S. 238 / Nr. 55 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 54 III 238

55. Entscheid vom 14. September 1928 i.S. Stadtgemeinde Wien.


Seite: 238
Regeste:
In der Betreibung gegen einen im Auslande wohnenden Schuldner am Orte des
gewählten Spezialdomizils können alle Guthaben gepfändet werden, von denen der
betreibende Gläubiger behauptet, sie stehen dem Betriebenen gegenüber in der
Schweiz wohnenden Drittschuldnern zu (Erw. 1).
Unpfändbarkeit unübertragbarer Forderungen: Ob eine Forderung übertragbar sei
oder nicht, ist nach dem sie beherrschenden - allfällig ausländischen - Rechte
zu beurteilen (Erw. 2).
Dans la poursuite intentée au domicile élu contre un débiteur habitant à
l'étranger, l'office peut saisir toutes les créances au sujet desquelles le
créancier poursuivant prétend qu'elles appartiennent au débiteur à l'encontre
de tiers débiteurs habitant en Suisse (consid. 1).
Insaisissabilité de créances non-transmissibles. - La question de savoir si
une créance est ou non transmissible doit être tranchée en vertu du droit qui
la régit, le cas échéant en vertu du droit étranger (consid. 2).
In un'esecuzione intentata al domicilio elettivo contro un debitore
domiciliato all'estero sono soggetti al pignoramento tutti i crediti, che il
creditore pretende spettare al debitore verso terzi dimoranti nella in
Isvizzera (consid. 1).
Inoppignorabilità di crediti non trasferibili. - La questione, se un credito è
trasferibile, dev'essere decisa in base al diritto che lo regge, nella specie,
del diritto straniero (consid. 2).

A. - In der Betreibung des Dr. Charles Bourcart gegen die Rekurrentin wegen
einer Verbindlichkeit, zu deren Erfüllung die Rekurrentin in Basel ein
Spezialdomizil gewählt hatte, pfändete das Betreibungsamt des Kantons
Basel-Stadt die Guthaben der Rekurrentin aus Wohnbausteuer gegen mehrere teils
in Basel, teils anderswo in der Schweiz wohnende Eigentümer von in Wien
gelegenen Häusern. Hiegegen führte die Rekurrentin Beschwerde.
B. - Durch Entscheid vom 16. August 1928 hat die Aufsichtsbehörde über das
Betreibungs- und Konkursamt des Kantons Basel-Stadt die Beschwerde abgewiesen.

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C. - Diesen Entscheid hat die Rekurrentin an das Bundesgericht weitergezogen.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
1.- Zunächst zieht die Rekurrentin die örtliche Zuständigkeit des
Betreibungsamtes Basel in Frage. Es ist ihr zuzugeben, dass an die Wahl des
Basler Spezialdomizils durch die Rekurrentin für die Pfändung nicht die Folge
geknüpft werden darf, sämtliche Guthaben der Rekurrentin seien als (auch) in
Basel gelegene Vermögensstücke anzusehen. Allein bei der Zwangsvollstreckung
gegen einen im Ausland wohnenden Schuldner ist für die Bestimmung des Sitzes
seiner Guthaben nach der von der Rekurrentin selbst angezogenen ständigen
Rechtsprechung gar nicht sein Wohnsitz massgebend, sondern der Wohnsitz des
betreffenden Drittschuldners. Und zwar kann entsprechend der Vorschrift des
Art. 272
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 272 - 1 Der Arrest wird vom Gericht am Betreibungsort oder am Ort, wo die Vermögensgegenstände sich befinden, bewilligt, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass:476
1    Der Arrest wird vom Gericht am Betreibungsort oder am Ort, wo die Vermögensgegenstände sich befinden, bewilligt, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass:476
1  seine Forderung besteht;
2  ein Arrestgrund vorliegt;
3  Vermögensgegenstände vorhanden sind, die dem Schuldner gehören.
2    Wohnt der Gläubiger im Ausland und bezeichnet er keinen Zustellungsort in der Schweiz, so ist das Betreibungsamt Zustellungsort.
SchKG, wonach der Arrest von der zuständigen Behörde des Ortes, wo
das Vermögensstück sich befindet, bewilligt wird, die Arrestierung von
Guthaben eines im Auslande wohnenden Arrestschuldners nur am schweizerischen
Wohnorte des Drittschuldners stattfinden. Dagegen trifft diese Beschränkung
nicht auf die Pfändung zu, da mangels einer dem Art. 272
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 272 - 1 Der Arrest wird vom Gericht am Betreibungsort oder am Ort, wo die Vermögensgegenstände sich befinden, bewilligt, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass:476
1    Der Arrest wird vom Gericht am Betreibungsort oder am Ort, wo die Vermögensgegenstände sich befinden, bewilligt, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass:476
1  seine Forderung besteht;
2  ein Arrestgrund vorliegt;
3  Vermögensgegenstände vorhanden sind, die dem Schuldner gehören.
2    Wohnt der Gläubiger im Ausland und bezeichnet er keinen Zustellungsort in der Schweiz, so ist das Betreibungsamt Zustellungsort.
SchKG entsprechenden
Vorschrift jedes Betreibungsamt zur Pfändung von irgendwo in der Schweiz
gelegenen Guthaben des Betriebenen zuständig ist. Die weitere Frage aber, ob
die vorliegend gepfändeten Guthaben deshalb nicht als in der Schweiz gelegen
erachtet werden dürfen, weil die Wohnbausteuer nicht von den Hauseigentümern,
sondern von den (in Wien wohnenden) Mietern geschuldet werde, betrifft die
Existenz der gepfändeten Guthaben und kann daher nicht von den
Aufsichtsbehörden beurteilt werden; in dieser Beziehung fällt namentlich in
Betracht, dass die Pfändungen nicht auch allfällige Guthaben an die Mieter
umfassen. Und im besonderen vermag die

