450 ' Obligationenrecht. N° 75.

werden ist, nicht nur niemals sich veranlasst gesehen hat, gegen die
Anbringung der Bezeichnung plaquè or auf den goldplattierten Uhrgehäusen
der Beklagten oder auf ähnlichen Erzeugnissen anderer Fabrikanten
einzuschreiten, sondern selbst entschieden den Standpunkt einnimmt,
dass die Bezeichnung plaqué or sowohl für die Goldplattierung nach dem
elektrolytischen Verfahren, als für diejenige nach dem Laminierverfahren
verwendet werden dürfe, weil nach den vorgenommenen einlässlichen
Untersuchungen ersteres Plattierungsverfahren als dem letzteren ebenbürtig
anzusehen sei. Und zwar ergeben diese bereits im kantonalen Verfahren vom
Eidg. Goldund Silberamt eingezogenen Akten, dass die Administrativbehörde
diese Auffassung, welche dem Bundesratsbeschluss vom 30. April 1926
zugrunde liegt, schon lange vor Anhebung des vorliegenden Prozesses
vertreten hat. Schon die Amtliche Mitteilung betreffend die Ersatzwaren
für Gold, Silber und Platin, die das Eidg. Goldund silberamt am 15. März
1919 im Anschluss an den Bundesratsbeschluss vom 8. September 1916
betreffend Ausführung des Art. 1 des BG vom 23. Dezember 1880 erlassen
hat, gipfelt darin, dass des für die Zulässigkeit der Bezeichnung
goldplattiert oder plaqué or auf den Feingehalt und die Stärke der
Goldauflage ankomme, nicht auf das Herstellungsverfahren (ob nach
mecha. nischer oder galvanischer Methode)...

Ist aber die eidgenössische Oberaufsichtsbehörde auf Grund der umfassenden
Untersuchungen, welche der näheren Regelung der Frage der Bezeichnungen
für goldplattierte Waren auf dem Administrativwege vorausgegangen
sind, selbst zur Auffassung gelangt, dass nach dem Aufkommen und
der Entwicklung des elektrolytischen Verfahrens auch die nach diesem
Verfahren hergestellten Goldplattierungen, neben den Erzeugnissen des
Laminierverfahrens, den Namen ssssplaqué or verdienen, worauf die
Vorinstanz zu Unrecht geglaubt

Obligationenrecht. N° 76. 451

hat, kein Gewicht legen zu sollen, so spricht dies derart zugunsten der
speziell vom Experten Jeanneret und einer Reihe von Zeugen vertretenen
Auffassung über Sinn und Tragweite des Ausdrucks plaqué or in der
Verkehrssprache, dass die Grundvoraus etzung für die Annahme einer
unwahren Auskündnng im Sinne von Art. 48
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 48
OR nicht als erfüllt angesehen
werden kann. Auch liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, und ist nicht einmal
behauptet, dass die goldplattierten Uhrgehäuse der Beklagten etwa inbezug
auf Dicke und Widerstandsfähigkeit der Plattierung den Anforderungen,
die von der Aufsichtsbehörde für goldplattierte Waren gestellt werden,
nicht genügen.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Berufung wird gutgeheissen und, in Aufhebung des Urteils des
Handelsgeriehts des Kantons Bern vom lö. Februar 1926, die Klage
abgewiesen. -

76. Urteil der I. Zivilabteilung vom 30. November 1926 i. S. Wyàer
gegen Wahlen.

OR Art. 41 ff., 56. Unfall mit PferdefuhrWerk, auf dem ein Dritter
mit Einwilligung des Führers mitfährt. Tötliche Verletzung des Dritten
infolge Durchbrennens des Pferdes, das zuerst den Führer und nachher den
Dritten abwirft. Haftung des Führers bejaht aus eigenem Verschulden und
als Tierhalter. Bemessung der Entschädigung. Milderung der Haftung nach
OR Art. 43 und 44 Abs." II ; Kriterien.

