S. 44 / Nr. 13 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 67 III 44

13. Entscheid vom 13. Februar 1941 i. S. Girod.

Regeste:
Grundpfandverwertung, Wirkung des Lastenbereinigungs-Prozesses auf die
Versteigerung, VZG Art. 41:
Ein Prozess über eine Pfandforderung, die dem auf Grundpfandverwertung
betreibenden Gläubiger im Range nachgeht ist weder von Einfluss auf den
Zuschlagspreis, noch berührt er «sonst berechtigte Interessen», die zur
Einstellung der Versteigerung genügen würden.
Réalisation de gages immobiliers. Effet du procès en épuration de l'état des
charges sur la vente. Art. 41 ORI.
Un procès portant sur une créance hypothécaire d'un rang postérieur à celle du
créancier qui requiert la réalisation de l'immeuble n'a pas d'influence sur le
prix d'adjudication et ne touche pas à des «intérêts légitimes» tels qu'il y
ait lieu de surseoir à la vente.
Realizzazione di pegni immobiliari. Effetto che ha sulla vendita il processo
per appurare l'elenco degli oneri. Art. 41 RRF.
Un processo che porti su un credito ipotecario di grado posteriore al credito
del creditore che domanda la realizzazione dell'immobile non influisce sul
prezzo di aggiudicazione e non tocca «interessi legittimi» tali da dover
soprassedere alla vendita.

Gegen die Eigentümerin der Liegenschaft Hauensteinstrasse 136 in Basel, Frau
Jeanne Borer-Girod, ist seit Jahren die vom Gläubiger der 1. Hypothek,
Allgemeiner Consumverein beider Basel, angehobene Betreibung auf
Grundpfandverwertung anhängig. Die auf den 2. Januar 1936 angesetzte zweite
Steigerung wurde sistiert mit Rücksicht auf die Anfechtungsprozesse, die der
Pfändungsgläubiger Etienne Girod gegen die Gläubiger der im 3. Rang stehenden
beiden Maximalhypotheken angestrengt hatte. Nachdem diese Klagen rechtskräftig
gutgeheissen waren, setzte das Betreibungsamt die neue Steigerung auf den 12.
Dezember 1940 fest. Der Rekurrent

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August Girod, der sich inzwischen neben andern Gläubigern der Pfändung
angeschlossen hatte, verlangte aber mit Beschwerde nochmalige Verschiebung der
Steigerung, weil auch er die beiden Sicherungshypotheken im 3. Range in dem
ihm nachträglich zugestellten Lastenverzeichnis anfechten werde und durch eine
Versteigerung des Grundstückes vor Beendigung dieser Prozesse in seinen
Interessen verletzt würde.
Die kantonale Aufsichtsbehörde liess hierauf die Steigerung zwar vorsorglich
widerrufen, erklärte aber, dem Antrag der Grundpfandgläubiger 1. und 2. Ranges
(Rekursgegner) zustimmend, mit Entscheid vom 29. Januar 1941 die Beschwerde
als unbegründet und beauftragte das Betreibungsamt, die Steigerung ohne Verzug
durchzuführen.
Mit seinem Rekurs an das Bundesgericht wiederholt der Beschwerdeführer den
Antrag auf Einstellung der Versteigerung bis zum Austrag der Prozesse.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Gemäss Art. 41
SR 281.42 Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken (VZG)
VZG Art. 41
VZG ist mit Rücksicht auf den Prozess über einen in das
Lastenverzeichnis aufgenommenen Anspruch die Versteigerung bis zum Austrag der
Sache einzustellen, sofern der Streit die Festsetzung des Zuschlagspreises
beeinflusst oder durch die vorherige Steigerung sonst berechtigte Interessen
verletzt würden. Den Zuschlagspreis beeinflusst ein solcher Prozess nur, wenn
er sich auf eine pfandversicherte Forderung bezieht, die dem auf Verwertung
betreibenden Gläubiger im Range vorgeht und demgemäss durch den Zuschlagspreis
gedeckt sein muss (SchKG Art. 141, 142, VZG Art. 53-55, BGE 53 III 135).
Dieses Mindestangebot kann im vorliegenden Falle, wo das Verwertungsbegehren
vom Gläubiger der 1. Hypothek gestellt wurde, nur allfällig dieser Hypothek
vorgehende gesetzliche Pfandrechte umfassen. Vom Streit über Bestand und Höhe
der im 3. Range

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stehenden Pfandrechte wird es in keiner Weise beeinflusst.
Ein Aufschub der Verwertung käme gemäss VZG Art. 41 somit nur in Frage, wenn
durch die sofortige Steigerung sonst berechtigte Interessen verletzt würden.
Damit sind zwar, abgesehen von der dem Schuldner und Pfandeigentümer
gebührenden Rücksichtnahme, auch die Interessen der an der Betreibung auf
Pfandverwertung nicht unmittelbar beteiligten Pfand- und Pfändungsgläubiger
gemeint. Doch ist es, auch ohne das ausdrückliche Erfordernis des
«berechtigten Interesses», selbstverständlich, dass sich die Rücksichtnahme
auf diese Gläubiger in erster Linie nach dem ihnen zustehenden Pfandrechtsrang
zu richten hat. Aus dem Wesen der Rangstellung des Grundpfandgläubigers folgt,
dass er in seiner Pfandverwertungsbetreibung, durch die er sich seinem
gesetzlichen Anspruch gemäss aus dem Erlös des Grundstückes bezahlt machen
will (ZGB Art. 816 Abs. 1), durch keinen im Range nachgehenden Pfand- oder
Pfändungsgläubiger soll gehindert oder verzögert werden können. Streiten sich
ihm nachgehende Gläubiger über Bestand und Umfang ihrer Forderungen und
Pfandrechte, wie es vorliegend der Fall ist, so kann ihr Interesse an der
Einstellung einer vom vorgehenden Gläubiger verlangten Verwertung somit nur
darin liegen, den genauen Betrag der ihnen vorgehenden Hypotheken zu kennen,
um ihr Angebot zwecks Deckung ihrer eigenen Forderung danach einrichten zu
können. Das Bundesgericht hat es von jeher abgelehnt, dies als ein für die
Einstellung der Verwertung genügendes Interesse geltend zu lassen (BGE 42 III
222
).
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer: Der Rekurs wird abgewiesen.