170 Staatsrecht.

ziehung auf gleiche Linie. sobald man annimmt, dass es sich um einen
Fall des Art. 4 Abs. 2 des Auslieferungsgesetzes von 1852 handelte,
musste aber der Kanton Zürich dem Auslieferungsbegehren entsprechen,
selbst wenn es sich gegen einen Kantonsbürger oder einen auf seinem
Gebiete Niedergelassenen richtete. Wie das Bundesgericht schon
mehrfach entschieden hat, geht der im Interesse der Konzentration des
Strafverfahrens aufgestellte Grundsatz des Art. 4 Abs. 2 dieses Gesetzes
demjenigen des Art. 1 Abs. 2 vor. Die Auslieferung kann deshalb in solchen
Fällen nicht dadurch abgewendet werden, dass der ersuchte Kanton selbst
die strafverfolgung oder -Vollstreckung übernimmt (BGE 34 I S. 292 E. 3
mit Zitaten).

Demnach erkennt das Bundesgericht : Der Reknrs wird abgewiesen.

XII. STAATSRECHTLICHE STREITIGKEITEN ZWISCHEN KANTONEN

CONTESTATIONS DE DROITS PUBLIC ENTRE CANTONS

25. Urteil vom 5. Februar 1926 i. S. Kanton Schwyz gegen Kanton Zürich.

Vereinbarung zwischen zwei Kantonen betr. die Ordnung gewisser
Verhältnisse an interkantonalen Gewässern. Verpflichtung des einen
Kantons, dass der ganze Zulauf des Sees, dem eines der Gewässer
entstammt, auf keine Weise abgeleitet werde. Rechtlicher Charakter
der Vereinbarung und Auslegung der letzteren Verpflichtung nach der
Richtung, ob sie sich auch auf die Verhinderung von Verfügungen über
die den See speisenden Quellen seitens des privaten Quelleneigentümers
beziehe. Verneinung dieser Frage.Staatsrechtliche Streitigkeiten mischen
Kantonen. N° 25. 171

A. In der zweiten Hälfte der dreissiger Jahre des vorigen Jahrhunderts
beabsichtigten Gewerbebesitzer in Bach und Wollerau, Kantons Schwyz,
einen Teil des Wassers der Sihl von Schindellegi (Schwyz) nach Wollerau
und dem Zürichsee abzuleiten, um die damit gewonnene Wasserkraft
für ihre gewerblichen Betriebe zu verwenden. Für die zürcherischen
Vasserwerkbesitzer an der Sihl wurde der Regierungsrat von Zürich bei
demjenigen von Schwyz vorstellig, um die Ableitung zu verhindern. Die
Schwyzer Behörden vertraten den Standpunkt, dass es sich um eine
Privatangelegenheit handle, erklärten sich aber trotzdem zu Verhandlungen
über die Hebung des Anstandes bereit. Diese führten zu einer am 19. Mai
1841 von den Abgeordneten der beiden Regierungen abgeschlossenen
Übereinkunft betreffend die Sihl und den Hüttenseeabfluss , die lautet :

Der eidgenössische Stand Schwyz, für sich und mit besonderer Rücksicht
auf die Besitzer der Wasserrechte an dem Mühl Bache des Hüttensees,

Der eidgenössische Stand Zürich, für sich und mit besonderer Rücksicht auf
die Besitzer der Wasserwerke an der Sihl, haben nach vorhergegangener
Prüfung sowohl der rechtlichen als der technischen und faktischen
Verhältnisse des Sihlflusses und des Hüttensees zum Behufe der Festhaltung
eines gesicherten Rechtszustandes und im Interesse der beiderseitigen
Angehörigen folgenden Vertrag abgeschlossen :

1. Der hohe Stand Schwyz verpflichtet sich gegenüber dem hohen stande
Zürieh und den Wasserwerkbesitzern an der 3th dafür zu sorgen, dass das
Wasser des sihlflusses an keiner stelle und zu keinen Zeiten aus der
Sihl weder ganz noch teilweise abgeleitet werde ; und dass dasselbe
somit vollständig und ungeschmälert an der Grenze des Standes Zürich
diesem zugeführt werde, wie es von Alters her auch immer geschehen ist.
Es darf demnach kein Kanal und keine Wasserleitung--

1 72 St aatsrecht.

