S. 450 / Nr. 71 Gerichtsstand (d)

BGE 56 I 450

71. Auszug aus dem Urteil vom 1. November 1930 i. S. Zürich gegen Luzern.


Seite: 450
Regeste:
Kompetenz zu den zur Sicherung des Erbgangs nötigen Massregeln. Begriff des
Aufenthaltsortes im Sinne des Art. 24 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
ZGB.

A. - Am 28. November 1929 starb im Kantonsspital in Zürich Rosa Hermine von
dem Bussche-Haddenhausen, geb. Karsten. Sie war seit dem 4. November dort,
nachdem sie vom Direktor der medizinischen Klinik der Universität Zürich schon
vorher ärztlich behandelt worden war. Frau von dem Bussche ist in Berlin
geboren und hat auch dort gewohnt. Am 4. April 1918 erhielt sie eine bis zum
1. April 1920 gültige Niederlassungsbewilligung für die Stadt Luzern und
meldete sich dann am

Seite: 451
13. Januar 1920 wieder ab. Vom 15. Januar 1920 bis zum 19. Mai 1926 hat sie
nach den Angaben der Gemeinderatskanzlei von Weggis für diese Gemeinde eine
Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung besessen; als Aufenthaltsort in
der Gemeinde war von ihr das Hotel Rigi-Kaltbad angegeben worden. Sie blieb
jedoch während dieser Zeit nicht stets dort, sondern erhielt Ende Juni 1920
die Bewilligung für einen dreiwöchentlichen Aufenthalt in Berlin. Vom 12. Juli
1921 bis zum 18. August 1921 hatte sie ein, wie es scheint, möbliertes Zimmer
bei Köstermann und nachher bei Fräulein Neumann in Berlin-Charlottenburg. Am
16. Januar 1922 erhielt Frau von dem Bussche vom luzernischen
Polizeidepartement ein Visum zur Aus- und Wiedereinreise bis zum 15. Oktober
1922, worauf sie sich nach Deutschland begab. Nach den Angaben des Direktors
des Hotels Schweizerhof in Luzern hat sie seit dem 1. April 1924 in diesem
Gasthof beständig ein «Möbelzimmer» zur Aufbewahrung ihrer Effekten gemietet
und sich auch häufig, mit Ausnahme der Sommermonate, dort aufgehalten. So
weilte sie danach in diesem Gasthof im Jahre 1926 vom 21. April bis zum 16.
Mai und vom 10. November bis zum 16. Dezember, im Jahre 1927 vom 21. März bis
zum 10. Mai, vom 20. bis 23. August und vom 10. September bis zum 3. Dezember,
im Jahre 1928 vom 11. März bis zum 14. Juni und im Jahre 1929 vom 28. Januar
bis zum 3. Juni, vom 17. bis zum 30. September und vom 12. bis zum 28.
Oktober. Vom 9. bis zum 31. August, vom 7. bis zum 12. Oktober und vom 29.
Oktober bis zum 3. November 1929 war Frau von dem Bussche, wie es scheint, im
Sanatorium St. Anna in Luzern. Als sie Ende Oktober 1929 das Hotel
Schweizerhof verliess und ihr dortiges Wohn- oder Schlafzimmer aufgab, liess
sie in einem Schrank dieses Zimmers gleichwohl Effekten zurück und nahm den
Schlüssel zu diesem Schrank mit sich. Dem Postmeister des Hotels Schweizerhof
hat sie nach seinen Angaben wiederholt, wenn sie abreiste, erklärt, dass sie

