S. 139 / Nr. 21 Registersachen (d)

BGE 60 I 139

21. Urteil der II. Zivilabteilung vom 15. März 1934 i. S. Schmidli, Staubli
und Stierli gegen Regierungsrat des Kts. Aargau.

Regeste:
Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde: Die Behandlung als Partei vor
den kantonalen Instanzen gibt nur die formelle Beschwerdelegitimation. Zur
Sache legitimiert ist, wer durch den angefochtenen Entscheid in seinen Rechten
betroffen wird. Wegen der Ablehnung der Eintragung eines Kaufvertrages kann
nur der verfügungsberechtigte Eigentümer Beschwerde führen. (Erw. 1.)
Der Begriff des landwirtschaftlichen Gewerbes im Sinne von Art. 218
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 218 - Für die Veräusserung von landwirtschaftlichen Grundstücken gilt zudem das Bundesgesetz vom 4. Oktober 199184 über das bäuerliche Bodenrecht.
OR ist ein
Begriff des Bundesrechtes. Das befristete Veräusserungsverbot darf nicht auf
Grundstücke angewendet werden, die nicht mit einem landwirtschaftlichen
Gewerbe erworben worden sind. (Erw. 3.)
Kriterien (Erw. 4).

A. - Leonz Küng-Fischer war Eigentümer eines Heimwesens in Aristau und Muri,
das er im April 1932 in zwei

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Teilen veräusserte: eine Parzelle mit Wohnhaus, Scheune, Garten und Baumgarten
an Leo Küng, Wirt in Aristau, und die übrigen elf in Aristau und Muri
verstreut, teilweise weit auseinander liegenden Grundstücke (Acker-, Wies- und
Torfland) an Josef Staubli, Gemeindeschreiber in Aristau. Beide Verträge
wurden durch Eintragung im Grundbuch vollzogen.
Leo Küng verkaufte in der Folge das erwähnte Grundstück mit den Gebäuden
weiter an Kaspar Stierli, Handelsmann in Besenbüren, und erwirkte mit einer
Beschwerde gegenüber der Weigerung des Grundbuchamtes auch die Eintragung der
Handänderung im Grundbuche.
Staubli seinerseits verkaufte am 25. September 1933 demselben Kaspar Stierli
zwei der elf Grundstücke, die er von Leonz Küng-Fischer erworben. Das
Grundbuchamt verweigerte die Eintragung mit Berufung auf § 4 des aargauischen
Einführungsgesetzes zum Obligationenrecht; diese Bestimmung verbietet
grundsätzlich die stückweise Weiterveräusserung eines durch Kauf oder Tausch
erworbenen landwirtschaftlichen Gewerbes während einer vom Eigentumserwerb
hinweg laufenden Frist von vier Jahren.
B. - Eine gegen diese Verfügung des Grundbuchamtes bei der kantonalen
Justizdirektion angehobene Beschwerde hatte keinen Erfolg, und der
Regierungsrat des Kantons Aargau, an den die Sache weitergezogen wurde, wies
die Beschwerde mit Entscheid vom 1. Dezember 1933 ebenfalls grundsätzlich ab.
Er bewilligte nur für die eine Parzelle die Eigentumsübertragung unter der
Bedingung, dass die beabsichtigte Güterregulierung durch Abtausch mit einem
Grundstück eines Anstössers zugleich vorgenommen werde. Im übrigen hält der
Regierungsrat dafür, die erwähnte Bestimmung des Einführungsgesetzes sei in
der Tat anwendbar. Allerdings habe Staubli von Leonz Küng-Fischer nur die elf
unzusammenhängenden Grundstücke ohne die landwirtschaftlichen Gebäulichkeiten
erworben; allein er besitze bereits genügend

