400 À. staats-rechtliche Entscheidungen. HI. Abschnitt. Konkordate.
ausschliesslich gebühren, sowie im Fernern darauf, dass für einen der
Rekursbeklagten die Pflicht zur Kollation bestehe. Die Klage macht
also keineswegs Ansprüche gegenüber den Rekursbeklagten geltend,
welche vom Erblasser abgeleitet wären, sondern solche Ansprüche,
welche aus der am elterlichen Nachlasse bestehenden Erbgemeinschaft
direkt für die Rekurrenten begründet worden sein sollen, d. h. eben
Erbtheilungsanspriiche. Wenn endlich die Rekursbeklagten darauf hinweisen,
dass in Bezug auf die eingeklagten Forderungen keine Solidarität zwischen
ihnen bestehe und dass diese Forderungen für die einzelnen Rekursbeklagten
ungleich grosse Beträge anbetreffen, so ist nicht einzusehen, inwiefern
diese Momente der angebrachten Klage den erbrechtlichen Charakter benehmen
könnten. Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
Der Rekurs wird als begründet erklärt und es wird demnach das Urtheil
des Obergerichtes des Kantons Solothurn vom 16. April 1880 in dem in
Erwägung 1 bezeichneten Umfange aufgehoben.
68. Urtheil Vom 3. September 1880 in Sachen Ackermann.
A.. Im Juni 1879 verstarb in Luzern, wo er seit 1850 nie-ss dergelassen
gewesen war, der Ehemann der Rekurrentin, Holzhändler Alois Ackermann
von Ennetbürgen, Kantons. Nidwalden, mit Hinterlassung eines Testamentes
d. d. 17. April 1876, in welchem er erklärte, dass seine Ehefrau Anna
Maria Ackermann geb. Theiler den sämmtlichen Hausrath s. Z. anhergebracht
habe und dass somit derselbe ihr Eigenthum sei und im fernem verfügte,
dass seiner genannten Ehefrau gemäss § 214 des nidwaldenschen bürgerlichen
Gesetzbuches der Niessbrauch am Vierten Theile seiner Berlassenschaft
zustehen und ihr überdem nach § 240 des gleichen Gesetzes der vierte Theil
seines Vermögens als Eigenthum laut Vermächtniss zufallen folle. Bereits(
Testimgsinhigkeii und Erbrechtsvefhffltnisse. N° 68. 401
bei Lebzeiten hatte der Ehemann Ackermann seiner Ehefrau einen Betrag
von 15 000 Fr. zugewendet.
B. Als Erben des Alois Ackermann meldeten sich Anna Maria Ackermann,
Josef Ackermann und Franziska Ackermann, sämmtlich von Buochs, Kantons
Nidwalden. Nachdem das über den Nachlass des Alois Ackermann aufgenommene
benencmm inventarii nur einen geringen Vermögensstand ergeben hatte. und
den Jntestaterben die Verfügungen zu Gunsten der Wittwe Ackermann
bekannt geworden waren, liessen dieselben die letztere am 9. Dezember
1879 Vor das Bermittlungsgericht Buochs zur Anerkennung der Begehren
vorladenx 1. Dass die ihr durch Willensverordnung vom 17. April 1876
eingeräumten Ver-gnustigungen nichtig und 2. die empfangenen 15000 Fr. als
Nachlassenschaft des Erblassers zu betrachten seien; 3. dass sie überhaupt
alles Von ihrem Ehemanne Vorempfangene Vermogen bestehend in Schenkungen
oder Testaten in die Grbmasse einzuwerfen habe. Durch Gegenvorladuug vor
das namliche Gericht vom 11. Dezember 1879 machte die Wittwe Ackermann
widerklagsweise den Anspruch geltend, dass die widerbeklagten Erben des
Al. Ackermann sel. gehalten seien, die durch die Willens-
.verordnung Vom 17. April 1876 der Widerklägerin Wittwe
AckermannsTheiler, Holzhändlerin in Luzern, eingeräumten Vergünstigungen
als zu Recht bestehend anzuerkennen DurchAnzeige vorn 20. Februar 1880
erklärte im Ferner-n die Wittwe Ackermann, für die Behandlung der Ziffer
1 der klagerischen Citation betreffend die Gültigkeit des Testamentes
das nidwals densche Forum anerkennen zu wollen wogegen sie die Kompetenz
der snidwaldenschen Gerichte für die Behandlung Von Ziffer 2 und 3 der
klägerischen Citation, welche mit dem Testamente in keiner Weise in
Verbindung stehen, bestreite.
