S. 218 / Nr. 50 Familienrecht (d)

BGE 61 II 218

50. Urteil der II. Zivilabteilung vom 24. Oktober 1935 i. S. Aeberhard gegen
Schweizerische Volksbank.

Regeste:
ZGB Art. 177 Abs. 3: Ist der Zustimmung der Vormundschaftsbehörde bedürftig
die Errichtung eines Eigentümerschuldbriefes (Inhaberschuldbriefes auf eigener
Liegenschaft) durch die Ehefrau, damit ihn der Ehemann (mit der Zustimmung der
Ehefrau) für seine Schulden verpfänden kann?

A. - Mit Zustimmung der Beklagten verpfändete deren Ehemann unterm Datum des
5. Mai 1925 der Klägerin als Deckung für deren jeweilige Guthaben an ihn einen
von der Beklagten mit Wissen der Klägerin einzig zu diesem Zweck
ausgestellten, unterm Datum des 6. Mai 1925 im Grundbuch eingetragenen
Eigentümerschuldbrief von 44000 Fr. auf den Liegenschaften der Beklagten.
In dem im Jahre 1933 über den Ehemann der Beklagten eröffneten Konkurs meldete
die Klägerin für ihre Forderung von rund 47000 Fr. das Faustpfandrecht an
einem Genossenschaftsanteil des Gemeinschuldners bei ihr selbst, sowie an dem
genannten Schuldbrief an, der jedoch nicht im Konkursverfahren zur Verwertung
gelangen konnte. Die beklagte Ehefrau meldete eine Ersatzforderung im

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Umfange der Mehrbelastung ihrer Liegenschaften seit dem Einbringen im Betrage
von 94000 Fr. an und wurde damit teils in 4., teils in 5. Klasse zugelassen,
jedoch bei der bereits erfolgten Verteilung nicht einmal für den
privilegierten Teil voll gedeckt.
B. - Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin gegenüber der Beklagten
als Eigentümerin des Schuldbriefes Feststellung ihres - von der Beklagten
erstmals im Januar 1934 wegen Fehlens der Zustimmung der Vormundschaftsbehörde
bestrittenen - Pfandrechtes, eventuell Feststellung, dass das Pfandrecht
soweit bestehe, als die mit dem Schuldbrief belastete Liegenschaft für die
Schuldbriefforderung Pfanddeckung biete. Die Beklagte verlangt mit Widerklage
Herausgabe des Schuldbriefes und erklärt, im Fall ihres Obsiegens der
Konkursmasse den zu viel erhaltenen Betrag von 1193 Fr. 70 Cts. zurückgeben zu
wollen.
C. - Der Appellationshof des Kantons Bern hat am 22. März 1935 die Hauptklage
zugesprochen und die Widerklage abgewiesen.
D. - Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht
erklärt mit den Anträgen auf Abweisung der Hauptklage und Gutheissung der
Widerklage.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Als eine von der Ehefrau Dritten gegenüber zugunsten des Ehemannes
eingegangene und daher gemäss Art. 177 Abs. 3
SR 210 Codice civile svizzero del 10 dicembre 1907
CC Art. 177 - Se un coniuge non adempie il suo obbligo di mantenimento, il giudice può ordinare ai suoi debitori che facciano i loro pagamenti, in tutto o in parte, all'altro.
ZGB der Zustimmung der
Vormundschaftsbehörde bedürftige Verpflichtung wird es angesehen, wenn «die
Ehefrau einen Eigentümer- (Inhaber-) Schuldbrief mit Wissen eines Gläubigers
des Ehemannes gerade und nur zum Zweck errichtet, um ihn jenem Gläubiger zur
Sicherung seiner Forderung an den Ehemann zu verpfänden» (BGE 59 II 217). Von
diesem präjudiziell beurteilten Fall unterscheidet sich der vorliegende nur
dadurch, dass die Ehefrau den Schuldbrief nicht zum Zwecke errichtet hat, um
ihn selbst zur Sicherung einer Schuld des Ehemannes

