300 Staatsrecht.

in das dem Volke durch Art. 4 litt. a KV erteilte Gesetzgebungsrecht
ein. Er ist deshalb aufzuheben

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Regierungsrat zuständig gewesen
sei, durch Verordnung andere mit dem kantonalen Jagdgesetz im Widerspruch
stehende Bestimmungen als solche über die Einführung des Jagdpachtsystems
aufzustellen, und oh diese wieder auf dem Verordnungswege abgeändert
werden können.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

Der Rekurs Wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen und demgemäss
der Beschluss des Grossen Rates vom 8. Juli 1927 über die Regelung
des Jagdwesens

aufgehoben .

VIII. INTERKANTONALE RECHTSHILFE IM PROZESS

ASSISTANCE JUDICIAIRE INTERCANTONALE EN MATIÈRE DE PROCÉDURE

41. Urteil vom 23. September 1927 i. S. Luzern gegen Nidwalden.

Interkantonale Rechtshilfepflicht in Strafsachen für kantonalrechtliche
Vergehen. Ablehnung des Vollzuges eines Roga-

' toriums durch den ersuchten Kanton, weil die angeblich deliktische
Handlung auf seinem Gebiete begangen worden

' und in diesem Falle nach seiner Gesetzgebung nicht strafbar
sei. Grundsätzliche Zulässigkeit dieses Einwandes. Rechtslage, wenn die
Zugehörigkeit des Gebietes, in dem die betr. Handlung begangen werden war,
zum einen oder anderen Kanton zwischen beiden streitig ist.

A. Zwischen den Kantonen Luzern und Nidwalden bestehen, seit ' Jahren
Meinungsversehiedenheiten über den Verlauf der Kantonsgrenze auf dem
Vierwaldstätter--

._....--Interkantonale Rechtshissliesiim Prozess. N° 41. 301

see. Infolgedessen befindet sich im Seetrichter zwischen Kastanienbaum
(Kt. Luzern) und Stansstad (Nidwalden) ein'Seegebiet, das von beiden
Kantonen beansprucht. wird. Zur Erledigung des Anstandes hatten im
Jahre 1921 das Staatswirtschaftsdepartement ,des Kantons Luzern und die
Polizeidirektiondes Kantons Nidwalden ein Übereinkommen unterzeichnet,
das jedoch ,keine Wirksamkeit erlangte, weil der Landrat des Kantons
Nidwalden die Genehm1gung verweigerte. Am 12. Juni 1923 wurde Arnold
Mathis in Hergiswil (Nidwalden) beim Statthalteramt Luzern-Land
vel-zeigt, weil er im streitigen Seegebiet geiischt habe, ohne ein
Patent der Ballenherrn (Gesellschaft der Fischmeister in Luzern) zu
besitzen, die allein über das Fischereirecht in diesem Teil des Sees
zu verfügen berechtigt seien. Das Amtsgericht Luzern-Land erklärte
den Angeklagten, der freiwillig den Vorladungen Folge geleistet
hatte, des unbefugten Fischens schuldig und verurteilte ihn zu einer
Geldbusse von 50 Fr. Auf Appellation des Gebüssten bestätigte das
Obergericht des Kantons Luzern dieses Urteil am 19. Dezember 1924. In
den Jahren 1925 und 1926 erstattete der Polizeiposten "Horw (Kt. Luzern)
neuerdings beim Statthalteramt Luzern-Land gleiche Anzeigen gegen Arnold
Mathis und einige weitere im Kanton Nidwalden wohnhaite Fischer. Das
Statthalteramt Luzern ersuchte hierauf das Verhöramt Nidwalden um
Einvernahme der Angeklagten. Auf Antrag des Verhöramtes beschloss jedoch
der Regierungsrat des Kantons Nidwalden, dem Einvernahmegesuch vorläufig,
d. h. bis zur Neuregelung der Kantonsgrenze auf dem Vierwaldstättersee,
nicht zu entsprechen. Ist-begründete diesen Beschluss in zweiSchreiben an
den Regierungsrat des Kantons Luzern vom 20. September und 22. November
1926 und erklärte sich bereit, den Grenzstreit dem Bundesgericht als
Schiedsgericht zu unterbreiten, wenn Luzern nicht vorziehe, mit Nidwalden
nochmals Grenzregulierungsverhandlungen aufzunehmen. Das -

