S. 214 / Nr. 55 Prozessrecht (d)

BGE 62 II 214

55. Urteil der I. Zivilabteilung von 9. September 1936 i. S. Renker-Belipa
G.m.b.H. u. Konsorten gegen van der Grinten u. Konsorten.


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Regeste:
Sind von mehreren Klagebegehren einzelne abgetrennt und in ein besonderes
Verfahren verwiesen, so bildet das Urteil über die verbleibenden Streitpunkte
dann ein Haupturteil, wenn der Prozess über die abgetrennten ab initio neu
aufzunehmen ist (mit neuer Weisung, neuer Klage usw.). Bestätigung der Praxis.

A. ­ Mit der vorliegenden, beim Handelsgericht des Kantons Zürich
eingereichten Klage haben die Kläger folgende Rechtsbegehren gestellt:
1. Es sei festzustellen, dass sich die Beklagten der Verletzung der auf den
Kläger Nr. 1 lautenden schweizerischen Patente Nr. 130917 und 139532 schuldig
machen, indem sie a) das patentierte Verfahren zur Herstellung von
Diazotypbildern und b) das patentierte Produkt nachmachen bezw. nachahmen,
feilhalten, verkaufen, in Verkehr bringen und hiezu Beihilfe leisten.
2. Es sei den Beklagten zu verbieten, Diazotypieverfahren und -produkte gemäss
dem Rechtsbegehren Nr. 1 nachzumachen bezw. nachzuahmen, herzustellen,
gewerbsmässig zu gebrauchen, feilzuhalten, zu verkaufen und in Verkehr zu
bringen oder bei diesen Handlungen mitzuwirken, deren Begehung zu begünstigen
und zu erleichtern.
3. Die Beklagten seien solidarisch zu verurteilen, unter Rechnungslegung den
den Klägern durch die Patentverletzung zugefügten Schaden im vorläufigen
Betrage von 10000 Fr. zu ersetzen.

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4. Die Kläger seien berechtigt zu erklären, das Urteilsdispositiv im
Schweizerischen Handelsamtsblatt und in drei andern von ihnen zu wählenden
Tages- bezw. Fachzeitschriften auf Kosten der Beklagten zu veröffentlichen.
Die Beklagten haben Abweisung der Klage beantragt und Widerklage erhoben mit
dem Begehren, die auf den Kläger Nr. 1 lautenden Patente Nr. 130917 und 139532
seien nichtig zu erklären und zwar in dem Umfange, wie in der Begründung der
Widerklage näher dargelegt werde.
B. ­ Das Handelsgericht hat am 28. Dezember 1935 den Prozess (welcher die
Nummer 267/1932 erhalten hatte) geteilt, indem es beschloss:
«1. Ziffer 3 der Klagebegehren wird vom Prozess Nr. 267/1932 abgetrennt und
unter neuer Nr. 207/1935 zum Gegenstand eines selbständigen Prozesses gemacht.
2. Prozess Nr. 207/1935 wird sistiert bis zur rechtskräftigen Erledigung von
Prozess Nr. 267/1932.»
Sodann hat das Handelsgericht im Prozess Nr. 267/1932 am 31. Januar 1936
folgendes Urteil gefällt:
«1. Die Widerklage wird abgewiesen.
2. Die Hauptklage wird insofern gutgeheissen, dass
a) festgestellt wird, dass die Beklagten das Patent Nr. 139532 im Sinne der
Erwägungen verletzt haben;
b) den Beklagten verboten wird, die durch die Patente Nr. 130917 und 139532
geschützten Erzeugnisse in der Schweiz nachzumachen, nachzuahmen oder in
Verkehr zu bringen;
c) die Kläger berechtigt erklärt werden, das Urteil nach Eintritt der
Rechtskraft im Dispositiv je einmal im Schweizerischen Handelsamtsblatt und
drei von den Klägern zu wählenden Tages- oder Fachzeitungen auf Kosten der
Beklagten zu veröffentlichen.»
C. ­ Gegen dieses Urteil haben die Beklagten und Widerkläger die Berufung an
das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag, die Klage sei im ganzen Umfang
abzuweisen und die Widerklage gutzuheissen, eventuell sei die Sache zur
Beweisergänzung an das Handelsgericht zurückzuweisen,

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weiter eventuell seien durch das Bundesgericht die Korrespondenzakten
beizuziehen und eine Oberexpertise anzuordnen.
In Erwägung:
dass gemäss Art. 58 OG die Berufung nur zulässig ist gegen letztinstanzliche
kantonale Haupturteile,
dass nach ständiger Rechtsprechung ein Haupturteil dann vorliegt, wenn über
den ganzen Rechtsstreit, soweit er der Berufung unterliegt, entschieden ist,
dass von diesem Grundsatz insofern eine Ausnahme gemacht wird, als Urteile,
durch welche nur über einen Teil der Streitpunkte entschieden ist, dann als
Haupturteile anerkannt werden, wenn die nicht erledigten Streitpunkte von der
kantonalen Instanz in einen neuen, d. h. ab initio neu aufzunehmenden Prozess
verwiesen worden sind (BGE 60 II 359 ff.),
dass im angefochtenen Urteil das dritte Klagebegehren (Schadenersatzbegehren)
nicht beurteilt ist,
dass die Vorinstanz dieses Begehren zwar «abgetrennt» und «zum Gegenstand
eines selbständigen Prozesses» gemacht hat,
dass das Begehren aber, wie aus dem Beschluss der Vorinstanz vom 28. Dezember
1935 hervorgeht, hängig bleibt und lediglich zurückgestellt werden soll «bis
zur rechtskräftigen Erledigung» der übrigen Streitpunkte,
dass es sich dabei also in Wirklichkeit trotz der neuen Prozessnummer nicht um
einen ab initio neu aufzunehmenden Prozess (mit neuer Weisung, neuer
Klageschrift usw.), sondern nur um eine spätere Ergänzung des vorliegenden
Verfahrens handelt,
dass demnach das angefochtene Urteil nicht als Haupturteil gelten kann,
hat das Bundesgericht erkannt:
Auf die Berufung wird nicht eingetreten.