S. 179 / Nr. 46 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 57 III 179

46. Entscheid vom 2. November 1931 i. S. Federspiel.

Regeste:
Gewahrsam der mit ihrem Ehemann im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehefrau am
gemeinsam benützten Hausrat: beurteilt sich unabhängig von dem zwischen den
Ehegatten geltenden Güterstand (Änderung der Rechtsprechung).
Art. 106 f
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 106 - 1 Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an.
1    Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an.
2    Dritte können ihre Ansprüche anmelden, solange der Erlös aus der Verwertung des gepfändeten Gegenstandes noch nicht verteilt ist.
3    Nach der Verwertung kann der Dritte die Ansprüche, die ihm nach Zivilrecht bei Diebstahl, Verlust oder sonstigem Abhandenkommen einer beweglichen Sache (Art. 934 und 935 ZGB223) oder bei bösem Glauben des Erwerbers (Art. 936 und 974 Abs. 3 ZGB) zustehen, ausserhalb des Betreibungsverfahrens geltend machen. Als öffentliche Versteigerung im Sinne von Artikel 934 Absatz 2 ZGB gilt dabei auch der Freihandverkauf nach Artikel 130 dieses Gesetzes.
. SchKG.
La question de la possession par la femme des meubles et ustensiles de ménage
employés en commun par les époux doit être résolue sans égard au régime
matrimonial (modification de la jurisprudence). Art. 106 LP.
Il quesito se la moglie possegga dei mobili e utensili domestici usati in
comune da coniugi che convivono ha da essere risolto indipendentemente dal
regime dei beni esistente fra essi (modificazione della giurisprudenza)
Art. 106 LEF.

A. - Am 31. August 1931 pfändete das Betreibungsamt Davos in der Betreibung
des Rekurrenten gegen den Schuldner Saluz verschiedenen in der Wohnung des
Schuldners befindlichen Hausrat, der von der Ehefrau des Schuldners zu
Eigentum angesprochen wurde. Als das Amt dem Gläubiger Frist zur Klage gemäss
Art. 109
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 109 - 1 Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1    Beim Gericht des Betreibungsortes sind einzureichen:
1  Klagen nach Artikel 107 Absatz 5;
2  Klagen nach Artikel 108 Absatz 1, sofern der Beklagte Wohnsitz im Ausland hat.
2    Richtet sich die Klage nach Artikel 108 Absatz 1 gegen einen Beklagten mit Wohnsitz in der Schweiz, so ist sie an dessen Wohnsitz einzureichen.
3    Bezieht sich der Anspruch auf ein Grundstück, so ist die Klage in jedem Fall beim Gericht des Ortes einzureichen, wo das Grundstück oder sein wertvollster Teil liegt.
4    Das Gericht zeigt dem Betreibungsamt den Eingang und die Erledigung der Klage an. ...227
5    Bis zur Erledigung der Klage bleibt die Betreibung in Bezug auf die streitigen Gegenstände eingestellt, und die Fristen für Verwertungsbegehren (Art. 116) stehen still.
SchKG ansetzte, führte dieser hiegegen Beschwerde mit der Begründung,
die Drittansprecherin habe nicht Gewahrsam an den angesprochenen Objekten, da
sie mit dem Schuldner unter dem gesetzlichen Güterstand lebe; der (von den
Eheleuten Saluz angerufene) Gütertrennungsvertrag

