S. 269 / Nr. 67 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 59 III 269

67. Entscheid vom 24. November 1933 i. S. Morandini & Cie,


Seite: 269
Regeste:
Nach Abschluss eines Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung sind
Pfandverwertungsbetreibungen wie bisher gegen den Schuldner zu führen,
gegebenenfalls auch gegen eine inzwischen im Handelsregister gelöschte
Kollektivgesellschaft. Dem Liquidatoren braucht kein Zahlungsbefehl zugestellt
zu werden.
Après comme avant l'homologation d'un concordat par abandon d'actif, les
poursuites en réalisation de gage doivent être dirigées contre le débiteur,
fût-ce une société en nom collectif radiée entre temps du registre du
commerce. Il n'est pas nécessaire de notifier un commandement de payer au
liquidateur.
Dopo l'omologazione d'un concordato contro cessione degli attivi, le
esecuzioni in via di realizzazione del pegno devono essere promosse contro il
debitore come prima, anche se questi è una società in nome collettivo
cancellata nel frattempo dal registro di commercio. Non è necessario di
notificare un precetto esecutive al liquidatore.

A. - Die Kollektivgesellschaft Morandini & Cie in Luzern, Eigentümerin von
Bauterrain, Katasternummer 1616 am Bundesplatz in Luzern, schloss mit ihren
Gläubigem einen Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung ab, der am 2 Juni 1933
von der Nachlassbehörde bestätigt

Seite: 270
wurde. Am 7. Juli 1933 hob K. Ottiker gegen die Firma Morandini & Cie
Betreibung auf Verwertung eines Grundpfandes an, nämlich des Bauterrains
Katasternummer 1616; der Zahlungsbefehl wurde an «Schuldner», nicht an die
Liquidationskommission zugestellt. Hiegegen führte die Firma Morandini & Cie
Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des Zahlungsbefehles, aus den in den
folgenden Erwägungen ersichtlichen Gründen. Am 29. August/l. September wurde
die Firma Morandini & Cie im Handelsregister gelöscht.
B. - Die kantonale Aufsichtsbehörde hat am 30. Oktober 1933 die Beschwerde
abgewiesen.
C. - Diesen Entscheid hat die Firma Morandini & Cie an das Bundesgericht
weitergezogen mit dem Antrag auf Aufhebung des Zahlungsbefehles.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
zieht in Erwägung:
1.- Die Rekurrentin meint, nach Abschluss des Nachlassvertrages mit
Vermögensabtretung und bezw. Löschung im Handelsregister könne sie nicht mehr
in gleicher Weise wie vorher auf Grundpfandverwertung betrieben werden.
Allein zunächst erweist sich als durchaus abwegig die Ansicht, die
Liquidationsmasse sei Eigentümerin der Pfandliegenschaft geworden, weswegen
der Liquidationskommission für diese Dritteigentümerin eine Ausfertigung des
Zahlungsbefehles zugestellt werden müsse. Ebensowenig wie die Konkursmasse (im
Sinne der Konkursgläubigerschaft) Eigentümerin des Koukursmassevermögens
werden muss, um es zur Verwertung bringen zu können, setzt die Verwertung des
infolge Nachlassvertrages «abgetretenen» Vermögens dessen Eigentumsübergang an
die Gläubigergemeinschaft voraus. Nicht nur würde die Eigentumsübertragung von
Liegenschaften unnütze Kosten verursachen, sondern sie wäre, zumal bei einer
grossen Anzahl von Gläubigern, ganz unpraktikabel, weil sie alle

