S. 1 / Nr. 1 Strafgesetzbuch (d)

BGE 68 IV 1

1. Entscheid der Anklagekammer vom 17. März 1942 i.S. Wenzin gegen Tribunal
d'accusation du canton de Vaud.


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Regeste:
Intertemporales Recht und Gerichtsstand.
Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, die alle oder zum Teil vor
Inkrafttreten des StGB verübt worden sind.
1. Lex mitior, Art. 2 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 2 - 1 Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
1    Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
2    Hat der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für ihn das mildere ist.
StGB. Das StrGB ist in Anbetracht der nach Art.
68 auszufällenden Gesamtstrafe regelmässig das mildere Recht, jedenfalls wenn
die Handlungen in verschiedenen Kantonen verübt worden sind. Erw. 1.
2. Für den Gerichtsstand kommen daher in einem solchen Falle Art. 350
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
und 351
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.

StGB (Art. 263 und 264 BStrP) zur Anwendung. Erw. 2.
3. Bestimmung des zuständigen Kantons durch die Anklagekammer des
Bundesgerichtes auf Gesuch des Beschuldigten. Erw. 3.
4. Der Ort, wo die Untersuchung zuerst angehoben wird, Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.

StGB. Erw. 4.
5. Die Voraussetzungen, unter denen die Anklagekammer die Zuständigkeit anders
bestimmen kann, Art. 263 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 263 - 1 Wer infolge selbstverschuldeter Trunkenheit oder Betäubung unzurechnungsfähig ist und in diesem Zustand eine als Verbrechen oder Vergehen bedrohte Tat verübt, wird mit Geldstrafe bestraft.335
1    Wer infolge selbstverschuldeter Trunkenheit oder Betäubung unzurechnungsfähig ist und in diesem Zustand eine als Verbrechen oder Vergehen bedrohte Tat verübt, wird mit Geldstrafe bestraft.335
2    Hat der Täter in diesem selbstverschuldeten Zustand ein mit Freiheitsstrafe als einzige Strafe bedrohtes Verbrechen begangen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.336
(wie auch Art. 262 Abs. 3
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 262 - 1. Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt,
1    Wer die Ruhestätte eines Toten in roher Weise verunehrt,
2    Wer einen Leichnam oder Teile eines Leichnams oder die Asche eines Toten wider den Willen des Berechtigten wegnimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
) StGB. Erw. 5.
Droit transitoire. For.
Concours d'infractions commises toutes ou une partie d'entre elles avant
l'entrée en vigueur du code pénal suisse.
1. Loi la plus favorable à l'inculpé. Art. 2, al. 2 CP. Le code pénal est vu
la peine globale prescrite à l'art. 68, en règle générale la loi la plus
favorable; il en est en tout cas ainsi lorsque les infractions ont été
commises dans plusieurs cantons. (Consid. 1.)
2. En pareils cas, le for est déterminé par les art. 350 et 351 CP auxquels
correspondent les art. 263 et 264 PPF. (Consid. 2.)
3. Désignation du canton compétent par la Chambre d'accusation du Tribunal
fédéral à la requête de l'inculpé. (Consid. 3.)
4. Définition du lieu de la première poursuite. Art. 350 ch. 1, al. 2 CP.
(Consid. 4.)
5. Cas dans lequel la Chambre d'accusation peut déroger aux règles légales sur
le for. Art. 263 al. 3 CP (et aussi 262 al. 3). (Consid. 5.)
Diritto transitorio. Foro.
Concorso di reati commessi tutti o in parte prima dell'entrata in vigore del
codice penale svizzero.
1. l. Legge più favorevole all'imputato. Art. 2 cp. 2 CP. Il codice penale è
di regola, data la pena globale prevista dall'art. 68 la legge più favorevole,
cosi è, comunque, quando i reati sono stati commessi in parecchi cantoni.
(Consid. 1.)

