190 Familienrecht. N° 34.

34. Urteil der II. Zivilabteilung vom 15. September 1926
i. S. Weiss-Schmutz gegen Schmutz und Kons. Ehegüterrecht, Erbrecht:
Stellung des Ehemannes im Erbteilungsvenfahren, wenn seine Frau Erbe
ist. Verzicht des Ehemannes auf Zuteilung eines Landwirtschaftsgewerbes
anlässlich einer Erbenversammlung, an welcher er anstatt seiner Frau
teilnimrnt; nachträgliche Genehmigung durch die Frau. ZGB Art. 168 Abs. 2,
202, 620 f.

A. Die Parteien sind die Erben der am 1. März 1924 verstorbenen Witwe
Schmutz-Granwiler, in deren Erbschaft sich ein Landwirtschaftsgewerbe
befindet. An der von der Bezirksschreiberei von Sissach als Erb-schaftsamt
auf den 14. Mai 1924 einberufcnen Versammlung der Erben, an welcher
weder die Beklagte Frau Anna Weiss-Schmutz, noch die Klägerin Frau
GriederSchmutz, wohl aber deren Ehemänner teilnahmen. wurde folgende
Urkunde aufgesetzt und von den Ehemännern der beiden genannten Erbinnen,
sowie den übrigen Erben unterzeichnet:

1. Die Begehren um ungeteilte Zuweisung des landwirtschaftlichcn
Gewerbes mit Nebengewerbe, nebst Viehhabe, Fahrhabe und VVarenvcrräten
werden von Jakob Schmutz, den Ehegatten Weiss-Schmutz und den Ehegatten
Glieder-Schmutz gänzlich zurückgezogen.

2. sämtliche Grundstücke, sowie die landwirtschaftlichViehund Fahrhabe
werden durch die Erben veräussert...

5. Die Ehegatten Weiss-Schmutz reduzieren ihre in den Rechnungsruf
angemeldeten Forderungen im Gesamtbetragevon 36,034 Fr. 65 Cts. auf
10,000 Fr.

6. die Ehegatten Weiss-Schmutz erklären ausdrücklich, dass mit der
Auszahlung der obgenannten Summen von 10,000 Fr. ihre sämtlichen Ansprüche
gegenüber der Erbschaft ausgeglichen sind.

7. Der Verkauf des Geschäftes ist einem geeigneten Liegenschaftsvermittler
zu übertragen.Familienrecht. N° 34. 191

Nach den Feststellungen der Vorinstanz befassten sich die Erben in der
Folge einzeln und gemeinsam mit dem Verkaufe der Liegenschaft an einen
Dritten. Die Ehefrau Weiss nahm in dieser Sache auch mit dem Agenten
Macek Rücksprache. Als diese Verkaufsbestrebungen erfolglos waren,
schrieben die Eheleute Weiss am 8. Februar 1925 an die Bezirksschreiberei,
sie machen das bäuerliche Erbrecht geltend. Am 5. Mai 1925 verfügte die
Bezirksschreiberei die nngeteilte ZuWeisung des landwirtsehaftliclien
Gewerbes an Frau Weiss Schmutz auf Anrechnung. Hierauf erhoben die
übrigen Erben binnen der ihnen hierfür angesetzten Frist Klage mit
dem Hauptantrage, die Verfügung des Bezirksschreibers vom 5. Mai
1925 sei aufzuheben und es sei zu erkennen, dass die Beklagte die
Zuteilung nach bäuerlichem Erbrecht nicht beanspruchen könne. Für den
vorliegenden Prozess wurde die Streitfrage dahin eingeschränkt, ob die
Vereinbarung vom 14. Mai 1924 gültig sei, durch welche nach Auffassung
der Kläger die Beklagte auf ihre allfälligen Vorzugsansprüche auf das
Landwirtschaftsgewerbe verzichtet haben soll.

B. Durch Urteil vom 15. März 1926 hat das Obergericht des Kantons
Basel-Landschaft die Verfügung des Bezirksschreibers vom 5. Mai 1925
als ungültig erklärt und aufgehoben.

C. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die Berufung an das Bundesgericht
eingelegt mit dem Antrag auf Abweisung der Klage.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. -

2. Die Beklagte lässt den Verzicht auf ihr aus dem bäuerlichen Erbrecht
hergeleitetes Vorzugsrecht unter dem Gesichtspunkt nicht gelten, dass
sie an der Vereinbarung vom 14. Mai 1924 in keiner Weise Anteil genommen
habe. Indessen ist sie bis zur heutigen Verhandlung doch nie soweit
gegangen, dass sie in Abrede gestellt

