PGB ..... PolStrG{B) . PostG . . . . SchKG. .

StrG(B) . . . StrPO . . . . StrV. . . . URG .....

VVG..Y... VZEG....

VZG .....

ZGB ..... ZPO .....

CC ...... CF ...... CO ...... CP ...... Cpc ..... ' Cpp .....
LCA ..... LF ...... LP ...... DI F ..... OBI .....

LEF ..... OGF .....

Bundesgesetz betr. den Schutz der Fabrikund Handelsmarken, etc., vom
26. September 1896.

Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege, vom 22. März
1893, 6. Oktober 1911 and 25. Juni 1921.

Bundesgesetz über das Obllgationenrecht, V. 30. März 1911. Bundesgesetz
betr. die Erfindungspatente, V. 21. Juni1907.

Verordnung betr. Ergänzung und Abänderung der Bestimmungen des
Schuldbetreibungs und Konkursgesetzes betr. den Nachlassvertrag, vom
27. Oktober 4917.

Privatrechtliclies Gesetzbuch. Polizei-Strafgesetz (buch). Bundesgesetz
über das Postwesen, vom 5. April 1910.

Bundesgesetz über Schuldbetreibuug u. Konkurs, vom 29. April 1889.

Strafgesetz (bnch). Strafprozessordnung. Strafverfahren.

Bundesgesetz betr. das Urheberrecht an Werken der Literatur und Kunst,
vom 7. Dezember 1922.

Bundesgesetz über d. Versicherung-Vertraan 2. April 1908.

Bundesgesetz über Verpfändung und Zwangsliquidation von Eisenbahnund
Schifiahrtsunternehmungen, vom 25. September 1917.

Verordnung über die Zwangsverwertung von Grundstücken, vom 23. April
1920. ·

Zivilgesetzbuob. Zivilprozessordnung.

B. Abréviations francais.

Code civil.

Coustitution federale.

Code des obligations.

Code pénal.

Code de procedure civile.

Code de procédure penale.

Loi federale sur le eöntrat d'assurance.

Loi federale.

Loi fédérale sur la poursuite pour den-es et la faillite. Organisation
judiciaire federale.

Ordonnance sur la réalisation forcée des immeubles.

c. Abbreviazioni italiane.

Codice civile svizzero.

Codice delle obbligazioni.

Codice di procedura civile.

Codice di procedura penale.

Legge federale.

Legge eseeuzioni e fallimenti. Organizzazione giudiziaria federale.

&. STMTSRECHT DROIT PUBLIC

I. GLEICHHEIT VOR DEM GESETZ

(RECHTSVERVVEIGERUN G)

EGALITÉ DEVANT LA LOI (DÉNI DE JUSTICE)1. Urteil vom 25. Èe'bmr
1927 i. S. Konsumgenossenschafi Derendingen gegen Einwohnergemeinde
Derendiugen.

Veriolgt ein Konsumverein den Zweck, in seinen Verkaufsläden nicht nur
an seine Mitglieder, sondern an jedermann Waren abzugeben, so ist es
Willkür, Wenn der den Käufern nach dem System der sog. Einkaufskarte
zurückvergiitete Rabattbetrag bei der Bestimmung des steuerpflichtigen
Reinertrages der Genossenschaft nicht zu ihren Betriebsausgaben oder
Geschäftsunkosten gerechnet wird.

A. Die rekurrierende Konsumgenossenschaft hetreibt in Derendingen
und andern Orten Verkaufsläden, in denen sie an jedermann, nicht
bloss an ihre Mitglieder, Waren abgibt. Jeder Käufer erhält dabei eine
sog. Einkaufskarte, worauf der für die Waren bezahlte Preis abgestempelt
wird. Sind alle hiefür vorgesehenen Felder durch einen Stempelaufdruck
ausgefüllt, wodurch festgestellt wird, dass der Käufer für 50 Fr. Waren
bezogen hat, so werden ihm 6% hievon, also 3 Fr. ausbezahlt. Nach der
Betriebsrechnung für das Geschäftsjahr 1924/25, worin diese Zahlungen
als Unkosten erscheinen, hat die Rekurrentin einen Überschuss von 9580
Fr. 66 Cts. erzielt. Die Steuerkommission der Gemeinde Derendingen setzte
für die Gemeindesteuer in Beziehung auf das Jahr 1925 das Vermögen der
Rekurrentin auf 70,177 Fr. und ihr Einkommen auf 19,100 Fr. fest. Der

