S. 116 / Nr. 34 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 65 III 116

34. Entscheid vom 1. Dezember 1939 i. S. Konrath.


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Regeste:
Aberkennungsklage, Form der Einreichung, Wirksamkeit.
Können formelle Mängel einer binnen gesetzlicher Frist beim zuständigen
Richter eingereichten Aberkennungsklage nachträglich verbessert werden?
- Davon hängt die definitive oder provisorische Natur einer vom betreffenden
Gläubiger erwirkten Pfändung und demgemäss die Anwendung von Art. 199 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 199 - 1 Gepfändete Vermögensstücke, deren Verwertung im Zeitpunkte der Konkurseröffnung noch nicht stattgefunden hat, und Arrestgegenstände fallen in die Konkursmasse.
1    Gepfändete Vermögensstücke, deren Verwertung im Zeitpunkte der Konkurseröffnung noch nicht stattgefunden hat, und Arrestgegenstände fallen in die Konkursmasse.
2    Gepfändete Barbeträge, abgelieferte Beträge bei Forderungs- und Einkommenspfändung sowie der Erlös bereits verwerteter Vermögensstücke werden jedoch nach den Artikeln 144-150 verteilt, sofern die Fristen für den Pfändungsanschluss (Art. 110 und 111) abgelaufen sind; ein Überschuss fällt in die Konkursmasse.369

SchKG bei inzwischen über den Schuldner verhängter Konkurseröffnung ab.
- Die Frage entscheidet sich nach dem Prozessrecht des Einreichungsortes.
- Ist der Aberkennungsprozess beim Gerichte wegen der Konkurseröffnung als
gegenstandslos geworden abgeschrieben, so ist die Frage vom Betreibungsamt,
das über den Verwertungserlös verfügt, und allenfalls im Beschwerdeverfahren
von den kantonalen Aufsichtsbehörden zu entscheiden.
Action en libération de dette. Forme de l'exploit, effets.
Peut-on remédier après coup à des vices de forme affectant une demande en
libération de dette déposée en temps utile devant le juge compétent?
- La réponse à cette question fixe le caractère définitif ou provisoire d'une
saisie obtenue par le créancier et décide de l'application de l'art. 199 al. 2
LP dans la faillite prononcée entre temps contre le débiteur.
- La question doit être résolue au regard du droit de procédure en vigueur au
lieu d'introduction de l'action.
- Si le juge de l'action en libération de dette a, par suite de la faillite,
rayé l'affaire du rôle comme sans objet, c'est à l'office des poursuites
chargé de statuer sur l'attribution des biens réalisés de trancher la
question, ou, le cas échéant, aux autorités de surveillance cantonales saisies
par voie de plainte.
Azione di inesistenza di debito. Forma della domanda, effetti.
E'possibile rimediare più tardi a vizi di forma che presenta una domanda di
inesistenza di debito inoltrata entro il termine legale davanti al giudice
competente?
- La risposta a tale questione determina il carattere definitivo o provvisorio
di un pignoramento ottenuto dal creditore e decide dell'applicazione dell'art.
199 cp. 2 LEF nel fallimento dichiarato frattanto in odio del debitore.
- La questione dev'essere risolta secondo il diritto processuale in vigore al
luogo ove l'azione è stata promossa.
- Se il giudice, presso il quale pende l'azione di inesistenza di debito, ha
stralciato, a motivo del fallimento, la causa dai ruoli come divenuta senza
oggetto, spetta all'ufficio di esecuzione, che dispone del ricavo dei beni
realizzati, decidere la questione od eventualmente, in caso di reclamo, alle
Autorità cantonali di vigilanza.

A. - Alois Konrath hat gegen die in Sargans wohnende Frau Fieseler einen
Arrest auf deren in Uster gelegenes Grundstück herausgenommen, für die
Forderung am 30.