A. Am 17. Dezember 1924, Nachmittags, befand sich Rudolf Wyder,
Reisender in Bern, in Köniz bei Bern, und traf daselbst den Beklagten
Wahlen an, der im Begriffe war, mit seinem, mit einigen leeren Körben
beladenen Fuhrwerk nach Bern zurückzufahren. Es ist nicht festgestellt,
ob Wyder den Beklagten ersuchte, oder ob dieser den Wyder einlud, mit
ihm heimzukehren ; Tatsache

452 Obllgationenrecht. N° 76.

ist, dass Vyder auf das Fahrwerk des Beklagten stieg. Unterwegs wurde in
der Wirtschaft Liebefeid Halt gemacht; Wyder trank dort mit dem Beklagten
und zwei Bekannten zwei halbe Liter Wein. Nachdem der Beklagte sich ein
Licht für das Fahrwerk verschafft hatte, wurde gegen 6 Uhr Abends über die
Schwarzenburgstrasse, die feucht und erdglatt war, weitergefahren. Wyder
sass links neben dem Beklagten auf dem Führersitz. Beim Steinhölzlistutz
scheute plötzlich das Pferd und brannte durch, ohne dass es dem Beklagten
trotz Bremsens, straffer Zügelanziehung und sog. Sägens gelang, es zu
bemeistern. Es rannte die abschüssige Strasse hinunter. Beim Restaurant
Südbahnhof stiess der Hinterteil des Wagens mit einem Lastantomobil
zusammen; der Beklagte wurde durch den Ruck abgeworfen und blieb auf der
Strasse liegen, während das Pferd weiter sanste. Wyder, welcher die Zügel
ergriffen hatte, versuchte vergeblich, es in seine Gewalt zu bringen. Bei
der Einmündung der Schwarzenburgstrasse in den Eigerplatz wurde der
Hinterteil des Fuhrwerks derart gegen einen Leitungskandelaber geworfen,
dass Wyder seinerseits vom Wagen geschleudert wurde und einen schweren
Schädelbruch erlitt, an dessen Folgen er am gleichen Abend verschied. Das
Pferd konnte erst einige Hundert Meter weiter zum Stehen gebracht werden ,
es wies keine Verletzungen und der Wagen keine BesehEidigungen auf.

B. Mit der vorliegenden Klage helangen die Witwe und die drei
minderjährigen Söhne des Verunglückten den Beklagten auf Ersatz des
ihnen durch den Tod Vyders erwachsenen Schadens...

(I. Der Beklagte hat gänzliche Abweisung der Klage beantragt.

D. Die kantonale Instanz hat eine Expertise durch
Prof. Dr. Fr. Schwendimann angeordnet. Dieser führt in seinem Gutachten
aus, alle Umstände sprechen dagegen, dass das Pferd durch Berührung mit
demObligationen-recht N° 76. is:}

Wagen zum Durchbrennen veranlasst werden sei. Der Unfall habe sich
offenbar wie folgt zugetragen: Der Beklagte sei mit seinem mittelschweren,
nur nach vornehin belastet-en Bockwagen in scharfem Trabe in das
Strassengefälle hineingefahren; die Überschreitung der Schwelle in dieser
Gangart habe ihn ausserstande gesetzt, das Pferd zu bemeistcrn, umsomehr
als der Umstand, dass der Hinterwagen, auf dessen Räder die Bremse
allein wirkte, nicht belastet war, und die Glätte des Strassenbodens
die Bremswirkung ganz erheblich beeinträchtigt-en Der Beklagte habe dies
indessen kaum voraussehen können, weshalb ihm ein Mangel an Sorgfalt in
der Beaufsichtigung des Pferdes nicht vorgeworfen werden könne. Dieses
mache im übrigen den Eindruck eines frommen, leicht zu lenkenden Tieres,
das andrerseits seinem Blutgrad entsprechend (leichtes irisches Halbblut)
trotz seines hohen Alters (18 Jahre) recht temperamentvell sei.

E. Mit Urteil vom 1. Juli 1926 hat der Appellationshof des Kantons Bern
die Klage grundsätzlich geschützt und die vom Beklagten zu zahlenden
Entschädigung-en bestimmt auf : _

a) Heilungs-, Pflegeund Bestattungskosten an Frau Wyder 600 Fr.;

b) an Frau Wyder für den Verlust des Versorgeis 4400 Fr.;

c) an Arnold Vyder für den Verlust des Versorgers 400 Fr.;

d) an Man Wyder für den Verlust des Versorgers 600 Fr.;

e) an Walter Werner Wyder für den Verlust des Versorgers 1000 Fr.;

je nebst 5 % Zins seit dem Unfallstage.