C. Das Obergericht des Kantons Nidwalden, welchem zunächst die Frage der
Kompetenz zur Entscheidungovorgelegz wurde, formulirte die zu lösende
Rechtsfrage dahin: th betreffs der von Frau Ackermann geb. Theiler seitens
ihres Ehemanns Al. Ackermann sel. während der Ehe erhaltenen ·Schenkungen,
resp. Vorempfänge, der heimatliche oder .der Gerichtsstaud des Wohnortes
massgebend? und entschied diese Frage am Lo. Fe-
402 A. Staatsresshtliche Entscheidungen. III. Abschnitt. Konkordate.
bruar 1880 dahin : Es sei zum Rechtsentscheide der Streitanstände
über die Punkte 2 und 3 der; Citation, resp. über die von Frau
Ackermann-Thaler seitens ihres Ehemannes Al. Ackermann während der
Ehe erhaltenen Schenkungen resp. Botenlpfänge das hiesige Gerichtssorum
massgebend, wesentlich aus folgenden Gründen: Nach Mitgabe des Konkordates
vom 15. Juli 1822, welchem die beiden Kantoue Luzern und Nidwalden
beigetreten seien, sei die Beerbung eines Niedergelassenen ab intestata
und aus Testamenten nach den Gesetzen und durch den Richter seines
Heimatkautons zu beurtheilen; ebenso sei nach dem nämlichen Konkordate
der Inhalt von Eheverkommnissen und Eheverträgen Von dem heimatlichen
Richter des Ehemannes nach seinen Gesetzen zu beurtheilen; auch seien
Im nidwaldenschen Gesetzbuche die Bestimmungen über Schenfangen zwischen
Ehegatten ins Erbrecht aufgenommen worden und daher Streitigkeiten über
die Berechtigung nidwaldenscher Angehoriger zu Schenkungen zwischen
Ehegatten von ihrem heimatlichen Richter zu beurtheilen; andernfalls
könnte auch die Linwendung des heimatlichen Gesetzes in Bezug auf
Testirfähigkeit und Inhalt der Testamente leicht illusorisch gemacht
werben.
D. Gegen diese Entscheidung ergriff die Wittwe Ackermann geb. Theiler
den Reiter an das Bundesgericht, indem sie aussührt: Es handle sich,
soweit es die Punkte 2 und 3 der klägerischen Citation anbelange,
gar nicht Um eine Erbstreitigkeit, sondern um eine rein persönliche
Ansprache, für welche Rekrurentm, welche aufrechtstehend und in Luzern
niedergelassen sei nach Art. 59 der Bundesverfassung beim Richter ihres
Wohn; ortes gesucht werden müsse. Denn eswerde weder eine Erbschastsklage
im eigentlichen Sinne, bei welcher das Alleinoder Theilerbrecht zwischen
mehreren Erbprätendenten bestritten sei, noch eine Erbtheilungsklage
angestellt, sondern eine rein persönliche Rückforderungsklage inBezng
aus Gegenstände, welche der Erblasfer bei Lebzeiten vergabt habe, und die
daher gar nicht mehr zu seiner Verlassenschaft gehören können. Hätte der
Erblasser selbst die von ihm gemachten Schenkungen anfechten bezw. das
Geschenkte zurücksordern wollen,f so hätte er gewiss,
_ ...:-Mcr .iTestirungsi'àhigkeit und Erbrechtsverhàltnisee. N° 63. 403
beim Richter des Wohnortes klagen müssen. Das Gleiche müsse auch für
seine Erben gelten. Streitigkeiten darüber, ob eine Sache zum Nachlafse
gehöre, seien überhaupt, wenn der Beklagte die Restitutionspflicht
nicht aus erbrechtlichem Titel bestreite, nicht als Erbstreitigkeiten zu
betrachten, wie dies auch die bundesrechtliche Praxis stets anerkannt
habe, Das nidwaldensche Gesetz könne nicht über die Kantonsgrenze
hinauswirken und Rekurrentin, welche in Luzern niedergelassen sei und
seit dem Tode ihres Ehemannes das Bürgerrecht in Horw, Kantons Luzern,
erworben habe, sei demselben nicht unterworfen Demnach werde beantragt:
Das Bundesgericht wolle erkennen:
1. Das Urtheil des Obergerichtes von Nidwalden vom 25. Februar 1880 sei
aufgehoben und die Erben des Alois Ackermann haben ihre gegen Wittwe
Ackermann gestellten persönlichen Forderungen vor den Gerichten in Luzern
zur Geltung zu bringen zu suchen.
