S. 97 / Nr. 19 Erfindungsschutz (d)

BGE 59 I 97

19. Urteil des Kassationshofes vom 8. Mai 1933 i. s. Rey gegen Chemo A.-G. und
Peyer.


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Regeste:
Patentrecht.
Die Patentverletzung setzt ein erteiltes Patent voraus die blosse Anmeldung
sichert der Erfindung noch keinen Schutz gegen Nachahmung (Erw. 1).-Dies gilt
auch, wenn eine Erfindung bereits in einem Land des internationalen Verbandes
zum Schutze des gewerblichen Eigentums patentiert worden ist. Die Hinterlegung
hat lediglich Bedeutung für die Frage der Neuheit der in der Schweiz zu
patentierenden Erfindung (Erw. 2).
PatGes. Art. 31, 38, Gesetz betr. Prioritätsrechte an Erfindungspatenten Art.
1.

A. - Durch Vertrag vom 11. Januar 1929 übernahm Edmund Peyer, verantwortlicher
Leiter der Chemo A.-G. in Wangen, von Eduard & Lucien Rey, Société des
Appareils Industriels Thermiques in Hüningen (Elsass), die Vertretung der von
Rey hergestellten sog. Thermofix Ölfeuerungsapparate für mehrere Kantone.
Peyer begnügte sich jedoch in der Folge nicht damit, diese Apparate zu
vertreiben, sondern er stellte selber auch ähnliche Apparate her, die er als
sog. Roto-Feuerungsapparate in den Handel brachte.
B. - Da die Rey - die für ihren Apparat ein französisches Patent besassen,
welches sie auch in der Schweiz angemeldet hatten - hierin eine unzulässige
Nachahmung ihrer eigenen Erfindung erblickten, reichten sie

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deswegen gegen die Chemo A.-G. wie gegen deren Leiter Peyer Strafanzeige wegen
Patentverletzung ein, mit der sie eine Klage auf Schadenersatz im Betrage von
12000 Fr. verbanden.
C. - Sowohl das Amtsgericht von Olten-Gösgen wie das Obergericht des Kantons
Solothurn, letzteres mit Urteil vom 14. Januar 1933, sind auf die Klage gegen
die Chemo A.-G., da es sich hiebei um eine juristische Person handle, nicht
eingetreten. Den Peyer aber haben sie von Schuld und Strafe freigesprochen mit
der Begründung: zur Zeit, als die behaupteten Nachahmungen erfolgten, seien
zwar die Strafkläger im Besitze des französischen Patentes für ihren Apparat
gewesen, doch sei das bezügl. schweizerische Patent damals zwar angemeldet,
aber noch nicht erteilt gewesen; denn die Veröffentlichung der Patentschrift
sei erst später erfolgt. Eine strafrechtliche Verfolgung des Angeklagten wegen
Patentverletzung sei daher nach der Praxis des Bundesgerichtes (BGE 31 I S.
702
ff.) ausgeschlossen.
D. - Hiegegen haben die Strafkläger am 24. Januar 1933 die
Kassationsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben mit dem Begehren: es sei das
angefochtene Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Sache zu neuer
Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventuell seien die Beklagten zu
bestrafen und unter Solidarhaft zu einer Entschädigung an die Kläger im
Betrage von 12000 Fr., eventuell in einem andern, richterlich festzusetzenden
Betrage zu verurteilen. Zur Begründung machten sie geltend: nach dem zitierten
Entscheide des Bundesgerichtes schütze der bösgläubig, vor der Patentierung
erlangte Besitz nicht vor Bestrafung. Hier wie in dem jenem Entscheide
zugrunde liegenden Falle habe der Angeklagte eine noch nicht patentierte
Erfindung in seinen Besitz gebracht, was eine unerlaubte Handlung darstelle.
Übrigens sei gemäss Art. 4 Abs. 2
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 4 - Im Verfahren vor dem Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum12 (IGE)13 gilt der Patentbewerber als berechtigt, die Erteilung des Patentes zu beantragen.
, 16
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
Ziff. b, 36 und 37 PatG ein im Ausland
publiziertes Patent auch in der Schweiz geschützt, wenn es innert