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Gebäulichkeiten, und es bestehe auch die Möglichkeit, ein neues Gebäude auf
einem der elf Grundstücke zu erstellen. Wollte man die vorliegende
Weiterveräusserung gestatten, so wäre nach Auffassung des Regierungsrates der
Güterspekulation und Güterzerstückelung Tür und Tor geöffnet. Bereits vor dem
Erwerb der elf Grundstücke habe bei Staubli die Absicht obgewaltet, zu
spekulieren und die gesetzlichen Beschränkungen der Weiterveräusserung zu
umgehen. Das erhelle aus einem schon im Mai 1931 abgeschlossenen, wenn auch
nicht zur Ausführung gelangten Vorvertrag. Und daraus, dass Staubli im
September 1932 bei der kantonalen Justizdirektion die Bewilligung zur
Weiterveräusserung der zwei hier in Frage stehenden Parzellen nachsuchte, ohne
gegen den ablehnenden Bescheid etwas vorzukehren, gehe hervor, dass er selber
damals der Ansicht war, diese Weiterveräusserung sei nur mit behördlicher
Bewilligung zulässig.
C. - Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende
Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die beim Bundesrat eingereicht und von Amtes
wegen dem Bundesgericht überwiesen wurde, das nun zur Beurteilung von
Beschwerden gegen Entscheide der kantonalen Aufsichtsbehörden in
Grundbuchsachen zuständig ist (Art. 4 lit. c des Bundesgesetzes über die
Verwaltungs- und Disziplinarrechtspflege und Anhang Ziffer I dazu; für die
Überweisung: Art. 194 Abs. 3
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 218 - Für die Veräusserung von landwirtschaftlichen Grundstücken gilt zudem das Bundesgesetz vom 4. Oktober 199184 über das bäuerliche Bodenrecht.
OG, neu gemäss Art. 49 lit. f. VDG). In dieser
Beschwerde wird daran festgehalten, dass keine Weiterveräusserung von Stücken
eines durch Kauf erworbenen landwirtschaftlichen Gewerbes in Frage stehe; denn
die elf im April 1932 erworbenen Grundstücke stellten kein
landwirtschaftliches Gewerbe dar. § 4 des kantonalen Einführungsgesetzes werde
im angefochtenen Entscheid in ganz willkürlicher Weise ausgelegt.
Der Regierungsrat beantragt Abweisung der Beschwerde, im wesentlichen aus den
in seinem Entscheide dargelegten Gründen. - Das Grundbuchamt Muri weist
speziell auf Momente hin, die eine von Anfang an, schon beim Erwerbe

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der elf Grundstücke bestehende Umgehungsabsicht dartun sollen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Als Beschwerdeführer tritt Notar Schmidli, der den Kaufvertrag vom 25.
September 1933 beurkundet hat, sowohl in eigenem Namen wie auch im Namen der
Parteien des Kaufvertrages auf. Nach § 142 des aargauischen
Einführungsgesetzes zum ZGB ist der Notar allerdings zur Anmeldung der von ihm
beurkundeten Verträge (im Sinne von Art. 963 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 963 - 1 Die Eintragungen erfolgen auf Grund einer schriftlichen Erklärung des Eigentümers des Grundstückes, auf das sich die Verfügung bezieht.
1    Die Eintragungen erfolgen auf Grund einer schriftlichen Erklärung des Eigentümers des Grundstückes, auf das sich die Verfügung bezieht.
2    Keiner Erklärung des Eigentümers bedarf es, wenn der Erwerber sich auf eine Gesetzesvorschrift, auf ein rechtskräftiges Urteil oder eine dem Urteil gleichwertige Urkunde zu berufen vermag.
3    Die mit der öffentlichen Beurkundung beauftragten Beamten können durch die Kantone angewiesen werden, die von ihnen beurkundeten Geschäfte zur Eintragung anzumelden.
ZGB) befugt und
verpflichtet. Aus einer derartigen Vorschrift lässt sich jedoch kein Recht des
Notars, gegen die abweisende Verfügung des Grundbuchamtes Beschwerde zu
führen, herleiten, es wäre denn, das die Abweisung wegen einer Bemängelung der
gesetzlichen Handlungsbefugnisse des Notars erfolgt wäre, was hier nicht
zutrifft (BGE 55 I 341 ff.). Der Umstand, dass die kantonalen Instanzen (mit
Unrecht) auf seine Beschwerde eingetreten sind, gibt ihm nur die formelle
Legitimation zur Anrufung des Bundesgerichts (Art. 9 VDG; vgl. dazu
KIRCHHOFER, Die Verwaltungsrechtspflege beim Bundesgericht, S. 35); die
Beschwerde ist aber nach dem Gesagten ohne nähere Prüfung wegen Fehlens der
Legitimation zur Sache abzuweisen.
Zur Vertretung der Kaufvertragsparteien im Beschwerdeverfahren bedarf der
Notar einer rechtsgeschäftlichen Ermächtigung. Diesem Erfordernis ist hier
genügt durch die im bundesgerichtlichen Verfahren beigebrachten Vollmachten
beider Parteien, worin erklärt wird, der Notar habe von Anfang an auf Grund
einer mündlichen Ermächtigung der Beteiligten gehandelt.
Indessen ist nur der Verkäufer und nicht auch der Käufer zur Sache
legitimiert, denn die grundbuchliche Verfügung hat von jenem als dem
derzeitigen Eigentümer der Grundstücke auszugehen.
2.- Der Beschwerde des Verkäufers steht nicht entgegen, dass er schon im
September 1932 die Bewilligung

