S. 173 / Nr. 28 Derogatorische Kraft des Bundesrechtes (d)

BGE 58 I 173

28. Urteil vom 21. Juli 1933 i. S. Zurfluh und Mitbeteiligte gegen Uri
Landrat.


Seite: 173
Regeste:
Recht zum Sammeln wildwachsender Beeren nach Art. 699
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 699 - 1 Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
1    Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
2    Über das Betreten fremden Eigentums zur Ausübung von Jagd und Fischerei kann das kantonale Recht nähere Vorschriften aufstellen.
ZGB. Inwiefern in der
Ausübung durch kantonale Polizeivorschriften beschränkbar? Kantonale
Polizeiverordnung, wodurch das «Sammeln mit Körben, Gefässen, Säcken und
dergleichen zum Fortschaffen an Sonn- und Feiertagen» schlechthin,
insbesondere ohne Rücksicht darauf, ob es erwerbsmässig geschieht oder nicht,
verboten wird.

A. - Das urnerische Gesetz betreffend Heiligung der Sonn- und Feiertage vom 6.
Mai 1900/4. Mai 1902 bestimmt in:
Art. 1. «Die Sonntage und staatlich anerkannten Feiertage sind öffentliche
Ruhetage. An denselben sind alle öffentlichen, geräuschvollen, Ärgernis
erregenden und die zum industriellen, gewerblichen oder landwirtschaftlichen
Betriebe gehörenden Arbeiten, sowie Beschäftigungen anderer Art, durch welche
Lärm und Störung verursacht wird, untersagt.»
Art. 10.
Abs. 1. «An Sonn- und Festtagen ist das Auf- und Abladen, der Transport von
Waren, sowie das Fahren mit leeren Lastwagen untersagt ...».
Abs. 4. «Das Lastentragen, besondere Bedürfnisfälle ausgenommen, sowie das
Zusammentreiben und Weiter führen von Vieh ohne Not ist an Sonn- und
Feiertagen ebenfalls verboten.»
Seit dem Jahre 1922 veröffentlichte der Regierungsrat des Kantons Uri
wiederholt (so z. B. in den Jahren 1922, 1927 und 1929) im kantonalen
Amtsblatt einige

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«Bestimmungen über das Beerensammeln» worunter die folgende: «Das
erwerbsmässige Beerensammeln in Körben etc. ist gemäss Art. 1 des
Sonntagsgesetzes an Sonn- und staatlich anerkannten Feiertagen überhaupt
allgemein verboten.»
Am 14./21. April 1932 erliess der Landrat des Kantons Uri eine «Verordnung
betreffend das Beerensammeln», deren Ingress und § 1 folgendermassen lautet:
«Der Landrat des Kantons Uri in Erwägung, dass das Beerensammeln geordnet
werden muss, weil es in ärgerniserregender Art und Weise an Sonn- und
Feiertagen ausgeübt wird, ungeachtet durch Art. 1 und 10 des Sonntagsgesetzes
das Auf- und Abladen und der Warentransport, sowie das Lastentragen an Sonn-
und Feiertagen verboten ist, beschliesst und verordnet:
§ 1. An Sonn- und Feiertagen ist das Beerensammeln mit Körben, Gefässen,
Säcken und dergl. zum Fortschaffen verboten.»
Eine regierungsrätliche Verordnung vom 4./9. Juli 1931 über den Gegenstand,
die eine analoge Bestimmung enthielt, war vom Regierungsrat selbst am 5. März
1932 aufgehoben worden, nachdem durch staatsrechtliche Beschwerde, neben der
Anfechtung des Verordnungsinhaltes, eingewendet worden war, dass nach
urnerischem Staatsrecht nur der Landrat zum Erlass von Verordnungen befugt
sei.
B. - Mit der vorliegenden, rechtzeitig eingereichten staatsrechtlichen
Beschwerde stellen Wilhelm Zurfluh, Schlosser in Erstfeld und vier weitere
Einwohner von Erstfeld das Begehren, der § 1 der Verordnung des urnerischen
Landrates vom 14./21. April 1932 sei aufzuheben. Es wird geltend gemacht, dass
die angefochtene kantonale Vorschrift dem Art. 699 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 699 - 1 Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
1    Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
2    Über das Betreten fremden Eigentums zur Ausübung von Jagd und Fischerei kann das kantonale Recht nähere Vorschriften aufstellen.
ZGB widerspreche und
deshalb bundesrechtswidrig sei.
C. - Der Regierungsrat von Uri hat die Abweisung der Beschwerde beantragt. Die
Begründung dieses Antrages und die nähere Begründung der Beschwerde sind,