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der Prioritätsfrist in der Schweiz angemeldet worden sei. Das sei aber hier
der Fall gewesen. Durch die Prioritätsrechte sei dem Patente jeder Schutz
gesichert, wie er einer inländischen Publikation zukomme. Auf alle Fälle
müsste, selbst wenn der Freispruch im Strafpunkte bestehen bleiben sollte, der
Schadenersatzanspruch geschützt werden, indem das Vorgehen der Angeklagten
nicht nur eine Patentverletzung, sondern auch eine illoyale Konkurrenz
darstelle.
Die Beschwerdebeklagten beantragen die Abweisung der Kassationsbeschwerde
unter Berufung auf den im angefochtenen Urteil der Vorinstanz angeführten
Entscheid des Bundesgerichts. Für die Frage der Zulässigkeit der
Adhäsionsklage im Zivilpunkte sei gemäss Art. 149
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
OG das kantonale
Strafprozessrecht massgebend; § 96 der solothurnischen StrPO lasse aber die
Beurteilung der Adhäsionsklage nicht zu, wenn der Angeklagte freigesprochen
worden ist,.
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1.- Die Patentverletzung setzt ein erteiltes Patent voraus; denn die
Patenterteilung ist ein rechtsgestaltender Akt der Staatsgewalt, der als
solcher erst das Patentrecht zur Entstehung bringt. Die blosse Anmeldung der
Patentierung sichert also der Erfindung noch keinen Schutz, es sei denn, dass
das Gesetz dies besonders vorsehe, was jedoch im schweizerischen Recht nicht
der Fall ist. Das frühere Patentgesetz kannte wohl ein provisorisches,
übrigens auch nicht mit der Anmeldung ohne weiteres verbundenes, sondern
besonders zu erteilendes Patent; aber sogar diesem sprach es den Schutz gegen
Nachahmung oder Benützung der Erfindung ab (Art. 16 Abs. 2
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
PatG in der Fassung
von 1893). Das gegenwärtige Gesetz hat dieses provisorische Patent überhaupt
nicht mehr aufgenommen. Im Unterschied zu ihm lässt z. B. das deutsche
Patentgesetz den vorläufigen Schutz mit der Anmeldung beginnen, macht aber
immerhin die