302 Staatsrecht.

zweite dieser schreiben blieb unbeantwortet. Am 27. März 1927 wendete
sich das Statthalteramt Luzern Land auf Grund eines erneuten Rapportes
des Polizeipostens Horw gegen Mathis wegen unbefugten Fischens wiederum
an die Polizeidirektion Nidwalden mitdem Begehren um Einvernahme des
Verzeigten. Der Regierungsrat von Nidwalden lehnte jedoch in einem an den
Regierungsrat von Luzern gerichteten schreiben das Gresuch neuerdings
ab, indem er ausfühite : Wie wir schon im November letzten Jahres in
einem analogen Falle uns geWeigert haben, Fischer, die des gleichen
Vergehens beziehtigt worden waren, durch unsere Untersuchungsorgane
einzuvernehmen, weil sie nach unserer Ansicht auf dem Gebiete des Kantons
Nidwalden die Fischerei ausgeübt haben, wozu sie berechtigt waren, so
können wir auch heute dem Verlangen des Statthalteramtes Luzern-Land
nicht entsprechen. Unsern Standpunkt haben wir in einem Schreiben vom
22. November 1926 an Euch begründet. Aus der Tatsache, dass wir auf
dieses Schreiben keine Antwort erhalten haben, folgern wir, Ihr habt
unsern Standpunkt akzeptiert.

B. Daraufhin hat der Regierungsrat des Kantons Luzern auf Betreiben
des Statthalteramtes LuzernLand am 30. Mai 1927 beim Bundesgericht die
vorliegende staatsrechtliche Beschwerde eingereicht, mit der der Antrag
gestellt wird : Der Regierungsrat des Kantons Nidwalden sei pfiichtig
zu erklären, die Rechtshilfe, die vom Statthalteramte Luzern-Land beim
Verhöramt (bezw. bei der Polizeidirektion) Nidwalden anbegehrt ist,
unverzüglich zu gewähren. Zur Begründung wird ausgeführt: Es handle sich
um ein Fischereivergehen, auf das die Strafbestimmungen des Bundesgesetzes
über die Fischerei vom 27. Dezember 1888 Anwendung fänden. Das Verhalten
der nidWaldnischen Behörden verstosse deshalb gegen Art. 150 OG,
wornach in den nach eidgenössischen Gesetzen zu erledigenden Strafsachen
die Behörden eines Kantons denjenigenInterkantonale Rechtshilfe im
Prozess. N° 41. 303

der andern Kantone sowohl für die Untersuchung als die
Urteilsvollstreckung Rechtshiife zu leisten hätten wie den Behörden
des eigenen Kantons. Wie das Bundesgricht in Auslegung und Anwendung
des Art. 67
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 67 - 1 Bund und Kantone tragen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben den besonderen Förderungs- und Schutzbedürfnissen von Kindern und Jugendlichen Rechnung.
1    Bund und Kantone tragen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben den besonderen Förderungs- und Schutzbedürfnissen von Kindern und Jugendlichen Rechnung.
2    Der Bund kann in Ergänzung zu kantonalen Massnahmen die ausserschulische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen unterstützen.37
der BV, des Bundesgesetzes über die Auslieferung Von
Verbrechern oder Angeschuldigten vom 24. Juli 1852 und des bezüglichen
Ergänzungsgesetzes vom 2. Februar 1872 festgestellt habe, bestehe zudem
zwischen den Kantonen eine allgemeine Rechtshilfepflicht in Strafsachen
und zwar auch bei Vergehen, für die eine Auslieferung nicht verlangt
werden könne und die im ersuchten Kanton nicht strafbar seien. Der
Regierungsrat von Nidwalden bestreite denn auch grundsätzlich die
Rechtshilfepilicht nicht; er wolle die Rechtshilfe aber erst nach einer
künftigen Neuregelung der Fischereigrenze zwischen beiden Kantonen
gewähren. Dieser Standpunkt sei unhaitbar. Massgebenddafür, ob die
verzeigten nidwald-

