S. 60 / Nr. 19 Markenschutz (d)

BGE 62 II 60

19. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 15. Januar 1936 i. S. Gaba
A.-G. gegen Kaffee Hag A.-G.


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Regeste:
Markenrecht.
Die Marke «Ka-Aba» für diätetische Nährmittel hat Bestand neben der Marke
«Gaba» für pharmazeutische und kosmetische Produkte, da es sich um gänzlich
verschiedenartige Waren handelt; Art. 6 Abs. 3
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 6 Hinterlegungspriorität - Das Markenrecht steht demjenigen zu, der die Marke zuerst hinterlegt.
MSchG.
Bei der Frage der gänzlichen Verschiedenartigkeit darf nicht auf Waren
abgestellt werden, für welche die Marke zwar eingetragen, aber innert der
Frist von 3 Jahren nach Art. 9
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 9 Prioritätserklärung
1    Wer die Priorität nach der Pariser Verbandsübereinkunft8 oder die Ausstellungspriorität beansprucht, hat beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) eine Prioritätserklärung abzugeben. Das IGE kann die Einreichung eines Prioritätsbelegs verlangen.9
2    Der Anspruch ist verwirkt, wenn die in der Verordnung festgelegten Fristen und Formerfordernisse nicht beachtet werden.
3    Die Eintragung einer Priorität begründet lediglich eine Vermutung zugunsten des Markeninhabers.
MSchG nicht gebraucht worden ist: Verbot von
Defensivmarken.
Der Ablauf der Frist von Art. 9
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 9 Prioritätserklärung
1    Wer die Priorität nach der Pariser Verbandsübereinkunft8 oder die Ausstellungspriorität beansprucht, hat beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) eine Prioritätserklärung abzugeben. Das IGE kann die Einreichung eines Prioritätsbelegs verlangen.9
2    Der Anspruch ist verwirkt, wenn die in der Verordnung festgelegten Fristen und Formerfordernisse nicht beachtet werden.
3    Die Eintragung einer Priorität begründet lediglich eine Vermutung zugunsten des Markeninhabers.
MSchG kann auch widerklage- oder einredeweise
gegenüber der Verletzungsklage geltend gemacht werden.

Aus dem Tatbestand:
A. ­ Die im Jahre 1917 gegründete Gaba A.-G. in Basel befasst sich gemäss dem
in den Statuten und im Handelsregistereintrag angegebenen Zweck mit der
Herstellung und dem Vertrieb pharmazeutischer, chemischer, kosmetischer und
diätetischer Produkte und von Nährpräparaten; durch Statutenänderung vom Juli
1934 wurde die Zweckbestimmung erweitert, indem als Gesellschaftszweck auch
die Herstellung von Genussmitteln aufgeführt wurde.
Die Gaba A.-G. ist Inhaberin der Wortmarke «Gaba», die sie am 31. Januar 1918
hat eintragen lassen für hygienische, pharmazeutische, chemische, kosmetische,
diätetische Produkte und Präparate, sowie Zuckerwaren. Am 18. Juli 1928 und
20. März 1931 wurde die Eintragung erneuert unter Ausdehnung des Warenkreises
auf Tabakwaren, Getränke, Genussmittel, Lebensmittel und auf Reklameartikel
für die sämtlichen eingetragenen Waren.
Unter der Marke «Gaba» bringt die Gesellschaft seit ihrer Gründung die
bekannten Wyberttabletten in den