2. Die Ackermann'schen Erben bezahlen die durch diese unbegründete
Prozesssiihrung verursachten Kosten im Betrage von 177 Fr. 15 Cis. _
E. Das.Obergericht des Kantons Nidwalden, welchem der Rekurs zur
Vernehmlassung mitgetheilt wurde, bezieht sich einfach auf die Motive der
angefochtenen Entscheidung Die Erben des Alois Ackermann dagegen bemerken
in ihrer Vernehmlassung im Wesentlichen: Die Ehesrau Ackermann habe kein
Vermögen in die Ehe gebracht; während der Ehemann noch kurz vor seinem
Tode, nach Abrechnung der seiner Frau zugewendeten 15000 Fr., nach seiner
eigenen Aussage, ein Vermögen von ea. 35 000 Fr. besessen habe, ergehe
das beneficium inventarjj ein muthmassliches Aktivvermögen Von nur 8840
Fr. Was nun die 15 000 Fr. anhelange,_ welche er seiner Frau zugewendet
habe, so habe er noch kurz vor seinem Tode wiederholt geiiuszert, er
habe seiner Frau 15 000 Fr. vermacht, während die letztere nun behaupte,
diese 15000 Fr. seien ihr geschenkt worden. Die Rekurrentin habe im
fernem alle wichtigern aus den Nachlass bezüglichen Schristftücke nach
dem Tode ihres Ehemannesabsichtlich verbrannt Für alle diese Thaisachen
sei vor dem Obergericht des Kantons Nidwalden Zeugenbeweis ange-
404 A. Staatsrechtliche Enizscheidrmscené HL Abschnitt. Konkordate.
boten worden; das Obergericht habe indess denselben nicht erhoben, und
es werde nun nachträgliche Einvernahme der fraglichen Zeugen verlangt
In juristischer Beziehung sodann handle es sich, wie im wesentlichen im
Anschluss an die Motivirung des oder-gerichtlichen Urtheils ausgeführt
wird, allerdings um eine Erbstreitigkeit, bezw. um eine Klage
auf Einwerfung von Vorempfängen. Uebrigens habe die Rekurrentin den
nidwaldenschen Gerichtsstand anerkannt, da sie sich vor der Vermittlungs-
instanz ohne weiters auf alle drei Forderungen der Kläger eingelassen
und die Kompetenz der nidwaldenschen Gerichte nicht rechtzeitig und
in rechtsgeniigender Weise bestritten habe. Jedenfalls endlich sei die
Kostenforderung der Beklagten unbegründet. Demnach werde beantragt:
1. Der Rekurs sei als unbegründet abzuweisen.
2. Eventuell ohne Kostenfolge als begründet zu erklären.
F. Replikando bestreitet die Rekurrentin die faktischen und rechtlichen
Ausführungen der Vernehmlassungsschrift und bemerkt speziell : Da
die streitigen 15 000 Fr. der Rekurrentin unbestrittenermassen schon
einige Jahre vor dem Tode des Ehemannes ausgehändigt worden seien, so
liege unzweifelhaft eine Schenkung und kein Vermächtniss vor. Von einer
Prorogation des Gerichtsstandes könne, da sich Rekurrentin in Bezug auf
die Punte 2 und 3 der klägerischen Citation niemals vor den .