Seite: 180
vom 11. August 1925 sei nach aussen unwirksam, da er im Güterrechtsregister
von Graubünden, in dessen Bezirk die Eheleute Saluz 1930 eingezogen seien, nie
zur Eintragung gelangt sei.
B. - Mit Entscheid vom 13. Oktober 1931 hat die kantonale Aufsichtsbehörde die
Beschwerde abgewiesen, worauf der Rekurrent rechtzeitig an das Bundesgericht
gelangte unter Wiederholung seines Antrages, das Betreibungsamt anzuweisen,
gemäss Art. 106
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 106 - 1 Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an.
1    Wird geltend gemacht, einem Dritten stehe am gepfändeten Gegenstand das Eigentum, ein Pfandrecht oder ein anderes Recht zu, das der Pfändung entgegensteht oder im weitern Verlauf des Vollstreckungsverfahrens zu berücksichtigen ist, so merkt das Betreibungsamt den Anspruch des Dritten in der Pfändungsurkunde vor oder zeigt ihn, falls die Urkunde bereits zugestellt ist, den Parteien besonders an.
2    Dritte können ihre Ansprüche anmelden, solange der Erlös aus der Verwertung des gepfändeten Gegenstandes noch nicht verteilt ist.
3    Nach der Verwertung kann der Dritte die Ansprüche, die ihm nach Zivilrecht bei Diebstahl, Verlust oder sonstigem Abhandenkommen einer beweglichen Sache (Art. 934 und 935 ZGB223) oder bei bösem Glauben des Erwerbers (Art. 936 und 974 Abs. 3 ZGB) zustehen, ausserhalb des Betreibungsverfahrens geltend machen. Als öffentliche Versteigerung im Sinne von Artikel 934 Absatz 2 ZGB gilt dabei auch der Freihandverkauf nach Artikel 130 dieses Gesetzes.
/7
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 7 - Wird eine Schadenersatzklage mit widerrechtlichem Verhalten der oberen kantonalen Aufsichtsbehörden oder des oberen kantonalen Nachlassgerichts begründet, so ist das Bundesgericht als einzige Instanz zuständig.
SchKG vorzugehen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Allerdings hat das Bundesgericht schon wiederholt entschieden, dass eine mit
ihrem Ehemann in gemeinsamem Haushalt lebende Ehefrau am gemeinsam benützten
Hausrat nur dann Gewahrsam habe, wenn sie sich in gleicher rechtlicher
Stellung wie ihr Mann befinde, was nur der Fall sei, wenn unter den Ehegatten
Gütertrennung bestehe, nicht aber unter den übrigen Güterständen (vgl. die bei
JÄGER No. 2 zu Art. 106 angeführten Entscheidungen). An dieser Rechtsprechung
kann jedoch nicht festgehalten werden:
Einmal steht der Ehefrau auch unter dem Güterstand der Güterverbindung oder
Gütergemeinschaft ein wenn auch auf die Bedürfnisse des Haushaltes bezw. der
gewöhnlichen Verwaltung beschränktes Verfügungsrecht über das eheliche
Vermögen zu (Art. 163
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 163 - 1 Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie.
1    Die Ehegatten sorgen gemeinsam, ein jeder nach seinen Kräften, für den gebührenden Unterhalt der Familie.
2    Sie verständigen sich über den Beitrag, den jeder von ihnen leistet, namentlich durch Geldzahlungen, Besorgen des Haushaltes, Betreuen der Kinder oder durch Mithilfe im Beruf oder Gewerbe des andern.
3    Dabei berücksichtigen sie die Bedürfnisse der ehelichen Gemeinschaft und ihre persönlichen Umstände.
, 203
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 203 - 1 Der Güterstand hat keinen Einfluss auf die Fälligkeit von Schulden zwischen Ehegatten.
1    Der Güterstand hat keinen Einfluss auf die Fälligkeit von Schulden zwischen Ehegatten.
2    Bereitet indessen die Zahlung von Geldschulden oder die Erstattung geschuldeter Sachen dem verpflichteten Ehegatten ernstliche Schwierigkeiten, welche die eheliche Gemeinschaft gefährden, so kann er verlangen, dass ihm Fristen eingeräumt werden; die Forderung ist sicherzustellen, wenn es die Umstände rechtfertigen.
und 216
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 216 - 1 Durch Ehevertrag kann eine andere Beteiligung am Vorschlag vereinbart werden.
1    Durch Ehevertrag kann eine andere Beteiligung am Vorschlag vereinbart werden.
2    Die über die Hälfte hinaus zugewiesene Beteiligung am Vorschlag wird bei der Berechnung der Pflichtteile des überlebenden Ehegatten oder eingetragenen Partners, der gemeinsamen Kinder und deren Nachkommen nicht hinzugerechnet.241
3    Eine solche Vereinbarung darf die Pflichtteilsansprüche der nichtgemeinsamen Kinder und deren Nachkommen nicht beeinträchtigen.242
/7
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 7 - Die allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechtes6 über die Entstehung, Erfüllung und Aufhebung der Verträge finden auch Anwendung auf andere zivilrechtliche Verhältnisse.
ZGB), so dass sie sich jedenfalls im
erwähnten Umfang auch bei diesen Güterständen in gleicher rechtlicher Stellung
befindet wie der Ehemann. Anderseits fehlt dem Ehemann hinsichtlich derjenigen
Vermögenswerte, welche für Dritte ohne weiteres als zum Frauengut oder
Gesamtgut gehörig erkennbar sind, nicht nur das Recht, sondern auch praktisch
die Möglichkeit, ohne Zustimmung der Frau wirksam über die Sache zu verfügen.
Dies hat denn auch bereits dazu geführt, dass auch einer in Güterverbindung
lebenden