Seite: 271
als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden müssten, indem alle
Voraussetzungen für einen sich ausserhalb des Grundbuches vollziehenden
Eigentumswechsel fehlen; etwas derartiges ist hier denn auch gar nicht
geschehen. Vielmehr genügt eine Beschränkung des Nachlasschuldners in der
Verfügungsbefugnis und die Übertragung der ihm entzogenen Befugnis auf ein
Organ der Gläubigerschaft (Liquidationsmasse), was man als Beschlagsrecht zu
bezeichnen pflegt, um das mit dem Nachlassvertrag beidseitig verfolgte Ziel zu
erreichen. Übrigens könnte die Zustellung einer weiteren Ausfertigung des
Zahlungsbefehles an einen Dritteigentümer auch einfach nachgeholt werden, ohne
dass der dem Schuldner selbst zugestellte Zahlungsbefehl aufgehoben und
wiederholt werden müsste; nur dürfte die Betreibung bis dahin nicht weiter
fortgesetzt werden.
2.- Sodann braucht das Liquidationsorgan nicht etwa wegen des eben
besprochenen Beschlagsrechtes in die Grundpfandverwertungsbetreibung
einbezogen zu werden. Von vorneherein könnte keine Rede davon sein, dass der
Zahlungsbefehl dem Liquidatoren anstelle des Nachlasschuldners zuzustellen
wäre, wie das Betreibungsamt selbst nachträglich nun meint; denn letzterer
bleibt Schuldner der grundpfandversicherten Schulden ungeachtet der
«Vermögens» abtretung, die nur die Aktiven umfasst, und muss daher persönlich
betrieben werden, aber auch persönlich sich gegen eine solche Betreibung
verteidigen können. Anderseits kann dem Grundpfandgläubiger nicht zugemutet
werden, ausser dem Schuldner auch noch dem Liquidatoren eine Ausfertigung des
Zahlungsbefehls zustellen zu lassen und dann gegebenenfalls den
Rechtsvorschlag nicht nur gegenüber dem Schuldner, sondern auch bezw.
gegenüber dem Liquidatoren auf dem Prozesswege zu beseitigen. Dies würde auf
eine Erschwerung seiner Stellung durch den Nachlassvertrag hinauslaufen,
während doch Art. 311
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 311 - Mit der Bestätigung des Nachlassvertrages fallen alle vor der Stundung gegen den Schuldner eingeleiteten Betreibungen mit Ausnahme derjenigen auf Pfandverwertung dahin; Artikel 199 Absatz 2 gilt sinngemäss.
SchKG die Pfandgläubiger für den durch das Pfand
gedeckten Forderungsbetrag von der

Seite: 272
Rechtsverbindlichkeit des Nachlassvertrages ausnimmt und sich nicht etwa schon
durch die Pfandschätzung des Sachwalters, sondern erst gerade durch das
Ergebnis der anzuhebenden Grundpfandverwertungsbetreibung herausstellen kann,
dass das Pfand keine oder nur teilweise Deckung biete (was hier übrigens gar
nicht einmal behauptet worden ist) (vgl. BGE 59 III S. 197). Umgekehrt werden
die Interessen der Liquidationsmasse nicht etwa in unzulässiger Weise
vernachlässigt; Vermögensstücke, an denen Pfandrechte haften, können überhaupt
nur unter Vorbehalt des den Pfandgläubigern gesicherten Vorzugsrechtes zur
Liquidationsmasse gezogen werden, so zwar, dass die Pfandgläubiger, anders als
im Konkursverfahren, die Befriedigung ausserhalb des Liquidationsverfahrens
suchen können. Genügenden Schutz dagegen, dass sich der Schuldner
ungerechtfertigten Pfandverwertungsbetreibungen unterziehe, bietet Art. 315
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 315 - 1 Das Nachlassgericht setzt bei der Bestätigung des Nachlassvertrages den Gläubigern mit bestrittenen Forderungen eine Frist von 20 Tagen zur Einreichung der Klage am Ort des Nachlassverfahrens, unter Androhung des Verlustes der Sicherstellung der Dividende im Unterlassungsfall.
1    Das Nachlassgericht setzt bei der Bestätigung des Nachlassvertrages den Gläubigern mit bestrittenen Forderungen eine Frist von 20 Tagen zur Einreichung der Klage am Ort des Nachlassverfahrens, unter Androhung des Verlustes der Sicherstellung der Dividende im Unterlassungsfall.
2    Der Schuldner hat auf Anordnung des Nachlassgerichts die auf bestrittene Forderungen entfallenden Beträge bis zur Erledigung des Prozesses bei der Depositenanstalt zu hinterlegen.

