S. 25 / Nr. 8 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 65 III 25

8. Entscheid vom 17. April 1939 i. S. Haller.

Regeste:
Lohnpfändung, Art. 93 SchKG: Der Notbedarf der Familie kann der Lohnpfändung
nicht entgegengehalten werden soweit er durch die von der Ehefrau geschuldeten
Beiträge namentlich aus eigenem Arbeitsverdienst nach Art. 192 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 192 - Tritt Gütertrennung ein, so gelten für die güterrechtliche Auseinandersetzung die Bestimmungen des bisherigen Güterstandes, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt.
ZGB
gedeckt wird. Er erhöht sich anderseits um die durch die Erwerbstätigkeit der
Frau bedingte Verteuerung des Haushaltes.
La saisie du salaire, art. 93 LP, ne peut être empêchée par le motif qu'il
serait indispensable pour subvenir aux besoins de la famille, si et autant que
ces besoins sont couverts par les contributions dues par la femme, notamment
si elle exerce activité rémunérée (art. 192, al. 2 CC). En revanche, le
montant indispensable à la famille pour subsister s'accroît dans la mesure où
cette activité de la femme augmente les frais du ménage.

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Pignoramento di salario (art. 93 LEF): Non si può invocare il minimo
indispensabile al sostentamento della famiglia in quanto è coperto dai
contributi che la moglie deve versare all'economia domestica specialmente se
esercita un'attività lucrativa (art. 192 cp. 2 CC). D'altra parte, il minimo
necessario al sostentamento della famiglia si accresce nella misura in cui
l'attività lucrativa della moglie aumenta le spese dell'economia domestica.

Die kantonale Aufsichtsbehörde hat auf Beschwerde der Gläubiger über die
Ausstellung einer leeren Pfändungsurkunde eine Lohnpfändung von Fr. 15.- im
Monat angeordnet, auf Grund folgender Berechnung: Der jährliche Notbedarf
eines Ehepaares ohne Kinder betrage Fr. 2500. Die Haushaltarbeit der Ehefrau
des Schuldners sei im vorliegenden Falle auf Fr. 600.- im Jahr zu bewerten, d.
h. um etwa Fr. 250.- weniger als wenn sie alle Haushaltarbeiten selbst
besorgen könnte, statt einen Teil davon wegen ihrer auswärtigen
Erwerbstätigkeit durch Drittpersonen besorgen lassen zu müssen. Es
rechtfertige sich, den Gesamtbetrag von Fr. 3100.- von jedem Ehegatten zur
Hälfte tragen zu lassen, da der Barverdienst des Mannes jährlich Fr. 1730.-
und der der Frau jährlich Fr. 1500.- betrage. Somit habe jeder Ehegatte an die
ehelichen Lasten Fr. 1550.- beizusteuern, die Ehefrau bei Anrechnung ihrer
Arbeit im Haushalt also noch Fr. 950.- in bar, wozu eine Barleistung des
Mannes von Fr. 1550.- trete. Von seinem Lohn sei daher noch ein Restbetrag von
jährlich Fr. 180.-, monatlich Fr. 15.-, frei, der gepfändet werden könne.
Diesen Entscheid vom 17. März 1939 zieht der Schuldner an das Bundesgericht
mit dem Hauptantrag auf gänzliche Ablehnung einer Lohnpfändung.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Der Umstand, dass der Lohn des Schuldners nicht ausreicht, um den Notbedarf
der ganzen Familie, d. h. hier der beiden Ehegatten zu decken, führt nicht
notwendig zur Ablehnung einer Lohnpfändung. Vielmehr ist auch