nischen Fischer sich eines Fischereivergehens schuldig

gemacht hätten, seien nicht die künftig vereinbarten Fischereigrenzen,
sondern die Grenzverhältnisse, die zur Zeit der Begehung der verzeigten
Handlung bestanden hätten. Und die Entscheidung darüber, ob der
behauptete Vergehenstatbestand vorliege, komme dem luzernischen Richter
zu, bei demdie Beschuldigung erhoben worden sei. Durch die Einstellung
der Einvernehme werfe sich der Regierungsrat Nidwalden gewissermassen
selbst zum Strafrichter auf und greife so in die Kompetenzsphäre des
luzernischen Strafrichters ein. Da die Neuregelung der Fischereigrenze
noch geraume Zeit auf sich warten lassen werde, Würde so die Durchführung
des Strafverfahrens im Erfolg überhaupt verunmöglicht. Der nidwaldniscbe
Fischer, der sich vor dem luzernischen Strafrichter zu verantworten
habe, sei nicht der Wil}kür ausgeliefert; er könne sich aller
Verteidigungsmittel des iuzernischen Strafrechtsverfahrens bedienen,
und letzten Endes auch den Schutz des Bundesgerichtes anrufen.

304 ' ! Staatsrecht. s"

C. Der Regierungsrat'des Kantons Nidwalden beantragt die Abweisung
der Beschwerde. Nach dem Rapport des Polizisten sei das Vergehen,
wegen dessen die Rechtshilfe verlangt werde, in einem Gebiete begangen
wordendas nach der Auffassung Nidwaldens innerhalb seiner Fischereiund
Landesgrenze liege. Der Kanton Nidwalden könne nicht gezwungen werden,
die luzernische Jurisdiktion auf diesem Gebiete anzuerkennen, solange
der darüber waltende Grenzstreit nicht zu Gunsten Luzerns entschieden
sei. Durch Leistung der Rechtshilfe würde Nidwalden gegen seinen Rechts
standpunkt ein Präjudiz für den Grenzstreit schaffen. Der Regierungsrat
sei, wie er demjenigen von Luzern wiederholt mitgeteilt habe, bereit,
zu einer endgiltigen Regelung der Grenzverhältnisse Hand zu bieten
und eventuell den Streitfall dem Bundesgericht als Schiedsgericht zu
unterbreiten. Wenn dann durch Gerichtsentscheid die Grenze so gezogen
werden sollte, dass der Begehungsort-des eingeklagten Vergehens auf
luzernischem Hoheitsgebiete liege, so erkläre sich Nidwalden jetzt
schon bereit, die Rechtshilie zu leisten. Ebenso wenn nach, erfolgter
Grenzregulierung noch der Begehungsort abgeklärt Werden ' müsse.

D. Der Regierungsrat .Von Luzern hat erwidert', dass er auch nach diesen
Erklärungen an dem gestellten Beschwerdebegehren festhalten müsse. Durch
die Hinausschiebung der Rechtshilfe bis nach der schiedsgerichtlichen
Grenzregulierung wiirde in fischereirechtlicher Beziehung auf dem
Seegebiet zwischen Luzern und Nidwalden ein Zustand der Anarchie
geschaffen; den nidwaldnischen Fischern wäre es inzwischen gestattet,
auf dem streitigen Grenzgebiete sich herumzutummeln und den See zu
befischen, und wenn es den luzernischen Fischern einfalle Gegenrecht zu
halten, so könnte} auch der Regierungsrat von Luzern schützend über sie
die Hand halten. Auch die Gewaltentrennnng verbiete es dem luzernischen
Regierungsrat, den Straf-Interkantonale Rechtsbilfe im Prozess. N° 41. 385