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zur Veräusserung der beiden Grundstücke bei der kantonalen Justizdirektion
nachgesucht hatte und mit dem Gesuch abgewiesen worden war; denn abgesehen
davon, dass jenes Gesuch keine Beschwerde gegen eine grundbuchamtliche
Verfügung darstellte, betrifft die vorliegend streitige Anmeldung ein seither
abgeschlossenes Geschäft, wegen dessen grundbuchlicher Vollziehbarkeit die
Beschwerdeinstanzen hier erstmals angerufen werden.
3.- Auch handelt es sich entgegen der Ansicht des eidgenössischen Justiz- und
Polizeidepartementes nicht oder doch nicht nur um die Anwendung kantonalen
Rechtes. Allerdings sind die Kantone nach Art. 616
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 616
und 702
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 702 - Dem Bunde, den Kantonen und den Gemeinden bleibt es vorbehalten, Beschränkungen des Grundeigentums zum allgemeinen Wohl aufzustellen, wie namentlich betreffend die Bau-, Feuer- und Gesundheitspolizei, das Forst- und Strassenwesen, den Reckweg, die Errichtung von Grenzmarken und Vermessungszeichen, die Bodenverbesserungen, die Zerstückelung der Güter, die Zusammenlegung von ländlichen Fluren und von Baugebiet, die Erhaltung von Altertümern und Naturdenkmälern, die Sicherung der Landschaften und Aussichtspunkte vor Verunstaltung und den Schutz von Heilquellen.
ZGB befugt, für die
Zerstückelung von Grundstücken bestimmte Schranken aufzustellen, was der
Kanton Aargau in seinem Einführungsgesetze zum ZGB (§ 94) getan hat. Allein
eine Verletzung dieser Bestimmung steht hier nicht in Frage, indem nach dem
Kaufvertrage vom 25. September 1933 kein Grundstück aufgeteilt werden soll.
Dieser Kaufvertrag wird nur unter dem Gesichtspunkte des § 4 des
Einführungsgesetzes zum OR beanstandet, der eine Sperrfrist von vier Jahren
für die stückweise Weiterveräusserung eines durch Kauf oder Tausch erworbenen
landwirtschaftlichen Gewerbes vorsieht, ohne Rücksicht darauf, wie gross die
Stücke sind und ob sie bereits selbständige Grundstücke (Parzellen)
darstellen. Beschränkungen solcher Art sind aber nur im Rahmen von Art. 218
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 218 - Für die Veräusserung von landwirtschaftlichen Grundstücken gilt zudem das Bundesgesetz vom 4. Oktober 199184 über das bäuerliche Bodenrecht.
OR
zulässig, der den Kantonen eine bezügliche Gesetzgebungsbefugnis ausdrücklich
nur betreffend die Weiterveräusserung eines in der erwähnten Art erworbenen
landwirtschaftlichen Gewerbes einräumt. Daher bestimmt sich der Begriff des
landwirtschaftlichen Gewerbes nach Bundesrecht, und Bundesrecht ist verletzt,
wenn die kantonale Schutzbestimmung auf eine Veräusserung von Grundstücken
angewendet wird, die vom Veräusserer nicht mit einem landwirtschaftlichen
Gewerbe (als Teil davon) im Sinne von Art. 218
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 218 - Für die Veräusserung von landwirtschaftlichen Grundstücken gilt zudem das Bundesgesetz vom 4. Oktober 199184 über das bäuerliche Bodenrecht.
OR erworben worden sind. Denn
dann liegt ein Eingriff in die bundesrechtlich geschützte, der Beschränkung
durch

