S. 256 / Nr. 43 Eigentumsgarantie (d)

BGE 56 I 256

43. Urteil vom 27. Juni 1930 i. S. Thurgauische Vereinigung für Wahrung der
Interessen der Grundbesitzer am Bodensee, Untersee und Rhein gegen
Regierungsrat Thurgau


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Regeste:
Beschluss der kantonalen Administrativbehörde (Regierungsrat), wodurch den
Eigentümern von Ufergrundstücken an einem öffentlichen, dem Gemeingebrauch
offenstehenden Gewässer:
a) Einfriedungen irgendwelcher Art auf zeitweise überspültem Strandboden
untersagt werden, obwohl der Strandboden hinter der Linie, bis zu der bei
mittlerem Wasserstand der Wellenschlag reicht, nach kantonalem Recht als
Privateigentum zu den Ufergrundstücken gehört;
b) die Auflage gemacht wird, einen 1 m breiten Streifen von der Grenze des
natürlichen Ufers an landeinwärts für die Begehung durch die Polizeiorgane von
Einzäunungen frei zu lassen. Anfechtung wegen Verletzung der Eigentumsgarantie
und der Gewaltentrennung, weil eine gesetzliche Grundlage für den Eingriff
fehle. Abweisung inbezug auf das Verbot unter litt. a, Gutheissung inbezug auf
dasjenige unter litt. b.

A. ­ Am thurgauischen Ufer des Bodensees, Untersees und Rheins besteht zur
Zeit kein durchgehender, dem Publikum offener Uferweg. Uferwege sind nur auf
einzelnen mehr oder weniger langen Strecken, namentlich am Obersee, vorhanden.
Als Grenze zwischen dem öffentlichen Gewässer (See) und den Ufergrundstücken
(Reichsgrenze) wird (speziell am Obersee) die Linie angenommen, bis zu der bei
mittlerem Wasserstand der Wellenschlag reicht. Diese Grenze ist in neuester
Zeit vermarkt worden. Der Teil des Strandbodens bis zum natürlichen Ufer, der
bei höherem Wasserstand mehr oder weniger unter Wasser ist, gehört also den
Anstössern. Viele

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Ufergrundstücke sind seitlich bis zum natürlichen Ufer, einzelne waren auch
darüber hinaus bis zur Reichsgrenze eingezäunt.
Die eidg. Zollorgane hatten solche Einfriedungen geduldet, obgleich das eidg.
Zollgesetz vom 28. Juni 1893 die Erstellung von Gebäulichkeiten und
Einfriedungen mit weniger als zwei Meter Abstand von der Grenze verbot (Art.
52), wobei bei Seen und Flüssen, welche die politische Grenze bilden, das
schweizerische Ufer als Zollgrenze galt (VV zum ZollG von 1893, Art. 8). Das
Zollgesetz vom 1. Oktober 1925 bestimmt in Art. 27 Abs. 2 Satz 2:
«Wo schweizerisches Gebiet an ein Grenzgewässer stösst, ist für die Erstellung
von Einfriedungen, welche die Ausübung des Grenzwachtdienstes erheblich
erschweren, und von Gebäulichkeiten in einem Abstand von weniger als zwei
Meter vom Ufer eine Bewilligung des Bundesrates erforderlich.»
Die VV zum ZollG von 1925 schreibt in Art. 3 vor:
«Die Eigentümer von Grundstücken in der Nähe der Zollgrenze haben dafür zu
sorgen, dass eine richtige Ueberwachung des Grenzübertrittes durch die
Zollorgane durch keinerlei Einrichtungen auf ihrem Grundstück gehindert wird.
Eine Bewilligung des Bundesrates ist erforderlich für die in Art. 27 Abs. 2
SR 631.0 Zollgesetz vom 18. März 2005 (ZG)
ZG Art. 27 Zollrechtliche Bestimmung - Mit der zollrechtlichen Bestimmung legt die anmeldepflichtige Person fest, ob Waren:
a  in ein Zollverfahren übergeführt werden (Art. 47-61);
b  in ein Zollfreilager verbracht werden (Art. 62-67);
c  aus dem Zollgebiet wieder ausgeführt werden;
d  vernichtet oder zerstört werden;
e  zu Gunsten der Bundeskasse aufgegeben werden.
ZG
vorgesehenen Einrichtungen an der Zollgrenze, sowie zur Errichtung von
Brücken, Stegen, Fähren und ähnlichen Vorrichtungen zum Übersetzen von
Personen und Waren über Grenzgewässer, einschliesslich der solchen Zwecken
dienenden Einrichtungen bei Kraftwerken und Stauwehren an Grenzgewässern. Die
Erteilung einer Bewilligung kann an bestimmte Bedingungen geknüpft und, soweit
es sich um die Erstellung neuer Gewässerübergänge handelt, von der Leistung
eines einmaligen Beitrages an die Kosten der Überwachung des neuen Überganges
abhängig gemacht werden.
Eine Bewilligung der Oberzolldirektion ist erforderlich zur Anlegung neuer
Terrassen, Wege, Kanäle, Leitungen

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und dgl. in unmittelbarer Nähe der Zollgrenze, zur Vornahme von Änderungen an
solchen Einrichtungen, sowie zum Bau von Landungsstegen, Badeanlagen und dgl.
am Ufer von Grenzgewässern.
Gesuche zur Erlangung der in diesem Artikel vorgesehenen Bewilligungen sind
unter Beifügung der erforderlichen Pläne und Beschreibungen der zuständigen
Zollkreisdirektion einzureichen.»
Tatsächlich begnügen die Zollbehörden sich längs Obersee, Untersee und Rhein
damit, dass bei eingefriedeten und abgeschlossenen Ufergrundstücken Schlüssel
ausgehändigt werden, vermittelst welcher die Zollorgane das Grundstück
betreten können.
Das thurgauische Gesetz betreffend die Korrektion und den Unterhalt der
öffentlichen Gewässer vom 21. Mai 1895 (GG) stellt die öffentlichen Gewässer
unter die Aufsicht des Staates (§ 1). Bauten und Anlagen, welche auf die Höhe
des Wasserstandes, den Lauf der Gewässer oder die Sicherheit der Ufer und des
Bettes Einfluss haben oder die bestehenden Uferlinien verändern, dürfen nur
mit Bewilligung des Regierungsrates ausgeführt werden (§ 2) § 7 Abs. 1 des GG
bestimmt:
«Gemeingefährliche Unternehmungen, sowie Bauten, welche ganz oder teilweise
ins Hochwasserprofil fallen, sind nicht gestattet.»
Ferner sind folgende Bestimmungen des GG hervorzuheben:
§ 10: «Auf dem öffentlichen Seegebiet (Reichsboden) dürfen ohne Bewilligung
des Regierungsrates resp. des Finanzdepartementes weder Anschüttungen noch
Ausgrabungen oder Einfriedungen vorgenommen werden. Ebenso ist die Abfuhr von
Grien, Steinen etc. ab demselben ohne Bewilligung obgenannter Behörde
untersagt.
§ 11: «Die Profile für das Hochwasser sind stets offen zu halten. An den Ufern
von Flüssen und Bächen ist das Pflanzen von Bäumen und Sträuchern, welche den
Wasserabfluss hemmen, untersagt. Auf den Wuhrungen und