3553141927 "s 1

2 Staatsrecht.

Verband der schweizerischen Konsumvereine, der den Geschäftsbetrieb
der Reknrrentin leitet, führte hiegegen Beschwerde, wobei er sich
bereit erklärte, ein Einkommen von 9580 Fr. 66 Cts. zu versteuern. Die
Oberrekurskommission des Kantons solotburn entschied hierüber am
28. Juli 1926 : I. Die Vermögenstaxation wird gestrichen. II. Das
in der Gemeinde Derendingen steuerpflichtige Einkommen wird auf
13,477 Fr. festgesetzt, wozu allfällige in Derendingen bezahlte
Steuern hinzugerechnet werden müssen. III. Der Rekurrentin wird eine
Entscheidgebühr von 20 Fr. auferlegt. Aus der Begründung ist folgendes
hervorzuheben : ...... Als solcher (steuerbarer Reingewinn) ist zunächst
der bilanzmässige Reingewinn von 9508 Fr. 66 Cts. (richtig 9580 Fr. 66
cts.) einzustellen, wozu noch allfällige im Geschäftsjahr 1924-25
bezahlte eidg. und kantonale Steuern, (nicht aber Gemeindesteuern),
hinzuzurechnen sind. Ferner gehört zum steuerbaren Reingewinn der von
der Rekurrentin an ihre Kunden ausbezahlte Barskonto in der Höhe von
19,565 Fr., mag er nun als gewöhnliche Rückvergütung oder als zum
voraus garantierter Rabatt unter die Kunden verteilt werden. Diese
Besteuerungdes Barskontos widerspricht weder dem Steuerreglement
der E.-G. Derendingen, noch dem Staatssteuergesetz. Ebensowenig
bedingt diese Auffassung eine ungleiche Behandlung der Konsumvereine
gegenüber den Rabaftvereinen. Seit jeher haben die Konsumvereine die
Besteuerung des Rabattes beim Bundesgericht angefochten ; alle diese
staatsrechtlichen Beschwerden sind jedoch abgewiesen worden (vgl. BGE
V. 11. Okt. 1899 i. S. Konsumverein Baden gegen Aargau, AS Bd.25 IS. 487
ff.; BGE v. 27. Juni 1901 i. S. KonsumVerein Chur gegen Graubünden, AS
Bd. 2? I S. 151 ff; BGE v. 3. Februar 1919 i. S. Elektrizitätswerke Davos
A.-G. gegen Kleinen Rat Graubünden, AS Bd. 45 I S. 1, sowie Entscheide
vom 17. März 1919 i. S. Konsumverein Altdorf und Konsumverein Erstfeld
gegen Uri). Hierauf suchten sich die Konsumvereine der Besteuerung

