S. 340 / Nr. 50 Doppelbesteuerung (d)

BGE 61 I 340

50. Urteil vom 25. Oktober 1935 i. S. Schweizerische Treuhandgesellschaft
A.-G. gegen Basel-Stadt, Zürich und Genf.


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Regeste:
Art. 46 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
BV: Einkommensrepartition bei interkantonalen Unternehmungen:
- Das Einkommen ist grundsätzlich als Einheit zu behandeln. Erw. 2.
- Im Vorausanteil für den Hauptsitz soll dessen Tätigkeit als Verwalter des
Wertschriftenportefeuilles schon berücksichtigt sein. Erw. 4.
- Einkommensrepartition bei Treuhandunternehmungen. Erw. 3.

A. - Die Rekurrentin, deren Gesellschaftszweck die Besorgung aller Arten von
Treuhandgeschäften ist, besitzt ausser ihrer Hauptniederlassung in Basel noch
Zweigniederlassungen in Zürich und Genf. Sie hatte im Jahr 1933 einen
Reingewinn von 186593 Fr. 90 Cts. erzielt, worin ausser dem Reinertrag aus
Geschäftstätigkeit von 154656 Fr. 85 Cts. noch ein Wertschriftenertrag von
31937 Fr. 5 Cts. enthalten war. Die Kantone Basel-Stadt, Zürich und Genf sind
sich im Grundsatz darüber einig, dass bei Berechnung ihrer Quoten am
Gesamteinkommen 1933 der Rekurrentin (für das Steuerjahr 1934) dem
Hauptsitzkanton Basel-Stadt ein Vorausanteil von 20% und von den verbleibenden
80% jedem Kanton der Teil zuzuerkennen sei, der dem von seiner Niederlassung
erzielten Umsatz im Verhältnis zum Gesamtumsatz entspreche. Streit besteht nur
über die Behandlung des Einkommens aus Wertschriftenertrag. Der Kanton
Basel-Stadt verlangt, dass dieses Einkommen von 31937 Fr. 5 Cts. aus dem
Gesamteinkommen aus- und ihm zugeschieden werde als dem Kanton, in welchem die
Wertschriften verwahrt und verwaltet würden. Nur die verbleibenden 154656 Fr.

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85 Cts. sollten als das Gesamteinkommen nach Quoten verteilt werden, wobei 20%
Voraus wiederum dem Kanton Basel-Stadt und die übrigen 80% im Verhältnis zum
Umsatz den drei Kantonen Basel-Stadt, Zürich und Genf zukommen sollen. Der
Kanton Zürich erklärte sich mit der von Basel-Stadt vorgeschlagenen
Berechnungsweise einverstanden. Der Kanton Genf dagegen will, dass die 31937
Fr. 5 Cts. Wertschriftenertrag ins Gesamteinkommen der Rekurrentin
einzurechnen seien, dass also von einem Gesamteinkommen von 186593 Fr. 90 Cts.
in der oben angegebenen Weise die Quoten der drei Kantone zu errechnen seien.
B. - Die Folge dieser verschiedenen Berechnungsweise ist eine doppelte
Besteuerung der Rekurrentin im gleichen Steuerjahr 1934 für das gleiche Objekt
durch zwei Kantone, indem der Wertschriftenertrag in diesem Jahr von
Basel-Stadt ganz und von Genf anteilmässig besteuert wird. Deswegen erhob die
Rekurrentin am 8. Dezember 1935 die staatsrechtliche Beschwerde aus Art. 46
Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 46 Umsetzung des Bundesrechts - 1 Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
1    Die Kantone setzen das Bundesrecht nach Massgabe von Verfassung und Gesetz um.
2    Bund und Kantone können miteinander vereinbaren, dass die Kantone bei der Umsetzung von Bundesrecht bestimmte Ziele erreichen und zu diesem Zweck Programme ausführen, die der Bund finanziell unterstützt.10
3    Der Bund belässt den Kantonen möglichst grosse Gestaltungsfreiheit und trägt den kantonalen Besonderheiten Rechnung.11
BV.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
2.- Das Einkommen der Rekurrentin wird gebildet aus den ihr bezahlten
Honoraren einerseits und dem Werttitelertrag andererseits als
Gesamtroheinkommen, unter Abzug der Gesamtunkosten. Der Kanton Basel-Stadt
will mit Zustimmung des Kantons Zürich das Einkommen aus Honoraren und das aus
dem Werttitelertrag als zwei besondere Einkommen des einen Bezügers behandelt
wissen, deren Zuteilung an die beteiligten Kantone sich für jedes nach seinen
eigenen Verhältnissen bestimmt - wobei das Einkommen aus Wertpapierertrag eben
vollumfänglich dem Kanton Basel-Stadt zugeteilt werden solle (offensichtlich
sogar ohne Abzug eines entsprechenden Gesamtunkostenanteils). Der Kanton Genf
dagegen betrachtet Honorar- und Wertpapierertrag als ein Gesamteinkommen, das
als solches auf die beteiligten Kantone zu repartieren sei.