Seite: 452
ihr ständiges Domizil in diesem Gasthof beibehalte und sich nur vorübergehend
an andere Orte begebe.
Nach dem Tode der Frau von dem Bussche stritten sich die Behörden der Kantone
Zürich und Luzern über die Zuständigkeit zu den für die Sicherung des
Erbganges nötigen Massregeln. Die II. Kammer des Obergerichtes des Kantons
Zürich wies infolge eines Gesuches der Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich
am 14. Januar 1930 den Einzelrichter des Bezirkes Zürich für nichtstreitige
Rechtsachen an, die von Frau von dem Bussche errichteten letztwilligen
Verfügungen zu eröffnen, indem sie annahm, die Erblasserin habe in Zürich
ihren letzten Aufenthalt und damit ihren Wohnsitz nach Art. 24 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
ZGB
gehabt. Die Teilungsbehörde der Stadt Luzern war hingegen der Auffassung, dass
der letzte Wohnsitz hier gewesen sei, eröffnete deshalb die letztwilligen
Verfügungen und schritt zu den übrigen zur Sicherung des Erbganges nötigen
Massregeln. Eine von der Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich hierüber
erhobene Beschwerde wies der Regierungsrat des Kantons Luzern am 14. April
1930 ab, indem er sich auf den Standpunkt stellte, dass die Erblasserin in der
Zeit vom 4. April 1918 bis zum 13. Januar 1920 in Luzern ihren Wohnsitz im
Sinne des Art. 23 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 23 - 1 Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
1    Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
2    Niemand kann an mehreren Orten zugleich seinen Wohnsitz haben.
3    Die geschäftliche Niederlassung wird von dieser Bestimmung nicht betroffen.
ZGB gehabt, nachher nirgends mehr einen solchen neu
begründet habe und ihr letzter Aufenthaltsort im Sinne des Art. 24 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
ZGB
jedenfalls Luzern gewesen sei, weil sie zu diesem Ort engere Beziehungen
gehabt habe, als zu Zürich (BGE 53 I S. 281; 46 I S. 414).
B. - Am 5. Juni 1930 hat der Regierungsrat des Kantons Zürich beim
Bundesgericht gegen den Kanton Luzern eine staatsrechtliche Klage erhoben mit
dem Antrage, «es sei der Entscheid des Regierungsrates des Kantons Luzern vom
14. April 1930... aufzuheben und der Regierungsrat des Kantons Luzern
anzuweisen, die letztwilligen Verfügungen der Frau von dem Bussche an den
Einzelrichter für nichtstreitige Rechtssachen des

Seite: 453
Bezirkes Zürich zu überweisen, der Vormundschaftsbehörde Zürich sämtliche
Nachlassaktiven, Akten und Beweismaterial herauszugeben, und alle Handlungen
in der Nachlassangelegenheit einzustellen...».
Zur Begründung wird geltend gemacht: ... Bei Personen mit so unsteter
Lebensweise spreche schon die Vermutung gegen einen Wohnsitz im Sinne des Art.
23 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 23 - 1 Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
1    Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
2    Niemand kann an mehreren Orten zugleich seinen Wohnsitz haben.
3    Die geschäftliche Niederlassung wird von dieser Bestimmung nicht betroffen.
ZGB und für die Anwendbarkeit der Bestimmung des Art. 24 Abs. 2. Zur
Begründung dafür, dass Luzern der letzte Aufenthaltsort im Sinne dieser
Bestimmung gewesen sei, berufe sich der Regierungsrat von Luzern auf die
Praxis des Bundesgerichtes in Doppelbesteuerungssachen bei Personen ohne
Wohnsitz. Allein der Begriff des Steuerdomizils sei an und für sich ein
anderer als der zivilrechtliche und Erwägungen des öffentlichen Rechts könnten
nicht ohne weiteres auf das Privatrecht übertragen werden. Sinngemäss sei
unter Aufenthalt im zivilrechtlichen Sinne das tatsächliche momentane
Verweilen zu verstehen (HAFTER, Komm. zu Art. 24
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
ZGB Anm. 8 b). Die Fiktion
des Art. 24 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
ZGB habe nur dann einen Sinn, wenn sie wirklich auf den
augenblicklichen Aufenthaltsort angewendet werde. Dass in diesem Sinne Zürich
der letzte Aufenthaltsort der Erblasserin war, sei unbestritten. Was die
luzernischen Behörden für deren nähere Beziehungen zu Luzern angeführt hätten,
sei zudem immer mehr zusammengeschrumpft. Der Verkehr mit den Banken in Luzern
sei hiefür keineswegs schlüssig. Den Schlüssel zu einem Schrank ihres frühern
Wohnzimmers im Schweizerhof habe die Erblasserin wohl nur aus Vergesslichkeit
behalten. Während der Jahre 1926/29 habe sie sich vierzehn Monate, also nur
kurze Zeit, in Luzern aufgehalten. Der Vergleich mit ihrem relativ sehr lange
dauernden Aufenthalt in Weggis zeige, dass sie eigentlich nur wegen ihrer
Krankheit den Aufenthalt in Luzern mehr als gewöhnlich ausgedehnt habe.
C. - Der Regierungsrat des Kantons Luzern hat Abweisung der Klage beantragt.

