S. 43 / Nr. 4 Interkantonales Armenunterstützungsrecht (d)

BGE 58 I 43

Auszug aus dem Urteil vom 23. Januar 1932 i. S. Zürich gegen Schwyz.

Regeste:
Interkantonales Armenrecht: Voraussetzungen des Rüchgriffsrechtes des
unterstützenden Kantons gegen den Heimatkanton.

Am 7. Mai 1931 wurde der minderjährige Sohn der in Schwyz (Vorderthal)
heimatberechtigten und in Ausser-Rhoden (Herisau) ansässigen Eheleute S. in
das Zürcher Kantonsspital verbracht, wo er bis zum 13. August 1931 verblieb.
Der Kanton Zürich belangte darauf den Kanton Schwyz (die Gemeinde Vorderthal)
auf Ersatz der Spitalverpflegungskosten. Das Bundesgericht wies im
staatsrechtlichen Verfahren nach Art. 176 Ziff. 2 OG die Klage ab. mit der

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Begründung:
Das Konkordat betreffend die wohnörtliche Unterstützung ist, wie unbestritten,
auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die Klage beurteilt sich deshalb
unmittelbar nach dem in Bundesverfassung, Bundesgesetz und allgemeinen
Rechtsgrundsätzen niedergelegten interkantonalen Armenrecht.
Der Regierungsrat des Kantons Zürich scheint von der Auffassung auszugehen,
dass nach interkantonalem Armen recht in allen Fällen der Heimatkanton primär
unterstützungspflichtig sei in dem Sinn, dass der hülfeleistende Kanton für
die ihm entstandenen Kosten auf den Heimatkanton Rückgriff nehmen könne. Dann
allerdings würde Zürich für die ihm aus der Verpflegung des in Schwyz
heimatberechtigten Knaben S. entstandenen Kosten auf Schwyz (die schwyzerische
Heimatgemeinde Vorderthal) Rückgriff nehmen können.
Allein diese Auffassung ist irrig. Nach der auf Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV, dem Bundesgesetz
vom 22. Juni 1875 über die Kosten der Verpflegung erkrankter und der
Beerdigung verstorbener armer Angehöriger anderer Kantone, sowie auf
allgemeinen Rechtsgrundsätzen aufgebauten Rechtsprechung des Bundesgerichtes
lastet die primäre Unterstützungspflicht nur in ganz bestimmten Fällen auf dem
Heimatkanton, in allen übrigen Fällen dagegen auf dem Wohnsitz- oder dem
Aufenthaltskanton (BGE 49 I S. 449; 50 I S. 29 ff; 53 I S. 311 und die
jeweiligen Zitate), wobei dann für den Heimatkanton nur die Pflicht in Frage
kommt, dem unterstützenden Kanton für seinen Rückgriff auf private
Verpflichtete Rechtshülfe zu leisten (vgl. Art. 2 und 3 BG von 1875).
Die primäre Unterstützungspflicht trifft den Heimatkanton - wie aus Art. 45
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 45 Mitwirkung an der Willensbildung des Bundes - 1 Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
1    Die Kantone wirken nach Massgabe der Bundesverfassung an der Willensbildung des Bundes mit, insbesondere an der Rechtsetzung.
2    Der Bund informiert die Kantone rechtzeitig und umfassend über seine Vorhaben; er holt ihre Stellungnahmen ein, wenn ihre Interessen betroffen sind.
BV
folgt - insbesondere im Falle dauernder Unterstützungsbedürftigkeit (BGE 49 I
S. 449
). Damm handelt es sich hier aber nach den Akten nicht; denn es wird
nicht behauptet, dass der Knabe S.

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dauernd pflegebedürftig sei, und noch weniger, dass seine Eltern auch ohne
Rücksicht auf dessen Krankheit unter stützt werden müssen. Auf dieser
Grundlage besteht also ein Rückgriffsrecht von Zürich gegen Schwyz
(Vorderthal) nicht. Auf welcher andern Grundlage es sonst bestehe, wird aber
nicht dargetan und ist auch nicht einzusehen.