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den Vorländern von Doppelprofilen sollen die Ausschläge innerhalb der
Hochwasserprofile alle Jahre entfernt werden.»
§ 34: -«Die Uferbesitzer sind pflichtig, die zur Beaufsichtigung, zur Anlage
oder zum Unterhalte der Korrektions- oder Uferbauten erforderliche Betretung
oder Befahrung ihrer Grundstücke, sowie die notwendige Ablagerung von
Materialien zu gestatten.
Schädigungen an diesen Grundstücken sind insofern zu vergüten, als die Bauten
nicht allein zum Schutze derselben ausgeführt worden sind.»
Seit einiger Zeit machten sich im Kanton Thurgau Bestrebungen geltend zu
Gunsten eines möglichst durchgehenden der Öffentlichkeit zugänglichen
Uferweges längs der beiden Seen und des Rheins. In einem im Auffrage des
Regierungsrates im Jahre 1928 über die in Betracht kommenden
Rechtsverhältnisse erstatteten Gutachten kam Ständerat Böhi dazu, einen
solchen Uferweg als rechtlich bestehend anzunehmen. Die juristischen
Grundlagen wurden dabei gefunden einerseits im Rechte des Gemeingebrauches der
öffentlichen Gewässer, woraus ein soloher auch am Ufer abgeleitet wurde, und
in den auf den Ufergrundstücken haftenden öffentlichrechtlichen
Eigentumsbeschränkungen zoll-, fischerei- und allgemein gewässerpolizeilicher
Natur.
Jenen Bestrebungen gegenüber bildete sich eine «Thurgauische Vereinigung für
Wahrung der Interessen der Grundbesitzer am Bodensee, Untersee und Rhein», die
heutige Rekurrentin, als idealer Verein im Sinne von Art. 60 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 60 - 1 Vereine, die sich einer politischen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen, wohltätigen, geselligen oder andern nicht wirtschaftlichen Aufgabe widmen, erlangen die Persönlichkeit, sobald der Wille, als Körperschaft zu bestehen, aus den Statuten ersichtlich ist.
1    Vereine, die sich einer politischen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen, wohltätigen, geselligen oder andern nicht wirtschaftlichen Aufgabe widmen, erlangen die Persönlichkeit, sobald der Wille, als Körperschaft zu bestehen, aus den Statuten ersichtlich ist.
2    Die Statuten müssen in schriftlicher Form errichtet sein und über den Zweck des Vereins, seine Mittel und seine Organisation Aufschluss geben.
. ZGB. Nach § 2
der Statuten ist Zweck des Vereins: «Zusammenschluss der Mitglieder zur
gemeinsamen Wahrung der Interessen inbezug auf ungeschmälerte Ausübung des
Grundeigentums, gemeinsame Massnahmen gegen die geplante Schaffung eines
Uferweges, Einlegung geeigneter Rechtsmittel gegen Verfügungen, welche die
Rechte der Grundbesitzer bedrohen.» Die Vereinigung liess sich über die Frage
des Gemeingebrauches

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an Ufergrundstücken durch Professor Fleiner in Zürich ein Rechtsgutachten (d.
d. 28. Februar 1929) erstatten, das zu folgenden Schlüssen kam:
«1. Ein allgemeines Uferbegehungsrecht lässt sich auch im Kanton Thurgau auf
keinen historischen Rechtstitel stützen.
2. Ein solches Recht ist weder im Gemeingebrauch an den öffentlichen Gewässern
enthalten, noch ist es juristisch möglich, durch eine Erweiterung des
Begriffes des Gemeingebrauches einen derartigen Eingriff in das Privateigentum
zu rechtfertigen.
3. Der kantonale Gesetzgeber, wie die kantonale Praxis vermögen das
beanspruchte Recht auch nicht durch eine vom Gesetze einzuführende
öffentlichrechtliche Beschränkung des Grundeigentums abzuleiten.»
Nach Kenntnisnahme des «Uferweggutachtens» Böhi hatte der Regierungsrat des
Kantons Thurgau am 22. August 1928 beschlossen: «Die Behandlung vorliegender
oder noch eingehender Gesuche um Bewilligung zur Einzäunung von Grundstücken
bis an den angrenzenden See zu sistieren, bis alle in dem Gutachten
behandelten Rechtsfragen eingehend geprüft sind und die aus ihrer Beurteilung
sich ergebenden Beschlüsse die Erledigung der Gesuche zulassen. Es sollen an
dem gegenwärtigen Zustande an den Ufern keine Veränderungen vorgenommen werden
dürfen, welche der rechtlichen Entscheidung über ihre Zulässigkeit zuvorkommen
würden.» Im April 1929 gab der Regierungsrat im Grossen Rate die Erklärung ab,
dass nach seiner Auffassung ein allgemeines Uferbegehungsrecht im Sinne des
Gutachtens Böhi in der geltenden Gesetzgebung keine Stütze finde. Am 10. Juli
1929 befahl er mehreren Uferanstössern unter Androhung der Überweisung an den
Strafrichter wegen Ungehorsams (StG § 260) Einzäunungen im See und vom
Uferstreifen, welcher der Uferbegehung dient, zu entfernen. Er stützte sich
dabei auf § 7 des GG, der gemeingefährliche Unternehmungen verbietet, und auf
§ 34 desselben Gesetzes, woraus