SchKG, der mit der Aufhebung des Nachlassvertrages denjenigen Schuldner
bedroht, welcher nicht abwenden würde, dass seinen Kurrentgläubigern etwas von
seinem Vermögen vorenthalten bliebe, was nicht mit Fug von einem
Pfandgläubiger vorweg beansprucht werden kann. Übrigens wird sich ein
redlicher Nachlassschuldner wegen seines Verhaltens gegenüber einer
Pfandverwertungsbetreibung mit dem Liquidatoren ins Einvernehmen setzen, wie
es im vorliegenden Falle ja geschehen ist, wo der Präsident der
Liquidationskommission denn auch erklärt hat, er habe nichts gegen die
streitige Betreibung einzuwenden.
3.- Endlich steht die seit der Anhebung der Betreibung erfolgte Löschung der
Kollektivgesellschaft Morandini & Cie im Handelsregister der Fortführung
dieser Betreibung nicht entgegen. Die (im Widerspruch zum Inhalte des
Nachlassvertrages vorgenommene) Löschung entspricht zwar dem
Verwaltungsgerichtsbeschwerdeentscheid des Bundesgerichtes (I. Zivilabteilung)
in BGE 66 I S. 288, der sinngemäss auch jeder späteren Wiedereintragung
entgegenstehen würde. Allein sie vermag die Tatsache

Seite: 273
nicht aus der Welt zu schaffen, dass die gelöschte Gesellschaft mindestens zum
Zwecke der Abwickelung noch fortbesteht, bis diese zu Ende geführt ist; dies
leuchtet gerade bei der Aktiengesellschaft besonders ein, auf die sich das
angeführte Präjudiz bezieht, weil anders gar nicht erfindlich wäre, welches
die Eigentumsverhältnisse des abgetretenen Vermögens sein könnten. Übrigens
ist in einem späteren Verwaltungsgerichtsbeschwerdeentscheid der I.
Zivilabteilung des Bundesgerichtes (vom 4. April 1933 i. S. des
Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes gegen a. J. Bruppacher & Cie)
selbst wieder in Zweifel gezogen worden, ob sich das Präjudiz aufrechterhalten
lasse. Insbesondere wurde damals ausgesprochen, dass, wenn einmal statt der
sofortigen Löschung bloss der Eintritt der Liquidation zufolge
Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung eingetragen und gestützt hierauf neue
Rechtsverhältnisse begründet worden seien, es bei dieser Eintragung sein
Bewenden haben und die Löschung auf die Beendigung der Liquidation
hinausgeschoben werden dürfe. Hieraus folgt für den vorliegenden Fall
mindestens soviel, dass die nachträglich erfolgte Löschung im Handelsregister
der vorher, wenn auch erst seit der Bestätigung des Nachlassvertrages,
angehobenen Betreibung nichts schaden darf. Abgesehen hievon wäre nicht
einzusehen, wieso die nachträgliche Löschung einer Handelsgesellschaft der
Fortsetzung der vorher gegen sie angehobenen Betreibungen in das
Gesellschaftsvermögen Halt gebieten könnte, während die gegen eine physische
Person angehobene Betreibung nach deren Tod ohne weiteres in deren
Erbschaftsvermögen fortgesetzt werden kann (Art. 69 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 69 - 1 Nach Empfang des Betreibungsbegehrens erlässt das Betreibungsamt den Zahlungsbefehl.
1    Nach Empfang des Betreibungsbegehrens erlässt das Betreibungsamt den Zahlungsbefehl.
2    Der Zahlungsbefehl enthält:
1  die Angaben des Betreibungsbegehrens;
2  die Aufforderung, binnen 20 Tagen den Gläubiger für die Forderung samt Betreibungskosten zu befriedigen oder, falls die Betreibung auf Sicherheitsleistung geht, sicherzustellen;
3  die Mitteilung, dass der Schuldner, welcher die Forderung oder einen Teil derselben oder das Recht, sie auf dem Betreibungswege geltend zu machen, bestreiten will, innerhalb zehn Tagen nach Zustellung des Zahlungsbefehls dem Betreibungsamte dies zu erklären (Rechtsvorschlag zu erheben) hat;
4  die Androhung, dass, wenn der Schuldner weder dem Zahlungsbefehl nachkommt, noch Rechtsvorschlag erhebt, die Betreibung ihren Fortgang nehmen werde.
SchKG). Wollte aber
eine Betreibung auf Pfandverwertung erst nach erfolgter Löschung einer
Gesellschaft zufolge Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung neu angehoben
werden, so müsste sogar dies zugelassen werden, weil es einfach nicht anginge,
den vom Nachlassvertrag nicht berührten Pfandgläubigern die Befugnis,
ausserhalb des Liquidationsverfahrens, eben