Gleichheit vor dem Gesetz. N° 1. 3

der Rückvergütnngen dadurch zu entziehen, dass sie deren Auszahlung im
vorneherein, z.B. durch Generalversammlungsbeschluss, zusicherten. Allein
auch diese Versuche mussten an dem im. Wesen des Konsumvereins selbst
begründeten Umstand scheitern, dass die Rückvergütung gleich der Dividende
des Aktionärs oder Genossenschafters sich als aus der Beteiligung
eines Mitgliedes beim Verein hervor-gehenden damit bezweckter und ihr
angepasster Gewinn betrachten lässt. In diesem Sinne hat das Bundesgericht
schon wiederholt Beschwerden von Konsumvereinen abgewiesen, die sich auf
den Umstand stützten, dass die Rückvergütungen im vorneherein zugesichert
worden wären (BGE vom 22. April 1904 i. S. Konsumverein Chur gegen Kleinen
Rat Graubünden, AS Bd. 30 I S. 250 ff. und Entscheid v. 20. Mai 1922
i. S. Konsumverein Eistfeld gegen Uri). In einem weitem Entscheid vom
19. Juli 1922 i. S. Konsumverein Davos und Umgebung gegen Graubünden (AS
Bd. 48 I S. 139 ff.) hat das Bundesgericht zu dem eben genannten Einwand
wie folgt Stellung genommen : ...... Da das Steuerrecht des Kantons
Solothurn keine Privilegierung des Skontos der Konsumvereine kennt, so
besteht keine Veranlassung, die vom Bundesgericht eingeschlagene Praxis
zu verlassen. Es ergibt sich also folgende Einkommensberechnung:

Reingewinn Fr. 9508.66 Skonto 19,565.Pro 1924/25 bezahlte
Kriegs-undStaatssteuern

Steuerharer Reingewinn F r. 29,073.66

Der Gemeinde Derendingen muss ein Präzipuum von 20% zugesprochen werden
vom steuerbaren Reingewinn per 29,074 Fr. somit 5815 Fr. Vom Rest per
23,259 Fr. erhält die Gemeinde Derendingen 32,94 % = 7662 Fr. Es ergibt
sich also ein in der Gemeinde Derendingen steuerbares Einkommen von
13,477 Fr., wozu noch allfällig in Derendingen bezahlte Gemeindesteuern
hinzugerechnet werden müssen.

4 Staatsrecht.

B. Gegen diesen ihm am 20. Oktober 1926 zugestellten Entscheid, soweit
er sich auf die Einkommensteuer bezieht, hat der Verband schweizerischer
Konsumvereine namens der Konsumgenossenschaft Derendingen am 11. November
1926 die staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht ergriffen mit
dem Antrag auf Aufhebung.

Es wird geltend gemacht: Infolge von Misswirtschaft habe die Rekurrentin
ihre ganze Verwaltung an den Verband schweizerischer Konsumvereine
solange übertragen, bis sie die Darlehensbeträge, die sie von diesem
erhalten habe, zurückzahlen könne und wolle. Um die zur Abzahlung
der Schulden erforderlichen Betriebsüberschüsse zu erzielen, habe der
Verband sich entschlossen, an jedermann Waren zu verkaufen und dabei
vom System der Einkaufskarte Gebrauch zu machen. Der Ertrag könne nach
den vorliegenden Umständen nicht zu Rückvergütungen an die Mitglieder
verwendet werden ; andrerseits hätte ein Verkauf ohne Gewährung von
solchen Vergütungen, Skonto oder Rabatt, da die Käufer nun einmal an den
meisten Orten der Schweiz hieran gewöhnt seien, den zu einer normalen
Rentabilität erforderlichen Umsatz nicht gesichert. Demgem'ass bildeten
die an die Inhaber von Einkaufskarten bezahlten Rückvergütungen zur
Erhöhung des Umsatzes erforderliche Geschäftsunkosten, die in keiner
Weise vom Reinertrag abhingen. Die Berufung auf die verschiedenen
Urteile des Bundesgerichts sei willkürlich, da diese auf einem
wesentlich andern Tatbestand beruhten. Es stehe fest, dass der von der
Reknrrentin Mitgliedern und Nichtmitgliedern zugesicherte Skonto eine
gegenüber allen ihren Kunden bestehende Schuld sei, worüber sich die
Oberrekurskommission ohne jegliche Begründung hinwegsetze. Das bilde
Willkür und eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs. Es liege auch eine
Verletzung der Gleichheit vor dem Gesetze vor, da im Kanton Solothurn
die von andern Händlern oder den

Gleichheit vor dem Gesetz. N° 1. 5

Rabattvereinen ausbezahlten Rabattbeträge als Gesehäktsnnkesten behandelt
würden.