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der Regierungsrat ein Uferbegehungsrecht der staatlichen Polizeiorgane
herleitet, das nicht durch Zäune beeinträchtigt werden dürfe.
In der Folge fanden Verhandlungen zwischen der Rekurrentin und dem
Regierungsrat statt, wobei die Vereinigung vergleichsweise folgende Regelung
vorschlug: «Einzäunungen sind bis an den Uferrand zu gestatten. In den
Einzäunungen werden überall Türchen angebracht, zu denen die staatlichen
Organe Passe-partout-Schlüssel erhalten. Einzäunungen auf Strandboden und
solche mit Stacheldraht sind zu beseitigen; Ausnahmen (Abschluss auf
Strandboden) sind dort zuzulassen, wo das Privateigentum an öffentliche
Strassen, Plätze und Bäder grenzt.» Der Regierungsrat nahm aber den Vorschlag
nicht an, sondern erliess am 5. November 1929 den nachstehenden Beschluss:
«1. Alle Einzäunungen an den Ufern des Bodensees, Untersees und Rheins werden
vom Regierungsrat darauf geprüft, ob sie den §§ 7 und 34 des
Korrektionsgesetzes nicht zuwiderlaufen. Untersagt sind:
a) Einfriedungen irgendwelcher Art auf Strandboden, der zeitweise unter Wasser
zu liegen kommt;
b) Einzäunungen, die nicht einen der Uferbegehung dienenden, 1 m breiten
Streifen den Ufern entlang frei lassen. Ausnahmen, bei denen vom Regierungsrat
eine unverschliessbare Türe mit Stossriegel oder ein Drehkreuz zum Abschluss
dieses Uferstreifens bewilligt werden können, sind nach Massgabe der
Erörterungen in den Motiven möglich; ausgeschlossen ist auf alle Fälle ein
Abschluss, der die Uferbegehung überhaupt verunmöglicht oder nur mit Schlüssel
möglich macht.
2. Das Strassen- und Baudepartement wird in den nächsten Monaten mit Hilfe der
Bezirksämter und der Gemeinden die bestehenden Verhältnisse feststellen und
von Fall zu Fall dem Regierungsrat über die Neuregelung Antrag stellen. Die
Bezirksämter erhalten Auftrag, Neuanlagen untersagter Einfriedungen zu
verhindern und die

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Fälle dem Strassen- und Baudepartement zuhanden des Regierungsrates zu
melden.»
In den Motiven wird zu dem Vorbehalt in Ziff. 1 litt. b ausgeführt: «Um den
Uferanstössern entgegenzukommen, wird jedoch der Regierungsrat auf gestelltes
Gesuch hin dort einen Abschluss in Form einer unverschliessbaren Türe mit
Stossriegel, die sich jederzeit ohne Schlüssel öffnen lässt, oder durch ein
Drehkreuz gestatten, wo ein privates Grundstück an eine öffentliche Anlage,
Strandbad oder dergleichen anstösst, sofern die Notwendigkeit eines derartigen
Abschlusses nachgewiesen wird. Unter allen Umständen kann aber ein völliger
Abschluss mit einer nur mit Schlüssel zu öffnenden Türe oder überhaupt ohne
Durchgangsmöglichkeit dem Ufer entlang nicht gestattet werden.»
Vor dem Erscheinen des Gutachtens Böhi hatte der Regierungsrat nie verfügt,
dass Einzäunungen auf privatem Strandboden zu entfernen seien, noch dass ein
Uferweg für die kantonalen Polizeiorgane von Einzäunungen freizuhalten sei. Im
Jahre 1925 wurde dem Dr. Bänziger in Romanshorn die Erstellung einer Mauer und
eines Wohnhauses direkt am See bewilligt. In dem Entscheid des Regierungsrates
vom 25. Februar 1924 über das Baugesuch heisst es, dass die Baute für
Fischerei und Schiffahrt kein Hindernis bedeute, und dass für das Offenhalten
eines Uferweges direkt am See kein gesetzesliches Recht und auch keine
unbedingte Notwendigkeit vorhanden sei, weil südlich des Hauses, in etwa 60 m
Entfernung vom Ufer der ganzen Liegenschaft entlang ein sog. Seeweg führe.
B. ­ Gegen den Beschluss des Regierungsrates vom 5. November 1929 hat die
Thurgauische Vereinigung für Wahrung der Interessen der Grundbesitzer am
Bodensee, Untersee und Rhein den staatsrechtlichen Rekurs ergriffen mit dem
Antrag auf Aufhebung. Es wird geltend gemacht, dass es an einer gesetzlichen
Grundlage für den angeordneten Eingriff ins Privateigentum fehle und der

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angefochtene Beschluss demnach gegen die Eigentumsgarantie (KV § 11) und den
Grundsatz der Gewaltentrennung verstosse. Auch die Rechtsgleichheit sei
verletzt insofern als nach dem Entscheid selbst eine ungleichmässige
Durchführung der neuen Regel in Aussicht genommen sei und vielen Eigentümern
gegenüber ­ Fabriken, Krankenhäusern, usw. ­ die Verfügung überhaupt
undurchführbar sein dürfte.
C. ­ Der Regierungsrat hat die Abweisung des Rekurses beantragt und zur
Begründung ausgeführt: Der frühere Beschluss vom 22. August 1928 ­
Aufforderung zur Belassung des gegenwärtigen Zustandes ­ habe eine fieberhafte
Bau- und Absperrtätigkeit an den Seeufern ausgelöst. Allein im Sommer 1929
seien 40 Grundstücke am Ufer eingehagt worden. Tatsächlich seien Schädigungen
an Privateigentum durch rücksichtsloses Badepublikum verursacht worden.
Immerhin sei von Strafklagen und davon, dass man sich an die Polizei gewendet
hätte, bisher nichts bekannt geworden. Freilich würden die Polizeiorgane in
Zukunft mehr zum Rechten sehen müssen. Die Uferanstösser könnten sich aber am
besten selber dadurch schützen, dass sie seewärts, unter Offenlassung des
Uferstreifens, einen Hag erstellen. Während 30 Jahren, unter dem Zollgesetze
von 1893, seien von Bundesrechtswegen Einfriedungen auf einem 2 m breiten
Uferstreifen verboten gewesen, wenn schon das Verbot nicht strikte gehandhabt
worden sei. Man könne daher nicht sagen, dass der angefochtene Entscheid einen
für den Kanton völlig neuen Rechtszustand schaffe.
Soweit das angefochtene Verbot Einzäunungen auf Strandboden betreffe, sei zu
sagen, dass sich der Gemeingebrauch am Gewässer soweit erstrecke, als das
Wasser jeweilen reiche. Dasselbe gelte von der Ausübung der Fischerei.
Einzäunungen, die zeitweilig im Wasser stehen, seien für Badende und für die
Kleinschiffahrt gefährlich. Sie seien aber auch unzulässig nach § 11 GG, der
bestimme, dass die Profile für das Hochwasser stets

