilweiser oder vollständiger Befreiung von den Einfuhrzollabgaben eingeführt werden können.
1    Der Bundesrat kann vorsehen, dass ausländische Waren zur vorübergehenden Verwendung im Zollgebiet oder inländische Waren nach vorübergehender Verwendung im Zollausland unter teilweiser oder vollständiger Befreiung von den Einfuhrzollabgaben eingeführt werden können.
2    Er regelt die Voraussetzungen für die Zollabgabenbefreiung.
3    Er kann das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung aus wirtschaftlichen oder handelspolitischen Gründen ausschliessen, auf eine bestimmte Dauer beschränken oder von einer Bewilligung abhängig machen.
und 29 Abs. 3
SR 631.0 Zollgesetz vom 18. März 2005 (ZG)
ZG Art. 29 Zuständigkeiten der Zollstellen; Zeit und Ort der Veranlagung - 1 Das BAZG legt für die einzelnen Zollstellen fest:
1    Das BAZG legt für die einzelnen Zollstellen fest:
a  welches seine Zuständigkeiten sind;
b  die Zeiten, zu denen es Veranlagungen vornehmen;
c  den Ort, an dem die Veranlagung stattfindet (Amtsplatz).
2    Es berücksichtigt die nationalen und die regionalen Bedürfnisse und gibt seine Anordnungen auf geeignete Weise bekannt.
3    Die Zollstellen können die Veranlagung auch ausserhalb des Amtsplatzes vornehmen, namentlich am Domizil der Versenderin oder des Versenders oder der Empfängerin oder des Empfängers.
ZG war der Beschwerdebeklagte
zollmeldepflichtig, trotzdem er blosser Beauftragter

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war. Er hatte daher alle Massnahmen zu treffen, welche nach Gesetz und
Verordnung zur Durchführung der Zollkontrolle nötig sind (Art. 29 Abs. 1
SR 631.0 Zollgesetz vom 18. März 2005 (ZG)
ZG Art. 29 Zuständigkeiten der Zollstellen; Zeit und Ort der Veranlagung - 1 Das BAZG legt für die einzelnen Zollstellen fest:
1    Das BAZG legt für die einzelnen Zollstellen fest:
a  welches seine Zuständigkeiten sind;
b  die Zeiten, zu denen es Veranlagungen vornehmen;
c  den Ort, an dem die Veranlagung stattfindet (Amtsplatz).
2    Es berücksichtigt die nationalen und die regionalen Bedürfnisse und gibt seine Anordnungen auf geeignete Weise bekannt.
3    Die Zollstellen können die Veranlagung auch ausserhalb des Amtsplatzes vornehmen, namentlich am Domizil der Versenderin oder des Versenders oder der Empfängerin oder des Empfängers.
ZG),
insbesondere die Zolldeklaration abzugeben (Art. 31
SR 631.0 Zollgesetz vom 18. März 2005 (ZG)
ZG Art. 31 Kontrollen am Domizil - 1 Das BAZG kann ohne Vorankündigung Kontrollen am Domizil von Personen durchführen, die anmeldepflichtig, Zollschuldnerinnen oder Zollschuldner in einem Veranlagungsverfahren sind oder waren oder die nach diesem Gesetz zur Buchführung verpflichtet sind.
1    Das BAZG kann ohne Vorankündigung Kontrollen am Domizil von Personen durchführen, die anmeldepflichtig, Zollschuldnerinnen oder Zollschuldner in einem Veranlagungsverfahren sind oder waren oder die nach diesem Gesetz zur Buchführung verpflichtet sind.
2    Es kann die physische Kontrolle der Art, der Menge und der Beschaffenheit von Waren vornehmen, alle erforderlichen Auskünfte verlangen sowie Daten und Dokumente, Systeme und Informationen überprüfen, die für den Vollzug dieses Gesetzes von Bedeutung sein können.
3    Das Kontrollrecht endet fünf Jahre nach der Wareneinfuhr. Vorbehalten bleibt die Eröffnung einer Strafuntersuchung.
ZG). Um dieser
Verpflichtung nachkommen zu können, musste er sich über den Inhalt der
Gepäckstücke vergewissern, selbst dann, wenn ihm seine Auftraggeberin hierüber
bestimmte Angaben gemacht hatte. Dass der Zollmeldepflichtige auch in einem
solchen Fall nicht einfach auf fremde Angaben abstellen darf, geht aus Art. 32
SR 631.0 Zollgesetz vom 18. März 2005 (ZG)
ZG Art. 32 Summarische Prüfung - 1 Die Zollstelle kann umfassend oder stichprobenweise prüfen, ob die Zollanmeldung formell richtig und vollständig ist und ob die erforderlichen Begleitdokumente vorliegen.
1    Die Zollstelle kann umfassend oder stichprobenweise prüfen, ob die Zollanmeldung formell richtig und vollständig ist und ob die erforderlichen Begleitdokumente vorliegen.
2    Trifft dies nicht zu, so weist sie die Zollanmeldung zur Berichtigung oder zur Ergänzung zurück. Stellt sie offensichtliche Fehler fest, so berichtigt sie diese im Einvernehmen mit der anmeldepflichtigen Person.
3    Hat die Zollstelle einen vorhandenen Mangel nicht festgestellt und die Zollanmeldung nicht zurückgewiesen, so kann die anmeldepflichtige Person daraus keine Rechte ableiten.
4    Die Zollstelle weist Waren, die weder ins Zollgebiet verbracht noch ein-, aus- oder durchgeführt werden dürfen, die aber ordnungsgemäss zur Zollveranlagung angemeldet werden, zurück, sofern die Waren nicht zu vernichten sind.

ZG hervor, welcher ihm das Recht einräumt, die unter Zollkontrolle gestellte
Ware vor der Abfertigung zu untersuchen. Damit soll dem Zollmeldepflichtigen,
welcher die Ware nicht kennt, z. B. weil er sie bereits verpackt übernommen
hat, Gelegenheit gegeben werden, die nötigen eigenen Feststellungen zu machen
und die Angaben des Auftraggebers zu überprüfen.