S. 61 / Nr. 17 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 63 III 61

17. Entscheid vom 20. Mai 1937 i. S. Ackermann.

Regeste:
Die Beschwerde wegen Unpfändbarkeit ist nicht ausgeschlossen durch das
Bestehen einer unanfechtbar gewordenen Vorpfändung der nämlichen Sache. Art.
110 Abs. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 110 - 1 Gläubiger, die das Fortsetzungsbegehren innerhalb von 30 Tagen nach dem Vollzug einer Pfändung stellen, nehmen an der Pfändung teil. Die Pfändung wird jeweils so weit ergänzt, als dies zur Deckung sämtlicher Forderungen einer solchen Gläubigergruppe notwendig ist.
1    Gläubiger, die das Fortsetzungsbegehren innerhalb von 30 Tagen nach dem Vollzug einer Pfändung stellen, nehmen an der Pfändung teil. Die Pfändung wird jeweils so weit ergänzt, als dies zur Deckung sämtlicher Forderungen einer solchen Gläubigergruppe notwendig ist.
2    Gläubiger, die das Fortsetzungsbegehren erst nach Ablauf der 30-tägigen Frist stellen, bilden in der gleichen Weise weitere Gruppen mit gesonderter Pfändung.
3    Bereits gepfändete Vermögensstücke können neuerdings gepfändet werden, jedoch nur so weit, als deren Erlös nicht den Gläubigern, für welche die vorgehende Pfändung stattgefunden hat, auszurichten sein wird.
SchKG.

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Eine gewisse zur Berufsausübung unentbehrliche Menge Rohmaterials ist
unpfändbar. Art. 92 Ziff. 3
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 92 - 1 Unpfändbar sind:
1    Unpfändbar sind:
1  die dem Schuldner und seiner Familie zum persönlichen Gebrauch dienenden Gegenstände wie Kleider, Effekten, Hausgeräte, Möbel oder andere bewegliche Sachen, soweit sie unentbehrlich sind;
1a  Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten werden;
10  Ansprüche auf Vorsorge- und Freizügigkeitsleistungen gegen eine Einrichtung der beruflichen Vorsorge vor Eintritt der Fälligkeit;
11  Vermögenswerte eines ausländischen Staates oder einer ausländischen Zentralbank, die hoheitlichen Zwecken dienen.
2  die religiösen Erbauungsbücher und Kultusgegenstände;
3  die Werkzeuge, Gerätschaften, Instrumente und Bücher, soweit sie für den Schuldner und seine Familie zur Ausübung des Berufs notwendig sind;
4  nach der Wahl des Schuldners entweder zwei Milchkühe oder Rinder, oder vier Ziegen oder Schafe, sowie Kleintiere nebst dem zum Unterhalt und zur Streu auf vier Monate erforderlichen Futter und Stroh, soweit die Tiere für die Ernährung des Schuldners und seiner Familie oder zur Aufrechterhaltung seines Betriebes unentbehrlich sind;
5  die dem Schuldner und seiner Familie für die zwei auf die Pfändung folgenden Monate notwendigen Nahrungs- und Feuerungsmittel oder die zu ihrer Anschaffung erforderlichen Barmittel oder Forderungen;
6  die Bekleidungs-, Ausrüstungs- und Bewaffnungsgegenstände, das Dienstpferd und der Sold eines Angehörigen der Armee, das Taschengeld einer zivildienstleistenden Person sowie die Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände und die Entschädigung eines Schutzdienstpflichtigen;
7  das Stammrecht der nach den Artikeln 516-520 OR189 bestellten Leibrenten;
8  Fürsorgeleistungen und die Unterstützungen von Seiten der Hilfs-, Kranken- und Fürsorgekassen, Sterbefallvereine und ähnlicher Anstalten;
9  Renten, Kapitalabfindung und andere Leistungen, die dem Opfer oder seinen Angehörigen für Körperverletzung, Gesundheitsstörung oder Tötung eines Menschen ausgerichtet werden, soweit solche Leistungen Genugtuung, Ersatz für Heilungskosten oder für die Anschaffung von Hilfsmitteln darstellen;
9a  die Renten gemäss Artikel 20 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1946193 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung oder gemäss Artikel 50 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959194 über die Invalidenversicherung, die Leistungen gemäss Artikel 12 des Bundesgesetzes vom 19. März 1965195 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung sowie die Leistungen der Familienausgleichskassen;
2    Gegenstände, bei denen von vornherein anzunehmen ist, dass der Überschuss des Verwertungserlöses über die Kosten so gering wäre, dass sich eine Wegnahme nicht rechtfertigt, dürfen nicht gepfändet werden. Sie sind aber mit der Schätzungssumme in der Pfändungsurkunde vorzumerken.198
3    Gegenstände nach Absatz 1 Ziffern 1-3 von hohem Wert sind pfändbar; sie dürfen dem Schuldner jedoch nur weggenommen werden, sofern der Gläubiger vor der Wegnahme Ersatzgegenstände von gleichem Gebrauchswert oder den für ihre Anschaffung erforderlichen Betrag zur Verfügung stellt.199
4    Vorbehalten bleiben die besonderen Bestimmungen über die Unpfändbarkeit des Bundesgesetzes vom 2. April 1908200 über den Versicherungsvertrag (Art. 79 Abs. 2 und 80 VVG), des Urheberrechtsgesetzes vom 9. Oktober 1992201 (Art. 18 URG) und des Strafgesetzbuches202 (Art. 378 Abs. 2 StGB).203
SchKG.
Le moyen tiré de l'insaisissabilité peut être invoqué malgré une saisie
antérieure, devenue inattaquable, du même objet (art. 110, al. 3. LP).
Est insaisissable la quantité de matière première indispensable au débiteur
pour l'exercice de sa profession (art. 92, 3° LP).
L'impignorabilità pub essere invocata anche se un pignoramento anteriore dello
stesso oggetto è cresciuto in giudicato (Art. 110 cp. 3 LEF).
Una certa quantità di materia greggia, necessaria all'esercizio del mestiere è
impignorabile (art. 92 cp. 3 LEF).