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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts ist das Einkommen einer
interkantonalen Unternehmung interkantonal-steuerrechtlich als Einheit zu
behandeln in dem Sinne, dass die einzelnen Niederlassungskantone nicht das auf
ihrem Gebiet erzielte Einkommen, sondern nur eine Quote des Gesamteinkommens
besteuern dürfen (BGE 36 I 581; 37 I 271; 54 I 402; BURCKHARDT, Kommentar zur
BV 3. Aufl. S. 429; GEORG, in V.S.A. 1922 S. 102). Dem Gesamteinkommen sind
dabei alle Einkünfte zuzurechnen, die richtigerweise in der Gewinn- und
Verlustrechnung aufzuführen sind, einschliesslich des Ertrages des
Wertschriftenportefeuilles. Ob von diesem Grundsatz der Einheitlichkeit des
steuerbaren Einkommens Ausnahmen zu machen seien und wenn ja, unter welchen
Voraussetzungen, kann hier dahingestellt bleiben, da besondere Umstände, die
eine Ausscheidung des Wertschriftenertrages aus dem Gesamteinkommen gerade
hier zu rechtfertigen vermöchten, nicht vorhanden sind.
3.- Es kann sich also nur noch fragen, nach welchen Grundsätzen das
Gesamteinkommen der Rekurrentin auf die beteiligten Kantone zu verteilen sei,
insbesondere wie dabei die Tatsache zu berücksichtigen sei, dass das
Wertschriftenportefeuille am Hauptsitz Basel verwahrt und verwaltet wird.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes wird das Gesamteinkommen einer
interkantonalen Unternehmung nach Massgabe der besonderen Verhältnisse des
Einzelfalles auf die Niederlassungskantone verteilt (BGE 42 I 138). Bei reinen
Handelsunternehmungen geschieht die Verteilung normalerweise nach Massgabe des
Umsatzes (BGE 50 I 93; 55 I 157 Erw. 3), bei Banken nach Massgabe der Gewinn-
und Verlustrechnung (BGE 49 I 36), sofern das zu einer billigen
Steuerverteilung unter Vermeidung einer Doppelbesteuerung führt (BGE 56 I
231
). Der Betrieb der Rekurrentin ist nun keine Handelsunternehmung im
eigentlichen Sinne; sie steht der Bankunternehmung viel näher, so dass es
naheliegen würde, auch bei ihr die