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Juni 1939 provisorische Rechtsöffnung erhalten und die Liegenschaft am 12.
Juli pfänden lassen. Das Betreibungsamt bezeichnete die Pfändung mit Rücksicht
auf die von der Schuldnerin angehobene Aberkennungsklage als provisorische. Am
4. August gelangte die Liegenschaft auf Begehren eines Grundpfandgläubigers
zur Verwertung. Es wurde ein Mehrerlös über die Grundpfandforderungen erzielt,
den das Betreibungsamt im Sinne von Art. 144 Abs. 5
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 144 - 1 Die Verteilung findet statt, sobald alle in einer Pfändung enthaltenen Vermögensstücke verwertet sind.
1    Die Verteilung findet statt, sobald alle in einer Pfändung enthaltenen Vermögensstücke verwertet sind.
2    Es können schon vorher Abschlagsverteilungen vorgenommen werden.
3    Aus dem Erlös werden vorweg die Kosten für die Verwaltung, die Verwertung, die Verteilung und gegebenenfalls die Beschaffung eines Ersatzgegenstandes (Art. 92 Abs. 3) bezahlt.282
4    Der Reinerlös wird den beteiligten Gläubigern bis zur Höhe ihrer Forderungen, einschliesslich des Zinses bis zum Zeitpunkt der letzten Verwertung und der Betreibungskosten (Art. 68), ausgerichtet.283
5    Die auf Forderungen mit provisorischer Pfändung entfallenden Beträge werden einstweilen bei der Depositenanstalt hinterlegt.
SchKG hinterlegte, um den
Ausgang des Aberkennungsprozesses abzuwarten. Indessen wurde am 12. August in
Sargans über die Schuldnerin der Konkurs eröffnet, worauf das mit der
Aberkennungsklage befasste Bezirksgericht Uster den Prozess als gegenstandslos
geworden abschrieb.
B. - Es kam so zu keinem gerichtlichen Entscheid über die Frage, ob der
Aberkennungsprozess in wirksamer Weise angehoben worden war. Die Schuldnerin
hatte nämlich, nach Erhalt des Rechtsöffnungsentscheides am 1. Juli, statt
nach § 125 Ziff. 8 der zürcherischen ZPO die Aberkennungsklage direkt bei dem
zur Sachentscheidung zuständigen Gericht einzureichen, am 8. Juli beim
Friedensrichteramt Uster zunächst die Anberaumung einer Aussöhnungsverhandlung
anbegehrt, welches Begehren indessen am 11. Juli von Amtes wegen dem
Bezirksgericht übermittelt worden war. Tags darauf hatte der Präsident des
Bezirksgerichtes die Klägerin eingeladen, binnen zehn Tagen eine den
prozessualen Vorschriften entsprechende Klageschrift samt einer Vollmacht für
den Anwalt und einem Ausweis über dessen Berechtigung, vor zürcherischen
Gerichten aufzutreten, einzureichen, «wobei es dann Sache des Gerichtes sein
wird, über die Anhandnahme, insbesondere auch darüber, ob die Klage auf Grund
von § 214 des Gerichtsverfassungsgesetzes noch anhand genommen werden kann, zu
entscheiden». Dieser Einladung war die Aberkennungsklägerin am 18. Juli
nachgekommen, doch blieb die vorbehaltene gerichtliche Entscheidung wie gesagt
wegen der Konkurseröffnung aus.

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C. - Der Übererlös aus der vom Betreibungsamte verwerteten Liegenschaft wurde
nun einerseits vom Pfändungsgläubiger Konrath und anderseits von der
Konkursmasse beansprucht. Das Betreibungsamt Uster hat das Begehren des
Pfändungsgläubigers abgelehnt und die Herausgabe an die Konkursmasse der
Schuldnerin unter Vorbehalt der Beschwerdeführung bewilligt. Konrath hat gegen
das Betreibungsamt Uster Beschwerde geführt, um sich den erwähnten Mehrerlös
zuweisen zu lassen. Von der Aufsichtsbehörde des Kantons Zürich am 9. November
1939 abgewiesen, hat er deren Entscheid im Sinne seines Beschwerdebegehrens an
das Bundesgericht weitergezogen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Provisorische, für eine nicht endgültig als vollstreckbar festgestellte
Forderung erwirkte Pfändung gibt weder ein Recht, die Verwertung zu verlangen
(Art. 118
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 118 - Ein Gläubiger, dessen Pfändung eine bloss provisorische ist, kann die Verwertung nicht verlangen. Inzwischen laufen für ihn die Fristen des Artikels 116 nicht.
SchKG), noch, wenn auf Begehren eines andern Gläubigers verwertet
worden ist, auf sofortige Ausrichtung des auf die betreffende Forderung
entfallenden Erlösanteils (Art. 144 Abs. 5
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 144 - 1 Die Verteilung findet statt, sobald alle in einer Pfändung enthaltenen Vermögensstücke verwertet sind.
1    Die Verteilung findet statt, sobald alle in einer Pfändung enthaltenen Vermögensstücke verwertet sind.
2    Es können schon vorher Abschlagsverteilungen vorgenommen werden.
3    Aus dem Erlös werden vorweg die Kosten für die Verwaltung, die Verwertung, die Verteilung und gegebenenfalls die Beschaffung eines Ersatzgegenstandes (Art. 92 Abs. 3) bezahlt.282
4    Der Reinerlös wird den beteiligten Gläubigern bis zur Höhe ihrer Forderungen, einschliesslich des Zinses bis zum Zeitpunkt der letzten Verwertung und der Betreibungskosten (Art. 68), ausgerichtet.283
5    Die auf Forderungen mit provisorischer Pfändung entfallenden Beträge werden einstweilen bei der Depositenanstalt hinterlegt.
SchKG). Solange die Pfändung
provisorisch bleibt, hat der Gläubiger nur ein aufschiebend bedingtes
Bezugsrecht, das, wenn nun die Konkurseröffnung dazwischentritt, vor den
Rechten der Konkursmasse zurückzutreten hat. Das ihm - provisorisch -
zugeschiedene Betreffnis fällt in die Konkursmasse (BGE 40 III 90). Somit hat
das Betreibungsamt Uster richtig verfügt, wenn die Schuldnerin den
Aberkennungsprozess wirksam angehoben und damit eine definitive Pfändung für
den Rekurrenten bis zur Konkurseröffnung verhindert hat. Gerade dies aber ist
hier streitig. Der Rekurrent verneint es und verlangt, dass die von ihm
erwirkte Pfändung als von Anfang an definitiv erachtet werde.
Diese Frage hat, entgegen der Ansicht der Vorinstanz, durch die Eröffnung des
Konkurses ihre Bedeutung nicht

