S. 10 / Nr. 3 Familienrecht (d)

BGE 57 II 10

3. Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Februar 1931 i. S. Frau Naef gegen
Marx.

Regeste:
ZGB Art. 177 Abs. 3 gilt nicht für Verpflichtungen, die sofort erfüllt werden
(Erw. 2).
ZGB Art. 211 Abs. 2 steht der Abtretung der privilegierten Frauengutsforderung
an Konkursgläubiger des Ehemannes nicht entgegen (Erw. 3).

A. - Der Ehemann der Beklagten hatte von der Agence Américaine und deren
Direktor, dem Kläger, je ein Automobil unter Eigentumsvorbehalt gekauft, dann

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aber ohne Bezahlung der Ankaufspreise von je über 6000 Fr. weiterverkauft. Als
ihm nach Bewilligung einer Nachlasstundung im Sommer 1927 der Anwalt der
Verkäufer mit Strafklage und Opposition gegen den Nachlassvertrag drohte, trat
die Beklagte einen Teil ihrer Frauengutsforderung «für den Nachlassvertrag» an
jene ab, der jedoch nicht zustande kam. Nach Eröffnung des Konkurses über
ihren Ehemann stellte die Beklagte am 9. September 1927 folgende «Abtretung»
aus: «Die unterzeichnete Frau Naef ... zediert hiemit 7600 Fr. ihres
privilegierten Frauengutsanspruches im Konkurse des Johann Naef an Herrn A.
Marx... Diese Zession hat den Sinn, dass von dem privilegierten Frauenvermögen
in allererster Linie 7600 Fr. Herrn Marx zu überweisen sind.» Unterm Datum des
1. Oktober 1927 belastete die Agence Américaine den Kläger für ihre Forderung
aus ihrem Automobilverkauf an Naef, trat hingegen ihre Ansprüche «auf den
Genannten» an ihn ab. Für beide Forderungen wurden im Konkurse des Naef
Verlustscheine ausgestellt.
Da die Beklagte in der Folge der Konkursverwaltung die Auszahlung von 7600 Fr.
aus dem auf sie entfallenden Konkursergebnis an den Kläger verbot, wurde diese
Summe hinterlegt. Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger deren
Aushingabe.
B. - Das Obergericht des Kantons Thurgau hat am 11. November 1930 die Klage
zugesprochen.
C. - Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht
eingelegt mit dem Antrag auf Abweisung der Klage.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. - ...
2. - Die Beklagte zieht die Gültigkeit ihrer Abtretung in Frage, weil es an
der Zustimmung der Vormundschaftsbehörde fehle, welche von Art. 177 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 177 - Erfüllt ein Ehegatte seine Unterhaltspflicht gegenüber der Familie nicht, so kann das Gericht dessen Schuldner anweisen, ihre Zahlungen ganz oder teilweise dem andern Ehegatten zu leisten.
ZGB
erfordert wird «für die Verpflichtungen, die von der Ehefrau

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Dritten gegenüber zu gunsten des Ehemannes eingegangen werden». Hierauf konnte
die Vorinstanz gestützt auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtes erwidern,
dass die Forderungsabtretung, als Verfügung über die Forderung, dem Art. 177
Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 177 - Erfüllt ein Ehegatte seine Unterhaltspflicht gegenüber der Familie nicht, so kann das Gericht dessen Schuldner anweisen, ihre Zahlungen ganz oder teilweise dem andern Ehegatten zu leisten.
ZGB nicht zu subsumieren sei (vgl. BGE 51 II S. 30 Erw. 3 und 49 II S.
43 Erw. 4, wo die einschränkende Auslegung einlässlich, insbesondere auch
durch Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift, gerechtfertigt
wurde). Demgegenüber wendet die Beklagte nicht ganz zu Unrecht ein,
regelmässig werden Verfügungen nicht ohne ihnen zugrunde liegende
Verpflichtungen getroffen, welch letztere ihrerseits unter Art. 177 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 177 - Erfüllt ein Ehegatte seine Unterhaltspflicht gegenüber der Familie nicht, so kann das Gericht dessen Schuldner anweisen, ihre Zahlungen ganz oder teilweise dem andern Ehegatten zu leisten.
ZGB
fallen. Nichtsdestoweniger ist an jener Rechtsprechung festzuhalten, und zwar
unter dem Gesichtspunkte, dass nicht das gleiche Bedürfnis nach Schutz der
Ehefrau wie bei blosser Eingehung von Verpflichtungen dann besteht, wenn sie
die eingegangene Verpflichtung gleich auch durch Entäusserung (oder Belastung)
bestimmter Gegenstände ihres Vermögens erfüllt (vgl. BGE 49 II S. 45/6). Mag
es der Ehefrau bei der Forderungsabtretung auch nicht so eindringlich wie bei
der Hingabe von beweglichen Sachen (zu vollem oder beschränktem dinglichen
Rechte) zum Bewusstsein kommen, was sie damit aufgibt, so doch kaum weniger
als bei einem öffentlich zu beurkundenden Grundbuchgeschäft, das ja nicht ihr
persönliches Erscheinen vor dem Urkundsbeamten erheischt. So wird die Beklagte
nicht mit Fug behaupten wollen, sie habe sich bei der streitigen Abtretung
nicht durchaus darüber Rechenschaft gegeben, dass damit 7600 Fr. für sie
unrettbar verloren seien. Übrigens träfe die Kritik ihres Vertreters an der
bisherigen Rechtsprechung gerade im vorliegenden Falle nicht ohne weiteres zu,
wenn mit VON TUHR, Obligationenrecht S. 429 ff., insbes. Anm. 28, angenommen
werden wollte, ihre Abtretung an den Kläger stelle nicht eine Interzession
dar, wie sie durch Art. 177 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 177 - Erfüllt ein Ehegatte seine Unterhaltspflicht gegenüber der Familie nicht, so kann das Gericht dessen Schuldner anweisen, ihre Zahlungen ganz oder teilweise dem andern Ehegatten zu leisten.
ZGB an die Zustimmung der
Vormundschaftsbehörde