Seite: 454
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. -
2.- Nach Art. 538
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 538 - 1 Die Eröffnung des Erbganges erfolgt für die Gesamtheit des Vermögens am letzten Wohnsitze des Erblassers.
1    Die Eröffnung des Erbganges erfolgt für die Gesamtheit des Vermögens am letzten Wohnsitze des Erblassers.
2    ...522
ZGB erfolgt die Eröffnung des Erbgangs für die Gesamtheit
des Vermögens am letzten Wohnsitz des Erblassers und nach Art. 551 hat die
zuständige Behörde dieses Ortes von Amtes wegen die zur Sicherung des Erbgangs
nötigen Massnahmen zu treffen. Wo Frau von dem Bussche ihren letzten Wohnsitz
im Sinne dieser Bestimmungen hatte, ist nach Art. 23
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 23 - 1 Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
1    Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
2    Niemand kann an mehreren Orten zugleich seinen Wohnsitz haben.
3    Die geschäftliche Niederlassung wird von dieser Bestimmung nicht betroffen.
-26
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 26 - Volljährige unter umfassender Beistandschaft haben ihren Wohnsitz am Sitz der Erwachsenenschutzbehörde.
ZGB zu beurteilen. Der
Regierungsrat von Luzern behauptet mit Recht, dass ihr Wohnsitz im Sinne des
Art. 23 Abs. 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 23 - 1 Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
1    Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
2    Niemand kann an mehreren Orten zugleich seinen Wohnsitz haben.
3    Die geschäftliche Niederlassung wird von dieser Bestimmung nicht betroffen.
ZGB vom 4. April 1918 bis zum 13. Januar 1920 in Luzern gewesen
sei.... Der Regierungsrat von Zürich hat aber auch nicht nachweisen können,
dass Frau von dem Bussche seit dem Jahre 1920 anderswo als im Kanton Luzern
einen Wohnsitz im Sinne des Art. 23
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 23 - 1 Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
1    Der Wohnsitz einer Person befindet sich an dem Orte, wo sie sich mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält; der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt begründet für sich allein keinen Wohnsitz.23
2    Niemand kann an mehreren Orten zugleich seinen Wohnsitz haben.
3    Die geschäftliche Niederlassung wird von dieser Bestimmung nicht betroffen.
ZGB begründet habe....
2.- Wenn man aber auch annimmt, es liege der Beweis für einen Wohnsitz in
Berlin in den Jahren 1920 ff. vor, so wäre doch beim Tode der Wohnsitz im
Sinne der Art. 23 ff. deshalb in Luzern gewesen, weil Frau von dem Bussche
damals dort ihren Aufenthaltsort im Sinne des Art. 24 Abs. 2 hatte. Allerdings
hielt sie sich zur Zeit des Todes in Zürich auf; allein unter dem
Aufenthaltsort einer Person im Sinne des Art. 24 Abs. 2 kann nicht jeder Ort
verstanden werden, wo sie sich in einem bestimmten Zeitpunkt gerade befindet.
Der französische und der italienische Text des Art. 24 Abs. 2, die vom «lieu
où elle réside», vom «luogo dove dimora» sprechen, zeigen, dass die Bestimmung
einen Aufenthalt von gewisser Dauer, der nähere Beziehungen zum Orte
begründet, im Auge hat. Ein ganz vorübergehender oder rein zufälliger
Aufenthalt an einem Orte gilt nicht als «résidence», sondern höchstens als
«séjour» (vgl. BGE 38 I S. 146 f.; 41 I S. 210). Danach ist es schon fraglich,
ob Zürich zur Zeit des Todes der Frau von dem Bussche ihr Aufenthaltsort