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zu verpfänden, sondern damit der Ehemann ihn mit ihrer Einwilligung verpfände.
(Auf den Unterschied des Güterstandes - dort Gütertrennung, hier
Güterverbindung - kann in keiner Weise abgestellt werden, weil das ohnehin nur
für die Hälfte bestehende Konkursprivileg der Ehefrau nur unzulänglichen
Ersatz zu bieten vermag und der Wert der Sicherstellungspflicht höchst
problematisch ist.) Würde hiefür nicht ebenfalls das Erfordernis der
Zustimmung der Vormundschaftsbehörde aufgestellt, so erwiese sich das
angeführte Präjudiz als praktisch bedeutungslos. Allein nichts zwingt zu einer
solchen Lösung oder gar zur Aufgabe des angeführten Präjudizes. Dieses steht
keineswegs, wie GUHL, Zeitschrift des bernischen Juristenvereins 70, 505 ff.
meint, im Widerspruch dazu, dass die Zustimmung der Vormundschaftsbehörde
nicht gefordert wird für solche Verpflichtungen der Ehefrau, welche sogleich
durch Entäusserung oder Belastung bestimmter Gegenstände ihres Vermögens (d.
h. eine Verfügung hierüber) erfüllt werden (BGE 57 II 10). Denn die Errichtung
und Verpfändung eines Eigentümerschuldbriefes durch die Ehefrau erschöpft sich
eben nicht wie die Errichtung einer Grundpfandverschreibung in der
Pfandbelastung ihres Grundstückes, sondern begründet gemäss Art. 842
SR 210 Codice civile svizzero del 10 dicembre 1907
CC Art. 842 - 1 La cartella ipotecaria costituisce un credito personale garantito da pegno immobiliare.
1    La cartella ipotecaria costituisce un credito personale garantito da pegno immobiliare.
2    Salvo diversa convenzione, il credito risultante dalla cartella ipotecaria sussiste, se del caso, accanto a quello da garantire derivante dal rapporto fondamentale tra il creditore e il debitore.
3    Per quanto concerne il credito risultante dalla cartella ipotecaria, il debitore può opporre al creditore e ai suoi aventi causa che non siano in buona fede le eccezioni personali derivanti dal rapporto fondamentale.
ZGB
ausserdem eine persönliche Forderung gegen die Ehefrau, von der dahinsteht, ob
sie seinerzeit durch die blosse Ausübung des Grundpfandrechtes werde getilgt
werden, oder ob die Ehefrau daraus noch zur Zahlung aus ihrem übrigen Vermögen
in Anspruch genommen werde. Diese persönliche Forderung gegen die Ehefrau kann
nicht mit dem Hinweis darauf bagatellisiert werden, dass es dem Empfänger des
Schuldbriefes regelmässig wesentlich um das Grundpfandrecht zu tun sei. Träfe
dies zu, so wäre nicht einzusehen, warum er sich nicht von vorneherein mit der
Errichtung einer Grundpfandverschreibung begnügte oder, wenn er durchaus ein
rascher verwertbares Faustpfand haben will, z. B. mit der Errichtung und
Verpfändung einer Gült. Sodann vermag eine bei der Errichtung des
Schuldbriefes noch so

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gute Pfanddeckung keine absolut sichere Gewähr dagegen zu bieten, dass die
persönliche Forderung je einmal in der Gestalt des (teilweisen) Pfandausfalles
aktuell werde. Ob die Zustimmung der Vormundschaftsbehörde erforderlich sei
und daher eingeholt werden müsse oder nicht, soll jedoch von vorneherein
beurteilt werden können und darf nicht von nicht voraussehbaren späteren
Ereignissen abhängig gemacht werden. Für Zinsen (und allfällige Annuitäten)
eines Schuldbriefes steht übrigens die persönliche Belangung ohne vorherige
Inanspruchnahme des Pfandes von vorneherein jederzeit offen. Dass beim Fehlen
der Zustimmung der Vormundschaftsbehörde im Sinne des eventuellen Klagantrages
mindestens die Pfandbelastung des Grundstückes anerkannt werden müsse, kommt
nicht in Frage, weil ein gutgläubiger Erwerber des Schuldbriefes nicht von der
persönlichen Belangung des Ausstellers ausgeschlossen und letzterer, wenn er
infolgedessen persönlich belangt werden sollte, nicht mit einer
Rückgriffsforderung gegen den (nicht immer oder aus eigener Kraft
zahlungsfähigen) ersten Erwerber des Schuldbriefes abgespiesen werden kann.
Mit dem letzteren Gedanken gibt übrigens die Klägerin die Realität der
persönlichen Forderung aus dem Schuldbrief selbst zu. An dem angeführten
Präjudiz ist daher festzuhalten.
Mit dem vorstehenden ist auch schon ausgesprochen, dass für den vorliegenden
Fall keine abweichende Lösung gerechtfertigt wird durch die Rechtsprechung,
wonach das Erfordernis der Zustimmung der Vormundschaftsbehörde nicht für die
Einwilligung der Ehefrau zu Verfügungen des Ehemannes über Vermögenswerte des
eingebrachten Frauengutes gilt (BGE 41 II 12). Errichtet die Ehefrau einen
Eigentümer- (Inhaber-) Schuldbrief mit Wissen eines Gläubigers des Ehemannes
gerade und nur zum Zweck, damit er jenem Gläubiger zur Sicherung einer
Forderung an den Ehemann verpfändet werde, so ist eben schon die
Schuldbrieferrichtung selbst ohne die Zustimmung der Vormundschaftsbehörde
ungültig, weil sie eine über die