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2. In tale caso il foro è determinato dagli art. 350 e 351 CP, ai quali
corrispondono gli art. 263 e 264 PPF. (Consid. 2.)
3. Designazione del cantone competente da parte della Camera d'accusa del
Tribunale federale su domanda dell'imputato. (Consid. 3.)
4. Definizione del luogo in cui fu compiuto il primo atto d'istruzione. Art.
350, cifra 1, cp. 2 CP. (Consid. 4.)
5. Casi in cui la Camera d'accusa del Tribunale federale può derogare alle
norme sul foro, art. 263 cp. 3 come pure art. 262 cp. 3 PPF. (Consid. 5.)

A. - Georges Wenzin, von Disentis, hat in den Monaten September, Oktober und
November 1941 in den Kantonen Aargau, Bern, Freiburg, Neuenburg, Solothurn und
Waadt eine grössere Anzahl von Einbruchsdiebstählen begangen, indem er
jeweilen durch das Oberlicht in Läden und Magazine einstieg. Es fielen ihm
Waren und Geld in verschiedenen Mengen und Beträgen in die Hände.
Den ersten dieser Diebstähle beging er in der Nacht vom 18. auf den 19.
September in Baden. Die Fahndung wurde von der aargauischen Kantonspolizei am
19. September aufgenommen.
Am 4. November wurde Wenzin in Lausanne, wo er weitere Einbrüche begangen
hatte, verhaftet.
B. - Durch Verfügung vom 17. November 1941 überwies der Juge informateur von
Lausanne die Strafsachen Wenzin dem Tribunal de police du district de Lausanne
zur Beurteilung. Das Tribunal d'accusation du Tribunal cantonal der Waadt hob
diese Verfügung am 3. Februar 1942 auf und ordnete gestützt auf Art. 350 des
schweizerischen Strafgesetzbuches die Überweisung an die Behörden des Kantons
Aargau an, wo Wenzin die mit der schwersten Strafe bedrohte Tat verübt habe
und wo die Untersuchung zuerst angehoben worden sei.
C. - Wenzin erhob durch Eingabe vom 9. Februar an den Präsidenten der Cour de
cassation des Kantons Waadt Einspruch gegen die Überweisung an den Kanton
Aargau und verlangte Beurteilung im Kanton Waadt oder Kanton Graubünden. Für
Graubünden berief er sich darauf, dass er dort wegen Vergehen gesucht werde,
die er vor denjenigen im Kanton Aargau begangen habe.

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Der Procureur général des Kantons Waadt übermittelte die Eingabe der
Anklagekammer des Bundesgerichtes als der nach seiner Ansicht zur Behandlung
zuständigen Behörde.
D. - Eine Anfrage des Präsidenten der Anklagekammer vom 19. Februar an die
Polizeidirektion des Kantons Graubünden, ob im dortigen Kanton ein Verfahren
gegen Wenzin hängig sei, ist unbeantwortet geblieben.
Die Anklagekammer zieht in Erwägung:
1.- Die strafbaren Handlungen, für die sich Wenzin zu verantworten hat, sind
alle vor dem 1. Januar 1942, also vor dem Inkrafttreten des schweizerischen
Strafgesetzbuches (StGB), begangen worden. Sie würden daher nach Art. 2 Abs. 1
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 2 - 1 Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
1    Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
2    Hat der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für ihn das mildere ist.

