S. 19 / Nr. 6 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 60 III 19

6. Entscheid vom 28. Februar 1934 S. Zentralsteuerverwaltung des Kantons Bern.


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Regeste:
Pfändung künftigen Lohnes. Der Gläubiger kann die Verwertung auch dann
spätestens ein Jahr und drei Monate nach dem Pfändungsvollzug verlangen, wenn
er schon vor Ablauf des Jahres in der Lage war, es zu tun.
Saisie du salaire futur. Le créancier peut requérir la vente encore un an et
trois mois au plus tard après la saisie, même lorsqu'il aurait pu le faire
déjà dans le délai ordinaire d'un an.
Pignoramento di futuro salario. Il creditore può domandare la vendita ancora
un anno e tre mesi al più tardi dopo il pignoramento, benchè avrebbe potuto
farlo entro il termine di un anno.

A. - In der Betreibung der Rekurrentin gegen J. H. Peter für 391 Fr. 25 Cts.
pfändete das Betreibungsamt Basel-Stadt am 17. Dezember 1932 «Lohn des
Schuldners bei ... Abzug: 50 Fr. per Monat bis zur Deckung von 420 Fr.» und
gab auf der Pfändungsurkundenabschrift für den Gläubiger an, das
Verwertungsbegehren könne gestellt werden vom 17. Januar bis 17. Dezember
1933. Die einzige, noch im Dezember 1932 eingegangene Monatsrate lieferte das
Betreibungsamt am 24. Dezember 1933 an die Rekurrentin ab, und auf

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Reklamation hin schrieb es ihr am 4. Januar 1934, die Betreibung sei seit dem
17. Dezember 1933 erloschen, da kein Verwertungsbegehren gestellt wurde.
Hierauf stellte die Rekurrentin das Verwertungsbegehren, und mit der
vorliegenden Beschwerde hat sie den Antrag gestellt, das Betreibungsamt sei
anzuweisen, diesem Begehren Folge zu leisten.
B. - Die kantonale Aufsichtsbehörde hat am 5. Februar 1934 die Beschwerde
abgewiesen.
C. - Diesen Entscheid hat die Rekurrentin an das Bundesgericht weitergezogen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Das Betreibungsamt und die kantonale Aufsichtsbehörde wollen von der Anwendung
der durch BGE 36 I S. 139 = Sep. Ausg. 13 S. 57 eingeführten dreimonatigen
Nachfrist für die Stellung des Verwertungsbegehrens bei der Pfändung künftigen
Lohnes absehen, weil nur solcher Lohn gepfändet worden sei, der bis zum 17.
September 1933 fällig werden musste, und die Rekurrentin daher ohnehin noch
bis zum 17. Dezember 1933 drei Monate Zeit hatte, um das Verwertungsbegehren
zu stellen. Allein von einer derartigen zeitlichen Beschränkung der
Lohnpfändung steht nichts in der Pfändungsurkunde. Hätte der Dienstherr den
gepfändeten Lohn jeden Monat abziehen können und richtig abgezogen und an das
Betreibungsamt abgeliefert, so wäre nach dem 17. September 1933 freilich
nichts mehr abzuziehen gewesen. Indessen kann bei der Pfändung künftigen
Lohnes nie mit einiger Sicherheit damit gerechnet werden, dass sich alles so
programmässig abwickeln werde und nicht etwa nachträglich aus zureichenden
Gründen (Verdienstlosigkeit aller Art, Lohnabbau, Vergrösserung des
Existenzminimums aus irgendwelcher Veranlassung) einzelne der gepfändeten
Lohnbetreffnisse ganz oder teilweise freigegeben werden müssen, um dann erst
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Monaten nachbezogen zu werden. (Ja selbst wenn der Dienstherr den einen oder
anderen Abzug verabsäumt haben sollte, wird sich die Sache am einfachsten für
alle Beteiligten durch spätere Abzüge wieder in Ordnung bringen lassen.)
Soweit dies binnen einem Jahr seit dem Pfändungsvollzug möglich ist, kann es
geschehen, ohne dass es dem Gläubiger sofort mitgeteilt zu werden braucht.
Kann sich dieser also einerseits nicht unbedingt darauf verlassen, dass der
gepfändete Lohn so rasch eingezogen wird, wie es nach der Bestimmung der
pfändbaren Lohnquote beim Pfändungsvollzug vorauszusehen ist, so darf
anderseits die ihm zu Gebote stehende Frist für die Stellung des
Verwertungsbegehrens auch nicht schlechthin auf drei Monate seit Verfall der
letzten Lohnquote beschränkt werden, die nach der ursprünglichen
Pfändungsbemessung noch eingezogen werden muss (wo immer bei dieser Berechnung
die ordentliche Jahresfrist ohnehin erreicht oder gar überschritten wird).
Vielmehr kann angesichts der der Pfändung künftigen Lohnes anhaftenden
Unsicherheit die adäquate Lösung nur darin gefunden werden, dass dem Gläubiger
hiefür ein für allemal eine einfach zu berechnende Frist zur Verfügung
gestellt wird, gleichgültig welche Veränderungen die Lohnpfändung im Laufe
ihrer Dauer auch erleiden möge. Werden ihm bei jeder Pfändung künftigen Lohnes
fünfzehn Monate seit dem Pfändungsvollzug für die Stellung des
Verwertungsbegehrens eingeräumt, auch wo er einer Nachfrist von drei Monaten
gar nicht bedürfte, sondern die Verwertung sehr wohl lange vorher verlangen
könnte, so kann deswegen nicht mit Fug von grundloser Verzögerung der
Abwicklung dieser Art von Betreibungen gesprochen werden, umsoweniger, als es
sich mit der Eigenart der Pfändung künftiger Forderungen durchaus hätte
vereinbaren lassen, die Jahresfrist des Art. 116
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 116 - 1 Der Gläubiger kann die Verwertung der gepfändeten beweglichen Vermögensstücke sowie der Forderungen und der andern Rechte frühestens einen Monat und spätestens ein Jahr, diejenige der gepfändeten Grundstücke frühestens sechs Monate und spätestens zwei Jahre nach der Pfändung verlangen.
1    Der Gläubiger kann die Verwertung der gepfändeten beweglichen Vermögensstücke sowie der Forderungen und der andern Rechte frühestens einen Monat und spätestens ein Jahr, diejenige der gepfändeten Grundstücke frühestens sechs Monate und spätestens zwei Jahre nach der Pfändung verlangen.
2    Ist künftiger Lohn gepfändet worden, und hat der Arbeitgeber gepfändete Beträge bei deren Fälligkeit nicht abgeliefert, so kann die Verwertung des Anspruches auf diese Beträge innert 15 Monaten nach der Pfändung verlangt werden.
3    Ist die Pfändung wegen Teilnahme mehrerer Gläubiger ergänzt worden, so laufen diese Fristen von der letzten erfolgreichen Ergänzungspfändung an.
SchKG überhaupt nicht vor dem
Zeitpunkte beginnen zu lassen, wo die Pfändung durch die spätere Entstehung
der Forderung erst effektiv wird. Mit der gegenteiligen Ansicht liesse es