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Offen zu halten seien. Diese Bestimmung, die zunächst Flüsse im Auge habe,
habe einen guten Zweck auch für die Seen mit Rücksicht auf die Freiheit der
Schiffahrt. Man könne zudem ohne Willkür unter Bauten im Sinne von § 7, die
ganz oder zum Teil ins Hochwasserprofil fallen, auch Einzäunungen verstehen.
In neuerer Zeit hätten die Bauten und Anlagen auf Strandboden ausserordentlich
zugenommen; auch sei es nicht selten, dass die Eigentümer versuchten, ohne
Bewilligung zu bauen oder von den genehmigten Plänen abzuweichen. Deshalb sei
eine vermehrte Kontrolltätigkeit im Sinne von § 34 GG und damit eine
intensivere Uferbegehung seitens der kantonalen Polizeiorgane notwendig
geworden. Der kantonale Bauinspektor habe letztes Jahr gewisse Uferstrecken
mindestens alle 14 Tage begehen müssen. Auch § 10 GG rufe einer
Uferbeaufsichtigung. Desgleichen erfordere die Fischereiaufsicht gemäss
Bundesrecht und verschiedenen internationalen Abkommen die Betretung der Ufer
durch die staatlichen Organe bei Tag und bei Nacht auf einem offenem Uferweg,
wobei es sich insbesondere auch darum handle, die grundsätzlich verbotene
Nachtfischerei zu verhindern. Ferner sei die Ableitung von Abwässern in die
Seen. oder in den Rhein aus Fabriken usw. zu kontrollieren. Zur Zeit sollten
die vorhandenen Ableitungen ermittelt und in den Uferplan eingetragen werden.
Später würden periodische Uferbegehungen nötig sein. Hand in Hand damit werde
künftig eine Kontrolle gehen müssen, die das Einschütten von Giftstoffen in
das Gewässer verhindere (Verordnung des Regierungsrates über den Verkehr mit
arsenhaltigen Pflanzenschutzmitteln vom 8. Mai 1926, darin u. a. das Verbot
des Ausschüttens ungebrauchter Giftmittelreste in Wasserläufe jeder Art). Die
Verweisung der Polizeiorgane auf die gewöhnlichen Eingänge der umzäunten
Liegenschaften würde ausserordentliche Umwege für ihre Kontrollgänge bedeuten
(s. schematische Darstellung act. 16) und daher enorme Zeitverluste. Es müsse
daher für

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diese Kontrolltätigkeit notwendigerweise ein Uferstreifen frei bleiben. Die
Anbringung von verschliessbaren Türen und die Verabreichung von Schlüsseln an
die Polizeiorgane wäre eine Halbheit, die nicht befriedigen könne. «Schlüssel
können verloren gehen oder mitzunehmen vergessen werden. Ihr Gebrauch kann zum
Verräter werden, wenn im Dunkel der Nacht das Schloss mit Licht, und wäre es
auch nur mit dem Licht einer Taschenlampe, gesucht werden muss. Das Öffnen und
Wiederschliessen von Türen kann warnendes Geräusch verursachen. Aus Mutwillen
oder Bosheit können Schlüssellöcher verstopft und es kann dadurch das Öffnen
der Türen verhindert oder mindestens verzögert werden. Alle diese und noch
andere Möglichkeiten, deren Gewicht man ungleich einschätzen mag, fallen bei
einem offenen Uferwege von vorneherein weg.» Man könne daher auch nicht von
einem unverhältmässigen Eingriff sprechen. Und ebenso sei es aktenwidrig, dass
der Regierungsrat durch die streitige Auflage einem öffentlichen Uferweg die
Bahn brechen wolle, da er ja anerkannt habe, dass für einen solchen die
rechtliche Grundlage fehle.
Bei der Durchführung seines Beschlusses beabsichtige der Regierungsrat
allerdings nicht, jahrelang unangefochten gebliebene Verhältnisse leichthin zu
stören. Der Beschluss werde namentlich da zur Anwendung kommen, wo der
unzulässige Zustand nicht in guten Treuen, d. h. nach der Bekanntmachung vom
22. August 1928, geschaffen worden sei. Wo die Grenze zu ziehen sei, werde
sich bei der Ausführung im einzelnen zeigen. Der Beschluss selber verstosse
daher nicht gegen die Rechtsgleichheit. Beschwerden wegen Verletzung derselben
seien eventuell gegen Ausführungsmassnahmen zu richten. Auch von einem
Verstosse gegen den Grundsatz der Gewaltentrennung könne nicht die Rede sein.
Allerdings habe im Kanton Thurgau weder der Regierungsrat noch der Grosse Rat
das Recht der authentischen Interpretation der Gesetze. Hier handle es sich
aber auch nicht um eine solche, sondern nur um

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die Auslegung und Anwendung gesetzlicher Bestimmungen.
D. und E. ­ (Replik und Duplik.)
F. ­ Dem Begehren beider Parteien entsprechend hat die -
Instruktionskommission eine Uferbesichtigung von Horn bis Diessenhofen
vorgenommen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. ­ Der angefochtene Beschluss des Regierungsrates, der Einfriedungen
irgendwelcher Art auf zeitweise überspültem Strandboden und ferner solche
Einfriedungen auf dem Ufer verbietet, die nicht einen der polizeilichen
Uferbegehung dienenden 1 m breiten Streifen dem Ufer entlang freilassen,
richtet sich nicht an einzelne Grundeigentümer, sondern an die Eigentümer der
Ufergrundstücke am Bodensee, Untersee und Rhein überhaupt. Er hat also den
Charakter, nicht einer Verfügung, sondern eines allgemein verbindlichen
Erlasses und bildet eine Art Vollziehungsverordnung zum GG. Zur Beschwerde
über diesen Erlass ist die rekurrierende Vereinigung unbestrittenermassen und
zweifellos legitimiert, da sie einerseits das Recht der Persönlichkeit hat
(ZGB Art. 60), anderseits sich aus beteiligten Grundeigentümern zusammensetzt
und gerade den Zweck verfolgt, die durch die Uferweg- und ähnlichen
Bestrebungen gefährdeten Interessen ihrer Mitglieder zu wahren.
2. ­ Der Strandboden steht nach thurgauischem Recht bis zu einer gewissen
Linie im Privateigentum der Seeanstösser. Auf diesem Teile ihres Grand und
Bodens wird ihnen durch den Beschluss des Regierungsrates verboten,
Einfriedungen irgendwelcher Art zu erstellen. Beim Augenschein sind der
Instruktionskommission keine Einfriedungen dieser Natur vorgewiesen worden,
die von Eigentümern ohne behördliche Bewilligung erstellt worden wären; soweit
sie vorhanden waren, scheinen sie wieder entfernt worden zu sein, wohl in der
Erkenntnis, dass es sich um nicht ganz einwandfreie Anlagen handelt. Die
Rekurrentin macht zwar auch