Seite: 274
durch Anhebung von Pfandverwertungsbetreibungen, Befriedigung zu suchen, durch
eine registerrechtliche Formalität aus den Händen zu winden.
4.- Der Umstand, dass die Liquidationskommission Erträgnisse des Grundpfandes
eingezogen und nicht bestimmungsgemäss zur Befriedigung der
Grundpfandgläubiger verwendet haben soll, berührt die Betreibbarkeit der
schuldnerischen Gesellschaft (auf Pfandverwertung) nicht, sondern wird
höchstens zu einer Auseinandersetzung zwischen ihr und den Liquidatoren oder
der Liquidationsmasse Anlass geben können, zu welcher die zu verwertende
Liegenschaft übrigens ja selbst auch gehört.
5.- Schliesslich ist noch darauf hinzuweisen, dass der Stempelaufdruck «an
Schuldner» in der Zustellungsbescheinigung des Zahlungsbefehls gegen eine
Kollektivgesellschaft der Vorschrift des Art. 72 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 72 - 1 Die Zustellung geschieht durch den Betreibungsbeamten, einen Angestellten des Amtes oder durch die Post.138
1    Die Zustellung geschieht durch den Betreibungsbeamten, einen Angestellten des Amtes oder durch die Post.138
2    Bei der Abgabe hat der Überbringer auf beiden Ausfertigungen zu bescheinigen, an welchem Tage und an wen die Zustellung erfolgt ist.
SchKG nicht
entspricht, wonach zu bescheinigen ist, «an wen» die Zustellung erfolgt ist;
vielmehr ist eine der in Art. 66 Ziff. 4
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 66 - 1 Wohnt der Schuldner nicht am Orte der Betreibung, so werden die Betreibungsurkunden der von ihm daselbst bezeichneten Person oder in dem von ihm bestimmten Lokale abgegeben.
1    Wohnt der Schuldner nicht am Orte der Betreibung, so werden die Betreibungsurkunden der von ihm daselbst bezeichneten Person oder in dem von ihm bestimmten Lokale abgegeben.
2    Mangels einer solchen Bezeichnung erfolgt die Zustellung durch Vermittlung des Betreibungsamtes des Wohnortes oder durch die Post.
3    Wohnt der Schuldner im Ausland, so erfolgt die Zustellung durch die Vermittlung der dortigen Behörden oder, soweit völkerrechtliche Verträge dies vorsehen oder wenn der Empfängerstaat zustimmt, durch die Post.122
4    Die Zustellung wird durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt, wenn:
1  der Wohnort des Schuldners unbekannt ist;
2  der Schuldner sich beharrlich der Zustellung entzieht;
3  der Schuldner im Ausland wohnt und die Zustellung nach Absatz 3 nicht innert angemessener Frist möglich ist.123
5    ...124
SchKG genannten physischen Personen
anzugeben
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer .
Der Rekurs wird abgewiesen.