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Rekurrentin gegen die Pfändung des Wohnbausteuerguthabens an Messmer nichts
daraus herzuleiten, dass sie dargetan habe, dieser sei nicht Steuerschuldner,
weil er sich seines Grundbesitzes entäussert habe. Denn nach ständiger,
gegenüber der Rekurrentin bereits zur Anwendung gebrachter Rechtsprechung ist
zur Pfändung von Guthaben zu schreiten, sobald der betreibende Gläubiger deren
Existenz auch nur behauptet, und sind derart gepfändete Guthaben als
bestrittene zu verwerten, mit der Massgabe, dass es dem Erwerber überlassen
werden muss, die zum Einzug erforderlichen Vorkehren gegen den angegebenen
Drittschuldner zu treffen.
2.- Im weiteren macht die Rekurrentin geltend, die gepfändeten
Steuerforderungen seien, weil unübertragbar, auch unpfändbar. Die Vorinstanz
ist davon ausgegangen, die Frage nach der Pfändbarkeit von Steuerforderungen
sei ausschliesslich in Anwendung des schweizerischen Rechtes zu beurteilen,
und hat angenommen, nach dem schweizerischen Rechte stehe der Abtretbarkeit
und, mangels besonderer Bestimmungen über die Pfändbarkeit oder Unpfändbarkeit
von Steuerforderungen, auch der Pfändbarkeit nichts entgegen. Allein das
schweizerische Recht greift nur insofern durch, als es die Pfändung von
höchstpersönlichen und folglich unübertragbaren Rechten verbietet. Dagegen
kann die Präjudizialfrage, ob ein Recht, das gepfändet werden will,
höchstpersönlich und folglich unübertragbar sei, nur in Anwendung derjenigen
Rechtsordnung beurteilt werden, welcher es seine Entstehung verdankt. Gerade
vorliegend springt in die Augen, dass die Drittschuldner der Steuerforderungen
ungeachtet einer in der Schweiz vollzogenen Pfändung derselben und allfälliger
Zahlung, sei es an das Betreibungsamt oder den Erwerber, von der Rekurrentin
in Österreich weiterhin belangt werden könnten, wenn die gepfändeten
Steuerforderungen nach dem massgebenden österreichischen Recht unübertragbar
sind. Daher ist

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die Sache zu neuer Entscheidung in diesem Punkt unter Berücksichtigung des
österreichischen Rechtes an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 83
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 272 - 1 Der Arrest wird vom Gericht am Betreibungsort oder am Ort, wo die Vermögensgegenstände sich befinden, bewilligt, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass:476
1    Der Arrest wird vom Gericht am Betreibungsort oder am Ort, wo die Vermögensgegenstände sich befinden, bewilligt, wenn der Gläubiger glaubhaft macht, dass:476
1  seine Forderung besteht;
2  ein Arrestgrund vorliegt;
3  Vermögensgegenstände vorhanden sind, die dem Schuldner gehören.
2    Wohnt der Gläubiger im Ausland und bezeichnet er keinen Zustellungsort in der Schweiz, so ist das Betreibungsamt Zustellungsort.
OG).
Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird dahin begründet erklärt, dass der angefochtene Entscheid
aufgehoben und die Sache zurückgewiesen wird.