S. 57 / Nr. 16 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 66 III 57

16. Entscheid vom 10. Oktober 1940 i. S. Bähr.


Seite: 57
Regeste:
Arrestprosequierung, Art. 278
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 278 - 1 Wer durch einen Arrest in seinen Rechten betroffen ist, kann innert zehn Tagen, nachdem er von dessen Anordnung Kenntnis erhalten hat, beim Gericht Einsprache erheben.
1    Wer durch einen Arrest in seinen Rechten betroffen ist, kann innert zehn Tagen, nachdem er von dessen Anordnung Kenntnis erhalten hat, beim Gericht Einsprache erheben.
2    Das Gericht gibt den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme und entscheidet ohne Verzug.
3    Der Einspracheentscheid kann mit Beschwerde nach der ZPO482 angefochten werden. Vor der Rechtsmittelinstanz können neue Tatsachen geltend gemacht werden.
4    Einsprache und Beschwerde hemmen die Wirkung des Arrestes nicht.
SchKG.
1. Die Arrestvollziehungs- bezw. ihre Aufsichtsbehörde hat zu befinden, ob der
Arrest gemäss Abs. 4 dahingefallen und die Arrestgegenstände herauszugeben
seien.
2. Zur Arrestprosequierung ist eine Klage im Ausland nur tauglich, wenn im
Arrestkanton Urteile des ausländischen Staates grundsätzlich vollstreckbar
sind, dann hat der Arrest bis zur Erledigung des Exequaturverfahrens in Kraft
zu bleiben. Sind aber im Arrestkanton Urteile des ausländischen Staates von
der Vollstreckung sohlechtweg ausgeschlossen, so wird der Arrest durch die
dortige Klage nicht prosequiert.
Validation du séquestre. Art. 278 LP.
1. L'autorité chargée de l'exécution du séquestre ainsi que l'autorité de
surveillance ont à decider si le séquestre est devenu caduc en vertu de l'art.
278 al. 4 LP et s'il y a lieu à restitution des objets séquestrés.
2. Une action intentée à l'étranger n'est susceptible de valider le séquestre
que si les jugements rendus dans l'Etat en question sont exécutoires en
principe dans le canton où le séquestre a été exécuté. En pareil cas le
séquestre restera en vigueur jusqu'à la fin de la procédure d'exequatur. Dans
le cas contraire, l'action introduite à l'étranger n'a pas pour effet de
valider le séquestre.
Convalida del sequestro (art. 278 LEF).
1. L'autorità cui incombe l'esecuzione del sequestro, come pure l'autorità di
vigilanza debbono decidere se il sequestro è diventato caduco in virtù
dell'art. 278 cp. 4 LEF e se gli oggetti sequestrati vanno restituiti.
2. Un'azione promossa all'estero può convalidare il sequestro soltanto se le
sentenze pronunciate nello stato in questione sono, in massima, esecutive nel
cantone ove il sequestro è stato eseguito. In tale caso il sequestro resterà
in vigore sino a procedura d'exequatur ultimata. In caso contrario, l'azione
promossa all'estero non può convalidare il sequestro.