StGB an sich noch dem alten, kantonalen Strafrecht unterstehen. Art. 2 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 2 - 1 Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
1    Nach diesem Gesetze wird beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder Vergehen begeht.
2    Hat der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für ihn das mildere ist.

bestimmt aber, dass Verbrechen und Vergehen, die vor dem Inkrafttreten des
StGB verübt wurden, nach diesem Gesetz zu beurteilen sind, wenn es für den
Täter das mildere ist.
Diese Voraussetzung trifft hier zu. Denn nach Art. 68
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 68 - 1 Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an.
1    Ist die Veröffentlichung eines Strafurteils im öffentlichen Interesse, im Interesse des Verletzten oder des Antragsberechtigten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Kosten des Verurteilten an.
2    Ist die Veröffentlichung eines freisprechenden Urteils oder einer Einstellungsverfügung der Strafverfolgungsbehörde im öffentlichen Interesse, im Interesse des Freigesprochenen oder Entlasteten geboten, so ordnet sie das Gericht auf Staatskosten oder auf Kosten des Anzeigers an.
3    Die Veröffentlichung im Interesse des Verletzten, Antragsberechtigten, Freigesprochenen oder Entlasteten erfolgt nur auf deren Antrag.
4    Das Gericht bestimmt Art und Umfang der Veröffentlichung.
StGB ist in Fällen, wo
jemand mehrere Strafen, sei es Freiheitsstrafen oder Bussen, verwirkt hat,
eine Gesamtstrafe auszufallen, wobei das höchste Mass der für die schwerste
Tat angedrohten Freiheitsstrafe nicht um mehr als die Hälfte erhöht und das
gesetzliche Höchstmass der Strafart nicht überschritten werden darf. Die so
auszufällende Gesamtstrafe ist für den Täter Wenzin auf jeden Fall günstiger
als die Summe der Einzelstrafen, die er bei getrennter Beurteilung der in den
verschiedenen Kantonen begangenen Handlungen zu gewärtigen hätte. Daher hat
schon aus diesen Gründen das neue, eidgenössische Recht Anwendung zu finden.
Ob das StGB für die in Betracht kommenden Handlungen auch einzeln genommen
mildere Strafen vorsieht als die kantonalen Rechte, kann dahingestellt
bleiben.
2.- Über den Gerichtsstand beim Zusammentreffen mehrerer vor dem Inkrafttreten
des StGB begangener

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Handlungen enthält das Gesetz keine ausdrücklichen Bestimmungen. Sind aber die
Handlungen materiell nach Bundesrecht zu beurteilen, so erscheint es gegeben,
dass auch die bundesrechtlichen, im StGB selbst aufgestellten
Gerichtsstandsvorschriften gelten. Diese Folgerung ist beim Zusammentreffen
mehrerer Handlungen umso unausweichlicher, als die kantonalen Rechte die
Gesamtstrafe für eine Mehrheit von Handlungen, die zum Teil in andern Kantonen
begangen worden waren, nicht kannten oder jedenfalls nicht zu kennen brauchten
und deshalb für die Ausfällung solcher Gesamtstrafen bis jetzt durchwegs
überhaupt keine Gerichtsstandsnormen bestanden haben.
Zur Anwendung kommen demnach die Gerichtsstandsvorschriften des Art. 350
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
StGB,
die mit denjenigen des Art. 263 BStrP sachlich übereinstimmen. Das führt ohne
weiteres auch dazu, dass gemäss Art. 351
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
StGB und Art. 264 BStrP bei
interkantonalen Streitigkeiten über den Gerichtsstand die Anklagekammer des
Bundesgerichts den Kanton zu bezeichnen hat, der zur Verfolgung und
Beurteilung berechtigt und verpflichtet ist.
Im gleichen Sinne hat die Anklagekammer heute in einem zwischen dem
Untersuchungsrichteramt Fraubrunnen und dem Statthalteramt Luzern-Land
streitigen Falle entschieden, wo die strafbaren Handlungen teils vor, teils
nach Inkrafttreten des StGB verübt worden waren.
3.- Nach der Praxis zu Art. 264 BStrP kann die Entscheidung der Anklagekammer
auch von den Parteien, also namentlich auch vom Beschuldigten angerufen
werden, und zwar selbst dann, wenn unter den Behörden der beteiligten Kantone
der Gerichtsstand nicht streitig ist, wenn also weder ein positiver noch ein
negativer Kompetenzkonflikt vorliegt (BGE 67 I 151 / 52). Dem steht beim
Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen Art. 350 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
StGB nicht
entgegen, wonach derjenige, der vorschriftswidrig von mehreren Gerichten zu
mehreren Freiheitsstrafen verurteilt worden ist, nachträglich noch