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sich auch nur schlecht vereinbaren, dass das Betreibungsamt die eingezogenen
Lohnquoten nicht unverzüglich nach Ablauf der laut Pfändungsurkunde
vorausgesehenen Dauer der Lohnpfändung an den Gläubiger abliefere, sondern
damit noch monatelang zuwarte, wie es hier geschehen ist. Auch ist nicht
richtig, dass es die Rekurrentin ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht habe,
sie könne das Verwertungsbegehren nur binnen einem Jahr seit dem
Pfändungsvollzug stellen. Vielmehr wurde einfach der Vordruck für die Angabe
der Frist für die Stellung des Verwertungsbegehrens ohne jede Rücksicht auf
die Besonderheit der Pfändung künftigen Lohnes gleichwie bei irgendeiner
gewöhnlichen Fahrnispfändung ausgefüllt, wie ohne weiteres aus der Bestimmung
des Anfangspunktes auf den 17. Januar 1933 hervorgeht, der bei der
vorliegenden Lohnpfändung ganz unzulässig war (vgl. Rekursentscheid vom 11.
Juli 1933 in Sachen Wyss-Schönenberger, wo schon die gleiche Feststellung
gemacht werden musste). Somit war das Verwertungsbegehren der Rekurrentin
nicht verspätet und muss das Betreibungsamt die Lohnforderungsquoten, die er
Dienstherr des Betriebenen nach der regelrecht vollzogenen Pfändung nicht mehr
mit befreiender Wirkung an den Betriebenen selbst bezahlen konnte, in
geeigneter Weise verwerten.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer:
Der Rekurs wird begründet erklärt und das Betreibungsamt angewiesen, dem
Verwertungsbegehren Folge zu geben.