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A. ­ Am 11. August und 26. September 1939 ­ also vor Erlass des BRB vom 24.
Oktober 1939 betr. Ausländerarrest ­ erwirkte Dr. Maas gegen E. Bähr, beide in
Amsterdam wohnhaft, in St. Gallen zwei Arreste. Gegen die Arrestbetreibung
erhob Bähr Rechtsvorschlag, worauf Dr. Maas rechtzeitig in Amsterdam die
Arrestforderung einklagte. In der Folge verlangte der Arrestschuldner bei der
Aufsichtsbehörde in St. Gallen Aufhebung des Arrestes, weil das holländische
Urteil im Kanton St. Gallen nicht vollstreckbar sein werde, die hängige Klage
infolgedessen als Arrestprosequierungsklage nicht in Betracht falle.
In Abänderung des Entscheides der untern Aufsichtsbehörde hat die obere am 21.
September 1940 die Beschwerde abgewiesen und die die Arreste schützende
Verfügung des Betreibungsamts als zu Recht bestehend erklärt. Sie führt aus,
Art. 50
SR 272 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008 (Zivilprozessordnung, ZPO) - Gerichtsstandsgesetz
ZPO Art. 50 Entscheid - 1 Wird der geltend gemachte Ausstandsgrund bestritten, so entscheidet das Gericht.
1    Wird der geltend gemachte Ausstandsgrund bestritten, so entscheidet das Gericht.
2    Der Entscheid ist mit Beschwerde anfechtbar.
bezw. 89 der st. gallischen ZPO schaffe für Arreststreitigkeiten einen
Sondergerichtsstand des Arrestortes. Im interkantonalen Verhältnis stehe
dieser Bestimmung Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BV entgegen; im internationalen dagegen sei die
Anbringung solcher Klagen am Arrestort zulässig. Damit sei aber die Frage
nicht gelöst, ob der Arrest dahingefallen sei, wenn die Prosequierung in St.
Gallen nicht stattgefunden habe. In BGE 40 III 249 sei auch nicht entschieden,
ob ein vom Kanton als ausschliessliches begründetes forum arresti eine
Prosequierung im Ausland unwirksam machen könne; da dies aber im
interkantonalen Verhältnis zufolge Art. 59
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 59 Militär- und Ersatzdienst - 1 Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
1    Jeder Schweizer ist verpflichtet, Militärdienst zu leisten. Das Gesetz sieht einen zivilen Ersatzdienst vor.
2    Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig.
3    Schweizer, die weder Militär- noch Ersatzdienst leisten, schulden eine Abgabe. Diese wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
4    Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
5    Personen, die Militär- oder Ersatzdienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
BV nicht der Fall sei, wäre nicht
einzusehen, warum es im internationalen nicht gleichzuhalten sei. Die Frage
sei aber nicht verfahrensrechtlicher Natur, sondern stehe dem Richter zu. Ein
Mangel im Vollstreckungswesen zeige sich erst im Rechtsöffnungsverfahren; bis
dahin dürfe daher am Bestand des Arrestes durch die Betreibungsbehörden nichts
geändert werden.

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B. ­ Mit dem vorliegenden Rekurse hält der Arrestschuldner an seinem Begehren
auf Hinfälligerklärung der Arreste fest.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
1. Mangels Ergreifung der Vorkehren zur Arrestprosequierung fällt gemäss Art.
278 Abs. 4
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 278 - 1 Wer durch einen Arrest in seinen Rechten betroffen ist, kann innert zehn Tagen, nachdem er von dessen Anordnung Kenntnis erhalten hat, beim Gericht Einsprache erheben.
1    Wer durch einen Arrest in seinen Rechten betroffen ist, kann innert zehn Tagen, nachdem er von dessen Anordnung Kenntnis erhalten hat, beim Gericht Einsprache erheben.
2    Das Gericht gibt den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme und entscheidet ohne Verzug.
3    Der Einspracheentscheid kann mit Beschwerde nach der ZPO482 angefochten werden. Vor der Rechtsmittelinstanz können neue Tatsachen geltend gemacht werden.
4    Einsprache und Beschwerde hemmen die Wirkung des Arrestes nicht.
SchKG der einmal vollzogene Arrest von selbst dahin, es bedarf
nicht einer Aufhebungsverfügung der Arrestbehörde. Mit dem Hinfall werden die
Arrestgegenstände frei und sind zurückzugeben. Dieser Anspruch auf Rückgabe
richtet sich direkt an die Arrestvollziehungsbehörde. Der ihr übergeordneten
Aufsichtsbehörde steht also die Entscheidung darüber zu, ob jene zu Recht oder
Unrecht die Herausgabe der Arrestgegenstände verweigert. Aus dem Entscheid i.
S. Florin (BGE 64 III 127), der sich mit dem Vollzug des von der Arrestbehörde
verfügten Arrestes befasst, lässt sich nichts Gegenteiliges schliessen.
2. Zur Arrestprosequierung ist nur eine Klage tauglich, die zu einem
Vollstreckungsurteil führt (BGE 65 III 51). Darunter ist zu verstehen ein
Vollstreckungstitel, der am Arrestort als solcher gilt; denn der
Vollstreckungstitel soll das der Arrestbetreibung entgegenstehende Hindernis
beseitigen. Also fällt den Betreibungsbehörden die Prüfung der Frage zu, ob
das holländische Urteil in St. Gallen vollstreckbar sein werde. Dem
widerspricht nicht der von der Vorinstanz zitierte Entscheid BGE 40 III 253 .
Es ist nämlich zu unterscheiden, ob die Vollstreckung des ausländischen
Urteils im Arrestkanton grundsätzlich ausgeschlossen oder möglich ist.
Schliesst die kantonale Gesetzgebung am Arrestort die Vollstreckung überhaupt
aus, dann bedarf es nicht erst eines Verfahrens der Vollstreckbarerklärung, um
das festzustellen. Auf ein Vollstreckungsgesuch könnte ja gar nicht
eingetreten werden. Verleiht jedoch, wie es sich im Falle des zit. Präjudizes
verhielt. die kantonale Gesetzgebung dem ausländischen