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Grundstücksbelastung hinausgehende persönliche Verpflichtung der Ehefrau in
sich schliesst, von der nicht zweifelhaft ist, dass sie sofort gegenüber einem
Dritten zugunsten des Ehemannes eingegangen wird. Auch hier liegt der Fall
vor, dass die Ehefrau eine Verpflichtung eingeht, die zwar nicht ihrer Form
nach eine Interzession zugunsten des Ehemannes ist, aber nichtsdestoweniger
einzig zum Zweck, um den Gegenwert ihrem Ehemann zu verschaffen, und dass der
Gläubiger dies weiss oder mindestens wissen muss (BGE 54 II 410; 40 II 318).
Kann die freilich ohne Zustimmung der Vormundschaftsbehörde gültige
Einwilligung der Ehefrau gemäss Art. 202
SR 210 Codice civile svizzero del 10 dicembre 1907
CC Art. 202 - Ciascun coniuge risponde per i propri debiti con tutta la sua sostanza.
ZGB die Gültigkeit von Verfügungen
des Ehemannes über Vermögenswerte des eingebrachten Frauengutes bewirken, so
vermag sie doch nicht eine vorher noch nicht gültig begründete persönliche
Verpflichtung der Ehefrau zur Entstehung zu bringen. Wie gegebenenfalls einer
solchen Verpfändung eines schon früher ohne einen solchen Gedanken errichteten
Eigentümer- (Inhaber-) Schuldbriefes der Ehefrau oder gar eines von der
Ehefrau eingelösten gewöhnlichen Schuldbriefes entsprechend der Tendenz des
Art. 177 Abs. 3
SR 210 Codice civile svizzero del 10 dicembre 1907
CC Art. 177 - Se un coniuge non adempie il suo obbligo di mantenimento, il giudice può ordinare ai suoi debitori che facciano i loro pagamenti, in tutto o in parte, all'altro.
ZGB beizukommen sei, sofern die Interzession dem Gläubiger
überhaupt erkennbar geworden ist, steht gegenwärtig nicht zur Entscheidung.
Dass die Interzession im vorliegenden Falle der Klägerin erkennbar war, lässt
sich nicht mit Grund in Zweifel ziehen. Wer sich von der Ehefrau
Grundpfandsicherheit geben lassen will, dies aber nicht auf dem oben
angedeuteten gewöhnlichen, sondern auf einem ungewöhnlichen Weg tut, kann sich
nachher nicht beklagen, wenn er die mit dem Geschäft verbundene Interzession
der Ehefrau nur deshalb verkannt hat, weil er die durch Beschreibung des
aussergewöhnlichen Weges geschaffene Rechtslage nicht umfassend nach allen
Seiten überdachte. - Verfehlt ist endlich der Hinweis der Vorinstanz darauf,
dass der Ehefrau durch den feierlichen öffentlichen Akt vor Notar und
Grundbuchamt die Bedeutung

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der Rechtshandlung genügend vor Augen geführt werde: Eines solchen bedarf es
gemäss Art. 20 der Grundbuchverordnung von Bundesrechts wegen für die
Errichtung von Eigentümer- oder Inhaberschuldbriefen nicht (und von der
daherigen Fakultät gemäss Abs. 2 hat der Kanton Bern nicht einmal Gebrauch
gemacht; vgl. Art. 111 des EG zum ZGB). Übrigens kommt es für die
Zustimmungsbedürftigkeit wesentlich darauf an, dass die Ehefrau nicht nur
einzelne bestimmt umschriebene und bereits vorhandene Vermögensstücke aufs
Spiel setzt, sondern überhaupt was ihr in Zukunft als Vermögen verbleiben mag.
2.- War der Schuldbrief mangels Zustimmung der Vormundschaftsbehörde nicht
gültig, BO konnte daran nichts geändert werden durch die Konkurseingabe der
Beklagten, welche den Bestand des Schuldbriefes voraussetzte, und die
stillschweigende Entgegennahme des entsprechenden Konkursbetreffnisses.
Übrigens hätte es die Beklagte keineswegs versäumen dürfen, mindestens eine
bezügliche bedingte Konkursforderung anzumelden, und dann hätte das darauf
entfallende Konkursbetreffnis zugunsten der Beklagten hinterlegt werden
müssen, also vorderhand doch nicht an die Gläubiger verteilt werden können,
sondern allfällig erst nachträglich, zu welchem Zweck die Beklagte es jetzt ja
auch zurückgeben will. Die vorbehaltlose Einstellung der Liegenschaft der
Beklagten mit der Belastung durch den streitigen Schuldbrief in das
vormundschaftliche öffentliche Inventar erfolgte ohne Zustimmungswillen der
Vormundschaftsbehörde und zudem in einem Zeitpunkt, da die Zustimmung nicht
mehr nachgeholt werden konnte; denn wenn auch gemäss Art. 89
SR 210 Codice civile svizzero del 10 dicembre 1907
CC Art. 177 - Se un coniuge non adempie il suo obbligo di mantenimento, il giudice può ordinare ai suoi debitori che facciano i loro pagamenti, in tutto o in parte, all'altro.
OG die über die
Beklagte verhängte Beiratschaft ungeachtet der zivilrechtlichen Beschwerde
mindestens seit dem Entscheid des kantonalen Appellationshofes vom 19.
Dezember 1933 vollziehbar war, so wurde das Inventar doch erst im Herbst 1934
errichtet, nachdem die Beklagte inzwischen längst sich auf die Ungültigkeit
berufen hatte.

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Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird begründet erklärt, das Urteil des Appellationshofes des
Kantons Bern vom 22. März 193' aufgehoben, die Hauptklage abgewiesen und die
Widerklage zugesprochen.