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gebunden ist, wenn sie seitens der Ehefrau zu gunsten des Ehemannes erfolgt,
vielmehr eine Intervention, nämlich die Erfüllung fremder Schuld, der keine
eigene Verpflichtung des Intervenierenden zu Grunde zu liegen braucht.
Indessen ist eine eigene Verpflichtung der Beklagten als Grundlage ihrer
Abtretung nicht etwa undenkbar, nämlich eine Schuldübernahme im entsprechenden
Teilbetrage, freilich nach den Umständen eine kumulative und nicht eine
privative, wie sie die Vorinstanz einzig ins Auge gefasst, aber mit Recht
abgelehnt hat. Würde diese Schuldmitübernahme aber auch an dem Mangel der
Zustimmung der Vormundschaftsbehörde leiden, so könnte hieraus nichts gegen
die an Zahlungsstatt oder zahlungshalber erfolgte Zession hergeleitet werden,
weil diese als abstraktes Zuwendungsgeschäft anerkannt werden muss (BGE 50 II
S. 393
; 55 II S. 308 /9) und nach den Umständen jedenfalls dem Kläger nicht
die stillschweigende Bedingung untergeschoben werden darf, ohne Gültigkeit der
Schuldmitübernahme solle auch die Zession selbst nicht gelten.
3. - Die streitige Zession kann aber auch nicht dem Art. 211 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 211 - Bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung sind die Vermögensgegenstände zu ihrem Verkehrswert einzusetzen.
ZGB
subsumiert werden, wonach die Abtretung des Vorrechtes, welches die
Frauengutsersatzforderung für die Hälfte (bezw. den Rest der Hälfte) geniesst,
sowie der Verzicht auf dasselbe zu gunsten einzelner Gläubiger ungültig sind.
Als diese Vorschrift zunächst im Vorentwurf nur in der Form aufgestellt wurde,
dass «eine Abtretung des Vorrechts nicht statthaft ist», konnte nicht die
Abtretung der Frauengutsersatzforderung selbst, auch nicht des privilegierten
Teiles derselben, verpönt werden wollen, weil die zum Lebensunterhalt der
Familie des Gemeinschuldners erforderlichen Mittel erfahrungsgemäss sehr oft
nur auf diesem Wege aufgebracht werden können, bis das Konkursergebnis
ausgeschüttet wird. Ausdrücklich bezeichnen denn auch die Erläuterungen zum
Vorentwurf, sechster Titel, erster Abschnitt E II nur «das Privileg» als «ein
persönliches

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Recht der Frau, das sie weder übertragen, noch zum voraus preisgeben kann».
Dass der von der Expertenkommission beschlossene Zusatz: «Verzicht zu gunsten
einzelner Gläubiger» auf einen andern Gedanken zurückzuführen wäre, lässt sich
deren Protokoll (I S. 228) nicht entnehmen. Danach soll also zwar nicht etwa
ein anderer Konkursgläubiger als die Ehefrau des Gemeinschuldners statt ihrer
für seine Forderung das Konkursvorrecht in der IV. Klasse beanspruchen dürfen,
noch sollen einzelne Konkursgläubiger eine höhere Konkursdividende als andere
auf Kosten der Ehefrau des Gemeinschuldners verlangen dürfen, wie sie sich
ergäbe, wenn die Frau im ganzen Umfang ihres eingebrachten Gutes nur eine
Konkursforderung in V. Klasse angemeldet hätte. Dafür aber, dass Art. 211 Abs.
2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 211 - Bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung sind die Vermögensgegenstände zu ihrem Verkehrswert einzusetzen.
ZGB über den Wortlaut hinaus auch die Verfügung über ihre
Frauengutsersatzforderung, mindestens in ihrem privilegierten Teil, habe
verhindern wollen, insbesondere zum Zwecke besserer Deckung einzelner
Konkursgläubiger, lässt sich kein Anhaltspunkt finden. Steht aber der
Abtretung der Forderung als solcher nichts entgegen, so muss sie auch das
Konkursvorrecht mitumfassen aus den in BGE 49 III S. 201 für Lohnforderungen
I. Klasse angeführten Gründen, die im wesentlichen auch für das
Frauengutsprivileg zutreffen. Auch in dieser Beziehung darf es keinen
Unterschied ausmachen, ob die Abtretung an irgend einen Dritten oder aber an
einen anderen Konkursgläubiger erfolgt; denn es können sehr wohl beachtliche
Gründe die Ehefrau des Gemeinschuldners veranlassen, einzelnen
Konkursgläubigern auf diese Weise zu besserer Deckung zu verhelfen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtes des Kantons
Thurgau vom 11. November 1930 bestätigt.