S. 159 / Nr. 33 Schuldbetreibungs- und Konkursrecht (d)

BGE 54 III 159

33. Entscheid vom 5. Juni 1928 i.S. Rufer.


Seite: 159
Regeste:
Lohnpfändung. Art. 93
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 93 - 1 Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
1    Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
2    Solches Einkommen kann längstens für die Dauer eines Jahres gepfändet werden; die Frist beginnt mit dem Pfändungsvollzug. Nehmen mehrere Gläubiger an der Pfändung teil, so läuft die Frist von der ersten Pfändung an, die auf Begehren eines Gläubigers der betreffenden Gruppe (Art. 110 und 111) vollzogen worden ist.
3    Erhält das Amt während der Dauer einer solchen Pfändung Kenntnis davon, dass sich die für die Bestimmung des pfändbaren Betrages massgebenden Verhältnisse geändert haben, so passt es die Pfändung den neuen Verhältnissen an.
4    Auf Antrag des Schuldners weist das Amt den Arbeitgeber des Schuldners an, während der Dauer der Einkommenspfändung zusätzlich den für die Bezahlung der laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erforderlichen Betrag an das Amt zu überweisen, soweit diese Prämien und Kostenbeteiligungen zum Existenzminimum des Schuldners gehören. Das Amt begleicht damit die laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen direkt beim Versicherer.205
SchKG.
Wenn einem Schuldner aus verschiedenen Verträgen einer Mehrzahl von Personen
gegenüber Honorarforderungen mit verschiedenen, voneinander unabhängigen
Fälligkeitsterminen zustehen, dann ist für die Beurteilung der Frage der
Pfändbarkeit solcher Forderungen, ausser der Feststellung des
Existenzminimums, auch zu untersuchen, über welche Barmittel und fälligen
Ansprüche der Schuldner im Momente der Pfändung verfügt und bis zu welchem
Zeitpunkte er zur Bestreitung seiner Lebenskosten auf diese Mittel angewiesen
ist.
Saisie de salaire. Art. 93 LP.
Lorsqu'un débiteur possède des créances d'honoraires contre diverses
personnes, en vertu de divers contrats stipulant des échéances différentes et
sans relation les unes avec les autres, il importe, pour trancher la question
de la saisissabilité de telles créances, non seulement de déterminer le
montant indispensable au débiteur, mais encore de rechercher quels sont les
fonds liquides et les prétentions échues dont dispose le débiteur au moment de
la saisie, et jusqu'à quelle époque celui-ci devra se contenter desdites
ressources pour subvenir à ses besoins.
Pignoramento di salari. Art. 93 LEF.
Se il debitore possiede dei crediti, dipendenti da salari o onorari, verso
diverse persone, esigibili in epoche diverse e senza relazioni tra loro,
occorrerà, onde decidere della loro pignorabilità, determinare, non solamente
l'importo indispensabile al debitore, ma altresi quali siano i fondi liquidi e
le pretese scadute di cui disponga al momento del pignoramento e fino a
qual'epoca quelle risorse potranno bastare per il suo sostentamento.

A. - Am 12. Februar 1928 pfändete das Betreibungsamt Bern-Stadt beim Schuldner
August Rufer, Architekten in Bern, für die Betreibungsgruppe Nr. 2583 ein
Guthaben des Schuldners an die Essig- und Senffabrik Bern, das ursprünglich
5000 Fr. betragen, wovon aber der Schuldner bis zum Moment der Pfändung
bereits 4550 Fr. bezogen hatte.