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soweit nötig, aus den nachstehenden Erwägungen ersichtlich.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Nach Art. 699 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 699 - 1 Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
1    Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
2    Über das Betreten fremden Eigentums zur Ausübung von Jagd und Fischerei kann das kantonale Recht nähere Vorschriften aufstellen.
ZGB ist das Betreten von Wald und Weide und die
Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze und dergleichen im ortsüblichen Umfange
jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der
zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden. Der
letztere Vor behalt kommt im vorliegenden Falle schon deshalb nicht in
Betracht, weil die streitige Verordnungsvorschrift nicht im Interesse der
Kulturen erlassen worden ist, abgesehen davon, dass sie sich nicht bloss auf
einzelne bestimmt umgrenzte Gebiete bezieht, sondern allgemein lautet. Der
Regierungsrat stützt sich denn auch für die Bundesrechtsmässigkeit des
angefochtenen Verbotes nicht auf diesen Grund, sondern darauf, dass:
a) nach Art. 6
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 6 - 1 Die Kantone werden in ihren öffentlich-rechtlichen Befugnissen durch das Bundeszivilrecht nicht beschränkt.
1    Die Kantone werden in ihren öffentlich-rechtlichen Befugnissen durch das Bundeszivilrecht nicht beschränkt.
2    Sie können in den Schranken ihrer Hoheit den Verkehr mit gewissen Arten von Sachen beschränken oder untersagen oder die Rechtsgeschäfte über solche Sachen als ungültig bezeichnen.
ZGB die öffentlichrechtlichen Befugnisse der Kantone und damit
auch die Sonntagspolizei durch das Bundeszivilrecht nicht berührt würden;
b) Art. 699 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 699 - 1 Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
1    Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
2    Über das Betreten fremden Eigentums zur Ausübung von Jagd und Fischerei kann das kantonale Recht nähere Vorschriften aufstellen.
ZGB die Aneignung wildwachsender Beeren nur innert den
Schranken der Ortsübung gestatte, als deren Ausdruck gemäss Art. 5 Abs. 2
ebenda das kantonale Recht zu gelten habe, solange nicht eine abweichende
Übung feststehe. Zu diesem kantonalen Recht gehörten das Sonntagsgesetz von
1900 und seine Nachträge von 1902 und 1932. Eine abweichende Übung sei nicht
nachgewiesen und werde bestritten.
2.- Es ist richtig, dass die in Art. 699 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 699 - 1 Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
1    Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
2    Über das Betreten fremden Eigentums zur Ausübung von Jagd und Fischerei kann das kantonale Recht nähere Vorschriften aufstellen.
ZGB getroffene Ordnung die
Anwendung der allgemeinen kantonalen Polizeivorschriften, insbesondere der
allgemeinen Vorschriften über die Sonntagspolizei auf das Beeren sammeln nicht
ausschliesst. Der Zivilgesetzgeber hat damit eine Beschränkung des
Grundeigentums zu Gunsten der Allgemeinheit statuiert, die Ausübung der dieser
Beschränkung gegenüberstehenden Befugnisse aber nicht

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ausserhalb die allgemeine Rechtsordnung gestellt. Das Bundesgericht hat denn
auch schon im Urteile in Sachen Hess gegen Zug (BGE 43 I 267) die
Beschränkungen, die sich für die Beerensammler aus den allgemeinen
sonntagspolizeilichen Vorschriften ergeben, als statthaft betrachtet. Weitere
Ausführungen hierüber sind überflüssig, weil die Rekurrenten anerkennen, dass
die urnerischen Behörden die Beobachtung der allgemeinen Normen, wie sie im
kantonalen Gesetz betreffend «Heiligung der Sonn- und Feiertage» vom 6. Mai
1900/4. Mai 1902 enthalten sind, auch inbezug auf das Beerensammeln verlangen
können und lediglich die Zulässigkeit hierüber hinausgehender Vorschriften
bestreiten.
3.- Von den in jenem Gesetze enthaltenen Normen fallen - nach dem Ingress der
angefochtenen Verordnung und der Beschwerdeantwort des Regierungsrates - hier
in Betracht die Art. 1 und 10.
a) Art. 1 verbietet an Sonn- und Feiertagen: 1. alle öffentlichen,
geräuschvollen, Ärgernis erregenden Arbeiten, 2. die zum industriellen,
gewerblichen oder landwirtschaftlichen Betriebe gehörenden Arbeiten und 3.
Beschäftigungen anderer Art, durch welche Lärm oder Störung verursacht wird.
Das Beerensammeln ist aber an sich weder eine öffentliche noch eine
geräuschvolle noch eine ärgerniserregende Arbeit noch auch eine Lärm oder
Störung verursachende Beschäftigung anderer Art. Wenn die Beerensammler Lärm
oder Störung verursachen oder Ärgernis erregen sollten, so hat dies nicht im
Beeren sammeln als solchem, sondern im Verhalten einzelner Sammler seinen
Grund und es kann daher deswegen auch nicht, gestützt auf Art. 1 des
Sonntagsgesetzes, das Beerensammeln überhaupt verboten, sondern nur gegen jene
Sammler eingeschritten werden, die für den Lärm, die Störung oder das Ärgernis
verantwortlich sind. Eine Übertretung der angerufenen Gesetzesvorschrift
könnte also nur vorliegen, wenn die Sammeltätigkeit eine zu einem gewerblichen
Betriebe gehörende Arbeit wäre, also mit