Gerichten des Kantons Nidwalden eingelassen habe, keine Rede sein
In ihrer Duplik halten die Rekursbeklagten an den Ausführungen ihrer
Vernehmlassnng fest, indem sie namentlich bemer"fen, das; es den Erben
unbekannt fei, ob die Summe der 15 000 Fr, vor oder nach dem Tode des
Ehemannes der Rekurrentin ausgehändigt worden und dass im Zweifel zu
Gunsten der Erben zu präsumiren sei.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Da es sich für das Bundesgericht ausschliesslich um die Entscheidung
über den Gerichtsstand, keineswegs dagegen um die materielle Beurtheilung
der Streitsache handelt, so ist vorab dem Antrage der Relursbeklagten aus
Zeugeneinvernahme über die von ihnen behaupteten Thatsachen keine Folge
zu geben. DennTestirungsfàhigkeit und Erbrechtsverhàltnisse. N° 68. _ 405
' Ent eidun über den Gerichtsstand hängt, abgesehen von Z:: Fraxk der
igssrorogatiom lediglich von der rechtlichen Natur der Klage, welche nach
den Parteibehauptungen zu beurtherlen ist, bezw. davon ab, ob hienach die
angestellte Klage sich als eine erbrechtliche qualifizire, für welche
nach dem Konkordate vom 15. Juli 1822 der Gerichtsstand der Heimat des
Erblassers begründet ist, oder ob dieselbe als eine personltche Ansprache
zu betrachten sei, für welche nach Art. 59 Abs. 1.der Bundesverfassung
der Gerichtsstand des Wohnortes des Schuldners massgebend ist. Hiefür
ist aber der angebotene Zeugenbe-
's voll tändi irrelevant.
weg-L Wersm nui das Kontordat vom 15. Juli 1822 den Grundsatz ausstellt,
dass die Beerbung eines Niedergelassenen ab mt. und aus Testamenten
(abgesehen von der Form der Testamente) nach den Gesetzen seiner
Heimat sich richte, dass anceh Einverkommnisse und Ehevertriige
in Hinsicht aus ihren Jnhalt per Gesetzgebung des Heimatkantons
des Ehemannes unterstehen und dass infolge dieses Grundsatzes bei
sich ergebenden Erbstreis tigkeiten der Richter des Heimatortes zu
entscheiden habe, so sind als Erbstreitigkeiten, für welche uderngemasz
der Gerichts stand der Heimat des Erblassers begrundet isf,. ausser
den Er theilungssireitigkeiten, welche fici), auf die Theilung des
Nachlasses, sowie überhaupt auf Erledigung der aus der Erbgeniew
schaft zwischen den Miterben entstandenen Anspruche beziehgw lediglich
Streitigkeiten zwischenverschiedenen Ansprechern u er die erbrechtliche
Nachfolge (Universaloder Singularnachfolge) in den Nachlass, bezw. eine
Nachlassquotefoderwemetn Nachlassbestandtheil zu verstehen, bei welchen
von beiden Sitzt theilen aus erbrechtlichem Rechtsgrunde Anspruch
aan Len Nachlass, eine Nachlassquote oder einen Zinchlassbestandthei
berhoben wird, wie z. B. Streitigkeiten zwischen Testamentser er;
oder Vermächtnissnehmern und Jntestaterben nber die (Bringen einer
letztwilligen Anordnung, zwischen mehreren Erbpratendguten über die
Jntestaterbfolge u. s. w. Wenn dagegen nicht re erbrechtliche Nachfolge
den Gegenstand des Rechtsstlrertses zwischen den Parteien bildet,
sondern wenn die ,Zugehor1gke1t eingeSache, die ein Dritter aus nicht
erbrechtltchem Rechtsgrun e
406 A. Staat-srechtliche Entscheidungen. III. Abschnitt. Konkordate._
besitzt, zum Nachlasse, der Bestand einer Erbschaftsforderung,
oder die Gültigkeit einer vorn Erblasser durch Rechtsgeschäst unter
Lebenden einem Dritten gemachten Zuwendung, die Von den Erben aus
irgend welchem Rechtsgrunde angefochten wird, in Frage steht, so liegt
nicht eine Erbstreitigkeit, sondern ein gewöhnlicher Vindikationsoder
Forderungsprozess vor, denn es handelt sich in diesen Fällen überall
nicht um einen Streit über das Recht der Nachfolge von Todeswegen
(Erbrecht i. w. S.), oder um einen Erbtheilungssireit. (Vergl. Urtheil
des Bundesgerichtes vom 4. Febr. ISTE), i. S. ber Kantone Glarus und
Schaffhausen, A. Sig. I Sy194 u. ff.; Urtheil i. S. Brüder Vogel vom
12. Juni 1875, ibid. S. 198 u. ff.; Urtheil i. S. Brüder Munzinger vom
23. Juli 1880.)
3. Vorliegend handelt es sich nun offenbar weder um einen
Erbtheilungsstreit zwischen Miterben, noch um einen Streit um das Recht
der Nachfolge von Todeswegenin den Nachlass oder
· einen Theil desselben( Denn .
