S. 91 / Nr. 20 Registersachen (d)

BGE 63 I 91

20. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 8. Juni 1937 i. S.
Thüringische Zellwolle A.-G. gegen Eidgen. Amt für geistiges Eigentum.


Seite: 91
Regeste:
Markenrecht. Nichtzulassung einer Marke, als gegen die guten Sitten
verstossend, wegen der Gefahr der Täuschung der Verbraucher über die
Eigenschaft der Ware. Internationales Recht.

A. - Die Thüringische Zellwolle A.-G. in Schwarza (Saale), Deutschland, hat am
9. Dezember 1936 beim Bureau der internationalen Union für geistiges Eigentum
in Bern im internationalen Markenregister unter Nr. 94.292 eine bereits im
deutschen Warenzeichenregister eingetragene kombinierte Wort- und Bildmarke
eingetragen lassen, welche folgendermassen beschaffen ist: Quer über ein
grosses grünes Z in Antiquaschrift ist in kleinerer, schwarzer Antiquaschrift
das Wort «Wolle» geschrieben; um das grüne Z herum ist ein Kreisband gelegt,
das in kleiner, schwarzer Schrift die Firmabezeichnung «Thüringische Zellwolle
A.-G., Schwarza (Saalbahn)»trägt. Diese Marke wird beansprucht für «fils,
fibres textiles, tissus, tissus à maille».
B. - Am 3. April 1937 teilte das Eidg. Amt für geistiges Eigentum dem
Internationalen Bureau mit, dass der erwähnten Marke der Schutz in der Schweiz
nur insoweit gewährt werden könne, als sie für Wollerzeugnisse verwendet
werde; für die Verwendung für andere Erzeugnisse müsse der Schutz dagegen
verweigert werden, weil die Marke geeignet sei, das Publikum über die Natur
der mit ihr bezeichneten Waren zu täuschen und daher gegen die guten Sitten
verstosse.

Seite: 92
C. - Gegen diese teilweise Schutzverweigerung, von der das internationale
Bureau der Thüringischen Zellwolle A.-G. Kenntnis gegeben hat, hat diese
rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form die verwaltungsrechtliche
Beschwerde an das Bundesgericht ergriffen, mit der sie die Zulassung der Marke
im vollen Umfang beantragt.
D. - Das Eidg. Amt für geistiges Eigentum beantragt Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht zirpt in Erwägung:
......
2. - Nach Art. 5 Abs. 1 des Madrider Abkommens betr. die internationale
Eintragung der Fabrik- oder Handelsmarken in seiner Fassung vom 6. November
1925 haben in den Ländern, deren Gesetzgebung sie dazu ermächtigt, die
Behörden, welchen das internationale Bureau die Eintragung einer Marke
mitteilt, die Befugnis, zu erklären, dass der betreffenden Marke auf ihrem
Gebiete kein Schutz gewährt werden könne. Eine derartige Schutzverweigerung
darf aber nur in Fällen verfügt werden, in denen auf Grund der allgemeinen
Übereinkunft auch eine unmittelbare nationale Eintragung verweigert werden
könnte (AS 44 S. 299).
Die allgemeine Übereinkunft, von der in dieser Bestimmung die Rede ist, ist
die Pariser Verbandsübereinkunft von 1883 in ihrer Fassung vom 6. November
1925. Deren Art. 6 Abs. 2 Ziffer 3 bestimmt nun, dass ein Verbandsland Marken,
die gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstossen,
zurückweisen könne.
für die Schweiz bestimmt Art. 3 Abs. 4
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 3 Relative Ausschlussgründe
1    Vom Markenschutz ausgeschlossen sind weiter Zeichen, die:
a  mit einer älteren Marke identisch und für die gleichen Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind wie diese;
b  mit einer älteren Marke identisch und für gleichartige Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind, so dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt;
c  einer älteren Marke ähnlich und für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen bestimmt sind, so dass sich daraus eine Verwechslungsgefahr ergibt.
2    Als ältere Marken gelten:
a  hinterlegte oder eingetragene Marken, die eine Priorität nach diesem Gesetz (Art. 6-8) geniessen;
b  Marken, die zum Zeitpunkt der Hinterlegung des unter Absatz 1 fallenden Zeichens im Sinne von Artikel 6bis der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 18834 zum Schutz des gewerblichen Eigentums (Pariser Verbandsübereinkunft) in der Schweiz notorisch bekannt sind.
3    Auf die Ausschlussgründe nach diesem Artikel kann sich nur der Inhaber der älteren Marke berufen.
MSchG, dass Zeichen, die gegen die
guten Sitten verstossen, nicht in eine Marke aufgenommen werden dürfen, und
nach Art. 14 Abs. 1 Ziffer 2 hat das Amt die Eintragung einer Marke, die gegen
die guten Sitten verstösst, zu verweigern.
Die Schweiz war somit befugt, durch ihre Landesgesetzgebung einer
international eingetragenen Marke den Schutz zu verweigern, sofern sie gegen
die guten Sitten