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die Möglichkeit hat, die Ausfällung einer Gesamtstrafe zu verlangen. Wenn das
Gesetz von vorneherein eine Gesamtstrafe und dementsprechend einen bestimmten
einzigen Gerichtsstand vorsieht, soll sich der Beschuldigte auch von Anfang an
darauf berufen können; er soll insbesondere nicht zunächst alle
Einzelverfahren in den verschiedenen Kantonen über sich ergehen lassen müssen,
um erst nachher das Recht auf eine Gesamtstrafe geltend zu machen. Das würde
sich mit den Erfordernissen einer rationellen Strafrechtspflege
schlechterdings nicht vertragen. Art. 350 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
StGB behält daneben immer
noch seine Bedeutung, einmal dann, wenn die Vorschrift über das
Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen missachtet worden ist, ohne
dass der Beschuldigte Einspruch erhoben hätte, und weiterhin in denjenigen
Fällen, wo alle Handlungen in einem und demselben Kanton verübt worden sind,
wo also eine Entscheidung der Anklagekammer des Bundesgerichtes gemäss Art.
351
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 351 - 1 Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
1    Das Bundesamt für Polizei vermittelt kriminalpolizeiliche Informationen zur Verfolgung von Straftaten und zur Vollstreckung von Strafen und Massnahmen.
2    Es kann kriminalpolizeiliche Informationen zur Verhütung von Straftaten übermitteln, wenn auf Grund konkreter Umstände mit der grossen Wahrscheinlichkeit eines Verbrechens oder Vergehens zu rechnen ist.
3    Es kann Informationen zur Suche nach Vermissten und zur Identifizierung von Unbekannten vermitteln.
4    Zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten kann das Bundesamt für Polizei von Privaten Informationen entgegennehmen und Private orientieren, wenn dies im Interesse der betroffenen Personen ist und deren Zustimmung vorliegt oder nach den Umständen vorausgesetzt werden kann.
StGB und Art. 264 BStrP gar nicht herbeigeführt werden kann.
Auf das Gesuch des Wenzin ist demgemäss einzutreten.
4.- Mangels gegenteiliger Auskunft der Polizeidirektion des Kantons Graubünden
muss angenommen werden, dass dort keine Strafverfolgung gegen Wenzin hängig
ist. Wie aus einem nachträglichen Berichte des Procureur général hervorgeht,
hat Wenzin auch behauptet, im Kanton Waadt neben den in der Voruntersuchung
festgestellten Einbruchsdiebstählen noch weitere begangen zu haben,
Behauptungen, die sich durch die polizeilichen Erhebungen als unwahr
herausgestellt haben und einzig zu dem Zwecke erfolgt sind, die von Wenzin
offenbar gefürchtete aargauische Gerichtsbarkeit auszuschalten. Ähnlich dürfte
es sich mit den angeblichen Delikten verhalten, die er in seinem Heimatkanton
Graubünden begangen haben will.
Es ist daher lediglich auf die strafbaren Handlungen abzustellen, deren Wenzin
in den Kantonen Aargau, Bern, Freiburg, Neuenburg, Solothurn und Waadt