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Verkehr; in der Folge verwendete sie die Marke auch für einen
«Melissenbalsam», eine Hautcrème «Turgol», sowie eine Crème und ein Puder
«Aronal», und vom August 1934 an schliesslich auch noch für ein
Frühstücksgetränk «Querkopin».
B. ­ Am 12. April 1934 liess die Kaffee Hag A.-G. in Feldmeilen die Wortmarke
«Ka-Aba» eintragen für die Waren Kakao, Schokolade, Kaffee, coffeinfreien
Kaffee, Tee, deren Surrogate oder Kombinationen diätetischer Produkte und
Zuckerwaren.
Unter dieser Marke bringt sie ein schokoladeähnliches, aus Kakao sowie
verschiedenen leichtverdaulichen Zuckerarten (insbesondere Traubenzucker)
bestehendes Präparat in den Handel, das als «Plantagentrank» bezeichnet und
als diätetisches Nährmittel charakterisiert wird, das leicht verdaulich sei
und nicht stopfe.
C. ­ Die von der Gaba A.-G. wegen Verwechselbarkeit der beiden Marken gegen
die Kaffee Hag A.-G. erhobene Löschungs-, Unterlassungs- und
Schadenersatzklage wurde von allen Instanzen abgewiesen.
Aus den Erwägungen:
2. ­ Wäre die Frage der gänzlichen Verschiedenheit der Waren nun auf Grund der
beiderseitigen Einträge im Markenregister zu entscheiden, so müsste sie ohne
jeden Zweifel verneint werden; denn Kakao, Schokolade usw., sowie
Kombinationen diätetischer Produkte, für welche die Marke «Ka-Aba» eingetragen
ist, fallen unter die Begriffe Getränke, Genussmittel, Lebensmittel, sowie
diätetische Produkte, für welche die Klägerin die Marke «Gaba» beansprucht.
Nun dürfen aber als Vergleichsobjekte auf Seiten der Klägerin die Begriffe
«Getränke, Genussmittel, Lebensmittel und diätetische Produkte» gerade nicht
herangezogen werden, weil die Klägerin nach den Feststellungen der Vorinstanz
Waren dieser Art innert der dreijährigen Frist des Art. 9
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 9 Prioritätserklärung
1    Wer die Priorität nach der Pariser Verbandsübereinkunft8 oder die Ausstellungspriorität beansprucht, hat beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) eine Prioritätserklärung abzugeben. Das IGE kann die Einreichung eines Prioritätsbelegs verlangen.9
2    Der Anspruch ist verwirkt, wenn die in der Verordnung festgelegten Fristen und Formerfordernisse nicht beachtet werden.
3    Die Eintragung einer Priorität begründet lediglich eine Vermutung zugunsten des Markeninhabers.
MSchG von der am 20.
März 1031 erfolgten Eintragung der Marke an nicht hergestellt, die Marke also

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für solche Waren nicht gebraucht und eine Rechtfertigung dieser Unterlassung
nicht einmal versucht hat. Infolge dieses Nichtgebrauches steht der Klägerin
für Waren der genannten Art kein Schutzrecht zu, da wegen ihres Verhaltens
anzunehmen ist, sie habe das Zeichen für die in Frage stehenden Waren nicht in
der Absicht eintragen lassen, es zu gebrauchen, sondern lediglich zur
Freihaltung dieser Warengattungen, also zu rein defensiven Zwecken. Diese auf
Grund des Gesetzes sich ergebende Vermutung kann nicht entkräftet werden durch
den Hinweis auf die in den Statuten enthaltene Zweckbestimmung der
klägerischen Gesellschaft. Die Eintragung von blossen Defensivmarken ist
jedoch nicht statthaft nach dem der schweizerischen Markenschutzgesetzgebung
zu Grunde liegenden Prinzip, dass das Recht an einer Marke auf ihrem
tatsächlichen Gebrauche beruht, während dem Eintrag im Markenregister
lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt (vgl. BGE 53 II S. 361, 56 II S.
464). Dieses fundamentale Prinzip des Gebrauchszwanges wurde auch bei der
Gesetzesrevision von 1928 nicht fallen gelassen, wie das Bundesgericht in Band
57 II S. 610 ff. unter Heranziehung der Entstehungsgeschichte des revidierten
Art. 9 mit einlässlicher Begründung, auf die hier verwiesen werden kann,
entschieden hat. Danach sollte der Gebrauchszwang lediglich einigermassen
gemildert werden durch die Einräumung der Möglichkeit, in einem gerichtlichen
Verfahren den Nichtgebrauch der Marke während der drei Jahre zu rechtfertigen
und unter Umständen eine Erstreckung der Karenzfrist zu erwirken, während nach
dem vorherigen Rechtszustand der Fristablauf unweigerlich den Verlust des
Schutzrechtes nach sich gezogen hatte.
Dabei ist die Formulierung des Art. 9, dass das Gericht auf Klage einer
interessierten Partei die Löschung der Marke anordnen könne, nicht etwa so zu
verstehen, dass der Markenschutz trotz dem Ablauf der 3 Jahre auf Grund des
Eintrages ohne weiteres bis zur Löschung durch den Richter fortdauere, so dass
die Beklagte im vorliegenden Fall, um sich auf den Fristablauf berufen zu
können,