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andern Worten, wenn sie gewerbsmässig betrieben würde. In dieser Weise hat
auch der Regierungsrat des Kantons Uri in früheren Jahren den Art. 1 des
Sonntagsgesetzes ausgelegt, indem er bis zum Jahre 1929 in die von ihm
publizierten «Bestimmungen über das Beerensammeln» die Vorschrift aufnahm,
dass das «erwerbsmässige Beerensammeln in Körben etc. gemäss Art. 1 des
Sonntagsgesetzes an Sonn- und staatlich anerkannten Feiertagen verboten» sei.
Gewerbsmässig kann das Beerensammeln nicht nur sein, wenn es als
Hauptbeschäftigung, sondern auch wenn es als Nebenbeschäftigung betrieben
wird, sobald es in der Absicht, sich eine Verdienstquelle zu verschaffen und
ferner zu diesem Zwecke nicht nur gelegentlich, sondern - was zum Begriffe der
Gewerbsmässigkeit gehört - mit einer gewissen Häufigkeit geschieht. Gegen § 1
des Sonntagsgesetzes können sich daher - was die Rekurrenten zu Unrecht
bestreiten - auch Personen verfehlen, die Werktags einer anderen Beschäftigung
obliegen.
b) Wenn Art. 10 des Sonntagsgesetzes (Fassung vom 4. Mai 1902) das Auf- und
Abladen und den Transport von Waren sowie das Fahren mit leeren Lastwagen
verbietet, so wird damit der Verkehr mit beladenen und leeren Lastwagen, sowie
das Auf- und Abladen derselben untersagt. Das in Abs. 4 ebenda enthaltene
Verbot des Lastentragens sodann kann sich, wie schon das Wort «Last» zeigt,
nicht gegen jedes Tragen von Waren richten, sondern nur gegen ein solches, das
mit einer grossen körperlichen Anstrengung verbunden ist. Die Beerensammler
verstossen daher nicht schon dann gegen Art. 10 des Sonntagsgesetzes, wenn sie
an einem Sonn- oder Feiertag Beeren in einem Rucksacke, einem Handkoffer oder
Korbe heimtragen, sondern erst, wenn sie zum Transport der Beeren einen Wagen
benutzen oder die Beeren in solchem Masse aus dem Walde forttragen, dass hiezu
eine grosse körperliche Anstrengung nötig ist.
4. -Wenn Art. 699 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 699 - 1 Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
1    Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
2    Über das Betreten fremden Eigentums zur Ausübung von Jagd und Fischerei kann das kantonale Recht nähere Vorschriften aufstellen.
ZGB der Anwendung der

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allgemeinen Polizeivorschriften auf das Beeren sammeln nicht entgegensteht, so
können aber andererseits die Kantone die ihnen auf dem Gebiete des
öffentlichen Rechtes verbliebenen Rechtssetzungsbefugnisse doch nicht etwa
dazu benützen, um das vom ZGB zu Gunsten der Allgemeinheit statuierte
Aneignungsrecht beliebig einzuschränken. Damit eine Beschränkung, welche sich
speziell gegen dieses Recht richtet und über das vom eidgenössischen
Gesetzgeber selbst vorgesehene Verbot des Betretens räumlich bestimmt
abgegrenzter Gebiete zum Schutze der Kulturen hinausgeht, vor Art. 699 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 699 - 1 Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
1    Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
2    Über das Betreten fremden Eigentums zur Ausübung von Jagd und Fischerei kann das kantonale Recht nähere Vorschriften aufstellen.