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Veröffentlichung der Anmeldung zur Bedingung desselben (§ 23 des deutschen
PatG; KISCH, Handbuch des deutschen Patentrechtes S. 138 Ziff. 3). Dass vor
der Erteilung eines Patentes eine Verletzung desselben nicht möglich ist, hat
der Kassationshof bereits unter der Herrschaft des früheren Patentgesetzes
ausgesprochen (Vgl. BGE 31 I S. 702 ff.). Die Beschwerdeführer lesen jenes
Urteil unrichtig, wenn sie es zur Stützung ihrer Auffassung anrufen zu können
glauben. Wenn dort eine Verurteilung erfolgte, so geschah dies ausdrücklich
nicht wegen Nachahmung der Erfindung vor der Patentierung, sondern wegen
Benutzung der vorher nachgeahmten Erfindung nach Erteilung des Patentes (vgl.
Erw. 4). Im vorliegenden Falle aber fand nach der Erteilung des Patentes weder
eine Nachahmung noch eine Benutzung der streitigen Erfindung statt.
2.- Die Patenterteilung geschieht durch Eintragung in das schweizerische
Patentregister und Veröffentlichung in der Schweiz (Art. 31
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 31 - 1 Die Abtretungsklage ist vor Ablauf von zwei Jahren seit dem amtlichen Datum der Veröffentlichung der Patentschrift anzuheben.
1    Die Abtretungsklage ist vor Ablauf von zwei Jahren seit dem amtlichen Datum der Veröffentlichung der Patentschrift anzuheben.
2    Die Klage gegen einen bösgläubigen Beklagten ist an keine Frist gebunden.
PatG). Vorher
geniesst die Erfindung auch dann keinen Schutz gegen Nachahmung und Gebrauch
gemäss Art. 38
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 38 - 1 Wenn dem Bedürfnis des inländischen Marktes durch die Erteilung von Lizenzen nicht genügt wird, so kann jeder, der ein Interesse nachweist, nach Ablauf von zwei Jahren seit der Einräumung der ersten Lizenz auf Grund von Artikel 37 Absatz 1 auf Löschung des Patentes klagen.
1    Wenn dem Bedürfnis des inländischen Marktes durch die Erteilung von Lizenzen nicht genügt wird, so kann jeder, der ein Interesse nachweist, nach Ablauf von zwei Jahren seit der Einräumung der ersten Lizenz auf Grund von Artikel 37 Absatz 1 auf Löschung des Patentes klagen.
2    Ist nach der Gesetzgebung des Landes, dem der Patentinhaber angehört, oder in dem er niedergelassen ist, die Klage auf Löschung des Patentes mangels Ausführung der Erfindung im Inland schon nach Ablauf von drei Jahren seit der Patenterteilung gestattet, so kann unter den in Artikel 37 für die Lizenzerteilung genannten Voraussetzungen statt auf Erteilung einer Lizenz auf Löschung des Patentes geklagt werden.89
PatG, wenn sie bereits in einem Land des internationalen
Verbandes zum Schutze des gewerblichen Eigentums patentiert worden ist; denn
die Patentierung in einem Verbandslande verschafft gemäss Art. 1 des
Bundesgesetzes betr. Prioritätsrechte an Erfindungspatenten und gewerblichen
Mustern und Modellen vom 3. April 1914/21. Dezember 1928 für die Anmeldung in
der Schweiz lediglich ein Prioritätsrecht in dem Sinne, dass der Anmeldung
Tatsachen, die seit der im nicht schweizerischen Verbandslande bewirkten
Hinterlegung eingetreten sind, nicht entgegengehalten werden können. Sie hat
darnach lediglich Bedeutung für die Frage der Neuheit der in der Schweiz zu
patentierenden Erfindung, erstreckt aber nicht den Schutz des ausländischen
Patentes gegen Nachahmung auf das Gebiet der Schweiz, weswegen denn auch eine
Veröffentlichung der in den Verbandsländern erfolgten Patentierung in der
Schweiz, wie sie

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für die Schweizerpatente vorgesehen und Bedingung des Patentschutzes ist,
nicht stattfindet. Ohne eine solche Veröffentlichung in der Schweiz dem
ausländischen Patent Rechtsschutz gegen Nachahmung zuzuerkennen, könnte schon
aus praktischen Erwägungen gar nicht in Frage kommen.
3.- Was endlich den Zivilpunkt anbelangt, so kann auf die
Kassationsbeschwerde, soweit sie hiegegen gerichtet ist, aus dem von den
Beschwerdebeklagten geltend gemachten Grunde nicht eingetreten werden. Es ist
gemäss Art. 149
SR 232.14 Bundesgesetz vom 25. Juni 1954 über die Erfindungspatente (Patentgesetz, PatG) - Patentgesetz
PatG Art. 16 - Patentbewerber und Patentinhaber schweizerischer Staatsangehörigkeit können sich auf die Bestimmungen des für die Schweiz verbindlichen Textes der Pariser Verbandsübereinkunft vom 20. März 188349 zum Schutz des gewerblichen Eigentums berufen, wenn jene günstiger sind als die Bestimmungen dieses Gesetzes.
OG Sache des kantonalen Rechtes, die Voraussetzungen der
zivilrechtlichen Adhäsionsklage zu bestimmen. Die solothurnische StrPO
gestattet aber laut dem amtsgerichtlichen Entscheide die Beurteilung der
Zivilklage durch den Strafrichter nicht, wenn der Beschuldigte freigesprochen
worden ist. Das bedeutet, dass eine gültige Adhäsionsklage gar nicht mehr
vorliegt.
Demnach erkennt der Kassationshof:
Die Kassationsbeschwerde wird, soweit darauf eingetreten werden kann,
abgewiesen.