Seite: 455
im Sinne des Art. 24 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
ZGB war. Sodann führen Grund und Zweck dieser
Bestimmung jedenfalls zur Verneinung dieser Frage. Es kommt häufig vor, dass
eine Person sich von einem Ort an einen andern begibt, ohne damit ihre
Beziehungen zu jenem aufzugeben, insbesondere dann, wenn sie wieder an den
Ausgangsort zurückkehrt oder zurückkehren will. Handelt es sich in einem
solchen Fall um den Wechsel zwischen zwei Orten eines dauernden Aufenthaltes,
so wird in der Praxis regelmässig angenommen, dass damit nicht ein Wechsel des
Wohnsitzes eintrete, sondern dieser an demjenigen Ort bleibe, mit dem die
Person durch die stärkern Bande verknüpft ist (vgl. z. B. BGE 47 I S. 159 und
167). Das erklärt sich daraus, dass nach dem eidgenössischen Recht der
zivilrechtliche Wohnsitz vielfach für das interkantonale oder internationale
Privatrecht und den Gerichtstand oder die örtliche Abgrenzung der Kompetenz
der Behörden massgebend ist und deshalb ein Bedürfnis besteht, ihm soweit als
möglich Beständigkeit zu geben. Dieser Grand gilt ebenso für die Bestimmung
des Aufenthaltsortes, soweit er den zivilrechtlichen Wohnsitz in Beziehung auf
die Anwendung des Privatrechts und die örtliche Kompetenzabgrenzung nach
eidgenössischem Recht ersetzt. Wenn daher eine Person sich von einem
(vorübergehenden) Aufenthaltsort an einen andern begibt, ohne ihre Beziehungen
zu jenem völlig aufzugeben, so ist ebenfalls derjenige Ort als ihr
Aufenthaltsort im Sinne des Art. 24 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
ZGB anzusehen, mit dem sie durch
die stärkern Bande verknüpft ist (vgl. HAGER, Komm. z. ZGB 2. Aufl. Art. 24 N.
7; B1. f. zürch. Rechtsprechung 22 No. 156 S. 301). Das Bundesgericht hat den
für die interkantonale Abgrenzung der Steuerhoheit massgebenden Aufenthaltsort
im Interesse der Beständigkeit des Steuerdomizils auch auf diese Art und Weise
bestimmt (BGE 33 I S. 281; 46 I S. 413; Entscheid des Bundesgerichts i. S.
Neuchâtel c. Vaud vom 22. November 1929) und der Aufenthaltsort, der für die
interkantonale oder internationale Abgrenzung

Seite: 456
des Geltungsbereichs des Privatrechts und den Gerichtstand massgebend ist,
bedarf ebenso möglichster Stetigkeit. Dass es leichter ist, den Aufenthaltsort
einer Person zu bestimmen, wenn es einfach darauf ankommt, wo sie sich in
einem gewissen Zeitpunkt befindet, kann demgegenüber nicht ins Gewicht fallen,
ganz abgesehen davon, dass eine solche mechanische Bestimmung des
Aufenthaltsortes sich mit dem französischen und dem italienischen Text des
Art. 24 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
ZGB nicht verträgt und auch vielfach zu unnatürlichen
Ergebnissen führen würde. Wieso aus den Bemerkungen von Eugen Huber über die
Bestimmung des Art. 24 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 24 - 1 Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
1    Der einmal begründete Wohnsitz einer Person bleibt bestehen bis zum Erwerbe eines neuen Wohnsitzes.
2    Ist ein früher begründeter Wohnsitz nicht nachweisbar oder ist ein im Ausland begründeter Wohnsitz aufgegeben und in der Schweiz kein neuer begründet worden, so gilt der Aufenthaltsort als Wohnsitz.
ZGB bei der Gesetzesberatung (Sten. Bulletin
1905 S. 452/3), auf die sich der Regierungsrat von Zürich beruft, das
Gegenteil hervorgehen soll, ist nicht einzusehen.
Der Aufenthaltsort der Frau von dem Bussche im erwähnten Sinne war zur Zeit
ihres Todes Luzern. Sie gab dadurch, dass sie während der Zeit ihres
Spitalaufenthaltes in Zürich ihr Gepäckzimmer im Schweizerhof in Luzern
beibehalten und den Schlüssel zu einem Schrank in ihrem ehemaligen Wohnzimmer,
wo sich noch ihr gehörende Sachen befanden, mit sich genommen hatte, deutlich
zu erkennen, dass sie wieder, wie bisher, in den Schweizerhof nach Luzern
zurückkehren wollte. Da sie hier schon 5 Monate des Jahres 1929 zugebracht und
dem Postmeister des Hotels Schweizerhof wiederholt erklärt hatte, ihr
ständiges Domizil befinde sich hier, so ist anzunehmen, dass ihre Beziehungen
zu Luzern diejenigen zu Zürich überwogen. Demgemäss musste die Eröffnung des
Erbgangs im Kanton Luzern erfolgen und war die zuständige Behörde dieses
Kantons befugt, die zur Sicherung des Erbgangs nötigen Massregeln zu treffen.
Zugleich ergibt sich daraus, dass die Erhebung der Erbschaftssteuer vom
beweglichen Nachlass nur dem Kanton Luzern, nicht dem Kanton Zürich zusteht.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Klage wird abgewiesen.