S. 61 / Nr. 9 Kompetenzkonflikt zwischen bürgerlicher u.
Militärgerichtsbarkeit (d)
BGE 66 I 61
9. Urteil vom 2. Februar 1940 i. S. Briefer gegen Organe der
Militärgerichtsbarkeit.
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Regeste:
Die Kompetenzkonfliktsbeschwerde nach Art. 223 MStrG kann nur bis zur
Hauptverhandlung vor Divisionsgericht erhoben werden.
Le conflit de compétence prévu à l'art. 223 CPM ne peut être porté devant le
Tribunal fédéral que jusqu'à l'ouverture des débats devant le Tribunal de
division.
Il conflitto di competenza ai sensi dell'art. 223 CPM può essere sottoposto al
Tribunale federale soltanto sino all'apertura del dibattimento davanti al
Tribunale di divisione.
Durch Urteil des Divisionsgerichts 4 vom 24. November 1939 ist Josef Briefer
wegen übler Nachrede gegenüber einem militärischen Vorgesetzten zu 14 Tagen
Gefängnis bedingt verurteilt worden.
In der Hauptverhandlung vor dem Divisionsgericht hatte der amtliche
Verteidiger die Kompetenz der Militärgerichtsbarkeit bestritten. Gegen das
Urteil des Divisionsgerichts vom 24. November hat er sofort die
Kassationsbeschwerde angemeldet. Das Militärkassationsgericht hat die
Beschwerde am 29. Dezember 1939 abgewiesen.
Am 8. Dezember hat der amtliche Verteidiger beim Bundesgericht die
Kompetenzkonfliktsbeschwerde nach Art. 223 MStrD erhoben.
Das Bundesgericht ist auf die Beschwerde nicht eingetreten
in Erwägung:
1. Es handelt sich um einen Anstand über die Zuständigkeit der militärischen
und der bürgerlichen Gerichtsbarkeit im Sinne von Art. 223 MStrG. Über solche
Anstände hat das Bundesgericht zu entscheiden.
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Im Falle Hagenbuch, BGE 61 I S. 113, hat das Bundesgericht ausgesprochen, dass
auch der Angeschuldigte legitimiert sei, den Kompetenzkonflikt zu erheben. Die
Frage ist aber, ob er dies nur bis zur Hauptverhandlung vor Divisionsgericht
tun kann, oder auch noch in einem spätern Stadium des Verfahrens, speziell
nach Erlass des Urteils des Divisionsgerichts, wie es im vorliegenden Fall
geschah. Diese Frage konnte im Falle Hagenbuch (S. 122 unter c) offengelassen
werden.
2. Aus der Gestaltung des Militärstrafprozesses muss der Schluss gezogen
werden, dass der Beschuldigte die Zuständigkeit des Militärrichters im Wege
der Kompetenzkonfliktsbeschwerde nach Art. 223 MStrG nur bis zur
Hauptverhandlung anfechten kann. Das militärgerichtliche Verfahren ist auf
tunlichste Beschleunigung angelegt. Es soll so rasch als möglich seinen
Abschluss in einem rechtskräftigen Urteil und in dessen Vollzug finden.
Deshalb beträgt die Kassationsfrist nur 24 Stunden seit der mündlichen
Eröffnung des Urteils (Art. 189 MilStrGO) und ist das rechtskräftig gewordene
Urteil sofort zu vollziehen (Art. 206). Damit liesse sich nicht in Einklang
bringen, dass der Verurteilte, der vor dem Militärgericht und eventuell vor
dem Kassationsgericht die Zuständigkeit ohne Erfolg bestritten hat, dann noch
beim Bundesgericht das Urteil mit einem Rechtsmittel anfechten könnte, das
nicht einmal an eine Frist gebunden ist. Er kann den Kompetenzkonflikt während
der Untersuchung geltend machen und in dem Zwischenstadium zwischen
Klageerhebung und Hauptverhandlung (Art. 123). Er muss sich aber bis dahin
entscheiden, ob er die Bestreitung der militärischen Jurisdiktionsgewalt im
gerichtlichen oder im Konfliktsverfahren verfolgen will (KIRCHHOFER: Der
Kompetenzkonflikt zwischen militärischer und bürgerlicher Gerichtsbarkeit in
Schweiz. Zschr. f. Strafrecht 46 (1932), S. 36 ff.).
Die Konfliktsbeschwerde des Briefes, die erst nach der Hauptverhandlung vor
Divisionsgericht erhoben worden ist, ist deshalb unzulässig.