AS 52 n 1926 14

192 Familienrecht. i 70 34.

hätte, ihr Mann habe damals für sie gehandelt. Wenn sie demgegenüber
heute den Standpunkt eingenommen hat, ihr Mann habe seine Unterschrift
nur in Ansehung des in Ziffer 5 und 6 der Vereinbarung ausgesprochenen
teilweisen Forderungsverzichtes, zumal auf Lidlohn, beigesetzt, und in
diesem Zusammenhang eventuell auch Irrtum ihres Mannes behauptet, so ist
dies nach Art. 80 OG unbeachtlich; übrigens liesse sich der Vereinbarung
für eine derartige Unterscheidung der Ziffern 1 und 5 nicht der geringste
Anhaltspunkt entnehmen. Ist also davon auszugehen, durch Unterzeichnung
der Vereinbarung vom 14. Mai 1924 habe der Mann der Beklagten für diese
den Verzicht auf ihren allfälligen Anspruch aus bäuerlichem Erbrecht
erklären wollen, so ist dieser Verzicht für die Beklagte doch nur
dann verbindlich, wenn entweder ihr Mann dazu befugt war, sei es kraft
ehelichen Güterrechts, sei es kraft rechtsgeschäftlicher Ermächtigung,
oder sie selbst nachträglich den Verzicht genehmigt hat. Dagegen lässt
sich nichts aus Art. 168 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 168 - Jeder Ehegatte kann mit dem andern oder mit Dritten Rechtsgeschäfte abschliessen, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt.
ZGB, wonach im Rechtsstreit mit Dritten
um das eingebrachte Gut der Ehemann die Ehefrau zu vertreten hat, gegen
die Beklagte herleiten; denn abgesehen von anderen Gründen verbietet schon
die einheitliche Anwendung des Bundesrechts, die Erbteilung in denjenigen
Kantonen, wo sie als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit geordnet
ist, als Rechtsstreit im Sinne dieser Vorschrift anzusehen, während
hievon natürlich dort, wo eine derartige amtliche ausserprozessualisehe
Mitwirkung nicht stattfindet, von vorneherein nicht die Rede sein könnte.

Mangels anderweitigen Verbringens ist anzunehmen, dass die Eheleute Weiss
Schmutz im Verhältnis zu Dritten, zu denen auch die Miterben der Beklagten
zu rechnen sind (vgl. per argumentum e contrario Art. 248 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 248 - 1 Wer behauptet, ein bestimmter Vermögenswert sei Eigentum des einen oder andern Ehegatten, muss dies beweisen.
1    Wer behauptet, ein bestimmter Vermögenswert sei Eigentum des einen oder andern Ehegatten, muss dies beweisen.
2    Kann dieser Beweis nicht erbracht werden, so wird Miteigentum beider Ehegatten angenommen.
ZGB),
unter dem Güterstand der Güterverbindung des ZGB stehen. Die Befugnis
des Ehemannes zur Verfügung über Vermögenswerte des eingebrachten
Frauen-Familiem'echt. N° 34. 193

gutes, die nicht in sein Eigentum übergegangen sind, wie der Anteil
der Frau an einer unverteilten Erbschaft mit den daraus fliessenden
'l'eilungsansprüchen, bestimmt sich daher nach Art. 202
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 202 - Jeder Ehegatte haftet für seine Schulden mit seinem gesamten Vermögen.
ZGB. Danach
bedarf der Mann 211 solcher Verfügung der Einwilligung der Frau,
sobald es sich um mehr als die gewöhnliche Verwaltung handelt. Dass der
Verzicht auf die Zuweisung des von der Mutter der Beklagten hinterlassenen
Landwirtschaftsgewerhes zum Ertragswert über den Rahmen einer gewöhnlichen
Verwaltungshandlung betreffend den Erbanteil der Beklagten hinausgeht,
unterliegt keinem Zweifel, zumal angesichts des vermutungsweise damit
verbundenen bedeutenden Vermögensvorteiles (vgl. Art. 618 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 618 - 1 Können sich die Erben über den Anrechnungswert nicht verständigen, so wird er durch amtlich bestellte Sachverständige geschätzt.538
1    Können sich die Erben über den Anrechnungswert nicht verständigen, so wird er durch amtlich bestellte Sachverständige geschätzt.538
2    ...539

ZGB). Auch durften die Miterben die Einwilligung der Beklagten nicht
etwa voraussetzen, da der in Frage stehende Erbteilungsanspruch wie
der Erbteil überhaupt für jedermann als der Beklagten und nicht ihrem
Ehe-mann gehöriger Vermögenswert erkennbar war (Art. 202 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 202 - Jeder Ehegatte haftet für seine Schulden mit seinem gesamten Vermögen.
ZGB).

Im weiteren liegen aber auch nicht genügende Anhaltspunkte dafür vor,
dass die Beklagte ihren Mann ermächtigt habe, an der Erbenversammlung
vom 14. Mai 1924 auf die Zuweisung des Bauerngutes zum Ertragswert
zu verzichten. Aus dem Umstand allein, dass die Beklagte der von der
Erbschaftsbehörde anberaumten Erbenversammlung fernblieb, dagegen ihr
Mann sich einfamd, darf noch nicht geschlossen werden, dass jene diesen
zum Abschluss eines derart folgenschweren die 'Erbteilung betreffenden
Rechtsgeschäftes ermächtigt habe, wie es der streitige Verzicht darstellt.