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diesen Teil des Beschlusses zum Gegenstand der Anfechtung; doch liegt das
Hauptgewicht des Rekurses nicht hier, sondern in der Beschwerde betreffend die
Offenlassung eines Uferstreifens.
Die Eigentumsgarantie gewährleistet das Eigentum nur in dem Umfange und mit
dem Inhalt, den es nach der bestehenden allgemeinen Rechtsordnung hat. Sie
kann nicht verletzt sein dadurch, dass dem Eigentümer etwas verboten wird,
wozu er nach dieser Rechtsordnung ohnehin nicht berechtigt ist. Dies ist aber
der Fall, was die Einfriedungen auf Strandboden anbetrifft. Der private
Strandboden, der je nach dem Wasserstand vom See bedeckt ist ­ beim
Augenschein war die Reichsgrenze am Obersee bis 30 und mehr Meter im See
draussen ­ befindet sich in einer rechtlich eigentümlichen, vom übrigen
privaten Grund und Boden wesentlich verschiedenen Lage. Wenn und soweit
nämlich der See den privaten Strandboden bedeckt, erstreckt sich das
öffentliche Gewässer über diesen Boden und die Wasserfläche über demselben
steht dann als Teil des öffentlichen Gewässers dem Gemeingebrauch offen; der
Kleinschiffahrt, dem Baden, dem Fischen ­ das Fischen mit der Angel ist frei ­
(womit natürlich nicht gesagt ist, dass das Publikum, um an solche Stellen zu
gelangen, über Privateigentum gehen dürfe; aber der Zutritt wird vielfach vom
See her möglich sein). Dass auch die Wasserfläche über dem privaten
Strandboden dem Gemeingebrauch unterliegt, wird im Rekurse selber nicht
ernstlich bestritten; es wird dort nur gesagt, es sei sehr fraglich, ob dem so
sei, und auch das Gutachten II Fleiner äussert in dieser Beziehung nur ein
Bedenken, das dann nicht weiter erörtert wird. In der Tat kann hierüber kein
Zweifel bestehen. Um den Gemeingebrauch auf dem fraglichen Gebiet
auszuschliessen, müsste man annehmen, dass der See zwischen Reichsgrenze und
Ufer den Charakter eines privaten Gewässers habe. Ein solcher Gedanke, nach
dem der See, der doch ein einheitliches Gewässer ist, bei

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höherem Wasserstand rechtlich auseinanderfallen würde in ein öffentliches und
zahlreiche private Gewässer (mit schwer feststellbarer Grenzlinie), verbietet
sich aber von selber und ohne weiteres. Er stünde auch im Widerspruch mit § 1
GG, demzufolge der Bodensee (Ober- und Untersee), und zwar zweifellos ohne
Beschränkung nach dem jeweiligen Wasserstand, öffentliches Gewässer ist.
Sobald aber der See über dem privaten Strandboden öffentliches Gewässer ist,
lässt sich die Folgerung nicht ablehnen, dass auch hier der Gemeingebrauch
daran besteht.
Wenn und soweit der öffentliche See privaten Strandboden überspült, sind somit
die Befugnisse des Eigentümers sehr abgeschwächt. Ihm gehört zwar der
Seegrund; aber dieser ist bedeckt von dem öffentlichen Gewässer, das hier, wie
sonstwo, der Allgemeinheit offen steht, und woran der Eigentümer des
Ufergrundstückes, zu dem der Strandboden gehört, keine Vorrechte vor andern
Benützern besitzt. Er hat zwar tatsächlich als Anstösser eine grössere
Leichtigkeit, den Gemeingebrauch auszuüben, aber eine rechtliche
Vorzugsstellung oder gar Abwehrrechte andern gegenüber stehen ihm in dieser
Hinsicht nicht zu. Es muss dabei auch ohne weiteres einleuchten, dass der
Eigentümer nichts im See unternehmen darf, was geeignet ist, den
Gemeingebrauch zu hindern oder zu stören oder die Gemeingebraucher zu
gefährden. Denn damit würde er die Befugnisse überschreiten, die ihm als
blossem Eigentümer des Seegrundes zustehen; er würde der Rechtsnatur und der
Zweckbestimmung des öffentlichen Gewässers zuwiderhandeln. Zu unzulässigen
Veranstaltungen jener Art gehören aber gerade auch die Häge auf dem
Strandboden, die zeitweise ganz oder zum Teil unter Wasser liegen; denn sie
bilden dann ein Hindernis und eine Gefahr für den Gemeingebrauch; sie bieten
den Badenden und der Kleinschifffahrt Halt; an ihnen können sich die Badenden
verletzen und die Schiffe beschädigen.
Wird so mit dem Verbot dieser Häge den Uferanstössern

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eine Befugnis abgesprochen, die sie als Eigentümer des Strandbodens von
vorneherein nicht haben, und fliesst somit das Verbot schon aus der inbezug
auf den Strandboden bestehenden Rechtslage, so hatte der Regierungsrat, um es
auf dem Boden der Eigentumsgarantie zu rechtfertigen, gar nicht nötig, noch
auf eine besondere und ausdrückliche Bestimmung des GG abzustellen. Immerhin
steht ihm doch auch zum mindesten § 7 Abs. 1 dieses Gesetzes zur Seite, wonach
gemeingefährliche Unternehmungen, die ganz oder teilweise ins Hochwasserprofil
fallen, nicht gestattet sind. Wenn auch nach dem Zusammenhange das Gesetz
dabei in erster Linie an Wasserkraftanlagen zu denken scheint, so lautet doch
die Bestimmung allgemein. Und die Systematik des Gesetzes ist nicht derart
klar und strenge durchgeführt, dass es nicht möglich und zulässig wäre, ihr
auch eine allgemeine Bedeutung beizulegen. Nach dem Gesagten können aber die
in Frage stehenden Einfriedungen im Hinblick auf den Gemeingebrauch am See
sehr wohl als gefährlich bezeichnet werden. Ob der Regierungsrat sich auch auf
den § 11 GG ­ «die Profile für das Hochwasser sind stets offen zu halten» ­
berufen könnte, mag dahingestellt bleiben. § 10 kann hier freilich nicht
angerufen werden, der Einfriedungen und andere Veranstaltungen «auf dem
öffentlichen Seegebiet (Reichsboden)» ohne Bewilligung des Regierungsrates
verbietet, da man es ja. bei den verbotenen Hägen mit Anlagen auf privatem
Strandboden zu tun hat. Man darf aber aus dieser Vorschrift auch nicht den
Schluss ziehen, dass Einfriedungen auf dem privaten Strandboden trotz des
Gemeingebrauchs an öffentlichen Gewässern zulässig seien. Der Nachdruck liegt
bei § 10 nicht in dem selbstverständlichen Verbot von eigenmächtigen
Betätigungen, die über den Gemeingebrauch an Gewässern hinausgehen, sondern
darin, dass der Regierungsrat solche Betätigungen bewilligen kann. Man braucht
hieraus keineswegs zu folgern, dass der Eigentümer von privatem Strandboden
darauf Anlagen errichten dürfe, die sich bei