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verloren. War die Aberkennungsklage nicht wirksam angehoben, so war auch die
Betreibung nicht wirksam gehemmt. Das Betreibungsamt hatte die Klage bis zur
rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über die Prozessfrage allerdings zu
beachten (BGE 65 III 89). Erging diese Entscheidung dann aber dahin, dass der
Aberkennungsprozess nicht wirksam angehoben worden sei, so war damit dargetan,
dass die provisorische Rechtsöffnung und die Pfändung definitiv geworden
waren, und zwar jene bereits mit dem Ablauf der eben nicht wirksam benutzten
Klagefrist des Art. 83 Abs. 2. Solchenfalls war dann auch, unbekümmert um
einen inzwischen über den Schuldner eröffneten Konkurs, das dem
Pfändungsgläubiger zugeschiedene Betreffnis ihm nach Art. 199 Abs. 2
auszurichten.
Der Umstand, dass hier ein gerichtlicher Entscheid über die aufgeworfene Frage
fehlt und nach der Abschreibung des Aberkennungsprozesses nicht mehr zu
erwirken ist, zwingt nun die Betreibungsbehörden, selbst über die Wirksamkeit
der Klageführung zu entscheiden. Dem Rekurrenten diese Entscheidung
vorzuenthalten, wovon abhängt, ob er oder aber die Konkursmasse der
Schuldnerin den Mehrerlös aus der Liegenschaftsverwertung vom 4. August 1939
zu beanspruchen hat, liefe auf eine Rechtsverweigerung hinaus.
Da die Eingabe, womit die Klägerin den Aberkennungsprozess anzuheben gedachte,
nach verbindlicher Feststellung der Vorinstanz binnen der Frist des Art. 83
Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 83 - 1 Der Gläubiger, welchem die provisorische Rechtsöffnung erteilt ist, kann nach Ablauf der Zahlungsfrist, je nach der Person des Schuldners, die provisorische Pfändung verlangen oder nach Massgabe des Artikels 162 die Aufnahme des Güterverzeichnisses beantragen.
1    Der Gläubiger, welchem die provisorische Rechtsöffnung erteilt ist, kann nach Ablauf der Zahlungsfrist, je nach der Person des Schuldners, die provisorische Pfändung verlangen oder nach Massgabe des Artikels 162 die Aufnahme des Güterverzeichnisses beantragen.
2    Der Betriebene kann indessen innert 20 Tagen nach der Rechtsöffnung auf dem Weg des ordentlichen Prozesses beim Gericht des Betreibungsortes auf Aberkennung der Forderung klagen.161
3    Unterlässt er dies oder wird die Aberkennungsklage abgewiesen, so werden die Rechtsöffnung sowie gegebenenfalls die provisorische Pfändung definitiv.162
4    Zwischen der Erhebung und der gerichtlichen Erledigung der Aberkennungsklage steht die Frist nach Artikel 165 Absatz 2 still. Das Konkursgericht hebt indessen die Wirkungen des Güterverzeichnisses auf, wenn die Voraussetzungen zu dessen Anordnung nicht mehr gegeben sind.163
SchKG beim zuständigen Prozessgericht einlangte, stellt sich die Frage
nicht, ob eine binnen dieser Frist unzuständigen Orts eingereichte
Aberkennungsklage nach Ablauf der Frist nicht mehr vor das zuständige Gericht
gebracht werden könne. Vielmehr handelt es sich hier nur um Mängel der
Klageform. Die Möglichkeit wirksamer Verbesserung solcher Mängel binnen
angemessener Nachfrist, nach rechtzeitiger Anrufung des zuständigen Gerichts,
ist, wie die Form der Klageanhebung selbst, dem kantonalen Prozessrecht
anheimgegeben (vgl. BGE 61 II 127 Abs. 1

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Sätze 2 und 3). Die Sache ist zur Entscheidung dieser Frage des kantonalen
Rechtes mit den sich daraus nach dem Gesagten ergebenden Folgerungen an die
kantonale Aufsichtsbehörde zurückzuweisen.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen und die Sache zu neuer Entscheidung an die obere
Aufsichtsbehörde des Kantons Zürich zurückgewiesen.