richter zur Einstellung, des hängigen Strafverfahrens bis nach
der Seegrenzregulierung anzuweisen und alsdann die Rechtshilfe bei
Nidwalden nur soweit zu verlangen, als sich nach Massgabe der neuen
Grenze die eingeklagten Handlungen auf dem Gebiete des Kantons Luzern
abgespielt haben. Die ersuehte Behörde habe bei Rechtshilfegesuchen in
Strafsachen nur zu prüfen, ob das in Frage stehende Vergehen der Art
nach zu denjenigen gehöre, die unter das interkantonale Rechtshilfereeht
fallen, nicht aber auch, ob der Ver-zeigte eines Vergehens tatsächlich
schuldig sei. Durch die Gewährung der Rechtshilfe präjudiziere Nidwalden
auch nicht seinen Standpunkt im Grenzregulierungsprozesse; denn es habe
die Rechtshilfe unter dem Zwange des Bundes-. rechts zu leisten. Das
luzernische Strafurteil Werde nur Recht schaffen im Verhältnis des
Kantons Luzern zu den abgeurteilten nidwaldnischen Bürgern, nicht auch
im Verhältnis der beiden Kantone.

E. Der Regierungsrat des Kantons Nidwalden legt mit der Duplik einen
Auszug aus dem Landratsprotokoll vom 30. Juli 1927 ein. Danach hat der
Landrat von Nidwalden einen gemäss dem Vorschlag des Vertreters von Luzern
aufgestellten Schiedsvertrag genehmigt, wodurch die Entscheidung des
Grenzstreites dem Bundesgericht als Schiedsgericht übertragen werden soll.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. Die luzernischen Behörden haben bei den nidwaldnischen die Rechtshilfe
nicht bezüglich einer Strafsache nachgesueht, die sieh nach einem
eidgenössischen Gesetze beurteilt. Denn den beim Statthalteramt Luzern
verzeigten nidwaldnischen Fischern wird nicht etwa eine Verletzung
der polizeilichen Vorschriften des eidgenössisehen Fischereigesetzes
(betreffend die Schonzeiten, die erlaubten Fanggeräte usw.) vorgeworfen,
sondern dass sie auf Gebiet des Kantons Luzern der Fischerei obgelegen
hätten, ohne hiezu einen Rechts-

306 Staatsreeht

titel (Patent, Pachtvertrag, Fischenzenrecht usw.) zu besitzen, wie
er nach dem luzernischen Recht für den Fischfang in den öffentlichen
Gewässern gefordert wird. Indessen besteht die Rechtshilfepflicht zwischen
den Kantonen für U n t e r s u c h u n g s handlungen auch in den nach
kantonalem Recht zu erledigenden Straffällen (Art. I des Bundesgesetzes
vom 2. Februar 1872 betr. die Ergänzung des Auslieferungsgesetzes),
und zwar gleichgültig, ob es sich um ein Auslieferungsvergehen handle
oder nicht (BGE 36 I S. 51 ff. mit dem Vorbehalt von Erw. 3 am Ende). Der
Regierungsrat von Nidwalden lehnt denn auch die nachgesuchte Einvernahme
nicht etwa wegen Fehlens der Rechtshilfepflicht für ein Vergehen dieser
Art, sondern einzig deswegen ab, weil die angeblich strafbare Handlung auf
nidwaldnischem und nicht auf luzernis'chem Gebiete begangen worden sei.