ZGB zulässig sei, müssen sich dafür haltbare Gründe des öffentlichen
Interesses geltend machen lassen (vgl. das bereits angeführte Urteil in Sachen
Hess gegen Zug, von dem abzugehen kein Anlass besteht). Anderenfalls könnten
die Kantone durch ihr öffentliches Recht den in Art. 699 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 699 - 1 Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
1    Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
2    Über das Betreten fremden Eigentums zur Ausübung von Jagd und Fischerei kann das kantonale Recht nähere Vorschriften aufstellen.
ZGB
aufgestellten Grundsatz überhaupt wirkungslos machen, da sich jedes Interesse
in eine Norm öffentlich rechtlicher Prägung einspannen lässt (vgl. EGGER
Kommentar 2. Aufl. zu Art. 6
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 6 - 1 Die Kantone werden in ihren öffentlich-rechtlichen Befugnissen durch das Bundeszivilrecht nicht beschränkt.
1    Die Kantone werden in ihren öffentlich-rechtlichen Befugnissen durch das Bundeszivilrecht nicht beschränkt.
2    Sie können in den Schranken ihrer Hoheit den Verkehr mit gewissen Arten von Sachen beschränken oder untersagen oder die Rechtsgeschäfte über solche Sachen als ungültig bezeichnen.
ZGB Anm. 14; BURCKHARDT Kommentar zur BV 3. Aufl.
S. 588; BGE 58 I 32, LEEMANN Kommentar 2. Aufl. zu Art. 699
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 699 - 1 Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
1    Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
2    Über das Betreten fremden Eigentums zur Ausübung von Jagd und Fischerei kann das kantonale Recht nähere Vorschriften aufstellen.
ZGB No 12).
Nach dem in Erwägung 3 Ausgeführten begnügt sich aber die angefochtene
Vorschrift der landrätlichen Verordnung nicht, den Beerensammlern die
Bestimmungen von Art. 1 und 10 des Sonntagsgesetzes in Erinnerung zu rufen,
sondern enthält nach zwei Richtungen eine darüber hinausgehende Beschränkung:
a) das in den Anordnungen des Regierungsrates von 1922, 1927 und 1929
geforderte Tatbestandsmerkmal der Gewerbsmässigkeit wird bewusst
fallengelassen,
b) nicht bloss das Fortschaffen von Beeren aus dem Walde, sondern schon das
Sammeln zum Fortschaffen wird verboten und zwar gleichgültig, in welcher Weise
die Beeren fortgeschafft werden, also auch wenn hiebei Art. 10 des
Sonntagsgesetzes nicht verletzt wird.
Für diese weitergehenden Beschränkungen lassen sich

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aber haltbare Gründe des öffentlichen Interesses nicht anführen.
Die Gewerbsmässigkeit der Betätigung ist beim Beerensammeln nicht schwerer
festzustellen als bei vielen anderen Beschäftigungen. Die Angaben, welche die
Beerensammler selbst hierüber machen und die allerdings oft nicht zuverlässig
sein mögen, sind für die Polizeibehörden nicht verbindlich; es steht ihnen
frei, dieselben auf ihre Richtigkeit nachzuprüfen. Wenn es ferner im
öffentlichen Interesse liegen kann, den Transport gewisser Waren (wie z. B.
von Jauche in einer Ortschaft) an Sonn- und Feiertagen überhaupt zu verbieten
(also selbst für den Fall, dass er nicht gewerbsmässig erfolgt und nicht
derart bedeutend ist, um unter Art. 10 des Sonntagsgesetzes zu fallen), so ist
doch kein vernünftiger Grund ersichtlich, der es rechtfertigen würde, ein
solches gänzliches Verbot für den Transport von Beeren aufzustellen. Ob ein
Rucksack (Korb, Handtasche etc.), der an einem Sonntage getragen wird, mit
Beeren gefüllt ist oder ob er Leibwäsche, Proviant usw. enthalte, ist für die
Öffentlichkeit ohne jedes Interesse. Der angefochtene § 1 der landrätlichen
Verordnung richtet sich denn auch eigentlich gar nicht gegen den
Beerentransport als solchen, sondern gegen das Beerensammeln. Verboten wird
nicht das «Fortschaffen von Beeren», sondern das «Sammeln zum Fortschaffen».
Es soll dadurch das Beerensammeln an Sonntagen, - auch wenn es nicht
gewerbsmässig betrieben wird, - verunmöglicht werden. Eine solche Massnahme
aber steht, wie im Falle Hess c. Zug ausgeführt wurde, mit dem Sinn und Geist
von Art. 699 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 699 - 1 Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
1    Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
2    Über das Betreten fremden Eigentums zur Ausübung von Jagd und Fischerei kann das kantonale Recht nähere Vorschriften aufstellen.
im Widerspruche.
5.- Auch der Vorbehalt, der in Art. 699 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 699 - 1 Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
1    Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
2    Über das Betreten fremden Eigentums zur Ausübung von Jagd und Fischerei kann das kantonale Recht nähere Vorschriften aufstellen.
ZGB zu Gunsten der Ortsübung
gemacht wird, berechtigte den Landrat des Kantons Uri nicht zum Erlass der
angefochtenen Vorschrift. Selbst wenn man mit den urnerischen Behörden
annimmt, dass bei Feststellung des Ortsgebrauches auch kantonale
Polizeivorschriften in Betracht fallen können, so kann doch keinesfalls auf
eine Polizeivorschrift

