S. 300 / Nr. 44 Registersachen (d)

BGE 61 I 300

44. Urteil der I. Zivilabteilung vom 24 September 1935 i. S. Steffen gegen
Bern, Regierungsrat.


Seite: 300
Regeste:
Handelsregistereintrag.
Die Aufzählung in Art. 13 Ziff. 3
SR 221.411 Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 (HRegV)
HRegV Art. 13 Firmen- und Namenrecherchen - 1 Das EHRA führt auf Verlangen schriftliche Recherchen zu Firmen und Namen von Rechtseinheiten in der zentralen Datenbank Rechtseinheiten nach Artikel 928b OR durch.
1    Das EHRA führt auf Verlangen schriftliche Recherchen zu Firmen und Namen von Rechtseinheiten in der zentralen Datenbank Rechtseinheiten nach Artikel 928b OR durch.
2    Es stellt die Internetplattform Regix zur vollständig elektronischen Erfassung der Rechercheaufträge zur Verfügung.
HRegV ist nicht abschliessend.
Bei Geschäftsbetrieben, die keines Warenlagers bedürfen, ist nur auf den
Umsatz abzustellen.
Die Eintragspflicht besteht schon vor Ablauf des 1. Geschäftsjahres, sobald
sich erweist, dass der erforderliche Umsatz erreicht wird.
Für handwerkliche Kleinbetriebe besteht auch bei Führung eines Ladens und
Erreichung eines Umsatzes von über 10000 Fr. keine Eintragspflicht.

A. - Steffen, der in Lengnau seit Anfang November 1934 eine Metzgerei
betreibt, wurde im Januar 1935 vom Handelsregisterführer von Büren
aufgefordert, sich ins Handelsregister eintragen zu lassen. Da Steffen sich
der Eintragung widersetzte, überwies das Handelsregisteramt die Akten gemäss
Art. 26 der Handelsregisterverordnung der kantonalen Justizdirektion, welche
Steffen nochmals erfolglos zur Eintragung aufforderte.
B. - Am 28. Mai 1935 verfügte der Regierungsrat des Kantons Bern deshalb die
Eintragung von Amtes wegen, da nach den Angaben des Fleischbeschauers von
Lengnau im Geschäft des Steffen ein Umsatz von mehr als 25000 Fr. erzielt
werde, was die Eintragspflicht begründe.
C. - Gegen diese Verfügung hat Steffen rechtzeitig und in der vorgeschriebenen
Form die verwaltungsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht ergriffen mit
dem Antrag auf Aufhebung. Zur Begründung macht er im wesentlichen geltend, er
sei erst seit dem 1. November 1934 in Lengnau ansässig und nach dem dermaligen
Geschäftsgang sei es undenkbar, dass er den für die Eintragung erforderlichen
Umsatz erreiche; der Regierungsrat habe die Umsatzziffern seines Vorgängers
mitgerechnet, was nicht angängig sei.
D. - Der Regierungsrat des Kantons Bern beantragt

Seite: 301
Abweisung der Beschwerde. Aus den von Steffen in den Monaten November und
Dezember 1934 erzielten Umsätzen gehe hervor, dass ein Jahresumsatz von mehr
als 10000 Fr. erzielt werde, und dies ziehe die Eintragspflicht nach sich.
E. - Das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement beantragt in
einlässlichen Ausführungen, die im wesentlichen dem vorliegenden Entscheid zu
Grunde gelegt sind, die Gutheissung der Beschwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Art. 13 Ziff. 3 der Handelsregisterverordnung unterstellt der
Eintragspflicht ausser den in Ziff. 1 und 2 genannten Handels- und
Fabrikationsgewerben auch andere nach kaufmännischer Art betriebene Gewerbe.
Zu diesen gehören gemäss Ziffer 3 lit. c «Gewerbe, die vermöge ihres Umfanges
oder Geschäftsbetriebes Handels- oder Fabrikationsgewerben gleichgestellt
werden (Gewerbe von Handwerkern, die entweder ein Verkaufsmagazin halten oder
ihr Geschäft im grossen betreiben, so dass dasselbe einer geordneten
Buchführung bedarf: Maurer-, Zimmer- oder Schreinergeschäfte, Baugeschäfte,
Parquetterien und dergl., Brauereien, Brennereien u.a.m.)». Die
Eintragungspflicht dieser Gewerbe entfällt jedoch gemäss Art. 13
SR 221.411 Handelsregisterverordnung vom 17. Oktober 2007 (HRegV)
HRegV Art. 13 Firmen- und Namenrecherchen - 1 Das EHRA führt auf Verlangen schriftliche Recherchen zu Firmen und Namen von Rechtseinheiten in der zentralen Datenbank Rechtseinheiten nach Artikel 928b OR durch.
1    Das EHRA führt auf Verlangen schriftliche Recherchen zu Firmen und Namen von Rechtseinheiten in der zentralen Datenbank Rechtseinheiten nach Artikel 928b OR durch.
2    Es stellt die Internetplattform Regix zur vollständig elektronischen Erfassung der Rechercheaufträge zur Verfügung.
, letztem
Absatz HRegV, «wenn ihr Warenlager nicht durchschnittlich einen Wert von
mindestens 2000 Fr. hat, oder wenn der Jahresumsatz (die jährliche
Roheinnahme) .... unter der Summe von 10000 Fr. bleibt».
2.- Dass das Metzgergewerbe in der Aufzählung nicht ausdrücklich erwähnt wird,
vermöchte für sich allein den Beschwerdeführer nicht von der
Eintragungspflicht zu befreien. Denn wie das Bundesgericht schon wiederholt
entschieden hat, ist diese Aufzählung nicht abschliessend zu verstehen,
sondern sie will nur als Wegleitung einige Beispiele anführen (BGE 58 I S.
249
).
Ebenso wäre unerheblich, dass das Warenlager Steffens nach den polizeilichen
Feststellungen (Akt. 7 Beil. 4) nur einen Wert von wenigen hundert Franken
erreicht, da es