F. Gegen dieses Urteil haben die Kläger die Berufung an das Bundesgericht
erklärt, mit dem Antrag auf vollen Klageschutz, bezw. auf Zusprechung der

4ö-l Obligationenrecht. N° 76.

von der Vorinstanz errechneten vollen Schadenssumme von 25,600 Fr.,
ohne jeden Abzug...

G. Der Beklagte hat sich der Berufung angeschlossen und gänzliehe
Abweisung der Klage, eventuell angemessene Herabsetzung der von der
Vorinstanz gesprochenen Entschädigungsbeträge beantragt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. (Ablehnung einer vertraglichen Haftung des Beklagten.) 2. Bei der
Frage, ob die Voraussetzungen für eine

ausservertragliehe Haftung gegeben seien, ist von der Feststellung der
Vorinstanz auszugehen, dass das durchgebrannte Pferd bisher keine Unarten
gezeigt hatte und, wenn auch temperamentvoll, nicht schreckhaft oder
zum Durchbrennen geneigt war, sowie dass der vom Beklagten benutzte,
mittelsehwere Einspännerbockwagen und die Einspannungsart des Pferdes
in Ordnung waren. Ferner steht fest, dass das Fuhrwerk sehr ungleich
belastet war, was in Verbindung mit der Erdglätte der Fahrbahn nach den
Darlegungen des Experten die Bremswirkung ganz erheblich verminderte,
indem der Wagen, wie ein Schlitten, ins Gleiten kam ; infolgedessen
kann der nicht ganz abgeklärten Frage, ob der Beklagte nicht zu spät
zu bremsen angefangen habe, keine entscheidende Bedeutung beigernessen
werden. Wichtiger ist, ob der Beklagte mit dem temperamentvollen Pferde
in scharfem Trabe in den Steinhölzlistutz hineingefahren, und ob und
inwiefern darin die Ursache des Durchbrennens des Pferdes und damit
des Unfalles zu erblicken ist. Die Vorinstanz hat, in Abwägung der
Aussagen der Augen-Zeugen stueki und Schärer gegenüber der Darstellung
des Beklagten bei der Parteibefragung, als erwiesen angenommen, dass
der Beklagte, dem die Gefährlichkeit des Steinhölzlistutzes bekannt sein
musste, im Trab in das Gefälle. hineingefahren sei und erst 5 m oberhalb
des Reservoirs (das 24 schritt

Obligationenrecht. N° 76. 455

unterhalb des Beginnes der Senkung, Richtung Bern, und 12 Schritt
oberhalb der Strecke mit starkem Gefäil liegt) die Gangart etwas
verlangsamt habe, ohne aber in Schritt Tempo überzugehen, und dass
auf der Höhe des Reservoirs das Pferd im Galopp davongeschossen sei,
ohne dass der Beklagte es habe zum Stehen bringen können. Wenn die
Vorinstanz hieraus, in Verbindung mit der Erklärung des Experten, dass
das scharfe Einfahren in das Gefälle erfahrungsgemäss auch bei normalen
Verhältnissen oft eine Ursache des Durchbrennens sei, folgert, dass
der Beklagte vorsichtigerweise, und zumal bei erdglattem Strassenboden
und einseitiger Belastung des F uhrwerkes, noch auf der ch e n e n
Strassenfläche das Pferd hätte in Schritt bringen sollen, und dass die
Unterlassung dieser Vorsichtsmassnahme und die zu späten, vergeblichen
Versuche, die Gangart zu verlangsamen, als Ursache des Durchbrennens
anzusehen seien, so lässt sich dagegen ' nichts Triftiges einwenden;
diese Annahme leuchtet-z umsomehr ein, als der Experte unter Hinweis
auf dies Art und Weise der Einschirrung, sowie auf die UnverÎ sehrtheit
des Pferdes und des Fuhrwerkes dartut, dass das Pferd nicht etwa durch
Berührung mit dem nachschiessenden Wagen erschreckt und zum Durchbrennen
veranlasst worden sei.