6. Die Oberfekurskommission hat Abweisung der Beschwerde beantragt
und zur Begründung ausgeführt : Ein Genossenschaitskapital ist
nach der Bilanz per 30. Juni 1925 (bei der Rekurrentin) nicht
vorhanden ; die Mitgliedschaft ist somit nicht an den Besitz
von Genossenschaftsanteilscheinen geknüpft, wie dies übrigens bei
einer grossen Anzahl von Konsumund andern Genossenschaften der Fall
ist. Im weitem bestehen keine von den Genossenschaftern bestellte
Verwaltungsorgane; denn alle Rechte und Pflichten, die gesetzesund
statutengemäss sonst den Verwaltungsorgane-n der Genossenschaft obliegen,
hat die Treuhandabteilung des Verbandes Schweizerischer Konsumvereine in
Basel übernommen und zwar ohne dass der Konsumgenossenschaft Derendingen
überhaupt nur Rechnung abgelegt zu werden braucht. Die Mitgliedschaft
kann sich somit auch nicht in der sonst üblichen Mitwirkung bei
der . Bestellung der Genossenschaftsorgane äussern. Müssen bei
dieser Sachlage nicht vielmehr alle diejenigen als Mitglieder gelten,
welche eine Einkaufskarte erwerben und damit ihren Willen bekunden,
an der Verwirklichung des Genossenschaftszweckes mitzuwirken, nämsi
lich durch Zusammenschluss der Konsumenten billige" Waren einzukaufen
und am Reingewinn der Genossenschaft durch Empfang der Rüekvergütung
teil zu haben ? Geht beim Eintritt in irgend eine Konsumgenossenschait
der Wille der Eintretenden nicht überhaupt in erster Linie dahin,
billige Waren und Anspruch auf Rückvergütung zu erlangen und keineswegs
dahin, allfällige weitere Mitgliedschaftsrechte, wie Teilnahme und
Stimmrecht an der Generalversammlung auszuüben ? sicher trifft dies
bei der Beschwerdeführerin zu : denn dieselbe kann bei ihrer heutigen
finanziellen Lage gar nicht daran denken, Mitglieder mit Anteilscheinen
zu gewinnen und sie hat ein sehr geringes Interesse an

6 ' St aatsrecht.

der grössern oder geringem Zahl von stimmberechtigten Genossenschaftern,
deshalb verzichtet sie sogar auf das anderswo übliche Eintrittsgeld
von 2 Fr. Es dürfte somit gegenwärtig schlechthin ausgeschlossen
sein, auf andere Weise Genossenschafter zu werden, als durch den
Erwerb einer Einkaufskarte ; denn wer soll bei der Ausschaltung aller
Genossenschaftsorgane über die Aufnahme neuer Mitglieder entscheiden
'? Vom Gesichtspunkte des Obligationenrechts aus betrachtet, gibt es
demnach überhaupt keine Mitglieder mehr, wirtschaftlich betrachtet sind
aber alle diejenigen Genossenschafter, welche am genossenschaftlichen
Warenumsatz beteiligt sind. Beim zu starken Abstellen auf zivilrechtliche
Momente liesse sich sogar die Frage erörtern, ob überhaupt noch eine
Genossenschaft vorhanden sei oder ob nicht vielmehr für den Verband
schweizerischer Konsumvereine für seine geschäftliche Niederlassung in
Derendingen Steuerdomizil entstanden ist. Der Genossenschaftszweck hat
durch die Ausschaltung der Genossenschafter von der Geschäftsleitung
keine Änderung erfahren. Nach wie .si vor wird bezweckt, durch die
Ausschaltung des Detaillistengewinnes billige Waren zu verschaffen und
jeden über einen bescheidenen, für Reservestellungen notwendigen Gewinn
hinausgehenden Reinertrag den Käufern, welche durch ihren Warenbezug
wesentlich zu der Erzielung des Reingewinnes beigetragen haben, zukommen
zu lassen, also eine. Art Gewinnbeteiligung der am genossenschaftlichen
Warenumsatz Teilnehmenden. Aller Gewinn den Käufern, das ist einer
der Genossenschaftsmecke und um dessen Verwirklichung augenfällig in
Erscheinung treten zu lassen, muss ein Reingewinn erreicht werden,
der in Form der Rückvergiitung oder des Rabattes an diejenigen, welche
ihn zusammengetragen haben, zurückfliesst. Darin liegt der fundamentale
Unterschied zwischen dem Rabatt oder der Rückvergütung der Genossenschaft
und dem Rabatt des Einzelkaufmannes. Dieser erstrebt seinen