Seite: 93
verstösst. Von dieser Befugnis hat die Schweiz Gebrauch gemacht durch den
Erlass von Art. 9 Abs. 1 des Bundesratsbeschlusses vom 18. Mai 1928 über die
Ausführung des Madrider Abkommens (AS. 44 S. 311.), welcher lautet: «Wenn eine
international eingetragene Marke nach der Bundesgesetzgebung über den Schutz
der Fabrik- und Handelsmarken, in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 der Pariser
Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums, als unzulässig
erscheint, so wird das eidgenössische Amt innert Jahresfrist seit der
internationalen Eintragung dem internationalen Bureau gemäss Art. 5 des
Madrider Abkommens anzeigen, dass der Marke für das schweizerische Gebiet kein
Schutz gewährt werden kann».
3. - Die Zulässigkeit der von der Beschwerdeführerin im internationalen
Register eingetragenen Marke in der Schweiz hängt somit davon ab, ob sie nicht
gegen die guten Sitten verstosse. Wann dies der Fall ist, bestimmt das MSchG
nicht abschliessend. Art. 14 Abs. 2 sagt lediglich, dass «insbesondere auch»
solche Marken gegen die guten Sitten verstossen, welche ausländische Wappen,
staatliche Hoheitszeichen und dergl. enthalten, wenn dadurch Täuschung über
die geographische Herkunft, den Wert oder andere Eigenschaften der
betreffenden Erzeugnisse entstehen können. Dass diese Aufzählung nicht
erschöpfend ist, geht schon aus der Wendung «insbesondere auch» hervor. Das
Bundesgericht hat denn auch schon wiederholt entschieden, dass überhaupt jede
Marke, die geeignet ist, beim Verbraucher einen Irrtum über die Beschaffenheit
der betreffenden Ware zu erregen, gegen die guten Sitten verstosse (BGE 56 I
S. 49
, S. 472).
In diesem weiteren Sinne muss nun zweifellos die hier in Frage stehende Marke
als gegen die guten Sitten verstossend bezeichnet werden. Denn sie ist
geeignet, bei der breiten Masse der Verbraucher den Eindruck zu erwecken, man
habe es bei den mit ihr bezeichneten Waren mit Wolle oder Wollgeweben zu tun,
während

Seite: 94
es sich in Wirklichkeit, wie nicht bestritten ist, um einen Ersatzstoff für
Wolle handelt. Was nämlich an der Marke in erster Linie in die Augen springt,
das sind das schwarz gedruckte Wort «Wolle» und der grosse, grüne Buchstabe Z.
Die Verbindung dieser beiden Zeichen wird wohl von jedermann in dem Sinne
verstanden werden, dass es sich bei der so bezeichneten Ware um Wolle oder
Wollgewebe aus einer Fabrik handle, die als Kennzeichen für ihre Produkte den
Buchstaben Z gewählt habe.
Der Einwand der Beschwerdeführerin, aus der im Kreis um die Marke herum
wiedergegebenen Firmabezeichnung sei bei genauerem Betrachten ersichtlich,
dass es sich nicht um tierische Wolle, sondern um Zellwolle handle, ist nicht
stichhaltig. Selbst wenn die Firmabezeichnung in gleicher Weise aus dem
Marienbild hervorstäche, wie es bei den beiden Zeichen Wolle und Z der Fall
ist, so wäre es gleichwohl fraglich, ob nicht trotzdem die Gefahr einer
Irreführung des Publikums bestände. Denn es muss zum mindesten für das Gebiet
der Schweiz als zweifelhaft bezeichnet werden, ob nicht nur die Fachleute,
sondern die grosse Masse der Verbraucher, auf die es vor allem ankommt (BGE 56
I S. 472
f.), sich darüber Rechenschaft geben, dass Zellwolle nicht tierische
Wolle, sondern ein aus Zellulose gewonnener Ersatzstoff ist. Wie es sich damit
verhält, kann jedoch dahingestellt bleiben. Nach den eigenen Ausführungen der
Beschwerdeführerin ist die Firmabezeichnung, die das Wort Zellwolle enthält,
erst bei näherem Betrachten der Marke feststellbar. Der Detailkunde, der eine
Ware kauft, wird aber in der Regel nicht eine in alle Einzelheiten gehende
Prüfung der Marke vornehmen, sondern es bei einer oberflächlichen Prüfung
bewenden lassen. Die durch den ersten Blick nahegelegte Annahme, es handle
sich um eine echte Wolle, Marke Z, wird deshalb bestehen bleiben. Angesichts
dieser Gefahr war nach den eingangs gemachten Ausführungen die
Schutzverweigerung durch das eidg. Amt berechtigt.

Seite: 95
Dass Deutschland der in Frage stehenden Marke den Schutz gewährt, ist für die
Schweiz nicht massgebend. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Marke
nach schweizerischem Recht ist allerdings der erfolgten Eintragung derselben
in das deutsche Register schon öfters eine gewisse Bedeutung beigemessen
worden, weil das deutsche Recht, das im allgemeinen die Zulässigkeit nach
denselben Gesichtspunkten beurteilt wie das schweizerische Recht, auf dem
System der Vorprüfung beruht. Allein im vorliegenden Fall ist nicht zu
übersehen, dass die auf devisenpolitischen Erwägungen beruhenden Bestrebungen
der deutschen Regierung, die deutsche Wirtschaft durch die Schaffung eigener
Ersatzstoffe von den ausländischen Rohstoffen möglichst unabhängig zu machen,
möglicherweise auf die Zulassung der Marke nicht ohne Einfluss geblieben sind.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.