2. Trotz der eben umschriebenen bundesrechtlichen Ordnung Wird ein
Kanton die Vollziehung eines Rogatoriums in einer kantonalen Strafsache
zweifellos dann verweigern können, wenn er selbst (und nicht der
ersuchende Kanton) für das betreffende Vergehen die ausschliessliche
Strafhoheit oder doch bei einem denkbaren Nebeneinanderbestehen
mehrerer kantonaler Gerichtsbarkeiten die bessere Strafberechtigung
besitzt und tatsächlich die Strafverfolgung an die Hand nimmt.
Die begehrte Untersuchungsmassnahme würde in diesem Falle, wie jeder
andere strafprozessuale Akt des ersuchenden Kantons, einen Übergriff
in diel-loheitsrechte des ersuchten Kantons enthalten, den dieser
nicht zu dulden braucht und gegen den er aus Art. 5
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1    Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2    Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3    Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.
4    Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
BV den Schutz des
Bundesgerichts anrufen kann (BGE 35 I S. 6 ff.; 41 I S. 198 [9 und
allgemeiner 32 I S. 626 Erw. 1). Dasselbe muss gelten, auch ohne dass
der ersuchte Kanton selbst ein Strafverfahren eröffnet, Wenn ihm nach den
örtlichen Beziehungen des angeblichen Vergehens auf Grund der massgebenden
Kollisionsregeln an sich die bessere Strafberechtigung zustände, die
Handlung aberInterkantonale Rechtshilie im Prozess. N° 41. 30?

von ihm nicht verfolgt werden kann, weil sie nach seiner Rechtsordnung
eine erlaubte ist. Hätten die verzeigten Fischer auf nidwaldnischem
Gebiete gefischt, so lag eine Übertretung nach nidwaldnischem
Rechte nicht vor, Weil sie alle das nidwaldnische Fischereipatent
besassen. Andererseits bedarf es keiner Ausführung, dass in diesem
Falle die Ausübung des Fischfangs der luzernischen Strafhoheit nicht
unterstehen konnte. Nidwalden hätte demnach, auch ohne selbst die
Strafverfolgung einzuleiten, die begehrte Rechtshilfe ablehnen können,
wenn die Zugehörigkeit des Gebietes, in dem die Verzeigten der Fischerei
obgelegen hatten, zu seinem Staatsgebiete feststünde.

3. Im vorliegenen Falle wird nun dieses Gebiet von den beiden Kantonen
beansprucht. Damit die VerWeigerung der verlangten Einvernehme schon
heute als bundesrechtswidrig erklärt werden könnte, hätte deshalb Luzern
zum mindesten dartun müssen, dass es sich bisher im Hoheitsb e si t z e
befunden, d. h. die mit der staatlichen Hoheit über das Gebiet verbundenen
Befugnisse tatsächlich ausschliesslich _ ausgeübt habe. Wäre dies der
Fall, so liesse sich die Auffassung vertreten und wäre wohl begründet,
dass es in dieser Ausübung auch Weiterhin bis zu einem eventuellen
ihm ungünstigen Entscheide im Streite über das Hoheitsrecht selbst
zu schützen sei' und dass Nidwalden infolgedessen sich bis dahin der
Rechtshilfe bei Strafverfolgungen wegen unbefugten Fischens in dem
betreffenden Seeteile nicht wegen dessen behaupteter Zugehörigkeit zu
seinem Staatsgebiete ,entziehen könne. Indessen ist auch ein solcher
Besitz hier nicht nachgewiesen worden. Das vereinzelte Strafverfahren
vom Jahre 1923 kann dazu noch nicht genügen, umsoweniger als es auf Grund
der freiwilligen Unterwerfung des Angeschuldigten unter die luzernische
Gerichtsbarkeit durchgeführt worden ist und nichts dafür vorliegt,
dass die nidwaldnische Regierung davon schon damals Kenntnis gehabt habe.

308 . Staatsrecht.