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B. - Gegen diese Pfändung beschwerte sich Rufer bei den Aufsichtsbehörden,
indem er deren Aufhebung verlangte, da er diesen Betrag zur Bestreitung seines
und seiner Familie Lebensunterhaltes notwendig habe.
C. - Mit Urteil vom 1. Mai 1928 hat die kantonale Aufsichtsbehörde die
Beschwerde abgewiesen.
D. - Hiegegen hat Rufer den Rekurs an das Bundesgericht erklärt, indem er
erneut um Schutz der Beschwerde ersuchte.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:
Die Vorinstanz hat die Beschwerde deshalb abgewiesen, weil das Existenzminimum
des Rekurrenten und seiner Familie (Frau und ein Kind) sich auf jährlich 3780
Fr. belaufe, der Rekurrent aber nach seiner eigenen Darstellung im Jahre 1927
ein Nettoeinkommen von mindestens 8000 Fr. gehabt habe. Diese Tatsachen
erscheinen indessen nicht ohne weiteres geeignet, um die vorwürfige Beschwerde
als unbegründet erscheinen zu lassen; denn der Umstand, dass der Rekurrent im
vergangenen Jahre 8000 Fr. verdient hat, stellt einmal noch keinen Beweis
dafür dar, dass die Einkommensverhältnisse des Rekurrenten im Momente der
Pfändung noch dieselben waren. Selbst wenn dies aber auch der Fall gewesen
sein sollte, so wäre damit noch nicht erwiesen, dass der Rekurrent bei einer
Pfändung des gesamten streitigen Forderungsbetrages noch über so viele
Barmittel bezw. fällige Ansprüche verfügt hätte, dass er daraus bis zum
Eintritt der Fälligkeit neuer, anderer Honorarforderungen bezw. bis zum
Eingang neuer Barmittel seinen und seiner Familie Lebensunterhalt hätte
bestreiten können. Letzteres muss aber, wenn man dem Zweck des Art. 93
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 93 - 1 Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
1    Erwerbseinkommen jeder Art, Nutzniessungen und ihre Erträge, Leibrenten sowie Unterhaltsbeiträge, Pensionen und Leistungen jeder Art, die einen Erwerbsausfall oder Unterhaltsanspruch abgelten, namentlich Renten und Kapitalabfindungen, die nicht nach Artikel 92 unpfändbar sind, können so weit gepfändet werden, als sie nach dem Ermessen des Betreibungsbeamten für den Schuldner und seine Familie nicht unbedingt notwendig sind.
2    Solches Einkommen kann längstens für die Dauer eines Jahres gepfändet werden; die Frist beginnt mit dem Pfändungsvollzug. Nehmen mehrere Gläubiger an der Pfändung teil, so läuft die Frist von der ersten Pfändung an, die auf Begehren eines Gläubigers der betreffenden Gruppe (Art. 110 und 111) vollzogen worden ist.
3    Erhält das Amt während der Dauer einer solchen Pfändung Kenntnis davon, dass sich die für die Bestimmung des pfändbaren Betrages massgebenden Verhältnisse geändert haben, so passt es die Pfändung den neuen Verhältnissen an.
4    Auf Antrag des Schuldners weist das Amt den Arbeitgeber des Schuldners an, während der Dauer der Einkommenspfändung zusätzlich den für die Bezahlung der laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erforderlichen Betrag an das Amt zu überweisen, soweit diese Prämien und Kostenbeteiligungen zum Existenzminimum des Schuldners gehören. Das Amt begleicht damit die laufenden Prämien- und Kostenbeteiligungsforderungen direkt beim Versicherer.205
SchKG
gerecht werden will, notwendigerweise mit berücksichtigt werden. Eine solche
Feststellung bietet dann keine Schwierigkeiten, wenn

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der Schuldner in einem einzigen Vertragsverhältnis steht und seinen Lohn in
regelmässigen Zeitabständen bezieht. Wenn aber, wie dies vorliegend zutrifft,
einem Schuldner aus mehreren von ihm ausgeführten Aufträgen einer Mehrzahl von
Personen gegenüber Honorarforderungen mit verschiedenen, voneinander
unabhängigen Fälligkeitsterminen zustehen, dann kann die Frage der
Pfändbarkeit einer derartigen Forderung nur auf Grund einer genauen
Untersuchung der konkreten Verhältnisse gelöst werden. Das ist hier - nachdem
der Rekurrent ausdrücklich behauptet hat, dass die streitige Forderung im
Momente der Pfändung das einzige Mittel zur Fristung seines Lebensunterhaltes
dargestellt habe - noch nachzuholen, d.h. die Vorinstanz hat festzustellen,
über welche Barmittel und fälligen Ansprüche der Rekurrent damals verfügte und
bis zu welchem Zeitpunkte er zur Bestreitung seiner Lebenskosten auf diese
Mittel angewiesen war (d.h. wann die Fälligkeit anderer Forderungen des
Rekurrenten in Aussicht stand, und wie hoch sich diese beliefen). An Hand
dieser Feststellungen wird dann zu entscheiden sein, ob und bis zu welchem
Betrage die streitige Forderung pfändbar sei. Natürlich ist der Rekurrent
verpflichtet, der Vorinstanz alle zur Ermöglichung dieser Feststellungen
notwendigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen, unter der Androhung, dass
sonst die Festsetzung des streitigen Betrages nach freiem Ermessen erfolgen
würde.
Demnach erkennt die Schuldbetr.- und Konkurskammer:
Der Rekurs wird dahin teilweise gutgeheissen, dass die Angelegenheit zur neuen
Beurteilung im Sinne der Motive an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.