Seite: 181
Ehefrau Mitgewahrsam an einer Forderung, die sich auf einen auf ihren Namen
gestellten Schuldschein oder Vertrag stützte, zugebilligt wurde (BGE 57 III
14
).
Dabei kann indessen nicht stehen geblieben werden; denn die bisherige Praxis
erweist sich bei erneuter Prüfung als eine durch keinerlei zwingende Gründe
gerechtfertigte Einschränkung des bei Auslegung des Gewahrsamsbegriffes
gewonnenen Satzes, dass darunter nur die äusserlich wahrnehmbare tatsächliche
Herrschaft über die gepfändete Sache, die tatsächliche Verfügungsgewalt zu
verstehen sei, weil es nicht die Meinung des Gesetzgebers sein könne, dass
sich der Betreibungsbeamte in weitgehende Untersuchungen und in die Prüfung
von Rechtsfragen einlassen solle (BGE 22 S. 303). Es ist nicht einzusehen,
warum der Entscheid darüber, ob ein Drittansprecher Gewahrsam am
angesprochenen Gegenstand habe, anders lauten soll, je nachdem der Ansprecher
eine verheiratete Frau ist oder nicht oder, anders ausgedrückt, warum es nicht
auch dann, wenn eine Ehefrau als Ansprecherin auftritt, lediglich darauf
ankommen sollte, ob sie die tatsächliche Verfügungsgewalt über die gepfändeten
Objekte innehabe.
Im vorliegenden Fall wird vom Rekurrenten selbst nicht in Abrede gestellt,
dass die Eheleute Saluz in gemeinsamem Haushalt leben. Nach den Erfahrungen
des täglichen Lebens ist aber die Ehefrau in der Regel ebensogut wie der
Ehemann in der Lage, tatsächlich über die Gegenstände des Hausrates - um
solche handelt es sich hier ausschliesslich - zu verfügen, sie zu benützen
oder zu vernichten, sie an einen andern Ort zu verbringen oder einem Dritten
den Besitz daran zu verschaffen. Dass im vorliegenden Fall die Ansprecherin
trotz dem gemeinsamen Haushalt aus besondern Gründen doch nicht in der Lage
sei, über die gepfändeten Objekte Gewalt auszuüben, hat der Rekurrent weder
bewiesen noch auch nur behauptet. Infolgedessen muss die Ehefrau des
Schuldners als Mitinhaberin des Gewahrsams anerkannt werden,

Seite: 182
was genügt, um ihr den Anspruch auf die Beklagtenrolle im Widerspruchsprozess
zu verschaffen (BGE 40 III 333 und dortige Zitate). Selbstverständlich wird
damit der Beweislastverteilung und der Anwendbarkeit der Art. 193
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 193 - 1 Durch Begründung oder Änderung des Güterstandes oder durch güterrechtliche Auseinandersetzungen kann ein Vermögen, aus dem bis anhin die Gläubiger eines Ehegatten oder der Gemeinschaft Befriedigung verlangen konnten, dieser Haftung nicht entzogen werden.
1    Durch Begründung oder Änderung des Güterstandes oder durch güterrechtliche Auseinandersetzungen kann ein Vermögen, aus dem bis anhin die Gläubiger eines Ehegatten oder der Gemeinschaft Befriedigung verlangen konnten, dieser Haftung nicht entzogen werden.
2    Ist ein solches Vermögen auf einen Ehegatten übergegangen, so hat er die Schulden zu bezahlen, kann sich aber von dieser Haftung so weit befreien, als er nachweist, dass das empfangene Vermögen hiezu nicht ausreicht.
und 196
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 196 - Der Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung umfasst die Errungenschaft und das Eigengut jedes Ehegatten.
ZGB
in diesem Prozess in keiner Weise vorgegriffen.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- u. Konkurskammer: Der Rekurs wird abgewiesen.