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Urteil Vollstreckbarkeit, was nie ohne Aufstellung bestimmter Bedingungen, wie
Rechtskraft, Zuständigkeit, richtige Ladung, Vorbehalt des ordre public,
geschieht, dann wird erst nach Vorlage und auf Grund des Urteils selbst
entschieden werden können, ob die Bedingungen der Vollstreckbarkeit vorhanden
sind, das Vollstreckungsgesuch also begründet ist. Daher muss bis dahin das
hängige Verfahren von der Arrestvollziehungsbehörde als geeignet zur
Erreichung eines vollstreckbaren Urteils behandelt werden, und es wird nicht
ihre Sache sein, die Erfüllung der Bedingungen der Vollstreckbarkeit zu
prüfen; denn sie ist nicht Exequaturbehörde, sondern zu diesem Zwecke ist das
im zit. Präjudiz vorgesehene Verfahren vor den dort bezeichneten Behörden
einzuschlagen, während dessen der Arrest in Kraft bleibt.
Da der Kanton St. Gallen den holländischen Urteilen die Vollstreckbarkeit
schlechtweg versagt, kommt das im hängigen Verfahren zu erstreitende Urteil
als Vollstreckungstitel am Arrestort zum vornherein gar nicht in Frage. Somit
steht fest, dass der Arrest dahingefallen ist. Die vom Arrestgläubiger betonte
Möglichkeit, dass der angegangene Richter die Sache an den vertraglichen
Schiedsrichter weise, dessen Urteil im Kanton St. Gallen vollstreckbar wäre,
ist deswegen ohne Bedeutung, weil das Schiedsverfahren innerhalb der Frist des
Art. 278 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 278 - 1 Wer durch einen Arrest in seinen Rechten betroffen ist, kann innert zehn Tagen, nachdem er von dessen Anordnung Kenntnis erhalten hat, beim Gericht Einsprache erheben.
1    Wer durch einen Arrest in seinen Rechten betroffen ist, kann innert zehn Tagen, nachdem er von dessen Anordnung Kenntnis erhalten hat, beim Gericht Einsprache erheben.
2    Das Gericht gibt den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme und entscheidet ohne Verzug.
3    Der Einspracheentscheid kann mit Beschwerde nach der ZPO482 angefochten werden. Vor der Rechtsmittelinstanz können neue Tatsachen geltend gemacht werden.
4    Einsprache und Beschwerde hemmen die Wirkung des Arrestes nicht.
SchKG hätte angehoben sein müssen, um den Hinfall des Arrestes
zu verhindern.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid aufgehoben und die
Beschwerde in dem Sinne geschützt, dass die Arreste Nr. 60 und 62 als
dahingefallen erklärt werden.