Gleichheit vor dem Gesetz. N° 1. '7

Reingewinn nicht zu dem Zwecke, um ihn in Form von Rüekvergütung wieder
seinen Kunden zukommen zu lassen oder, was dasselbe ist, zum voraus
in bestimmter Höhe zuzusichern, er will keine Gewinnbeteiligung seiner
Kundschaft, sondern er erstrebt seinen Reingewinn ausschliesslich für
eigene, persönliche Zwecke und um diesen persönlichen Reingewinn durch
vermehrten Umsatz zu erhöhen, greift er zum Mittel des Rabattes.

D. Der Gemeinderat und die Steuerkommission der Einwohnergemeinde
Derendingen haben sich dem Antrag der Oberrekurskommission angeschlossen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

Naeh § 2 II litt. e des bis zum 1. Januar 1926 geltenden Steuerreglements
der Einwohnergemeinde Derendingen gilt als Einkommen der aus einem
Handelsgeschäft resultierende Reinertrag, worunter im allgemeinen der
Betrag zu verstehen ist, der übrig bleibt, wenn von den Betriebs-einnehmen
die Betriebsausgaben oder -aufwendungen abgezogen werden (vgl. auch § 12
des neuen Steuerreglementes vom Jahre 1926, das ähnlich den geldwerten
Ertrag der Unternehmung nach Abrechnung der Geschäftsunkosten als
steuerbares Einkommen bezeichnet, ferner BGE 36 I S. 213, 40 I s.157,
Entscheid des BG i. S. A.-G. Elektrizitätsund Gaswerke Davos gegen
Graubünden vom 26. November 1928). Der von der Rekurrentin den Inhabern
von Einkaufskarten als Rabatt oder Skonto zurückbezahlte Betrag gehört
demnach, wie auch die Oberrekurskommission annimmt, nur dann zu ihrem
steuerpflichtigen Einkommen, wenn es sich dabei um eine Verteilung
oder Verwendung des sich aus der erwähnten Rechnung ergebenden
Reinertrages, nicht um zu dessen Erzielung dienende Betriebsausgaben
oder Gesehäftsunkosten handelt. Es steht fest, dass die Inhaber von
Einkaufskarten einen vor der Ausfüllung bedingten Anspruch gegen die
Rekurrentin auf Auszahlung des entsprechenden Rabattbe-

