S. 167 / Nr. 48 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 61 III 167

48. Entscheid vom 12. Dezember 1935 i. S. Stocker.

Regeste:
Dem Begehren um gesonderte Pfändung von Früchten, die das kantonale Recht als
Grundstückszugehör bezeichnet, ist zu entsprechen unter Fristansetzung zur
Widerspruchsklage an Grundpfandgläubiger, Schuldner usw.
Il y a lieu de donner suite à la réquisition de saisir des fruits que le droit
cantonal qualifie d'accessoires du bien-fonds, mais un délai sera imparti aux
créanciers gagistes, au débiteur, etc. pour la revendication.

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Si deve dar seguito alla domanda di pignoramento dei frutti, che il diritto
cantonale qualifica di accessori, ma un termine dovrà essere impartito ai
creditori ipotecari, al debitore ecc., per la rivendicazione.

Der Rekurrent, für den sozusagen sämtliches Vermögen des Rekursgegners
gepfändet worden ist, einschliesslich dessen Bauerngut, verlangte den Vollzug
einer Nachpfändung auf die Heu-, Emd- und Streuevorräte. Das Betreibungsamt
Baar gab diesem Begehren keine Folge mit der Begründung: «Die Heu-, Emd-,
Frucht- und Streuevorräte sind Zugehör zur Liegenschaft (§ 92 des EG zum ZGB),
sofern solche nicht schon zur Fütterung der gepfändeten Viehhabe verwendet
werden müssen. Überschüssige Futter- und Streuevorräte dürfen nicht ab der
Liegenschaft abgeführt oder veräussert werden.» Mit der vorliegenden, nach
Abweisung durch die kantonale Aufsichtsbehörde an das Bundesgericht
weitergezogenen Beschwerde verlangt der Rekurrent, das Betreibungsamt sei
anzuweisen, die Futter-, Frucht- und Streuevorräte gesondert zu seinen Gunsten
einzupfänden.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
Gemäss Art. 12 der Verordnung über die Zwangsverwertung von Grundstücken ist
die gesonderte Pfändung der Zugehör eines Grundstückes nur mit Einverständnis
des Schuldners und aller aus dem Grundbuch ersichtlichen Berechtigten
(Grundpfandgläubiger usw.) zulässig. Ist die Zugehöreigenschaft bestritten,
will sie aber der betreibende Gläubiger nicht gelten lassen, so kann ihm die
gesonderte Pfändung nicht ohne weiteres verwehrt, sondern muss sie ihm unter
Vorbehalt des Widerspruchsverfahrens zugestanden werden (BGE 55 III 55; 59 III
58
). Fehlt es wie hier an einer bezüglichen Grundbuchanmerkung, so soll nach
dem letztangeführten Präjudiz die Partei, welcher Frist zur Klage anzusetzen
ist, durch eine prima-facie-Entscheidung der Betreibungsbehörden über die
Zugehöreigenschaft

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bestimmt werden. Gelangen die Betreibungsbehörden dabei nicht zur Überzeugung,
dass die Zugehöreigenschaft gegeben sei, so soll die verlangte Pfändung
ungesäumt vollzogen, gleichzeitig aber eine zehntägige Frist zur
Widerspruchsklage dem Schuldner und den Drittberechtigten angesetzt werden.
(In diesem Falle der prima-facie-Verneinung der Zugehöreigenschaft würde das
Verfahren durch die von BGE 59 III 63 unten ins Auge gefasste vorausgehende
Fristansetzung zur Erklärung über allfälliges Einverständnis mit der
gesonderten Pfändung nicht gefördert und soll daher eine solche unterbleiben.)
Wird Klage nicht erhoben oder vom Gericht abgewiesen, so wird die gesonderte
Pfändung der Zugehör endgültig, während umgekehrt die Pfändung wieder
dahinfällt, wenn die Klage zugesprochen wird.
Im vorliegenden Falle kann diese prima-facie-Entscheidung nicht anders als im
Sinne der Verneinung der Zugehöreigenschaft der Gegenstände ausfallen, deren
gesonderte Pfändung der Rekurrent verlangt. Freilich bestimmt § 92 litt. d des
EG zum ZGB für den Kanton Zug, dass als Zugehör anzusehen seien die mit der
Sense, Sichel oder landwirtschaftlichen Maschinen auf dem Grundstück
eingesammelten oder ihrer Natur nach zur Bewirtschaftung einer Liegenschaft
bestimmten Erzeugnisse. Allein dies entspricht nicht dem in Art. 644
SR 210 Codice civile svizzero del 10 dicembre 1907
CC Art. 644 - 1 Ogni atto di disposizione di una cosa si estende, se non è fatta eccezione, anche ai suoi accessori.
1    Ogni atto di disposizione di una cosa si estende, se non è fatta eccezione, anche ai suoi accessori.
2    Accessori sono le cose mobili che, secondo il concetto usuale del luogo o secondo la manifesta intenzione del proprietario, sono durevolmente destinate all'uso, al godimento od alla conservazione della cosa principale e che vi furono annesse, connesse od altrimenti poste perché servissero alla medesima.
3    La temporanea separazione della cosa principale non toglie ad una cosa la qualità di accessorio.
ZGB
positiv umschriebenen Zugehörbegriff des Bundesrechts und wird zudem von der
negativen Begriffsumschreibung des Art. 645
SR 210 Codice civile svizzero del 10 dicembre 1907
CC Art. 645 - Non possono mai reputarsi accessori quelle cose mobili che servono solo all'uso temporaneo od al consumo del possessore della cosa principale, o che sono estranee alla naturale destinazione di questa, nonché quelle che furono connesse alla cosa principale solo a scopo di custodia, di vendita o di locazione.
ZGB unmissverständlich
ausgeschlossen, wonach niemals solche bewegliche Sachen Zugehör sind, die dem
Besitzer der Hauptsache nur zum vorübergehenden Gebrauche oder zum Verbrauche
dienen (vgl. BGE 60 III 50 unten). Wer entgegen diesen den kantonalrechtlichen
Vorschriften vorgehenden bundesrechtlichen Vorschriften die Zugehöreigenschaft
geltend machen will, dem muss es überlassen bleiben, die Initiative zur
Herbeiführung einer allein verbindlichen gerichtlichen Entscheidung zu
ergreifen, wobei der Streit trotz allfällig geringen Wertes durch

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zivilrechtliche Beschwerde gemäss Art. 87 Ziff. 1 des Gesetzes über die
Organisation der Bundesrechtspflege bis vor Bundesgericht gebracht werden
kann. Hiezu kann dem Schuldner und den an der Liegenschaft Beteiligten (vgl.
BGE 59 III 64 oben) nicht anders als durch sofortige Klagefristansetzung auf
die Pfändung hin Gelegenheit gegeben werden, weil ja sonst die Gefahr
bestünde, dass sie bis zur Verwertung oder gar Verteilung gar nichts davon
erführen, dass ihnen entzogen worden ist, was sie als Zugehör ansprechen.
Selbstverständlich ist der die gesonderte Pfändung verlangende Rekurrent für
die zu erlassenden Anzeigen vorschusspflichtig und kann ihm für den Fall der
Nichtleistung des Vorschusses binnen zu setzender Frist die Wiederaufhebung
der Pfändung angedroht werden.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird dahin begründet erklärt, dass das Betreibungsamt angewiesen
wird, dem Pfändungsbegehren zu entsprechen und hernach dem Schuldner und den
Grundpfandgläubigern (sowie allfälligen anderen Beteiligten) Frist zur
Widerspruchsklage anzusetzen.