S. 203 / Nr. 35 Registersachen (d)
BGE 68 I 203
35. Urteil der I. Zivilabteilung vom 9. Dezember 1942 i. S. De Nederland'sche
Vatenfabrieken N.V. gegen Eidgen. Amt für geistiges Eigentum.
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Regeste:
Markenrecht. Schutzunfähigkeit einer internationalen Marke in der Schweiz
wegen Verstosses gegen die guten Sitten (Irreführung des Publikums über das
Ursprungsland der Ware)? Pariser Verbandsübereinkunft Art. 6 B Abs. 1 Ziff. 3,
Madrider Abkommen Art. 5 Abs. 1, BRB dazu vom 29. September 1939, Art. 9,
MSchG Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2.
Marque de commerce. Refus de la protection en Suisse à une marque
internationale parce qu'elle serait contraire aux bonnes moeurs (public induit
en erreur sur le pays d'origine de la marchandise). Convention de Paris, art.
6 B, al. 1, ch. 3; Arrangement de Madrid art. 5, al. 1, ACF du 29 septembre
1939 art. 9, LF sur les marques art. 14, al. 1, ch. 2.
Marchi di commercio. Protezione in Isvizzera rifiutata ad una marca
internazionale contraria ai buoni costumi (pubblico indotto in errore sul
paese d'origine della merce)? Convenzione d'Unione di Parigi, art. 6 B, cp. 1,
cifra 3, Accordo di Madrid art. 5 cp. 1; Decreto del Consiglio federale 29
settembre 1939 art. 9; LF sui marchi di fabbrica e di commercio, art. 14 cp.
1, cifra 2.
Aus dem Tatbestand:
Die Beschwerdeführerin, eine Fabrik in Amsterdam, die Metallpackungen
herstellt, hinterlegte die in Holland für ihre Produkte eingetragene Wortmarke
«Neva» auch beim internationalen Bureau für gewerbliches Eigentum in Bern. Auf
Mitteilung der Hinterlegungsanzeige hin erklärte das eidgen. Amt für geistiges
Eigentum, dass der Marke der Schutz auf dem Gebiete der Schweiz verweigert
werden müsse; denn da Newa der Name eines bekannten russischen Flusses sei,
bestehe die Gefahr einer Täuschung des Publikums über die Herkunft der mit
dieser Marke versehenen Waren; die Marke verstosse daher gegen die guten
Sitten.
Die verwaltungsgerichtliche Beschwerde der
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Markeninhaberin gegen diese Schutzverweigerung wird vom Bundesgericht
gutgeheissen.
Aus den Erwägungen:
2. In der Sache selbst ist davon auszugehen, dass nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichts eine Marke, die zu Täuschungen über die
Herkunft der damit versehenen Ware Anlass geben kann, als gegen die guten
Sitten verstossend zu gelten hat und deshalb gemäss Art. 14 Abs. 1 Ziffer 2
MschG in der Schweiz nicht zur Eintragung zugelassen werden darf (BGE 63 I 92
ff. und dort erwähnte frühere Entscheidungen).
Kann aus diesem Grunde eine Marke in der Schweiz nicht eingetragen werden, so
sind gemäss den internationalen Vereinbarungen die Schweizer Behörden befugt,
einer im internationalen Register eingetragenen Marke auf dem Gebiet der
Schweiz den Schutz zu versagen (Art. 5 Abs. 1 des Madrider Abkommens vom 14.
April 1891 betr. die internationale Eintragung der Fabrik- oder Handelsmarken,
Fassung vom 2. Juni 1934, Art. 6 B Abs. 1 Ziffer 3 der Pariser
Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums vom 20. März 1883,
Fassung vom 2. Juni 1934; BRB vom 29. September 1939 über die Ausführung des
Madrider Abkommens, Art. 9; vgl. im übrigen auch BGE 63 I 92 Erw. 2).
3. Es ist somit zu prüfen, ob die Auffassung des eidgenössischen Amtes
zutreffe, dass die streitige Marke «Neva» geeignet sei, in der Schweiz
irrtümliche Annahmen über die Herkunft der damit versehenen Waren
hervorzurufen.
Die Beschwerdeführerin hält eine Ideenverbindung zwischen der Marke «Neva» und
dem russischen Fluss Newa schon deswegen für ausgeschlossen, weil die beiden
Wörter verschieden geschrieben und dementsprechend verschieden ausgesprochen
werden; denn das V in Neva werde nicht als W, sondern als F ausgesprochen, und
das russische Wort Newa spreche man als Njewa aus.
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Dieser Einwand ist unstichhaltig. Die grosse Masse des schweizerischen
Publikums, auf deren Auffassung es ankommt, hat unter dem Einfluss der ihr am
nächsten liegenden romanischen Sprachen erfahrungsgemäss die Tendenz, das V in
Fremdwörtern oder fremd anmutenden Phantasiebezeichnungen als W auszusprechen,
und anderseits spricht es den Namen des Flusses Newa aus, wie er geschrieben
wird.
Da es auf den bei der breiten Masse erweckten Eindruck ankommt, ist sodann
auch der weitere Einwand der Beschwerdeführerin bedeutungslos, dass für einen
Fachmann auf dem in Frage stehenden Gebiete die Gefahr einer Täuschung über
die Herkunft der Ware nicht zu befürchten sei.
Dagegen kann dem angefochtenen Entscheid darin nicht beigepflichtet werden,
dass beim schweizerischen Publikum überhaupt die Gefahr einer Ideenverbindung
zwischen der Marke Neva und dem Fluss Newa bestehe. Wenn auch zuzugestehen
ist, dass der Fluss Newa zur Zeit in weiteren Kreisen bekannt ist, weil sich
in jener Gegend Kämpfe abspielen, so ist er doch im Gegensatz etwa zu der in
BGE 56 I 469 ff. als unzulässig erklärten Marke «Kremlin» für Maschinenöle
nichtrussischer Provenienz kein allgemein bekanntes Wahrzeichen für etwas
spezifisch Russisches, und ebenso kann nicht gesagt werden, dass Russland
eines der namhaftesten Gebiete sei, in denen Artikel der in Frage stehenden
Art bekanntermassen hergestellt werden, wie dies bezüglich der Gewinnung von
Petroleum als Rohstoff für Maschinenöle im oben genannten Entscheid der Fall
war.
Liegen somit keine hinlänglichen Anhaltspunkte dafür vor, dass aus der Marke
Neva der Schluss gezogen werden könnte, die damit versehene Ware sei
russischer Herkunft, so ist der Marke der Schutz in der Schweiz zu gewähren.