S. 385 / Nr. 63 Markenschutz (d)

BGE 58 II 385

63. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 18. Oktober 1932 i. S.
Migros A-3. gegen Oel-und Fettwerke «Sais».


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Regeste:
Markenschutz. Die Ähnlichkeit verschiedener Marken desselben Markeninhabers
schliesst deren Rechtsgültigkeit und Schutzfähigkeit nicht aus.
MSchG Art. 9, 11, 12; Vollz.VO zum MSchG Art. 10, 13, 18, 19.

Die Beklagte behauptet, die klägerische Marke «Palmina», unterscheide sich
nicht genügend von der klägerischen Marke «Palmin», so dass das kaufende
Publikum Gefahr laufe, das reine Kokosfett infolge der Ähnlichkeit der beiden
Ausdrücke mit dem wertvolleren Fett mit Buttergehalt zu verwechseln. Die Marke
«Palmina» entbehre daher des Schutzes. Dieser Einwand ist nicht schlüssig.
Zwar ist richtig, dass Art. 6
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 6 Hinterlegungspriorität - Das Markenrecht steht demjenigen zu, der die Marke zuerst hinterlegt.
MSchG ganz allgemein verlangt, dass sich neue
Marken von bereits eingetragenen durch wesentliche Merkmale unterscheiden
müssen, ohne dass hiebei auf die Person des Inhabers hingewiesen würde. Aus
dem Wesen und der Struktur des gesamten Markenrechtes geht aber zwingend
hervor, dass unter diesen frühern Eintragungen nur Marken anderer Inhaber
verstanden sein können. Die Marke will bloss ein Mittel sein, um die Herkunft
einer Ware von einem bestimmten Gewerbetreibenden bezw. einem bestimmten
Geschäftsbetriebe anzukündigen, d. h. es soll durch deren Gebrauch verhindert
werden, dass die Waren eines bestimmten Gewerbetreibenden bzw. Betriebes im
Verkehr mit den Waren anderer verwechselt werden. Dagegen kann keine Rede
davon sein, dass eine Marke im Interesse des kaufenden Publikums auch der

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Unterscheidung verschiedener Erzeugnisse gleicher Herkunft zu dienen habe. Im
deutschen Warenzeichenrecht ergibt sich dies ohne weiteres aus dem Wortlaut
des Gesetzes, das in seinem § 1 bestimmt: «Wer in seinem Geschäftsbetriebe zur
Unterscheidung seiner Waren von den Waren anderer eines Warenzeichens sich
bedienen will, kann dieses Zeichen zur Eintragung in die Zeichenrolle
anmelden» (vgl. auch statt vieler PINZGER, Kommentar zum Deutschen
Warenzeichenrecht 1926 zu § 1 S. 15 f.). Dasselbe gilt aber auch für das
österreichische. französische und italienische Recht (vgl. ADLER, System des
österreichischen Markenrechtes S. 67; ALLARD, Traité théorique et pratique des
marques de fabrique No. 158; AMAR, Dei nomi, dei marchi e degli altri segni e
della concorrenza nell'industria e nel commercio Nr 27 S. 34 f.). Angesichts
dieser übereinstimmenden Rechtsauffassung aller umliegender Staaten hätte
daher der schweizerische Gesetzgeber, wenn er eine abweichende Regelung von so
fundamentaler Bedeutung, wie sie die Beklagte behauptet, hätte treffen wollen,
allen Anlass gehabt, dies deutlich zum Ausdruck zu bringen. Wenn er dies nicht
getan, so geschah dies somit zweifellos deshalb, weil er auch seinerseits den
Marken keine derart ausgedehnte Wirkung zuerkennen wollte. Dies ergibt sich
übrigens auch zwingend aus dem Umstande, dass ja der Inhaber einer Marke nach
dem klaren Wortlaut des Gesetzes diese nicht nur für ein einzelnes, sondern
für verschiedene Erzeugnisse verwenden kann. So spricht Art. 11
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 11 Gebrauch der Marke - 1 Die Marke ist geschützt, soweit sie im Zusammenhang mit den Waren und Dienstleistungen gebraucht wird, für die sie beansprucht wird.
1    Die Marke ist geschützt, soweit sie im Zusammenhang mit den Waren und Dienstleistungen gebraucht wird, für die sie beansprucht wird.
2    Als Gebrauch der Marke gelten auch der Gebrauch in einer von der Eintragung nicht wesentlich abweichenden Form und der Gebrauch für die Ausfuhr.
3    Der Gebrauch der Marke mit Zustimmung des Inhabers gilt als Gebrauch durch diesen selbst.
und 12
SR 232.11 Bundesgesetz vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG) - Markenschutzgesetz
MSchG Art. 12 Folgen des Nichtgebrauchs - 1 Hat der Inhaber die Marke im Zusammenhang mit den Waren oder Dienstleistungen, für die sie beansprucht wird, während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nach unbenütztem Ablauf der Widerspruchsfrist oder nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht gebraucht, so kann er sein Markenrecht nicht mehr geltend machen, ausser wenn wichtige Gründe für den Nichtgebrauch vorliegen.
1    Hat der Inhaber die Marke im Zusammenhang mit den Waren oder Dienstleistungen, für die sie beansprucht wird, während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren nach unbenütztem Ablauf der Widerspruchsfrist oder nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht gebraucht, so kann er sein Markenrecht nicht mehr geltend machen, ausser wenn wichtige Gründe für den Nichtgebrauch vorliegen.
2    Wird der Gebrauch der Marke nach mehr als fünf Jahren erstmals oder erneut aufgenommen, so lebt das Markenrecht mit Wirkung der ursprünglichen Priorität wieder auf, sofern vor dem Zeitpunkt der erstmaligen oder erneuten Aufnahme des Gebrauchs niemand den Nichtgebrauch der Marke nach Absatz 1 geltend gemacht hat.
3    Wer den Nichtgebrauch der Marke geltend macht, hat ihn glaubhaft zu machen; der Beweis des Gebrauchs obliegt sodann dem Markeninhaber.
MSchG
ausdrücklich von den «Erzeugnissen» (Mehrzahl), denen eine Marke zur
Unterscheidung dient, bzw. für die eine Marke bestimmt ist. Und die
Vollziehungsverordnung zum MSchG (vom 24. April 1929) enthält eine Reihe von
Vorschriften, die sich auf die Ausdehnung der Verwendung einer Marke auf
verschiedene Erzeugnisse beziehen (Art. 10, 13, 18, 19; vgl. auch Art. 9 Abs.
5 des revidierten Madrider Abkommens vom 14. April 1891 betr. die
internationale Eintragung der Fabrik- oder Handelsmarken).

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Wenn aber demnach ein Markeninhaber ein und dieselbe Marke für verschiedene
Produkte verwenden kann, so ist nicht einzusehen, warum er nicht diese
Produkte statt dessen mit verschiedenen, unter sich ähnlichen Marken sollte
versehen dürfen; m. a. W. die Zulassung der gleichzeitigen Verwendung einer
Marke für verschiedene Erzeugnisse beweist, dass auch nach schweizerischem
Rechte die Funktion einer Marke lediglich darin besteht, eine Ware als
Erzeugnis eines bestimmten Gewerbetreibenden bzw. Betriebes zu kennzeichnen,
dass man damit aber nicht ein Erkennungszeichen schaffen wollte, das dazu
dienen sollte, eine Ware auch abgesehen von der Frage ihrer Herkunft zu
individualisieren.