Beim Fehlen eines nachgewiesenen Hoheitsbesitzes muss deshalb die
Rechtshilfepflicht davon abhängen, welchem der beiden Kantone das
streitige Seegebiet re c h tlic h zugehöre. Diese Frage zu entscheiden,
auch nur als blossen Präjudizialpunkt für den geltend gemachten
Rechtshilfeanspruch, ist aber das Bundesgericht im gegenwärtigen Verfahren
deshalb ausser Stande, weil die Parteien es unterlassen haben, ihm die
dazu nötigen Angaben und Unterlagen zu unterbreiten und deren Lösung einem
besonderen Verfahren vorbehalten wollen. Solange nicht in dem letzteren
die Grenze so gezogen wird, dass der Begehungsort auf luzernisches Gebiet
zu liegen kommt oder nach erfolgter Grenzbereinigung der Begehungsort
noch abzuklären bleibt, kann deshalb auch von einer bundesrechtswidrigen
Verweigerung der Rechtshilfe durch Nidwalden nicht die Rede sein. Für
beide Eventualitäten aber wird die Rechtshilfepflicht vom nidwaldnischen
Regierungsrat schon heute anerkannt, wobei er zu behaften ist.

Der Einwand Luzerns, dass das Urteil im Grenzstreite erst für die
Zukunft Recht schaffe, würde dann zutreffen, wenn Luzern sich für
sein Begehren auf einen zu seinen Gunsten bestehenden Hoheitsbesitz
an dem Streitigen Seeteile zu berufen vermöchte Er versagt; nachdem
dies nicht der Fall ist, weil der Richter im 'Grenzprozesse nicht eine
neue Grenze festzusetzen, sondern die schon bestehende zu ermitteln
haben wird; Und ebenso ist unrichtig, dass der Regierungsrat von
,Nidwalden sich durch seinen Beschluss strafrichterliche * Befugnisse
anmasse. Lediglich die Zuständigkeit des luzernisohen Strafrichters wird
von der nidwaldnischen Behörde in Abrede gestellt. Ergibt sie sich aus
dem Urteil im Grenzprozesse, so wird hernach der luzernische Richter
über die Schuldfrage und die Höhe der Strafe nach den Bestimmungen
des lnzernischen Rechts frei entscheiden können. Auch eine Anarchie
in fischereirechtlicher Beziehung ist mit dieser Lösung keineswegs
ver'-.Interkantonales Armenunterstützungsrecht. N° 42. 309

bunden. Dem Kanten Luzern stand und steht es jederzeit frei, den
Grenzstreit beim Bundesgericht anhängig zu machen (Art. 175
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 5 Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns - 1 Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
1    Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht.
2    Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.
3    Staatliche Organe und Private handeln nach Treu und Glauben.
4    Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.
'Ziff. 2 OG)
und gleichzeitig den Erlass Vorsorglicher Massregeln nachzusuchen.

Demnach erkennt das Bundesgericht : Die Beschwerde wird abgewiesen.

IX. INTERKANTONALES ARMENUNTERSTÙTZUNGSRECHT

ASSISTANCE INTERCANTONALE DES INDIGENTS

42. Urteil vom 4. November 1927 i. S. Genf gegen Basel-Stadt.

Interkantonales Armenrecht : Pflicht des Niederkunftskana. tons, die
Niedergekommene auf eigene Kosten zu verpflegen. Voraussetzungen des
Regressrechts gegen einen andern Kanton bei Unterstützung

A. Eine gewisse Martha B., heimatberechtigt und mit Wohnsitz in
Basel-Stadt, hatte sich am 24. September 1924 nach Genf begeben, wo
sie im kantonalen Frauenspital niederkam. Am 23. Oktober 1924 verliess
sie das Spital und kehrte einige Tage später nach Basel zurück. Die
Spitalrechnung von 104 Fr. blieb sie schuldig. Daraufhin stellte der
Kanton Genf dem Kanton Basel Stadt Rechnung für diesen Betrag und leitet
nun, nachdem Basel-Stadt seine Zahlungspflicht bestritt, die vorliegende
Klage ein. Genf beantragt, es sei Basel-Stadt zu verurteilen, ihm die
Kosten der Verpflegung der B. mit 104 Fr. zu ersetzen. In der Begründung
wird auf das Bundesgesetz vom 22. Juni

. 1875 hingewiesen und ausgeführt : Im Verhalten der B

die sich ausschliesslich zum Zwecke der Niederkunft nach Genf begeben
habe, liege ein Missbrauch dieses