S. 114 / Nr. 18 Sachenrecht (d)

BGE 58 II 114

18. Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. März 1932 i. S. Frau Voltz gegen
Wernli.


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Regeste:
Gegenüber dem (nicht bösgläubigen) Erwerber des Schuldbriefes kann die
Schuldnerin nicht die Einrede erheben, sie sei die Schuld ohne Zustimmung der
Vormundschaftsbehörde zugunsten ihres Ehemannes eingegangen. ZGB Art. 872' 177
Abs. 3.

A. - Mit der vorliegenden Klage fordern die Kläger zwei Inhaberschuldbriefe
von je 3000 Fr. nebst 5% Zins seit 4. Dezember 1925 ein, welche die Beklagte
(mit Zustimmung ihres Ehemannes) am 3. Dezember 1925 ausgestellt hat. Die
Beklagte hatte diese Schuldbriefe damals dem L. Levy übergeben und zwar, wie
sie behauptet, zur Tilgung von Wechsel-, ursprünglich Warenschulden ihres
Ehemannes, ohne dass die Vormundschaftsbehörde zugestimmt hätte. Von Levy
gelangten die Schuldbriefe an die von ihm geleitete Vinica Compagnie S. A.,
und von dieser im Juni 1928 an die Kläger, von denen die Beklagte behauptet,
sie haben dies alles gewusst, seien nur Strohmänner Levys und haben für die
Schuldbriefe nichts ausgelegt.
B. - Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt hat, am 16. Dezember 1931
die Klage zugesprochen.
C. - Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht
erklärt mit dem Antrag auf Abweisung der Klage.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
Gemäss Art. 872 ZGB kann der Schuldbriefschuldner nur solche Einreden geltend
machen, die sich entweder

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auf den Grundbucheintrag oder auf den Pfandtitel beziehen oder ihm persönlich
gegen den ihn belangenden Gläubiger zustehen, ähnlich wie nach Art. 811
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 811 - 1 Die Statuten können vorsehen, dass die Geschäftsführer der Gesellschafterversammlung:
1    Die Statuten können vorsehen, dass die Geschäftsführer der Gesellschafterversammlung:
1  bestimmte Entscheide zur Genehmigung vorlegen müssen;
2  einzelne Fragen zur Genehmigung vorlegen können.
2    Die Genehmigung der Gesellschafterversammlung schränkt die Haftung der Geschäftsführer nicht ein.
OR der
Wechselschuldner sich nur solcher Einreden bedienen kann, welche aus dem
Wechselrecht selbst hervorgehen oder ihm unmittelbar gegen den jedesmaligen
Kläger zustehen. Zu den Einreden ersterer Art ist freilich diejenige des
Fehlens der Handlungsfähigkeit (Wechselfähigkeit) zu rechnen. Allein wie die
Vorinstanz zutreffend ausgesprochen hat, erleidet die Frau durch die
Verheiratung keine Beschränkung in der Fähigkeit zur Eingehung von
Schuldbriefschulden, ebensowenig wie von Wechselschulden. Vielmehr kann die
verheiratete Frau Schuldbriefe wie Wechselverpflichtungen nur dann nicht mehr
frei eingehen, wenn es zu Gunsten des Ehemannes geschieht. Daher kann die
Einrede des Fehlens der Zustimmung der Vormundschaftsbehörde nur gegenüber
einem Schuldbriefgläubiger oder Wechselgläubiger erhoben werden, der wusste
oder wissen musste, dass die Schuldnerin die Schuldbriefschuld bezw.
Wechselschuld zu Gunsten ihres Ehemannes eingegangen sei, wenn wie hier dem
Pfandtitel oder Grundbucheintrag (bezw. dem Wechsel) selbst keine
Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass deshalb jene Zustimmung
erforderlich war (vgl. BGE 54 II S. 34). Im vorliegenden Falle beruht die
Verneinung einer solchen Kenntnis und eines ihr gleichzustellenden
Kennen-Müssens bei den Klägern durch die Vorinstanz auf einer vom
Bundesgericht nicht nachprüfbaren Beweiswürdigung (vgl. Art. 81
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 811 - 1 Die Statuten können vorsehen, dass die Geschäftsführer der Gesellschafterversammlung:
1    Die Statuten können vorsehen, dass die Geschäftsführer der Gesellschafterversammlung:
1  bestimmte Entscheide zur Genehmigung vorlegen müssen;
2  einzelne Fragen zur Genehmigung vorlegen können.
2    Die Genehmigung der Gesellschafterversammlung schränkt die Haftung der Geschäftsführer nicht ein.
OG). Die Klage
erweist sich somit als begründet, gleichgültig, ob davon auszugehen sei, die
Beklagte sei die Schuldbriefschulden gegenüber Levy zu Gunsten ihres Ehemannes
eingegangen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Appellationsgerichtes des
Kantons Basel-Stadt vom 16. Dezember 1931 bestätigt.