S. 59 / Nr. 17 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 60 III 59

17. Entscheid vom 15. Mai 1934 i. S. Mertz.

Regeste:
Die Konkursverwaltung darf nicht (ohne Einverständnis sämtlicher
Konkursgläubiger) auf Kostengutsprache einzelner Konkursgläubiger hin
Prozesse, zumal Kollokationsprozesse, im Namen der Konkursmasse führen,
insbesondere nicht derart von Rechtsmitteln Gebrauch machen.
Sans l'assentiment de tous les créanciers, l'administration de la masse n'a
pas le droit de faire des procès au nom de la masse quand quelques créanciers
déclarent vouloir en assumer les frais, notamment pas des procès en
modification de l'état de collocation, ni de former des recours.
L'Amministrazione del fallimento non può promuovere senza l'assenso di tutti i
creditori delle cause in nome della massa allorchè il pagamento delle spese è
garantito solo da alcuni creditori. Questa regola vale soprattutto per le
cause relative alla graduatoria e per i rimedi di diritto.

Im Konkurs über A. Mertz in Basel meldete F. Müller eine Forderung von 50000
Fr. an, wurde jedoch im Kollokationsplan abgewiesen und erhob daher Klage auf
Anfechtung desselben, die dann vom Zivilgericht des Kantons Basel-Stadt am 6.
Februar 1934 im Betrage von 25000 Fr. zugesprochen wurde. Als das Konkursamt
nicht appellieren wollte, erklärten Mutter und Schwester des Gemeinschuldners,
für allfällige Kosten des Appellationsverfahrens aufkommen zu wollen, worauf
das Konkursamt appellierte und den von ihnen bezeichneten Advokaten Dr. Ronus
zur Durchführung der Appellation ermächtigte, was er mit der Erklärung in der
Appellationseingabe tun sollte, dass die Konkursmasse die Kosten der

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Appellation nicht trage und deshalb ein Wechsel in der Vertretung
stattgefunden habe.
Hierüber beschwerte sich Müller mit dem Antrag, das Konkursamt sei anzuweisen,
die erteilte Vollmacht zu widerrrufen.
Die kantonale Aufsichtsbehörde hat am 24. April 1934 die Beschwerde
gutgeheissen und das Konkursamt angewiesen, die Appellation zurückzuziehen.
Diesen Entscheid haben Mutter und Schwester des Gemeinschuldners an das
Bundesgericht weitergezogen mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde des
Müller.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Das SchKGesetz (Art. 245, 250) und die Konkursverordnung (Art. 66) sehen vor,
dass entweder die Konkursverwaltung als Beklagte oder aber einzelne
Konkursgläubiger als Kläger sich gegen die Teilnahme von (andern)
Konkursgläubigern am Konkursergebnis verteidigen können. Im vorliegenden Fall
ist bis zum Urteil des Zivilgerichts das erstere geschehen, während von da an
der, Prozess auf Kosten einzelner Konkursgläubiger, jedoch gleichwohl im Namen
(mit Vollmacht) der Konkursmasse fortgesetzt werden will. Indessen kann eine
solche mittlere Lösung nicht als im Sinne der gesetzlichen Ordnung gelegen
angesehen werden. Will die Konkursverwaltung einen Kollokationsprozess, den
sie an sich hat herankommen lassen, nicht mehr fortsetzen, so liegt der Grund
entweder im Mangel an den hiefür notwendigen Geldmitteln oder in der
Erkenntnis, dass die Aussichten des Prozesses nicht so günstig sind. um
weiteren Kostenaufwand aus den Mitteln der Konkursmasse zu rechtfertigen. Im
einen wie im andern Falle haben alle (andern) Konkursgläubiger das Recht, die
Aussichten des Prozesses durch den Einsatz der Prozesskosten zu erkaufen, und
die Konkursverwaltung ist nicht berechtigt, sie um dieses Recht dadurch zu
bringen, dass sie sich das Kostenrisiko für weitere

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Prozessvorkehren von einzelnen Konkursgläubigern abnehmen lässt, selbst wenn
diese dazu bereit sind, ohne den erörterten Sondervorteil für sich in Anspruch
zu nehmen. Auch nachdem sich die Konkursverwaltung zunächst einem
Kollokationsprozess ausgesetzt hat, ist jenes Recht der einzelnen
Konkursgläubiger nach Massgabe der Vorschrift des Art. 66 der
Konkursverordnung zu wahren. Freilich darf es die Konkursverwaltung nicht zu
einem sie (ganz oder teilweise) verurteilenden gerichtlichen Entscheid kommen
lassen, ansonst eben dieser massgebend wird, sofern sie nicht selbst (im Namen
und für Rechnung der Konkursmasse) ein Rechtsmittel dagegen ergreift. Dass sie
dies nicht auf eigene Kosten, sondern nur auf Kosten einzelner
Konkursgläubiger (ohne Einverständnis aller übrigen) tue, geht nicht an. Ist
das Konkursmassvermögen knapp, so soll sich die Konkursmasse überhaupt davor
hüten, sich in Prozesse verwickeln zu lassen auf die Gefahr hin, dass sie die
allfällig erforderlich werdende Durchführung von Rechtsmitteln (der einen oder
andern Partei) doch nicht auszuhalten vermöchte. Sobald sie aber einen
ergangenen Gerichtsentscheid dahin beurteilt, dass sich die Weiterziehung auf
Kosten der Konkursmasse nicht rechtfertigt, so soll sie die Konkursmasse auch
von dem Risiko allfälligen weitergehenden Obsiegens des Kollokationsklägers
vermittelst Anschlussappellation bewahren und daher von jeder eigenen
Rechtsmittelvorkehr abstehen. Ob das Konkursamt in dieser Beziehung seine
ursprüngliche Meinung geändert habe und non dementsprechend handeln möchte,
ergibt sich aus den bezüglichen Bemerkungen der Aufsichtsbehörde zum Rekurs
nicht mit Bestimmtheit; übrigens könnte eine solche Änderung als novum für die
Erledigung der vorliegenden Beschwerdesache nicht mehr berücksichtigt werden.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. KouLurshammer:
Der Rekurs wird abgewiesen.