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der regelmässigen Überflutung dieses Strandbodens mit dem freien
Gemeingebrauch am See nicht vertragen. Dagegen ist unbedenklich anzunehmen,
dass Anlagen der letztern Art vom Regierungsrat bewilligt werden können, wenn
sie ungefährlich sind und dafür ein Bedürfnis besteht, wie denn ja beim
Augenschein solche bewilligte Einrichtungen gezeigt worden sind; Molos und
auch einzelne hohe Häge, die auf privatem Strandboden in den See
hineinreichen.
3. ­ Ist nach dem Gesagten der Beschluss des Regierungsrates, soweit er
Einfriedungen auf dem Strandboden betrifft, auf dem Boden der
Eigentumsgarantie sachlich nicht zu beanstanden, so kann, was diesen Punkt
anlangt, im Beschluss auch keine Verletzung des Grundsatzes der
Gewaltentrennung gefunden werden. Der Regierungsrat hat in dieser Beziehung
nicht etwa einen neuen Rechtssatz aufgestellt und damit in die Rechte der
Legislative eingegriffen, sondern er hat im Wege eines allgemeinen Erlasses
etwas verboten, was er in Form von Einzelverfügungen jedem Uferanstösser hätte
verbieten können, Dass nach thurgauischem Staatsrecht der Regierungsrat als
die mit der Vollziehung der Gesetze betraute Behörde (KV Art. 37) ein
Verordnungsrecht nicht wenigstens in diesem Umfange habe, wird nicht geltend
gemacht.
4. ­ Im zweiten Teile macht der Beschluss des Regierungsrates den
Uferanstössern die Auflage, bei Einzäunungen einen 1 m breiten Uferstreifen
offen zu lassen, wobei sich die Behörde vorbehält, eine nicht verschliessbare
Türe (mit Stossriegel, Drehkreuz) da zu bewilligen, wo das Grundstück an eine
öffentliche Anlage, Strandbad oder dgl. anstösst. Der in dieser Weise
geöffnete Uferstreifen von 1 m soll indessen nicht der allgemeinen Begehung
zugänglich sein, also keinen öffentlichen Uferweg bilden, sondern nur von den
Polizeiorganen in Ausübung ihrer Aufsichts- und Kontrollfunktionen benutzt
werden dürfen. Auf dem natürlichen Ufer oberhalb des Strandbodens soll so ein
nicht öffentlicher, polizeilicher

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Pfad auch über private Grundstücke erhalten oder hergestellt werden. Also eine
Art öffentlichrechtliche Wegdienstbarkeit zu polizeilichen Zwecken, die viel
Ähnlichkeit hat mit dem Leinpfad oder Reckweg, der als solcher auch kein
öffentlicher Weg ist, sondern nur einem beschränktem Zwecke dient (ZGB Art.
702; O. MAYER, Verwaltungsrecht 3. Aufl. II 112).
In diesem Punkte bedeutet der Beschluss eine nicht unerhebliche Beschränkung
der Grundeigentümerbefugnisse, so wie sie nach allgemeiner Rechtsordnung
bestehen. Nach dieser ist der Grundeigentümer berechtigt, sein Grundstück
einzuhagen, um Unberechtigte fernzuhalten. Nunmehr soll er die Uferlinie von
Umzäunung freilassen. Anders als bei den Einfriedungen auf Strandboden, wird
somit dem Eigentümer etwas verboten, wozu er an sich, nach der allgemeinen
Rechtsordnung, befugt wäre. Der Regierungsrat stützt sich denn auch für das
Verbot nicht etwa auf den Gemeingebrauch am Gewässer. Er hat die Theorie des
Gutachtens Böhi, nach der aus diesem Gemeingebrauch ein solcher auch am Ufer
folgen würde, nicht zu der seinen gemacht, wie denn ja aus dieser Theorie sich
nicht ein beschränkt polizeilicher, sondern nur ein allgemein öffentlicher
Uferweg ableiten liesse. Was der Regierungsrat beansprucht, geht auch durchaus
hinaus über das allgemeine Recht der Polizei und der Behörden überhaupt,
private Grundstücke zu dienstlichen Zwecken zu betreten. Im Rekurse wird den
polizeilichen Organen die Befugnis nicht bestritten, sich auf die
Ufergrundstücke zu begeben, soweit ihre amtlichen Funktionen dies erheischen.
Man wird in der Tat davon ausgehen dürfen, dass das Grundeigentum schon nach
der Natur der Sache und ohne dass es gesetzlich verordnet sein muss, allgemein
die (öffentlichrechtliche) Beschränkung in sich trägt, dass es von Behörden
betreten werden darf, wenn dies zur Vornahme amtlicher Handlungen nötig ist
(FLEINER, Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 332/3; O. MAYER, Verwaltungsrecht II, 3.
Aufl. 126). Einzelne Gesetze statuieren freilich

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noch ausdrücklich ein solches behördliches Betretungsrecht (ausser dem thurg.
GG § 34, z. B. eidg. Wasserrechtsgesetz Art. 30, Fabrikgesetz Art 87). Aber
aus solchen Bestimmungen, die wohl der Renitenz von vorneherein vorbeugen
wollen, darf man nicht schliessen, dass das Recht im übrigen nicht bestehe.
Allein dieses Recht der Behörde besteht doch allgemein nur darin, dass den
zuständigen Beamten nicht verwehrt werden darf, zur Erfüllung ihrer
dienstlichen Aufgabe das Grundstück durch die gewöhnlichen Zugänge zu betreten
und sich dort aufzuhalten. Nur in ausserordentlichen und in Notfällen wird der
Beamte sich auch in anderer Weise Zutritt verschaffen dürfen. Von der blossen
Pflicht des Eigentümers, dies zu dulden und auch die Liegenschaft in einem
Zustand zu erhalten, dass sie betreten werden kann, ist aber ganz wesentlich
verschieden die Pflicht, einen Streifen seines Landes ausserhalb der
Einfriedung zu lassen, damit er Teil eines möglichst durchgehenden
polizeilichen Uferweges sei. In einer solchen Auflage liegt eine Schmälerung
der im Eigentum nach allgemeiner Rechtsordnung eingeschlossenen Befugnisse,
die vom Standpunkte der Eigentumsgarantie aus nicht durch blosse
Verwaltungsanordnung getroffen werden kann, sondern sich auf eine gesetzliche
Norm muss stützen können. Es fragt sich daher, ob der angefochtene Beschluss
auf einer Vorschrift des Gesetzes ruht.
5. ­ Der Regierungsrat kann in dieser Beziehung jedenfalls nicht die
Bestimmungen der eidg. Zollgesetzgebung heranziehen, und er tut dies auch
nicht. Aus jenen Bestimmungen ergeben sich zwar Eigentumsbeschränkungen auch
für die Ufergrundstücke am Bodensee und Rhein, aber nur für Zwecke des
zollamtlichen Grenzwachtdienstes, Wenn übrigens die eidg. Behörden danach
vielleicht berechtigt wären, ­ die Frage ist hier nicht zu erörtern ­ einen
durchgehenden, von Einfriedungen freien Zollpfad am Ufer zu beanspruchen, so
begnügen sie sich doch tatsächlich damit, dass die Zollorgane die Grundstücke