3. Bei dieser Sachlage müsste in dem Verhalten des Beklagten, trotzdem
dieser im übrigen von der Vor-

instanz als ein vorsichtiger und erfahrener Fuhrmann

geschildert wird, ein Mangel an der nach den Umständen gebotenen
Sorgfalt im Sinne von Art. 56
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 56 - 1 Für den von einem Tier angerichteten Schaden haftet, wer dasselbe hält, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt in der Verwahrung und Beaufsichtigung angewendet habe, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.
1    Für den von einem Tier angerichteten Schaden haftet, wer dasselbe hält, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt in der Verwahrung und Beaufsichtigung angewendet habe, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.
2    Vorbehalten bleibt ihm der Rückgriff, wenn das Tier von einem andern oder durch das Tier eines andern gereizt worden ist.
3    ...31
OR erblickt, und also der dort vorgesehene
Entlastungsbeweis als gescheitert angesehen werden, sofern man überhaupt
die gesetzlichen Bestimmungen über die Haftung des Tierhalters auf
Fälle von der Art des vorliegenden anwenden will. Das Bundesgericht hat
zwar schon in mehreren Fällen von Schadenszufügung durch Haustiere und
speziell, Pferde, die eingespannt oder

456 Obligationenrecht. N° 76.

geschi'rrt waren, auf Art. 56
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 56 - 1 Für den von einem Tier angerichteten Schaden haftet, wer dasselbe hält, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt in der Verwahrung und Beaufsichtigung angewendet habe, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.
1    Für den von einem Tier angerichteten Schaden haftet, wer dasselbe hält, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt in der Verwahrung und Beaufsichtigung angewendet habe, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.
2    Vorbehalten bleibt ihm der Rückgriff, wenn das Tier von einem andern oder durch das Tier eines andern gereizt worden ist.
3    ...31
OR (bezw. 65 aOR) abgestellt, und
das Kriterium für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift jeweilen darin
erblickt, ob das Tier den Schaden aus eigenem Antrieb angerichtet habe,
ob es insbesondere durch Durchbrennen aus der Gewalt des Lenkers geraten,
oder aber von einem menschlichen Willen beherrscht gewesen sei (vgl.BGE
24 11869 Erw. 3; 2.7 II 221 ff.; 40 II 262 Erw. 2; Urt. v. 16. Nov. 1921
i. S. Stalder c. Stalder, sowie übereinstimmendOSEn, Anm. III 20, BECKER,
Anm. 2 zu OR 56, v. TUHR I 358). Auch kann es rechtlich keinen Unterschied
ausmachen, ob der Geschädigte auf der Strasse mit dem Tier in Berührung
gerät, oder ob ein mitfahrender Insasse infolge des Verhaltens des Tieres,
speziell durch Abwerfen vom Wagen, verletzt wird. Ferner wäre hier in
Betracht zu ziehen, dass im Moment, wo Wyder tötlich verletzt wurde, das
Pferd führerlos war, da ja der Beklagte vorher schon vom Wagen abgestürzt
war. Indessen hängt das Schicksal der Klage nicht von der Anwendbarkeit
der Sondervorschrift des Art. 56
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 56 - 1 Für den von einem Tier angerichteten Schaden haftet, wer dasselbe hält, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt in der Verwahrung und Beaufsichtigung angewendet habe, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.
1    Für den von einem Tier angerichteten Schaden haftet, wer dasselbe hält, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt in der Verwahrung und Beaufsichtigung angewendet habe, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.
2    Vorbehalten bleibt ihm der Rückgriff, wenn das Tier von einem andern oder durch das Tier eines andern gereizt worden ist.
3    ...31
OR ab; denn die. Unvorsichtigkeit, die
der Beklagte durch das zu rasche Hineinfahren in das Strassengefalle
begangen hat, begründet gleichzeitig ein Verschulden, vermöge dessen
er schon nach der allgemeinen Vorschrift des ss Art. 41
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 41 - 1 Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
1    Wer einem andern widerrechtlich Schaden zufügt, sei es mit Absicht, sei es aus Fahrlässigkeit, wird ihm zum Ersatze verpflichtet.
2    Ebenso ist zum Ersatze verpflichtet, wer einem andern in einer gegen die guten Sitten verstossenden Weise absichtlich Schaden zufügt.
OR für die
Unfallsfolgen haftet.