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beschuldigt wird. Es handelt sich überall um Einbruchdiebstähle, die nach Art.
137
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 137 - 1. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
1    Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird, wenn nicht die besonderen Voraussetzungen der Artikel 138-140 zutreffen, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
2    Hat der Täter die Sache gefunden oder ist sie ihm ohne seinen Willen zugekommen,
StGB zu beurteilen sind und damit ohne Ausnahme unter der gleichen
Strafandrohung stehen. Zuständig sind daher nach Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
StGB
die Behörden des Kantons, in dem die Untersuchung zuerst angehoben wurde. Das
ist der Kanton Aargau; dort hat Wenzin den ersten der in Betracht kommenden
Diebstähle begangen, und dort ist, unmittelbar nach dem Diebstahl, die
Untersuchung auch zuerst aufgenommen worden. Dass sie anfänglich gegen einen
unbekannten Täter geführt wurde, ist ohne Bedeutung. Die Untersuchung ist im
Sinne von Art. 350 Ziff. 1 Abs. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
StGB dort zuerst angehoben, wo zeitlich
zuerst irgendwelche Ermittlungshandlung vorgenommen wird, sei es gegen den
schon bekannten oder einen noch unbekannten Täter. Auch kommt nichts darauf
an, von welchen amtlichen Organen die Massnahmen ausgehen, ob von der
gerichtlichen Polizei oder von der Untersuchungsbehörde, und ob demgemäss die
Untersuchung im Sinne des kantonalen Strafprozessrechtes bereits als angehoben
zu gelten hat oder nicht; die Anwendung der bundesrechtlichen
Gerichtsstandsvorschrift muss ihrem Wesen nach eine einheitliche sein, weshalb
nicht auf die von Kanton zu Kanton bestehenden Verschiedenheiten in der
Organisation und dem Verfahren der Strafverfolgung Rücksicht genommen werden
kann. Und schliesslich ginge es auch nicht an, den Begriff der Untersuchung
nach Art. 350 Ziff. 2
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
StGB auf diejenigen Massnahmen einzuschränken, durch
welche die Verjährung unterbrochen wird; eine solche Auslegung würde weder im
Wortlaut noch im Zweck der Bestimmung irgendwelche Stütze finden.
5.- Die vorliegenden Strafsachen sind daher den Behörden des Kantons Aargau zu
überweisen. Eine Veranlassung, die Zuständigkeit gestützt auf Art. 263 Abs. 3
BStrP (abgeändert durch Art. 399 lit. e
SR 311.0 Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937
StGB Art. 350 - 1 Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
1    Das Bundesamt für Polizei nimmt die Aufgaben eines Nationalen Zentralbüros im Sinne der Statuten der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL) wahr.
2    Es ist zuständig für die Informationsvermittlung zwischen den Strafverfolgungsbehörden von Bund und Kantonen einerseits sowie den Nationalen Zentralbüros anderer Staaten und dem Generalsekretariat von INTERPOL andererseits.
StGB) anders zu bestimmen, besteht
nicht. Die Anklagekammer hat in erster Linie nach den im Gesetze selber
aufgestellten

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Grundsätzen zu entscheiden und soll nur in ausserordentlichen Fällen, wenn die
Anwendung dieser Grundsätze zu besondern prozessualen Schwierigkeiten führen
würde, davon abweichen (vgl. hiezu namentlich die Entstehungsgeschichte des
Art. 263 Abs. 3 sowie des gleichlautenden Art. 262 Abs. 3; Beratung der
Expertenkommission vom 26. August 1927, S. 2, Votum Stämpfli; Botschaft des
Bundesrates vom 10. September 1929, S. 60/ 61; Sten. Bulletin des
Nationalrates 1932, S. 3, Votum des franz. Berichterstatters Rais).Von
besondern prozessualen Schwierigkeiten kann aber hier bei Überweisung an die
Behörden des Kantons Aargau nicht die Rede sein; sie sind jedenfalls auch in
sprachlicher Hinsicht nicht grösser, als wenn das Verfahren im Kanton Waadt
durchzuführen wäre.
Demnach erkennt die Anklagekammer:
1.- Zur Verfolgung und Beurteilung der vorliegenden Strafsachen werden die
Behörden des Kantons Aargau berechtigt und verpflichtet erklärt.
2.- Die Akten werden der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau überwiesen.