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betreten können und dass ihnen, wo verschlossene Türen bestehen, Schlüssel
ausgehändigt werden. Als gesetzliche Grundlage für die angefochtene Massnahme
kann vielmehr nur eine Norm des kantonalen. (öffentlichen) Rechtes in Betracht
kommen.
Der Regierungsrat führt als solche den § 34 GG an, wonach die Uferbesitzer die
zur Beaufsichtigung, zur Anlage oder zum Unterhalt der Korrektions- oder
Uferbauten erforderliche Betretung ihrer Grundstücke, sowie die notwendige
Ablagerang von Materialien zu gestatten haben. Soweit diese Vorschrift die
Aufsichts- und Kontrollorgane betrifft, statuiert sie aber nichts weiteres als
das erwähnte polizeiliche Betretungsrecht: diese Organe sind befugt, das
Grundstück als Zutritt zum Ufer zu benutzen, wo die zu besichtigenden
Uferbauten sich befinden oder ausgeführt werden. Es hat dabei, wie beim
polizeilichen Betretungsrecht überhaupt, ganz zweifellos die Meinung, dass die
Beamten, wenigstens im allgemeinen ­ ausserordentliche und Notfälle
vorbehalten ­ ein eingefriedigtes Grundstück durch die vorhandenen Türen und
Oeffnungen zu betreten haben, dass aber der Eigentümer, abgesehen etwa von
besonderen Verhältnissen, nicht verbunden ist, für sie spezielle Vorkehrungen
zu treffen, und es kann aus § 34 GG unmöglich hergeleitet werden, dass den
polizeilichen Organen ein für sie frei zugänglicher, nicht eingehagter
Uferstreifen zur Verfügung gestellt werden muss, der ja auch nicht nur der
Kontrolle von Uferbauten in der Nähe des Grundstücks dienen, sondern ein
durchgehender Polizeiweg sein soll. Das Recht der Behörde nach § 34,
Ufergrundstücke zur Beaufsichtigung von Uferbauten zu betreten, darf
umsoweniger im Sinne einer so schweren Belastung ausgelegt werden, als sich
aus Abs. 2 der Vorschrift ergibt, dass die Inanspruchnahme von
Ufergrundstücken nach Absatz 1 möglichst schonend erfolgen soll, indem danach
Schädigungen zu vergüten sind, sofern die Uferbaute nicht allein zum Schutze
des betreffenden Grundstückes dient. Mit dieser

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Tendenz verträgt sich aber eine Anwendung der Bestimmung schlecht, die über
das zulässige Mass einer extensiven Auslegung weit hinausgehend, aus einem
blossen Betretungsrecht für besondere Zwecke einen von Einfriedungen
freizuhaltenden durchgehenden polizeilichen Uferweg macht (wobei auch nicht
etwa eine Entschädigung der Eigentümer in Aussicht genommen ist). Es ist doch
auch bezeichnend, dass der Regierungsrat, obgleich das GG schon 35 Jahre
besteht, bis in die jüngste Zeit den § 34 niemals in diesem exorbitanten Sinne
gehandhabt hat. Und doch waren auch schon früher zahlreiche Ufergrundstücke
eingefriedigt und hatten die polizeilichen Organe, wenn schon weniger intensiv
als in den letzten Jahren, Kontrollfunktionen am Ufer auszuüben. Erst im
Zusammenhang mit den neuen Bestrebungen zu Gunsten öffentlicher Uferwege
scheint der Regierungsrat auf den Gedanken des möglichst durchgehenden
polizeilichen Uferweges gekommen zu sein. Wenn es natürlich einer Behörde
freisteht, auch einem alten Gesetz eine neue Auslegung zu geben, muss sie sich
dabei doch in den Schranken zulässiger Interpretation halten, und diese sind,
nach dem Gesagten, weit überschritten, wenn der Regierungsrat sich für die
streitige Auflage auf den § 34 ff. stützt.
Nach den Erklärungen des Regierungsrates soll der beanspruchte polizeiliche
Uferweg noch andern Zwecken dienen als der Kontrolle bestehender oder in
Ausführung begriffener Uferbauten, wofür § 34 GG das Betretungsrecht vorsieht:
nämlich der Verhinderung unzulässiger Bauten am Ufer und anderer Betätigungen,
die über den Gemeingebrauch am Gewässer hinausgehen, auch des Ausschüttens von
Giftstoffen in den See, der Beaufsichtigung der Fischerei, Kontrolle der
Ableitung von Abwässern in den See. In allen diesen Beziehungen ist aber der
Regierungsrat nicht in der Lage, eine gesetzliche Regel anzuführen, die zu
Lasten der Uferanstösser die streitige oder überhaupt eine
Eigentumsbeschränkung aufstellen

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würde. Hier kann es sich daher von vorneherein nur um das allgemeine
polizeiliche Betretungsrecht handeln, das, wie früher ausgeführt wurde und im
Rekurse nicht bestritten ist, an jedem Grundstück besteht, das aber nicht
ausgedehnt werden darf im Sinne des postulierten polizeilichen Uferwegrechtes.
6. ­ Der Regierungsrat macht freilich geltend, dass für die Polizeiorgane zur
richtigen Ausübung all jener Aufsichts- und Kontrollfunktionen ein freier
ungehinderter Uferweg notwendig sei oder dass dafür wenigstens ein dringendes
Bedürfnis bestehe. Man könne der Polizei die Umwege nicht zumuten, die sich
daraus ergeben, dass sie statt am Ufer durchgehend zu verkehren, jedes
eingefriedete Grundstück durch die gewöhnlichen Zugänge zu betreten habe. Ein
solches polizeiliches Bedürfnis mag Anlass dazu geben, den Eingriff gesetzlich
zu sanktionieren (wobei sich vom Standpunkt der Eigentumsgarantie aus noch die
Frage erhebt, ob dies ohne Entschädigung zulässig sei). Das polizeiliche
Bedürfnis berechtigt aber die Verwaltungsbehörde noch nicht, die Beschränkung
von sich aus anzuordnen; denn aus der Eigentumsgarantie folgt eben gerade,
dass durch das öffentliche Wohl geforderte Eingriffe ins Privateigentum nur
zulässig sind auf Grand eines Gesetzes, nicht aber durch blosse
Verwaltungsanordnung, die in Würdigung allgemeiner Bedürfnisse ergeht. Auf ein
Gesetz kann sich aber der Regierungsrat; wie ausgeführt wurde, nicht berufen.
Übrigens kann von einer polizeilichen Notwendigkeit oder dringenden
Wünschbarkeit des fraglichen Uferweges doch Dicht wohl die Rede sein. Die
Uferbauten, die bewilligten und die unzulässigen, werden bei Niederwasser
ausgeführt; bei ihrer Kontrolle kann daher die Polizei auch auf dem
Strandboden zirkulieren; es sind überall am Ufer Punkte vorhanden, von denen
aus der Beamte das Ufer auf eine gewisse Strecke übersehen kann, so dass er
nicht nötig hat, sich ständig überall unmittelbar am Ufer zu bewegen. Es wird
meistens genügen, dass er