a. Von einer Erbtheilungsstreitigkeit zwischen Miterben kann schon deshalb
nicht die Rede sein, weil Rekurrentin, nach dem nidwaldenschen Rechte,
gar nicht Erbin ihres verstorbenen Ehemannes ist und auch nicht als
solche belangt wird. Es steht
zwar dem überlebenden Ehegatten nach § 214 des bürgerlichen -
Gesetzbuches für den Kanton Unterwalden nid dem Wald ein Anspruch auf den
Niessbrauch an einem Theile der Verlassenschaft zu (an 1,si, wenn weniger
als vier Kinder vorhanden find, an einem Kindstheile beim Vorhandensein
von vier oder mehreren Kindern). Allein Erbe im technischen Sinne,
d. h. Universalsuccessor des Verstorbenen, ist der überlebende Ehegatte
nicht, vielmehr sind nach nidwaldnerischem Rechte, welches überhaupt eine
testamentarische Erbeinsetzung nicht kennt, sondern nur Verniächtnisse
zulässt, ausschliesslich die Blutsverwandten des Verstorbenen dessen
Erben. (Vergl. § 240 leg. cit.)
b. Returrentin behauptet sodann in Bezug auf die in Ziffer 2 und 3 der
klägerischen Citation bezeichneten Beträge, bezüglich welcher einzig die
Kompetenz der nidwaldenschen Gerichte beanstandet wird, keineswegs einen
erbrechtlichen Erwerbsgrund, bezw. sie nimmt kein Erbrecht i. w. S. in
Bezug aus dieselbenTestirungsfähigkeit und. Erbrechtsverhältnisse. N°
68. 407
in Anspruch, sondern sie behauptet vielmehr, dieselben durch Schenkung
unter Lebendigen empfangen zu haben, wahrend dagegen die Rekursbeklagten,
soviel aus den Akten ersichtlich, in erster Linie zu behaupten scheinen,
Rekurrentin habe sich die fraglichen Beträge eigenmächtig ans dem
Nachlasse angeeignet, in zweiter Linie dagegen die Schenkung als nach §
248 leg. cit., wonach Schenkungen unter Eheleuten, wodurch das Permögen
des einen Theiles zu vermehren beabsichtigt wird, schlechthin unzulässig
find, als ungültig anfechten, bezw. das Geschenkte zurücksordern zu
wollen scheinen. Mag man nun die Klage unter dem einen oder dem andern
Gesichtspunkte betrachten, so handelt es sich doch überall nicht um eine
Erbschastsklage, sondern entweder um eine Vindikation angeblich zum
Nachlasfe gehöriger Sachen, die ein Dritter aus nicht als-rechtlichem
Grunde besitzt, bezw. eine daherige Erfatzklage oder aber um eine
Anfechtungsklage in Bezug auf ein vom Erblafser unter Lebendigen mit einem
Dritten abgeschlossenes Rechtsgeschiift, Hey, w. eine, auf Anfechtung
eines solchen Geschäfte-s gegründete, persönliche Rückforderungsklage,
für welche der tonkordatsmässige Gerichtsstand der Heimat des Erblassers
keineswegs begründet ist.
