S. 354 / Nr. 66 Familienrecht (d)

BGE 54 II 354

66. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 4. Oktober 1928 i.S. J.
gegen J.


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Regeste:
Eheungültigkeitsklage.
Durch Verzeihung wird das Klagerecht verwirkt. Die blosse Tatsache, dass der
anfechtende Ehegatte die eheliche Gemeinschaft trotz Kenntnis des
Ungültigkeitsgrundes noch eine zeit lang fortgesetzt hat, bildet aber allein
noch kein Indiz dafür, dass eine Verzeihung stattgefunden habe.
Besteht nach erfolgter Ungültigerklärung der Ehe für den anfechtenden Ehemann
eine Pflicht zur Leistung von Unterhaltsbeiträgen an die Pflegekosten des
Kindes der Ehefrau, das festgestelltermassen von einem Dritten gezeugt worden
ist, dessen Ehelichkeit aber vom Ehemann nicht, bezw. nicht rechtzeitig,
angefochten worden ist?
ZGB Art. 124 Ziffer 2, 125 Ziffer 1, 133, 134 Abs. 2, 156, 328.

Aus dem Tatbestand:
Der Kläger heiratete die Beklagte, weil diese ihm angegeben hatte, dass sie
von ihm schwanger sei. Kurz vor ihrer nach Eheabschluss erfolgten Niederkunft
gestand sie ihm jedoch zu, dass ein Anderer der Vater des Kindes sei. Trotzdem
setzte der Kläger die eheliche Gemeinschaft noch einige Zeit lang fort,
reichte dann aber schliesslich doch auf Grund von Art. 123 ff
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 123 - 1 Die erworbenen Austrittsleistungen samt Freizügigkeitsguthaben und Vorbezügen für Wohneigentum werden hälftig geteilt.
1    Die erworbenen Austrittsleistungen samt Freizügigkeitsguthaben und Vorbezügen für Wohneigentum werden hälftig geteilt.
2    Absatz 1 ist nicht anwendbar auf Einmaleinlagen aus Eigengut nach Gesetz.
3    Die zu teilenden Austrittsleistungen berechnen sich nach den Artikeln 15-17 und 22a oder 22b des Freizügigkeitsgesetzes vom 17. Dezember 1993202.
. und 253 ZGB die
Eheungültigkeitsklage sowie die Klage auf Anfechtung der Ehelichkeit des
Kindes ein. Auf letztere konnte wegen Nichteinhaltung der Frist des Art. 253
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 253