Seite: 302
sich bei einer Metzgerei um ein Geschäft handelt, das der Natur der Sache
nach, nämlich wegen der Gefahr des Verderbens der Ware, kein oder ein im
Verhältnis zum Umsatz nur unbedeutendes Warenlager benötigt. Solche Geschäfte,
die einen sehr hohen Umsatz erzielen und Geschäfte anderer Branchen mit einem
grossen Lager unverderblicher Waren an wirtschaftlicher Bedeutung erheblich
übertreffen können, sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtes
unter Umständen gleichwohl eintragspflichtig (nicht publizierter Entscheid des
Bundesgerichts vom 27. Juni 1933 i. S. Thomi gegen Bern).
Nicht stichhaltig wäre weiter auch der Einwand des Beschwerdeführers, dass er
das Geschäft erst seit zwei Monaten betreibe, während doch der Jahresumsatz
erst nach Ablauf des ersten Geschäftsjahres festgestellt werden könne. Denn
wie das Bundesgericht schon früher entschieden hat, muss sich ein Unternehmen,
dessen Eintragspflicht vom Umsatz abhängt, eintragen lassen, sobald es sich
zeigt, dass dieser wahrscheinlich die erforderliche Höhe von 10000 Fr.
erreichen werde (nicht publizierter Entscheid des Bundesgerichts vom 13. Juni
1933 i. S. Fluttaz gegen Fuchs et Genève). Diese letztere Voraussetzung wäre
im vorliegenden Fall jedoch erfüllt, da nach den Erhebungen der Vorinstanz der
Umsatz in den ersten zwei Monaten des Geschäftsbetriebes bereits 4300 Fr.
betragen hat, also bereits annähernd die Hälfte der erforderlichen 10000 Fr.
3.- Ein Jahresumsatz von 10000 Fr. macht aber den Betrieb eines Handwerkers
noch nicht ohne weiteres eintragspflichtig. Darüber hinaus bedarf es vielmehr
noch verschiedener anderer Voraussetzungen, bei deren Vorliegen erst die
Gleichstellung mit einem Handels- oder Fabrikationsgewerbe sich rechtfertigt.
Ausser dem Halten eines Ladens, welche Voraussetzung hier gegeben wäre, muss
der Geschäftsbetrieb derart beschaffen sein, dass er, um übersichtlich zu
bleiben, einer geordneten kaufmännischen Buchführung bedarf. Dies ist
beispielsweise dann der Fall, wenn Geschäftsbeziehungen mit einem grösseren

Seite: 303
Kreis von Lieferanten bestehen, wenn Kredit in erheblichem Umfang in Anspruch
genommen und gewährt wird, insbesondere bei Wechselverkehr. Eine kaufmännische
Buchführung erweist sich ferner auch dann als nötig, wenn das Geschäft derart
organisiert ist, dass der Inhaber selber nur die Oberleitung inne hat, während
die eigentliche Ausführung der einzelnen Geschäfte zur Hauptsache von
Angestellten besorgt wird. An allen diesen Voraussetzungen fehlt es jedoch im
vorliegenden Fall: Das Geschäft des Beschwerdeführers ist ein ausgesprochener
handwerklicher Kleinbetrieb, für welchen das Vorwiegen der persönlichen
Arbeitskraft des Geschäftsinhabers charakteristisch ist; denn gemäss den
polizeilichen Erhebungen im kantonalen Verfahren beschäftigt Steffen keine
Angestellten oder Arbeiter, sondern einzig einen Lehrling. Derartig denkbar
einfache und übersichtliche Kleinbetriebe aber will die
Handelsregisterverordnung gerade von der Eintragungspflicht ausgenommen
wissen, da die damit verbundene Buchführungspflicht nur eine unnötige
Belastung bedeuten würde. Die Beschwerde ist daher zu schützen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird gutgeheissen und die Verfügung des Regierungsrates des
Kantons Bern vom 28. Mai 1935 wird aufgehoben.