Dagegen hat die Vorinstanz im späteren Verhalten der Beklagten zutreffend
eine Genehmigung des Verzichts gefunden. Gegen diese Entscheidung vermag
die Beklagte nicht damit aufzukemmen, dass sie in Abrede stellt, sich
um den Verkauf des Bauerngutes bemüht zu haben; denn die bezüglichen
gegenteiligen Feststellungen der Vorinstanz, welche die Beklagte nicht

194 Familienrecht. N° 34.

in der von Art. 67 Abs. 2
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 202 - Jeder Ehegatte haftet für seine Schulden mit seinem gesamten Vermögen.
OG vorgesehenen Weise als aktenwidrig
angefochten hat und übrigens auch nicht mit Erfolg hätte anfechten
können, sind vom Bundesgericht ohne weiteres als wahr hinzunehmen
(Art. 81
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 202 - Jeder Ehegatte haftet für seine Schulden mit seinem gesamten Vermögen.
OG). Trat die Beklagte selbst in Verhandlungen mit einem
Liegenschaftsagenten, während die Vereinbarung vom 14. Mai 1924
gerade vorsah, den Verkauf des Gewerbes auf diese. Weise in die
Wege zu leiten, so durfte diese Handlungsweise von den Miterben
als Zustimmung zum Verzicht auf die zunächst begehrte Zuweisung des
Gewerbes an sie selbst aufgefasst werden, da ja nach dem damaligen
Stande des Erbteilungsverfahrens der Verkauf an einen Dritten diesen
Verzicht voranssetzte Auch kann sich die Beklagte nicht mit angeblicher
Unkenntnis der Vereinbarung vom 14. Mai 1924 ausreden. Abgesehen davon,
dass ihr heutiges Vorbringen neu und daher unbeachtlich ist, wonach
es ihrem Manne geradezu an den geistigen Fähigkeiten einangelt hätte.,
um seiner Frau den Inhalt jener Vereinbarung auch nur im wesentlichen
mitzuteilen, durften die Miterben die Kenntnis von der Vereinbarung
bei der Beklagten voraussetzen, nachdem an ihrer statt ihr Mann zur
Erbenverhandlung erschienen war, zumal als sie gerade so tätig wurde,
wie es der Vereinbarung entsprach, Übrigens hat die Vorinstanz in für
das Bundesgericht verbindlicher Weise angenommen, die Beklagte habe sich
bei ihrem Manne Kenntnis vom Inhalte der Vereinbarung verschafft. Sollte
sich die Beklagte in der Meinung um den Verkauf des Gutes bemüht haben,
sie könne sich je nach Ergebnis dieser Bemühungen endgültig über die
Frage der Zustimmung zum Verzicht entscheiden, so Würde auf einen solchen
in keiner Weise zum Ausdruck gebrachten Vorbehalt nichts ankommen können
gegenüber dem Schein der Zustimmung, wie er durch ihr äusseres Verhalten
herbeigeführt wurde. Dafür, dass die Vereinbarung von allen Mit-erben
in diesem Sinne bedingt abgeschlossen worden sei, gibtErbrecht. N° 35. 195

deren Fassung keinerlei Anhaltspunkte ab ; insbesondere sprechen dagegen
die Ziffern 3 6 der Vereinbarung, durch welche einzelne Miterben auf
sonstige Vorzugsanspriiche oder eigentliche Forderungen verzichteten, ohne
diesen Verzicht an irgend weichen Vorbehalt zu knüpfen. Der Auffassung,
die Beklagte habe dem Verzicht auf die Geltendmachung ihres erbrechtliehen
Vorzugsanspruches durch nachträgliche Genehmigung der Vereinbarung vom
14. Mai 1924 zugestimmt, kann nicht entgegengehalten werden, aus der
Verfügung des Bezirksschreibers vom 5. Mai 1925 ergehe sich, dass dieser
der Ansicht gewesen sei, es liege kein Verzicht der Beklagten vor. In
der Tat war ja die blosse Tatsache der Unterzeichnung der Vereinbarung
durch den Mann der Beklagten auf der Bezirksschreiberei für die Beklagte
selbst noch nicht verbindlich, und dass sich der Bezirksschreiber
über die rechtliche Tragweite späterer Vorgänge ausserhalb des
Erbteilungsverfahrens kein Urteil anmasstc, erscheint nur zutreffend. si

Denmark erkennt das Bundesgericht : Die Berufung wird abgewiesen und
das Urteil des Obergerichts des Kantons Basel Landschaft vom 15. März
1926 bestätigt.

H l. ERBRECHT

nnoir DES sUccEssIoNs

35. Urteil der II. Zivilabteilung vom 20. Mai 1926 i. S. Schünemann
gegen Ramseyer.

Erbengemeinschaft, besonders bei amtlicher Erbschaftsliquidation.

.-nwendung des Grundsatzes, dass einzelne Erben nicht legitimiert sind,
zur uns-erteilten Erbschaft gehörende Ansprüche gerichtlich geltend zu
machen :