4. Hiegegen kann auch nicht angeführt werden, dafzvim vortiegenden
Falle die Kompetenz der nidwaldenschen Gerichte desshalb begründet
sei, weil nach Art. 3 Abs. _2 des Kontordates vom 15. Juli 1822 auch
Eheverkommnisse und Ehevertrcige in Hinsicht auf ihren Inhalt nach dem
Gesetze des Heimatortes des Ehemannes zu fDeut-theilen seien. Denn
in Abs. 3 Ib1d. wird der beimatliche Gerichtsstand ausdrücklich nur
für sich ergebende Erbstreitigteiten vorgeschrieben und es darf diese
Bestimmung, welche, da sie einen ausnahmsweilsen Gerichtsstand statuirt,
sich als eine singuläre Vorschrift qualifizirt, keineswegs mit Rücksicht
auf den vorhergehenden Passus ausdehnend interpretirt werden; vielmehr
ist jedenfalls, auch wenn man annehmen wollte, dass nach am. 3 Abs. 2
des Konkordates das gesamnite Güter-recht der Ehegatten nach ihrem
heimatlichen materiellen Rechte zu beurtheilen fei, daran festzuhalten,
dass der
nu
heiinatliche Gerichtsstand nur sur Erbstreitigkeiteii vorgeschrievr 28
408 A. Staatsrechtlic he Entscheidungen. IH, Abschnitt. Konkoräate.
ben ist. Uebrigens hat bekanntlich die bundesrechtliche Praxis (Vergl. die
Entscheidung des B.-.R i. S. Weber-Rohr, Ullmer, staatsrechtliche Praxis I
Nr. 559) ans dem Verhältnisse der Abs. 3 und 2 des am. 3 des Konkordates
zu einander, sowie aus dem ganzen Zwecke des letztern den Schluss
gezogen, dass. Abs. 2 cit. sich nur ans erbrechtliche Eheverkommnisse
oder Eheverträge, bezw. aus die Erbverträge der Ehegatten oder Brautleute
beziehe und jedenfalls nichtan das ganze Gitterrecht der Ehegatten,
sondern nur auf eine vertragsmässige Ordnung desselben bezogen werden
könne.
ö. Wenn endlich seitens der Rekursbeklagten noch behauptet wird,
Rekurrentin habe den nidwaldenschen Gerichtsstand durch Einlassung vor den
dortigen Gerichten freiwillig anerkannt, so ermangelt diese Behauptung
jeglicher Begründung Denn die Rekurrentin hat nur in Beziehung auf den
ersten Punkt derklägerischen Ladung eine Gegenvorladung vor Vermittelungss
gericht Bnochs betreffend eine Von ihr anzustellende Widerklage erlassen,
während durch nichts dargethan ist, dass sie sich hinsichtlich der
übrigen, hier einzig in Betracht fallenden Punkte vor den nidwaldenschen
Gerichten eingelassen habe, vielmehr aus den Akten erhellt, dass sie
spätestens durch ihre Anzeige vom 20. Februar 1880 den nidwaldenschen
Gerichtsstand bezüglich derselben ausdrücklich abgelehnt hat
6. Muss demnach der Rekurs in der Hauptsache als begründet erklärt werden
so mangelt dagegen dem Bundesgerichtejegliche Kompetenz zur Entscheidung
über die Kostenforderung der Reknrrentin, über welche Vielmehr einzig
die kantonalen Gerichte zu entscheiden haben.
Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
Der Rekurs wird, soweit es das erste Rechtsbegehren der Rekursschrift
anbelangt, als begründet erklärt, aus das zweite Begehren der
Retnrsschrift dagegen wird nicht eingetreten.
-o :;.:6)eoo -409
Vierter Abschnitt. Quatrième section.
Kantonsverfassungen. Constitutjons cantonale-.S.
_L--
I. Kompetenzüherschreitungen kantonaler Behörden.
Abus de compétence des autorités cantonales.
69. Urtheil vom 3. September 1880 in Sachen Dörig
A. Johann Baptist Dörig und sein Nachbar Anton Knill besitzen, gemäss
einer zwischen ihren Vorbesitzern errichteten amtlichen Urkunde vom
16. Mai 1691 einen gemeinsamen Brunnen Jnsolge einer durch Anton Knill im
Jahre 1877 Vorgenommenen Versetzung des Brunneutroges entstand zwischen
diesem und dem Rekurrenten Johann B. Dörig ein Civilprozess in Bezug aus
die Rechtsverhältnisse an diesem Brunnen, indem Rekurrent gegen seinen
Mitbesitzer dahin klagte, letzterer sei zu verhalten, den Trog wieder
an seine alte Stelle zu bringen. Nachdem dieser Rechtsstreit durch
Urtheil des Kantonsgerichtes Von Appenzell Jnnerrhoden vom 4. Januar
1878 zu Ungunsten des Reknrrenten entschieden worden war, beschwerte
sich letzterer gegen das fragliche Urtheil bei der Staudeskoms mission
des Kantons Appenzell Si.-Nl). Die doppelt-rerstarkte Standeskommission
beschloss am 28. Januar 1880: Es set das erwähnte kantonsgerichtliche
Urtheil vom 4. Januar 1878 als kassirt zu erklären und daher den
Parteien freigestellt, vorliegende Prozessangelegenheit wiederum auf dem
versassnngsmasse gen Jnstanzenzuge weiter zu ziehen, indem siefsich daraus
stutzt: Das angesochtene Urtheil interpretire die amtliche Urkunde vom