l-. (Bestattungskosten.) , -

:). Ausserdem haben sämtliche vier Kläger Anspruch rus Ersatz des
Schadens, der ihnen durch den Verlust des Versorgers entstanden ist
(OR 45 Abs. III). Nach der Ausrechnung der Vorinstanz, an welcher nichts
auszusetzen ist, würden diese Entschädigungsposten, bei Zugrundelegung
eines Jahreseinkommens des Verstorbenen von 6000 Fr. und unter der
Annahme, dass Vyder bit-von voraussichtlich 4000 Fr. für die Kläger
ver-wendet hätte, zusammen 25,600 Fr. ausmachen, nämlich 17,600 Fr. für
die Witwe, 1600 Fr. für Arnold, 2400 Fr. für Max und 4000 Fr. für Valt'er
Werner Vyder. Diese

Obiigationenrecht. N° 76. sie?

Beträge können jedoch nicht voll zugesprochen werden, sondern es
sind gemäss Art. 43
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 43 - 1 Art und Grösse des Ersatzes für den eingetretenen Schaden bestimmt der Richter, der hiebei sowohl die Umstände als die Grösse des Verschuldens zu würdigen hat.
1    Art und Grösse des Ersatzes für den eingetretenen Schaden bestimmt der Richter, der hiebei sowohl die Umstände als die Grösse des Verschuldens zu würdigen hat.
1bis    Im Falle der Verletzung oder Tötung eines Tieres, das im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten wird, kann er dem Affektionswert, den dieses für seinen Halter oder dessen Angehörige hatte, angemessen Rechnung tragen.27
2    Wird Schadenersatz in Gestalt einer Rente zugesprochen, so ist der Schuldner gleichzeitig zur Sicherheitsleistung anzuhalten.
OR die Entschädigungssummen nach richterlichem
Ermessen, unter Würdigung der Umstände und der Grösse des Verschuldens
des Beklagten, zu bestimmen. Von diesem Grundsatz, welcher das ganze
Schadenersatzrecht beherrscht, könnte auch bei Beurteilung der Streitsache
nach Art. 56
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 56 - 1 Für den von einem Tier angerichteten Schaden haftet, wer dasselbe hält, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt in der Verwahrung und Beaufsichtigung angewendet habe, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.
1    Für den von einem Tier angerichteten Schaden haftet, wer dasselbe hält, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt in der Verwahrung und Beaufsichtigung angewendet habe, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.
2    Vorbehalten bleibt ihm der Rückgriff, wenn das Tier von einem andern oder durch das Tier eines andern gereizt worden ist.
3    ...31
OR entgegen der Auffassung der Kläger nur insoweit eine
Ausnahme gemacht werden, als er mit dem Begriff der Kausalhaft nicht
verträglich ist, d.h. bezüglich der Einwirkung des Masses des Verschuldens
auf die Ausmessung der Entschädigung. Eine etwelche Herabsetzung derselben
rechtfertigt sich nun speziell in Anbetracht des verhältnismässig geringen
Verschuldens des Beklagten, welcher zwar eine offenbare Unvorsiehtigkeit
begangen hat, aber immerhin keine elementaren Gebote ausser-acht liess,
wenn er auf die Zuverlässigkeit des Pferdes, die Solidität des Fuhrwerkes
und die gute Schirrung vertrauen zu können glaubte. Auch der Umstand,
dass der Beklagte den Wyder aus Gefälligkeit aufsitzen liess, sowie
dass die Vorinstanz es als erwiesen betrachtet, dass der Beklagte durch
Leistung des vollen Ersatzes in eine Notlage versetzt wurde (OR Art-. 44
Abs. 11), ist im Sinne einer gewissen Milderung der Haftung zu würdigen,
während die Vorteile der Kapitalabung wenigstens für die Söhne
des Vernnglückten als Reduk'tionsfaktor ausser Betracht fallen, und
ebenso für die (im Zeitpunkt des Unfalles im 52. Altersjahr stehende)
Witwe die Möglichkeit einer Viedewerheira-tung. Durch Ermässigung der
Ersatzpflicht auf die Hälfte der obigen Beträge,.d.-h. auf rund 12,500
Fr., dürfte allen Verhältnissen in angemessener Weise Rechnung getragen
sein. Eine. Herabsetzung um volle drei Viertel, wie die Vorinstanz
sie vorgenommen hat, würde sich auch deswegen nicht rechtfertigen,
weil bei derart misslichen finanziellen Verhältnissen, wie sie nach
vorinstanzliclier Feststellung beim Beklagten be-458 Obligationenrecht. N°
76.