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kantonale Vorschriften nicht vorbehaltene Sphäre der Verfügungsfreiheit vor.
Eine Rechtsverletzung dieser Art wird mit der vorliegenden Beschwerde gerügt.
4.- Dem Begriffe des landwirtschaftlichen Gewerbes, wie er in Art. 218
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 218 - Für die Veräusserung von landwirtschaftlichen Grundstücken gilt zudem das Bundesgesetz vom 4. Oktober 199184 über das bäuerliche Bodenrecht.
OR
gleich wie in Art. 620
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 218 - Für die Veräusserung von landwirtschaftlichen Grundstücken gilt zudem das Bundesgesetz vom 4. Oktober 199184 über das bäuerliche Bodenrecht.
ZGB verwendet wird, genügt nun nur die Gesamtheit von
Land und Gebäuden, die eine landwirtschaftliche Betriebseinheit bildet (vgl.
BGE 57 II 149; 58 II 203). Das trifft für die elf Grundstücke, die der
Beschwerdeführer im April 1932 von Leonz Küng-Fischer erworben hat,
offensichtlich nicht zu. Deren Weiterveräusserung in Stücken kann daher keiner
Sperrfrist unterworfen werden. Die Möglichkeit, die elf Grundstücke durch
Erstellen von Bauten zu einer Betriebseinheit auszugestalten, ist ebenso ohne
Belang wie der Umstand, dass der Beschwerdeführer bereits Grundstücke besass,
mit denen er die elf Grundstücke zu einer wirtschaftlichen Einheit verbinden
konnte; denn es bleibt dabei, dass der Erwerb der elf Grundstücke sich nicht
als Kauf eines landwirtschaftlichen Gewerbes darstellte.
Es kann auch nicht von einer Umgehung des Gesetzes gesprochen werden. Da die
ursprüngliche Meinung des Beschwerdeführers, er bedürfe zur Veräusserung
einzelner der elf Grundstücke einer Bewilligung, rechtsirrtümlich war, hat es
nichts auf sich, was zur Umgehung der vermeintlichen Verfügungsbeschränkung
geplant, übrigens nicht ausgeführt wurde. Dass aber etwa Leo Küng die
Gebäudeliegenschaft nur als Strohmann für den Beschwerdeführer erworben und
weiterveräussert hätte - in welchem Falle übrigens schon jene
Weiterveräusserung hätte verhindert werden sollen -, ist weder behauptet noch
dargetan; aus der vom Grundbuchamt angerufenen Erklärung des Leonz
Küng-Fischer vom 27. Oktober 1932 ist das Gegenteil zu schliessen.
Leonz Küng-Fischer war im April 1932 frei, sein Heimwesen dergestalt in
Stücken weiterzuveräussern, dass jedes der Verkaufsobjekte nicht wiederum eine

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landwirtschaftliche Betriebseinheit darstellte, womit auch die Beschränkung
gemäss Art. 218
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 218 - Für die Veräusserung von landwirtschaftlichen Grundstücken gilt zudem das Bundesgesetz vom 4. Oktober 199184 über das bäuerliche Bodenrecht.
OR wegfiel. Anders kann das Gesetz nicht ausgelegt werden.
Damit erweist sich die Beschwerde des Weiterverkäufers Staubli als begründet.
Ob es angebracht wäre, der «Güterschlächterei» mit weitergehenden
Beschränkungen entgegenzutreten, ist eine Frage der Gesetzgebung, die bei der
Anwendung des geltenden Rechtes nicht zu erörtern ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerden des Albert Schmidli und des Kaspar Stierli werden abgewiesen,
dagegen wird die Beschwerde des Josef Staubli gutgeheissen und das
Grundbuchamt Muri angewiesen, die Handänderung einzutragen.