Die kantonale Aufsichtsbehörde hat die Beschwerde des Schreiners Heinrich
Ackermann über die Pfändung von Holzbrettern, die er zur Berufsausübung
notwendig brauche, abgewiesen mit Hinweis auf eine bereits unangefochten
bestehende Vorpfändung der nämlichen Bretter, weshalb die neue Pfändung nur
den allfälligen Mehrerlös ergreife. Der Schuldner hält mit dem vorliegenden
Rekurs an das Bundesgericht an der Anfechtung der Pfändung fest.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Der Verzicht auf Geltendmachung der Unpfändbarkeit, der u. a. auch in der
Unterlassung rechtzeitiger Beschwerdeführung gegen eine Pfändung liegt, wirkt
nicht über das betreffende Betreibungsverfahren hinaus. Wird die nämliche
Sache in einer neuen Betreibung wiederum gepfändet, so bleibt daher dem
Schuldner die Berufung auf Unpfändbarkeit neuerdings vorbehalten. Die
kantonale Aufsichtsbehörde möchte diesen Grundsatz nur dann angewendet wissen,
wenn bei der nochmaligen Pfändung die frühere bereits dahingefallen ist. Mit
Unrecht. Selbst wenn, wie die kantonale Behörde annimmt, nicht die
vorgepfändete Sache nochmals, sondern nur der auf Grund der Vorpfändung
allenfalls zu erzielende Erlös gepfändet werden könnte, wäre ihr nicht
beizustimmen. Dem Schuldner müsste gestattet werden, sich der Pfändung dieses
Mehrerlöses zu erwehren, wenn er darzutun vermag, dass er

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dieses Geldes zur Beschaffung von zur Berufsausübung notwendigen
Ersatzgegenständen bedarf. Die neue Pfändung ist aber gar nicht bloss Pfändung
des Mehrerlöses, sondern, wenn auch in nachgehendem Rang, Pfändung der Sache
selbst, so dass der Gläubiger selbständig die Verwertung anbegehren kann und
die Pfändung auch nach allfälligem Wegfall der Vorpfändung aufrecht bleibt und
in den Rang der Vorpfändung nachrückt (BGE Sep.-Ausg. 5, 226). Im Hinblick
darauf hat der Schuldner an der Anfechtung einer nachgehenden Pfändung ein
gleichartiges Interesse wie gegenüber einer ersten Pfändung.
Die Anfechtung ist hier begründet; denn geringe Mengen Rohmaterials, die der
Schuldner zur Fortsetzung seiner Berufsarbeit notwendig braucht und deren
Aufarbeitung voraussichtlich nicht mehr als einen Monat in Anspruch nehmen
wird, sind gleich notwendigen Berufswerkzeugen unpfändbar (BGE 51 III 25).
Diese Voraussetzungen sind bei dem auf insgesamt Fr. 120.- geschätzten
Bretterquantum im vorliegenden Falle gegeben.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird gutgeheissen und die Pfändung eines Quantums Läden (Nr. 10 der
Pfändungsurkunde für die Betreibungen Nr. 46211 und 46288) aufgehoben.