stehenîmit dem Bevorstehen einer Zwangsliquidation oder zum mindesten
eines für die Gläubiger sehr ungünstigen Nachlassvertrages schiechterdings
gerechnet werden muss. Nichts steht entgegen, dass der Richter
bei der allseitigen Würdigung der Umstände auch solche Verhältnisse
mitberücksichtigc (während allerdings darauf, dass der Beklagte bereits
mit seinen Gläubigern einen Nachlassvertrag abgeschlossen hat, nach
Art. 80
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 56 - 1 Für den von einem Tier angerichteten Schaden haftet, wer dasselbe hält, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt in der Verwahrung und Beaufsichtigung angewendet habe, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.
1    Für den von einem Tier angerichteten Schaden haftet, wer dasselbe hält, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt in der Verwahrung und Beaufsichtigung angewendet habe, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre.
2    Vorbehalten bleibt ihm der Rückgriff, wenn das Tier von einem andern oder durch das Tier eines andern gereizt worden ist.
3    ...31
OG nicht abgestellt werden dürfte, weil diese, seit Ausfällung des
kantonalen Urteils eingetretene Tatsache nicht das Prozessrechtsverhältnis
selbst berührt). Die Gesamtentschädigung von 12,500 Fr. ist wie folgt
auf die vier Kläger zu verteilen: Witwe Wyder 7000 Fr., Arnold Vyder
1000 Fr., Max Wyder 1500 Fr., Walter Werner Wyder 3000 Fr. ·

Demnach erkennt das Bundesgericht :

1. Die Anschlussberufung des Beklagten wird abgewiesen.

2. Die Hauptberufung der Kläger wird teilweise gutgeheissen und, in
Abänderung des Urteils des Appellationshofes des Kantons Bern vom 1. Juli
1926, der Beklagte zur Zahlung folgender Entschädigungen verurteilt:

(1) Heilungs-, Pflegeund Bestattungs--

kosten an Witwe VVyder . . . Fr. 600 b) an Witwe Wyder für Verlust des

Versorgers . . 7000 c) an Arnold Vyder für Verlust des

Versorgers . . . 1000 d) an Max Vyder für Verlust des Ver-

sorgers . . 1500 e) an Walter Werner Wyder für Verlust

des Versorgers . . . . . . . . . . . . _ 3000

zusammmen. . . . Fr. 13,1

nebst 5 % Zins von diesem Betrag seit 17. Dezember 1924.

Prozessrecht. N° ?? 459

V. PROZESSRECHT

PROCEDURE

77. Ari-et de la Ire Section civile ciu 21 décembre 1926 dans la cause
Commune des Agence contre Commune de Saline.

Des rapports de droit public peuvent exister non seulement entre parties
dont l'una (le eitoyen) est subordonnée àl'autre (l'Etat ou 1a corporation
publique) mais aussi entre sujets de droit coordonnés, investis d'un
pouvoir administratif et ils peuvent découler de conventions. Appartient
ainsi au droit public, 1a convention conclue entre communes en vue de
résoudre une täche administrative (construction d'une route), pour autant
que cette täche leur est commune.

A. Par décret du 10 novembre 1912 le Grand Conseil du canton du Valais
a declare d'utilité publique ia construction d'une route carrossable de
Salins au village des Agettes.

Ce décret prévoyait un devis de 171 000 fr., une contribution de l'Etat
desi33 % et mettait les frais d'établissement de la route à la charge des
deux communes, . chacune sur son territoire. Par clécret du 16 mai 1914
la route Salins les Agettes était elassée en première ciasse communale
et de ce fait l'Etat contribuait à sa construc-ss tion et à son entretien
pour le 50 %.

En date du 8 juin 1913, les Conseils de ces deux communes on't passe
une convention qui contient entre autres dispositions les suivantes:

Art. 1. __ Les t1avaux de construction de la route Salins Agettes Mayens
seront mis en soumission sans retard.

Art. 2. Chaque commune payera les travaux exécutés sur son
territoire. Toutefois, vu les avantages réels qu'il y a pour l'ensemhle de
l'entreprise de commencer les travaux par le kilométre 1 en continuation
de

AS 5211 1926 32