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von mehreren nebeneinander liegenden eingefriedeten: Liegenschaften die eine
oder die andere betritt. In weitem Umfange dient wohl der beanspruchte Weg
nicht sowohl einem eigentlichen Bedürfnis, als mehr der Bequemlichkeit der
Beamten. Welch unhaltbaren Masstab der Regierungsrat bei der Würdigung des
polizeilichen Bedürfnisses anlegt, zeigt sich darin, dass er, abgesehen von
Stellen, wo eine Liegenschaft an eine öffentliche Anlage, Strandbad oder
dergleichen anstösst, nicht einmal unverschliessbare Türen dulden will,
obgleich doch das Passieren einer Türe mit Stossriegel oder eines Drehkreuzes
kaum auch nur eine Unbequemlichkeit genannt werden kann. Hier liegt es auf der
Hand, dass das Verbot an Übermass leidet, d. h. dass der Regierungsrat etwas
verlangt, was durch keinerlei polizeiliches Bedürfnis gerechtfertigt werden
kann.
Dem problematischen polizeilichen Bedürfnis an der angefochtenen Massnahme,
das, auch wenn es stärker wäre, den Regierungsrat, wie bemerkt, noch nicht zum
vorliegenden Eingriff berechtigen würde, stehen aber sehr erhebliche
Interessen der Grundeigentümer gegenüber. Sie sollen einen Teil ihrer
Liegenschaften nicht mehr einfriedigen und, wenn ihnen ausnahmsweise ein
Abschluss gestattet wird, so darf er doch nicht verschliessbar sein. Damit
entfällt der in Einfriedung und Abschluss liegende Schutz gegen Unberechtigte,
worin bei der feststehenden Rücksichts- und Zügellosigkeit eines grossen Teils
des badenden Publikums ein schwerer Nachteil liegt. Der Eigentümer könnte sich
dagegen wirksam nur schützen, indem er sich einfriedigt gegen den offen zu
haltenden Uferstreifen, diesen also tatsächlich preisgibt. Das ist in der Tat
die Lösung, die der Regierungsrat den Eigentümern nahelegt: der tatsächliche
Verzicht auf den Uferstreifen. Man käme damit zu einem Zustand, der sich
äusserlich nicht mehr unterscheidet von einem allgemeinen öffentlichen
Uferweg, für welch letztern auch nach der Meinung des Regierungsrates eine
rechtliche Grundlage nicht vorhanden ist. Die Beschränkung auf die
polizeiliche Begehung

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liesse sich dabei kaum durchführen. Es soll durchaus nicht der Vermutung
Ausdruck gegeben werden, dass der Regierungsrat bei seinem Beschluss in
Wahrheit nicht die polizeilichen Bedürfnisse im Auge habe, sondern sie nur
vorschütze, um dem künftigen öffentlichen Uferweg vorzuarbeiten. Aber es ist
begreiflich, wenn bei den Beteiligten eine solche Meinung aufkommen konnte.
7. ­ Der Erlass des Regierungsrates ist danach in diesem zweiten Teile
(Freihaltung eines der polizeilichen Uferbegehung dienenden 1 m breiten
Streifens von der Einzäunung) vor der Eigentumsgarantie nicht haltbar, weil es
ihm an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage fehlt. Aus demselben Grund
verstösst er auch gegen den Grundsatz der Trennung der gesetzgebenden von der
vollziehenden Gewalt. Als Träger der letztern kann der Regierungsrat nicht
durch allgemeinen Erlass einen Eigentumseingriff für eine Kategorie von
Grundstücken anordnen, den nur der Gesetzgeber treffen könnte und auch dieser
nach der Eigentumsgarantie nur im Umfange der Anforderungen des öffentlichen
Wohls und, sofern es sich materiell um Enteignung handeln sollte (s. das
Urteil vom 15. November 1929 i. S. Zinggeler gegen Zürich, BGE 65 I S. 397),
bloss gegen Entschädigung.
Ob der Beschluss des Regierungsrates, wie im Rekurse geltend gemacht wird,
auch die Rechtsgleichheit verletzt, insofern nach Ziffer 2 das Verbot, ohne
Angabe eines Kriteriums, dann doch nicht allgemein durchgeführt werden soll,
kann dahingestellt bleiben.
8. ­ Die Rekurrentin hatte vergleichsweise zugestehen wollen, dass in den
Einzäunungen am Ufer, statt der verlangten Öffnungen, Türchen angebracht
werden, zu denen die staatlichen Organe Passe-partout-Schlüssel erhalten, und
sie hat diesen Vergleichsvorschlag auch noch anlässlich des Augenscheins
aufrechterhalten. Der Regierungsrat ist darauf nicht eingetreten, weil er in
dieser Lösung eine unbefriedigende Halbheit erblickt, weil auch nicht sicher
sei, dass die ausserhalb des rekurrierenden

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Verbandes stehenden Grundeigentümer ihr zustimmen würden, und weil er Wert
darauf legt, dass das Bundesgericht in der Sache entscheide. Es kann zur Zeit
nicht die Aufgabe des Bundesgerichtes sein, zu der Frage Stellung zu nehmen,
ob auf dem Boden der Eigentumsgarantie in Anwendung von § 34 GG oder des
allgemeinen polizeilichen Begehungsrechts auch dem widerstrebenden
Grundeigentümer jene Lösung auferlegt werden könnte, die den polizeilichen
Bedürfnissen genügen sollte und die doch auch den berechtigten Interessen der
Grundeigentümer auf Abschluss und Sicherung ihrer Liegenschaften Rechnung
trägt. Denn es ist noch völlig ungewiss, ob der Regierungsrat in Zukunft einen
Beschluss mit solchem Inhalt fassen wird und, wenn es der Fall sein sollte, ob
er durch staatsrechtlichen Rekurs angefochten wird. Auch wird die Frage kaum
in allgemeiner Weise bejaht oder verneint werden können, sondern es wird
darauf ankommen, ob bei einer Liegenschaft oder einer Gruppe von solchen die
Verhältnisse so sind, dass das polizeiliche Betretungsrecht, wie es § 34 GG
vorsieht und wie es auch allgemein besteht, nicht richtig ausgeübt werden
kann, wenn die fraglichen Türchen nicht vorhanden sind.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit sie sich gegen Ziffer 1 a des
angefochtenen Beschlusses des Regierungsrates des Kantons Thurgau vom 5.
November 1929 richtet, dagegen gutgeheissen, soweit sie gegen Ziffer 1 b
desselben gerichtet ist, und der Beschluss insoweit aufgehoben.