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den Niederlassungskantonen zukommenden Einkommensquoten nach der Gewinn- und
Verlustrechnung zu bestimmen. Doch darf nicht übersehen werden, dass nach dem
eben Ausgeführten in erster Linie die besonderen Verhältnisse des Einzelfalles
für die Einkommensverteilung massgebend sein und dass deshalb die für die
verschiedenen Unternehmungsarten aufgestellten Repartitionsregeln nur dann zur
Anwendung kommen sollen, wenn das im Einzelfall auch wirklich zu einer
billigen Lösung führt, was in BGE 56 I 231 für die Banken noch speziell
bestätigt worden ist. Die Verteilung des Einkommens einer Treuhandunternehmung
ohne weiteres nach der Gewinn- und Verlustrechnung aber würde im Endergebnis
ganz allgemein deshalb unbillig sein, weil die Verrichtungen, in die die
Ausführung der einem Treuhandunternehmen erteilten Aufträge sich auflösen, nur
in viel geringerem Umfang unmittelbar in Buchungsvorgänge sich übersetzen, als
die eigentlichen bankmässigen Verrichtungen. Die Gewinn- und Verlustrechnung
ist deshalb bei Treuhandunternehmungen in der Tat nicht im gleichen Mass der
unmittelbare Ausdruck der gewinnbildenden Vorgänge, wie bei den
Bankunternehmungen.
Da hier die Rekurrentin und die beteiligten Kantone übereinstimmend der
Auffassung sind, dass das Verhältnis der von einer Geschäftsniederlassung
bezogenen Honorare zum Gesamtbetrag der Honorare, d. h. das Umsatzverhältnis
die auf die Niederlassung entfallende Quote des steuerbaren Einkommens
bestimmen soll, so darf angenommen werden, dass diese Repartitionsweise den
besonderen Verhältnissen der Rekurrentin am besten gerecht wird, ohne dass es
einer Prüfung der Verhältnisse, wie sie bei Treuhandunternehmungen im
allgemeinen bestehen, bedürfte.
4.- Die Rekurrentin und die beteiligten Kantone sind sich fernerhin im
Grundsatz darüber einig, dass dem Kanton Basel-Stadt als dem Hauptsitzkanton
ein Vorausanteil von 20% des Gesamteinkommens zukommen soll, das

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nach dem in Erwägung 2 Ausgeführten auch das Einkommen aus Wertpapierertrag
umfasst. Mit diesem Vorausanteil ist die besondere Tätigkeit der
Zentralleitung angemessen berücksichtigt, und zu dieser Tätigkeit gehört auch
die Verwaltung und Verwahrung des Wertpapierportefeuilles der Rekurrentin.
Würde dieser Ertrag den von der Basler Niederlassung bezogenen Honoraren
zugerechnet und auf dieser Grundlage dann die Einkommensrepartierung nach den
Honorareingängen vorgenommen, so hätte das zur Folge, dass die Mitwirkung der
Zentralleitung an der Einkommensbildung doppelt berücksichtigt würde.
Die dem Kanton Basel-Stadt zukommende Quote des pro 1934 steuerbaren
Einkommens der Rekurrentin bestimmt sich also in der Weise, dass der Kanton
Basel-Stadt vom Gesamteinkommen einschliesslich dem Wertschriftenertrag 20%
zum Voraus und von den verbleibenden 80% den Teil für sich in Anspruch nehmen
kann, der den Basler Honorareingängen im Verhältnis zu den Gesamteingängen
entspricht. Dementsprechend bestimmt sich auch die den Kantonen Zürich und
Genf zukommende Einkommensquote, wobei dahingestellt bleiben kann, ob der Kt.
Zürich, der bei der Veranlagung der Rekurrentin unter seiner Quote geblieben
ist, nach Massgabe des kantonalen Rechts darauf noch zurückkommen kann.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Der Rekurs wird gegenüber dem Kanton Basel-Stadt in dem Sinne gutgeheissen,
dass der Ertrag der Titel und der Zins der Kapitalien dem Gesamteinkommen des
Unternehmens zuzurechnen ist, von welchem der Kanton Basel-Stadt diejenige
Quote besteuern kann, welche dem Verhältnis der in der baselstädtischen
Niederlassung erzielten Honorare zum Gesamtumsatz entspricht, nach Vorwegnahme
des der Tätigkeit des Hauptsitzes entsprechenden Vorausanteils.
Gegenüber den Kantonen Zürich und Genf wird der Rekurs abgewiesen.