ZGB nicht eingetreten werden, während die erstere von allen Instanzen
gutgeheissen wurde.
Aus den Erwägungen:
Nach Anerkennung des Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 124 Ziffer 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 124 - 1 Bezieht ein Ehegatte im Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens eine Invalidenrente vor dem reglementarischen Referenzalter, so gilt der Betrag, der ihm nach Artikel 2 Absatz 1ter des Freizügigkeitsgesetzes vom 17. Dezember 1993205 nach Aufhebung der Invalidenrente zukommen würde, als Austrittsleistung.
1    Bezieht ein Ehegatte im Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens eine Invalidenrente vor dem reglementarischen Referenzalter, so gilt der Betrag, der ihm nach Artikel 2 Absatz 1ter des Freizügigkeitsgesetzes vom 17. Dezember 1993205 nach Aufhebung der Invalidenrente zukommen würde, als Austrittsleistung.
2    Die Bestimmungen über den Ausgleich bei Austrittsleistungen gelten sinngemäss.
3    Der Bundesrat regelt, in welchen Fällen der Betrag nach Absatz 1 wegen einer Überentschädigungskürzung der Invalidenrente nicht für den Ausgleich verwendet werden kann.
und
125 Ziffer 1
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 125 - 1 Ist einem Ehegatten nicht zuzumuten, dass er für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufkommt, so hat ihm der andere einen angemessenen Beitrag zu leisten.
1    Ist einem Ehegatten nicht zuzumuten, dass er für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufkommt, so hat ihm der andere einen angemessenen Beitrag zu leisten.
2    Beim Entscheid, ob ein Beitrag zu leisten sei und gegebenenfalls in welcher Höhe und wie lange, sind insbesondere zu berücksichtigen:
1  die Aufgabenteilung während der Ehe;
2  die Dauer der Ehe;
3  die Lebensstellung während der Ehe;
4  das Alter und die Gesundheit der Ehegatten;
5  Einkommen und Vermögen der Ehegatten;
6  der Umfang und die Dauer der von den Ehegatten noch zu leistenden Betreuung der Kinder;
7  die berufliche Ausbildung und die Erwerbsaussichten der Ehegatten sowie der mutmassliche Aufwand für die berufliche Eingliederung der anspruchsberechtigten Person;
8  die Anwartschaften aus der eidgenössischen Alters- und Hinterlassenenversicherung und aus der beruflichen oder einer anderen privaten oder staatlichen Vorsorge einschliesslich des voraussichtlichen Ergebnisses der Teilung der Austrittsleistungen.
3    Ein Beitrag kann ausnahmsweise versagt oder gekürzt werden, wenn er offensichtlich unbillig wäre, insbesondere weil die berechtigte Person:
1  ihre Pflicht, zum Unterhalt der Familie beizutragen, grob verletzt hat;
2  ihre Bedürftigkeit mutwillig herbeigeführt hat;
3  gegen die verpflichtete Person oder eine dieser nahe verbundenen Person eine schwere Straftat begangen hat.
ZGB hat das Bundesgericht hinsichtlich der von der Beklagten
erhobenen Einrede der Verzeihung, sowie bezüglich des von der Beklagten
gestellten Eventual-Begehrens auf

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Zusprechung von Beiträgen an die Kosten des Unterhaltes des Kindes folgendes
ausgeführt:
Es kann sich somit einzig fragen, ob der Kläger, der seine Klage innert der
durch Art. 127
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 127 - Die Ehegatten können in der Vereinbarung die Änderung der darin festgesetzten Rente ganz oder teilweise ausschliessen.
ZGB geforderten Frist von sechs Monaten seit der Entdeckung des
bestehenden Anfechtungsgrundes eingeleitet hat, allenfalls infolge Verzeihung
sein Klagerecht verwirkt habe. Das muss mit der Vorinstanz verneint werden.
Zwar kann der Auffassung des Klägers, dass gegenüber einer
Eheungültigkeitsklage der Klageaufhebungsgrund der Verzeihung überhaupt nicht
geltend gemacht werden könne, nicht beigetreten werden. Allerdings enthält das
Gesetz für Eheungültigkeitsklagen, entgegen den für die Scheidungsklage
geltenden Vorschriften des Art. 137 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 127 - Die Ehegatten können in der Vereinbarung die Änderung der darin festgesetzten Rente ganz oder teilweise ausschliessen.
und 138 Abs. 3
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 127 - Die Ehegatten können in der Vereinbarung die Änderung der darin festgesetzten Rente ganz oder teilweise ausschliessen.
ZGB, keine
ausdrückliche bezügliche Bestimmung. Allein daraus darf nicht geschlossen
werden, dass der Gesetzgeber diesen Grundsatz bei der Eheungültigkeitsklage
habe ausschliessen wollen; denn es handelt sich hiebei um ein allgemeines
Rechtsprinzip. Es hat denn auch das Bundesgericht unter der Herrschaft des
alten Zivilstands- und Ehegesetzes, das auch bei der Scheidung den
Klageaufhebungsgrund der Verzeihung nicht ausdrücklich erwähnte, die
Verzeihungsfrage jeweils dennoch geprüft, weil es darin einen ungeschriebenen
Rechtsgrundsatz erblickte (vgl. BGE 10 S. 112. Nun hat aber die Beklagte
vorliegend den Beweis nicht zu erbringen vermocht, dass der Kläger ihr
tatsächlich verziehen habe; denn in dem blossen Umstande, dass dieser nicht
sofort nach Entdeckung des Ungültigkeitsgrundes, d.h. nachdem ihm die Beklagte
ihren Verkehr mit S. zugestanden, die ehelichen Beziehungen zur Beklagten
abgebrochen hat, darf nicht eine Verzeihung erblickt werden. Wollte ein
solches Verhalten als ein schlüssiges Indiz für eine Verzeihung gewertet
werden, so würde es einem Ehegatten dadurch geradezu verunmöglicht, die Ehe
nach Entdeckung des Ungültigkeitsgrundes dennoch versuchsweise
aufrechtzuerhalten, um zu