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das Arbeitseinkommen der Ehefrau als für den Haushalt verfügbar zu betrachten,
jedoch nur, soweit sie (nach Art. 192
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 192 - Tritt Gütertrennung ein, so gelten für die güterrechtliche Auseinandersetzung die Bestimmungen des bisherigen Güterstandes, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt.
, namentlich Abs. 2 ZGB) zu Beiträgen an
die Familienlasten verpflichtet ist. Wenn diese (von den
Vollstreckungsbehörden vorfrageweise zu bestimmenden) Beiträge so hoch sind,
dass der Lohn des Schuldners den Rest des Notbedarfs übersteigt, kann der
Überschuss gepfändet werden; nicht zulässig ist aber eine stärkere
Heranziehung des Einkommens der Frau zur Erzielung einer höhern pfändbaren
Lohnquote, was auf eine direkte Haftung der Frau für die Schulden des Mannes
hinausliefe, wie sie nur unter besonderen Umständen besteht und jedenfalls nur
mit einer gegen die Frau selbst gerichteten Betreibung geltend gemacht werden
kann (BGE 63 III 105 ff.). Diesen Grundsätzen hält der angefochtene Entscheid
nicht stand. Er zählt den Wert der von der Frau tatsächlich geleisteten
Haushaltarbeit zum Notbedarf der Familie hinzu, als ob dieser Bedarf um so
grösser wäre, je mehr die Frau im Haushalt arbeitet. Das Gegenteil trifft zu,
was freilich gerade hier, aber in anderm Sinne, eine Erhöhung des gegenüber
der Pfändung vorzubehaltenden Notbedarfs zur Folge hat. Besorgte die Ehefrau
des Schuldners lediglich den Haushalt, und zwar sie allein, so müsste die
Familie mit dem normalen Notvorbehalt von Fr. 2500.- auskommen. Die ganztägige
auswärtige Arbeit der Ehefrau bedingt dagegen normalerweise die Beiziehung von
Drittpersonen für gewisse Haushaltarbeiten und damit eine Verteuerung des
Haushaltes, die sich in einer Erhöhung des gegenüber der Lohnpfändung
vorbehaltenen Notbedarfes ausdrücken muss. Diese Kosten für fremde Hilfe
können bei den vorliegenden Verhältnissen auf Fr. 20.- im Monat veranschlagt
werden, so dass sich der jährliche Notbedarf des Ehepaars auf Fr. 2740.-
erhöht. Selbst wenn die Ehefrau imstande wäre, trotz solcher auswärtiger
Arbeit den Haushalt auch noch allein zu besorgen, wäre sie doch nicht
verpflichtet, dies zu Gunsten der Gläubiger des

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Mannes zu tun; und wenn sie es tut, braucht daraus diesen Gläubigern kein
Vorteil zu erwachsen; vielmehr ist auch in diesem Falle der Notbedarf der
Schuldnerfamilie im erhöhten Betrage zu berechnen, was einer gerechtfertigten
Ermässigung der Barbeiträge der Ehefrau gleichkommt.
Im vorliegenden Falle lässt sich bei Berechnung von jährlich Fr. 240.- für
fremde Hilfe im Haushalt, also bei Bemessung des Notbedarfs der Familie auf
Fr. 2740.- im Jahr, der Ehefrau höchstens ein Beitrag von Fr. 1000.-, d. h.
2/3 ihres Arbeitsverdienstes, zumuten, was zusammen mit ihrer Hausarbeit etwa
den Gegenwert ihres eigenen Unterhaltes ausmacht. Mehr darf ihrem
Arbeitseinkommen nicht zu Gunsten der Gläubiger des Mannes, der diesen
Beiträgen entsprechend in seinen eigenen Aufwendungen für die Familie
entlastet wird, entzogen werden, da eben eine persönliche Haftung der Frau
nicht in Betracht fällt. So ergibt sich ein vom Manne zu deckender Notbedarf
von Fr. 1740.-, wozu sein eigener Lohn von Fr. 1730.- nicht einmal ausreicht,
so dass nichts Pfändbares übrigbleibt.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen und die von der kantonalen Aufsichtsbehörde
angeordnete Lohnpfändung aufgehoben.