8 Staatsreeht.

trages haben, der rechtlich nicht vom Ergebnis der Gewinnund
Verlustrechnung abhängig ist. Nun hat sich das Bundesgericht freilich
auf den Standpunkt gestellt, dass wenn ein Konsumverein seinen Mitglied
e r n einen solchen Rabatt auszahlt, das sich ohne Rücksicht darauf,
ob der Rabattanspruch rechtlich vom Geschäftsergebnis abhängt, als
eine Verteilung des Reinertrages auffassen lasse, soweit dadurch keine
Vermögensverminderung eintrete (vgl. BGE 48 I S. 146 und Entscheid
i. S. Konsumverein Arben gegen Thurgau vom 22. September 1922). Es
liess sich dabei von der Erwägung leiten, dass die durch den Rabatt
eintretende Preisreduktion gerade die Erfüllung des Endzweckes eines
solchen Vereines und der Beteiligung der Mitglieder bildet und dass die
Rahattz'ahlung an diese, wenn sie auch rechtlich vom Gesehäftsergebnis
unabhängig ist, doch normalerweise unter der Voraussetzung, dass dieses
Ergebnis sie erlaube und das Risiko eines Verlustes unerheblich sei,
zugesichert werde. Wenn aber ein Konsumverein den Warenverkauf nicht
ausschliesslich auf die Mitglieder beschränkt oder nicht bloss den Zweck,
diese mit Waren zu versorgen, verfolgt, sondern seine Verkaufsläden
bestimmungsgemäss allgemein dem Publikum offen stehen, so hat eine allen
Käufern ohne Unterschied gewährte und beim Kaufe verbindlich zugesichert-e
Rahattzahlung ganz offenbar die Natur einer Leistung des Verkäufers aus
dem Kaufvertrag; sie bildet die Erfüllung einer dadurch übernommenen
Verpflichtung zur Rückzahlung eines Teiles des Kaufpreises. Es ist dann
nicht mehr möglich, sie als eine Leistung aus dem Gemeinschaftsoder
Mitgliedschaftsverhältnis, als die eventuell antizipierte Befriedigung
des Anspruchs auf den Anteil am Geschäftsgewinn aufzufassen. Es kann
keine Rede davon sein, in einem Fall wie dem. vorliegenden alle Käufer
zivilrechtlich oder wenigstens wirtschaftlich als Mitglieder der
Genossenschaft zu betrachten. Nach Art.

Gleichheit vor dem Gesetz. N° 1. 9

683 OR ist für eine solche Mitgliedschaft eine schriftliche Erklärung
erforderlich. Sodann berechtigt die von der Rekurrentin abgegebene
Einkaufskarte nicht zur Stimmabgabe an der Generalversammlung und damit
zur Mitwirkung bei der Verfügung über das Genossenschaftsvermögen und
verleiht dem Inhaber kein Recht an diesem oder am Geschäftsgewinn, so
dass er auch nicht wirtschaftlich einem Mitgliede gleichsteht. Zudem legt
sie ihm keine mit der Mitgliedschaft bei einem Konsumverein gewöhnlich
verbundenen Pflichten auf, wie z. B. diejenige, durch den Warenbezug zur
Erreichung des Zweckes der Genossenschaft mitzuwirken. Hieran kann auch
der Umstand nichts ändern, dass die Rekurrentin zur Zeit kein Reinvermögen
besitzt und die Geschäftsleitung dem Verband schweizerischer Konsumvereine
übertragen hat. Obwohl kein Reinvermögen da ist, so sind doch Aktiven
vorhanden, die der Veffügung der Generalversammlung oder des genannten
Verbandes unterstehen, und selbst wenn, wie die Oberrekurskommission
behauptet, wirtschaftlich dieser Verband an Stelle der Rekurrentin
getreten wäre, so folgte hieraus keineswegs, dass alle Käufer als seine
Mitglieder und damit die Rabattzahlungen als Verteilung des Reinertrages
unter die Mitglieder angesehen werden könnten.

Wenn sodann die Oberrekurskommission noch geltend machen will, es
gehöre zum Zweck der rekurrierenden Genossenschaft, allen Käufern,
auch aussenstehenden Dritten, einen Teil ihres Gewinnes zuzuwenden,
ihre Rabattzahlung bilde daher eine solche Verwendung des Reinertrages,
so tut sie damit den "Tatsachen Gewalt an. Diese Zahlung könnte dann
allenfalls so aufgefasst werden, wenn sie sich als die Erfüllung eines
Schenkungsversprechens darstellte. Dass das zutreffe, behauptet aber die
Oberrekurskommission selbst mit Recht nicht. Sie gibt zu, dass es sich
dabei um eine Gegenleistung für den der Rekurrentin durch den Verkauf
ihrer Waren

10 Steam recht.

verschafften Vorteil handelt. Das Rabattzahlungsversprechen muss als
Bestandteil des von der Reknrrent'in mit dem Warenkäufer abgeschlossenen
Kaufvertrages gelten, als Zusicherung einer Gegenleistung der Verkäuferin,
die unmittelbar den Zweck hat, den Abschluss dieses Vertrages und
dessen pünktliche Erfüllung zu erreichen. Daraus folgt ohne weiteres
mit zwingender Notwendigkeit, dass der bezahlte Rabattbetrag als zur
Erzielung des Geschäftsertrages dienende Betriebsausgabe, als Teil der
Geschäftsunkosten anzusehen ist. Der Entscheid der Oberrekurskommission
über das steuerpflichtige Einkommen der Rekurrentin erscheint daher
als willkürlich.