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erproben, ob es ihm möglich sei, über die erlittene Unbill hinwegzukommen und
die eheliche Gemeinschaft trotz Kenntnis der ihm bisher unbekannt gebliebenen
Tatsachen fortzusetzen. Eine Verzeihung kann vielmehr nur dann als erfolgt
erachtet werden, wenn diese ausdrücklich erklärt worden ist oder sich aus dem
Verhalten des Klägers unzweideutig ergibt. Das ist vorliegend nicht der Fall.
Gegenteils geht aus der von beiden Parteien am 4. Mai 1927 unterzeichneten
Erklärung hervor, dass der Kläger sich die Einreichung der Ungültigkeitsklage
ausdrücklich vorbehalten hat, für den Fall, dass es ihm - was dann auch
eintraf - nicht gelingen sollte, den von der Beklagten begangenen Fehltritt zu
vergessen.
...
Und endlich hat auch die Vorinstanz mit Recht von einer Verpflichtung des
Klägers zur Leistung von Beiträgen an die Unterhalts- und Erziehungskosten des
der Beklagten zugesprochenen Kindes abgesehen; denn nachdem die Beklagte
selber zugestehen musste, dass der Kläger nicht der Vater des Kindes sei und
sie deshalb seinerzeit auch schriftlich ausdrücklich auf derartige Beiträge
verzichtet hat, kann dem Kläger nicht zugemutet werden, der Beklagten solche
Alimente zu leisten, zum mindesten so lange nicht, als die Beklagte in der
Lage ist, allein für diese Kosten aufzukommen (vgl. auch GMÜR, Kommentar zu
Art. 156
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 127 - Die Ehegatten können in der Vereinbarung die Änderung der darin festgesetzten Rente ganz oder teilweise ausschliessen.
ZGB Note 13 Abs. 2 S. 255). Dem kann die Beklagte nicht
entgegenhalten, der Kläger habe ihr durch die verspätete Einreichung der
Ehelichkeits-Anfechtungsklage verunmöglicht, gegen S. eine Vaterschaftsklage
anzustrengen. Dieses Risiko hat die Beklagte seinerzeit, als sie die fragliche
Erklärung unterschrieb, in den Kauf genommen, weil sie dem Kläger den Versuch,
die Ehe aufrecht zu erhalten, erleichtern wollte; dass aber dieser Versuch der
dann scheiterte, vom Kläger von Anfang an gar nicht ernsthaft unternommen
worden sei, hat die Beklagte selber nicht behauptet.

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Die Frage, ob und unter welchen Umständen allenfalls dem Kinde persönlich ein
Unterstützungsanspruch gegen den Kläger auf Grund von Art. 328
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 328 - 1 Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden.
1    Wer in günstigen Verhältnissen lebt, ist verpflichtet, Verwandte in auf- und absteigender Linie zu unterstützen, die ohne diesen Beistand in Not geraten würden.
2    Die Unterhaltspflicht der Eltern und des Ehegatten, der eingetragenen Partnerin oder des eingetragenen Partners bleibt vorbehalten.462
ZGB zustehe,
ist, da keine bezügliche Klage von Seiten des Kindes vorliegt, heute nicht zu
entscheiden und soll ausdrücklich offen gelassen werden.