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zuerst die Löschung der Marke hätte verlangen müssen, bevor sie mit dem
Gebrauch ihrer Marke «Ka-Aba» überhaupt hätte beginnen dürfen. Vielmehr kann,
in ähnlicher Weise, wie dies für die Geltendmachung der Nichtigkeit eines
Patentes nach Art. 16
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
PatG. der Fall ist, das Dahinfallen des Schutzrechtes
zufolge Ablaufes der Karenzzeit auch durch Widerklage gegenüber der Klage
wegen Verletzung des klägerischen Markenrechtes oder sogar durch blosse
Einrede geltend gemacht werden.
3. ­ Dass die Klägerin Anfang August 1934, also nach Ablauf der Karenzzeit und
nachdem die Beklagte ihren Plantagentrank auf den Markt gebracht hatte, das
Frühstücksgetränk «Querkopin» unter ihrer Marke «Gaba» herzustellen begann,
ist trotz der Gleichartigkeit der beiden Produkte ohne Einfluss, da die
Beklagte sich diesem Produkt der Klägerin gegenüber auf ihren früheren
Gebrauch des Zeichens «Ka-Aba» berufen kann, wie auch die Vorinstanz
zutreffend annimmt.
4. ­ Bezüglich derjenigen Waren, für welche die Klägerin im massgebenden
Zeitpunkt die Marke «Gaba» tatsächlich verwendete, hat die Vorinstanz mit
Recht entschieden, dass sie gänzlich verschieden seien von den mit der Marke
«Ka-Aba» geschützten Produkten.
Denn bei den von der Klägerin tatsächlich hergestellten Waren handelt es sich
ausschliesslich um Heil- oder Schönheitsmittel, um pharmazeutische oder
kosmetische Produkte. Der Plantagentrank «Ka-Aba» der Beklagten dagegen ist
ein Nährmittel. Es wird allerdings als diätetisches Nährmittel bezeichnet
unter Hinweis darauf, dass es nicht stopfe und leicht verdaulich sei. Allein
das ändert nichts daran, dass es eben doch in erster Linie ein Nährmittel ist,
dem lediglich zur Vermeidung gewisser nachteiliger Wirkungen seines
Hauptbestandteils, des Kakaos, verschiedene andere Stoffe zugesetzt worden
sind. Es verhält sich nicht etwa so, dass das Produkt als solches, wie dies
bei den Gabatabletten und dem Melissenbalsam der Klägerin der Fall ist, zur
Heilung bestehender Leiden oder zur Vorbeugung gegen die Entstehung solcher
bestimmt ist.

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Dass in der Reklame und auf der Packung auf den besonderen Nährwert des
Produktes hingewiesen wird und gewisse für den Aufbau des Körpers notwendige
Stoffe besonders erwähnt werden, vermag das Produkt noch nicht zu einem
Heilmittel im eigentlichen Sinn zu stempeln. Wollte man der Ansicht der
Klägerin hierin folgen, so käme man schliesslich dazu, dass jedes
Nahrungsmittel als Heilmittel angesehen werden müsste, sobald seine
Zuträglichkeit für die Gesundheit wegen der in ihm enthaltenen Aufbaustoffe
bei der Werbung irgendwie hervorgehoben würde. In diesem Sinne ist daher auch
die Rüge der Klägerin unbegründet, die Vorinstanz nehme in aktenwidriger Weise
an. der Plantagentrank der Beklagten werde nicht um einer heilenden oder
vorbeugenden Wirkung willen empfohlen.
Selbst wenn nun die Produkte der beiden Parteien zum Teil in gleichartigen
Geschäften erhältlich sind, wie die Klägerin behauptet, nämlich in Drogerien,
Spezereihandlungen usw., so sind doch, allgemein betrachtet, Heil- und
Schönheitsmittel einerseits und Nahrungsmittel anderseits zu verschiedenartige
Dinge, als dass das kaufende Publikum auf die irrtümliche Annahme verfallen
könnte, es handle sich bei Produkten mit einigermassen ähnlich klingenden
Namen um Waren ein- und desselben Herstellers; diese Gefahr wäre aber
unumgängliche Voraussetzung für die Verneinung einer gänzlichen
Verschiedenartigkeit im Sinne des Art. 6 Abs. 3 (BGE 56 II S. 406). Ob die
Klägerin mit ihren Fabrikationseinrichtungen und kraft ihrer finanziellen
Mittel in der Lage wäre, allenfalls auch Nahrungsmittel herzustellen, ist
demgegenüber ohne entscheidende Bedeutung.