Freilich hat das Bundesgericht beim Entscheid i. S. Seifenfabrik Sunlight
gegen Solothurn vom 15. März 1911 (BGE 37 I S. 16) keine Willkür darin
gefunden, dass Beträge, die diese Fabrik ihren Kunden zum Zweck der
Ertragserzielung zurückvergütete, nicht als das steuerpflichtige
Einkommen vermindernde Unkosten betrachtet wurden. Allein hiehei
handelte es sich, wie das Bundesgericht feststellte, um Schenkungen
und nicht um die Erfüllung einer aus den Kaufverträgen hervorgehenden
Verpflichtung. Sodann'stützte sich das Bundesgericht dabei auf die
für die s t a a t l i c h e Besteuerung aufgestellte Vorschrift
des § 13 der Vollziehungsverordnung zum kant. steuer-gesetz die als
Geschäftsunkosten die für die Gewinnung des Einkommens n 6 t i g e n
Unkosten bezeichnet. Die Oberrekurskommission hat nicht etwa mit Rücksicht
auf diese besondere Begriffsbestimmung mangels des erforderlichen
Kausalzusammenhanges mit dem Ertrag den von der Rekurrentin ihren Kunden
ausbezahlten Rabattbeträgen die rechtliche Natur von Geschäftsunkosten
nicht zuerkannt, sondern sie gibt im Gegenteil ohne weiteres zu,
dass im allgemeinen die von andern Händlern ihren Kunden beim Verkauf
zugesicherten Rabattbeträge als zur Ertragserzielung dienende Unkosten
zu betrachten

Gleichheit vor dem Gesetz. N° 1. 11.

sind, obwohl diese nicht in engerm oder anderm Zusammenhang mit dem
Ertrag stehen als die von der Rekurrentin entriehteten Rabattbeträge.

Da somit diese, vom Standpunkt des Steuerrechts aus gesehen, genau
dieselbe rechtliche Natur haben, wie diejenigen, die andere Händler ihren
Kunden nach dem Rabattmarkenoder einem analogen System zurückvergüten,
so bildet es auch eine Verletzung der Rechtsg'leichheit, wenn eine
Steuerbehörde nur bei soichen andern Händlern, nicht dagegen bei der
Rekurrentin es zulässt, dass diese Rabattbeträge zur Ermittlung des
steuerpflichtigen Einkommens vom Rohertrag abgezogen werden.

Dass die Rekurrentin einen entsprechend höheren Reinertrag erzielte,
sofern sie den Rabatt niedriger oder ihre Verkaufspreise höher ansetzte,
lässt sich kaum nachweisen. Selbst wenn das aber zuträfe, so folgte daraus
noch nicht, dass sie für den Mehrbetrag besteuert werden könnte; denn für
die Einkommensteuer ist das Einkommen massgebend, das der Steuerpflichtige
wirklich erzielt hat, nicht ein höheres, das er hätte erreichen können,
wenn er anders vorgegangen wäre (vgl BGE 45 I S. 7..i)

Da somit die Einkommenssteuertaxation der Oberrekurskommission aufzuheben
ist und diese die Beschwerde der Rekurrentin gegen die Vermögenstaxation
gutgeheissen hat, so muss auch ihr Kostenentscheid aufgehoben werden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

Der Rekurs wird gutgeheissen und' Dispositiv II und III des Entscheides
der Oberrekurskommission des Kantons Solothurn vom 28. Juli 1926
aufgehoben.