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abgestellt werden, die nach Inkrafttreten des ZGB erlassen wurde (Art. 5 Abs.
2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 5 - 1 Soweit das Bundesrecht die Geltung kantonalen Rechtes vorbehält, sind die Kantone befugt, zivilrechtliche Bestimmungen aufzustellen oder aufzuheben.
1    Soweit das Bundesrecht die Geltung kantonalen Rechtes vorbehält, sind die Kantone befugt, zivilrechtliche Bestimmungen aufzustellen oder aufzuheben.
2    Wo das Gesetz auf die Übung oder den Ortsgebrauch verweist, gilt das bisherige kantonale Recht als deren Ausdruck, solange nicht eine abweichende Übung nachgewiesen ist.
ZGB). Als Ausdruck der Ortsübung vermögen daher höchstens die bereits im
Sonntagsgesetz von 1900/1902 enthaltenen Vorschriften. nicht auch die
landrätliche Verordnung vom 14./21. April 1932 zu gelten. Die Anwendbarkeit
der im Sonntagsgesetz enthaltenen Vorschriften auf das Beerensammeln ist aber,
wie oben (Ziff. 2) ausgeführt wurde, schon aus andern Gründen zu bejahen.
6.- Die Berufung auf die Verordnung des Kantons Tessin vom 13. Juli 1928 und
auf eine Publikation der Staatskanzlei Obwalden vom 25. Juni 1931 ist
unbehelflich. Sollten in anderen Kantonen auch Vorschriften bestehen, die
inhaltlich mit dem § 1 der urnerischen Verordnung vom 14./21. April 1932
übereinstimmen, so würden sie ebenfalls gegen Art. 699 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 699 - 1 Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
1    Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
2    Über das Betreten fremden Eigentums zur Ausübung von Jagd und Fischerei kann das kantonale Recht nähere Vorschriften aufstellen.
ZGB verstossen
und daher bundesrechtswidrig sein. Die Verordnung des Kantons Tessin vom 13.
Juli 1928 enthält übrigens gar keine Vorschrift über das Beerensammeln an
Sonntagen. Sie räumt lediglich den Gemeinderäten das Recht ein,
Polizeiverordnungen über das Beerensammeln zu erlassen. Nicht jedes
Polizeireglement über das Beerensammeln verstösst aber gegen Art. 699 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 699 - 1 Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
1    Das Betreten von Wald und Weide und die Aneignung wildwachsender Beeren, Pilze u. dgl. sind in ortsüblichem Umfange jedermann gestattet, soweit nicht im Interesse der Kulturen seitens der zuständigen Behörde einzelne bestimmt umgrenzte Verbote erlassen werden.
2    Über das Betreten fremden Eigentums zur Ausübung von Jagd und Fischerei kann das kantonale Recht nähere Vorschriften aufstellen.

ZGB, sondern nur dasjenige, das inhaltlich mit diesem Artikel nicht im
Einklang steht.
7.- Der angefochtene § 1 der urnerischen Verordnung vom 14./21. April 1932 ist
daher als bundesrechtswidrig aufzuheben (Art. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 2 Zweck - 1 Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
1    Die Schweizerische Eidgenossenschaft schützt die Freiheit und die Rechte des Volkes und wahrt die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Landes.
2    Sie fördert die gemeinsame Wohlfahrt, die nachhaltige Entwicklung, den inneren Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt des Landes.
3    Sie sorgt für eine möglichst grosse Chancengleichheit unter den Bürgerinnen und Bürgern.
4    Sie setzt sich ein für die dauerhafte Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und für eine friedliche und gerechte internationale Ordnung.
Üb. best. zur BV). Den
urnerischen Behörden bleibt aber das Recht gewahrt, die allgemeinen
Vorschriften der Sonntagspolizei auch auf das Beeren sammeln anzuwenden und
eventuell die Beerensammler durch Publikationen hierauf aufmerksam zu machen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen und der § 1 der
landrätlichen Verordnung vom 14./21. April 1932 aufgehoben.