irgend welcher Art auf schwyzerischem Gebiet angelegt werden, durch
welche dem Sihlflusse Wasser entzogen und nicht mehr vor Erreichung der
Grenze in denselben zurückgeführt wurde. '

II. Dagegen verpflichtet sich der hohe Stand Zürich gegenüber dem
hohen Stande Schwyz und den Besitzern von Wasserwerken an dem aus
dem Hüttensee fliessenden Bache, die Bewilligung zu erteilen, dass der
Ausfluss dieses Mühlebaches um vier Fuss tiefer gelegt werde, als der in
dem Expertenberichte der Herren Negrelli und Eberle unter dem 7. Januar
1838 angenommene und nach einem Zeichen in der dortigen Eiche gemessene
Wasserspiegel des Sees. Zu diesem Zwecke soll eine Schleuse angebracht
werden, von Vier Fuss Breite und vier Fuss Höhe, durch welche'der See
um vier Fuss unter jenen Wasserspiegel gesenkt und um ebensoviel wieder
auf diesen gehoben werde. Dieses Verhältnis soll nach der Ausführung
der Schleuse durch einen festen Markstein für die Zukunft genau fixiert
werden. Ebenso verpflichtet sich der h. Stand Zürich, dass der ganze
Zulauf von Wasser, welches den See in seinem gegenwärtigen Bestand bildet,
auf keine Weise abgeleitet werde.

III. Die Kosten der Einrichtung der Schleuse und -

der übrigen zur Regelung dieses Abflusses notwendigen Bauten, sowie
allfällige Entschädigungen für die an den Hüttensee anstossenden
Grundeigentümer werden zürcherischer Seits getragen, hingegen die künftige
Unterhaltung der Schleuse und der übrigen zur Regulierung dieses Abflusses
notwendigen Bauten von den Besitzern der Vasserwerke am Bach.

IV. Die Arbeit selbst der Einrichtung geschieht bald möglichst unter
Aufsicht und Gutheissung der beiden von den Abgeordneten der beiden
Stande ernannten Experten. In Zukunft hat der hohe Stand Zürich, da der
Ausfluss ganz auf zürcherischem Gebiet liegt, das Recht der Aufsicht
über die vertragsmässigen Abflussverhältnisse auszuüben.Staatsrechtliche
Streitigkeiten zwischen Kantonen. N° 25. 173

V. Sollen die im Art. II bezeichneten Einrichtungen am Hüttensee sofort
gemacht werden, von dem Zeitpunkt an gerechnet, in welchem zuerst durch
die Gewerbebesitzer am Mühlebach die Abflussverhältnisse des Baches so
hergestellt sein werden, dass die den zürcherischen Gewerbebesitzern
obliegende Errichtung einer Schleuse und die Ableitung des Wassers von
da bis an die Grenze der Vollerauallmeind möglich wird. Sollte die
Ausführung dieser Einrichtungen durch ausserordentliche gewaltsame
Naturereignisse, z. B. Erdbeben, Bergsturz u. s. w. auf die Dauer
unmöglich werden, so ist der Vertrag als aufgehoben zu betrachten und
die Kontrahenten treten in den jetzigen Rechtszustand zurück.

Der Grosse Rat von Schwyz hat diese Übereinkunft am 17. Juni 1841
genehmigt. Am 19. Juli desselben Jahres hat ihr der Regierungsrat von
Zürich kraft der ihm vom Grossen Rate am 23. Juni 1840 gegebenen Vollmacht
ebenfalls die Genehmigung erteilt.

B. Der auf Zürcher Gebiet liegende Hüttensee hat seinen Abfluss nach der
schwyzerischen March, wo seine Wasserkraft von verschiedenen Verkbesitzern
benutzt wird. Als im Jahre 1923 auf einem am Hüttensee gelegenen
Grundstück Anstalten getroffen wurden, um ss eine daselbst entspringende
Quelle, deren Wasser dem See zufliesst, zu Wasserversorgungszwecken
abzuleiten, erhob der Regierungsrat von Schwyz auf Veranlassung der
Besitzer von VVasserwerken am Abfluss des Sees beim Regierungsrat
von Zürich Einsprache gegen die beabsichtigte Quellenfassung und
Ableitung von Wasser, unter Berufung auf die Übereinkunft vom 19. Mai
1841, insbesondere Art. II derselben. Der Regierungsrat von Zürich
antwortete, er habe keine Handhabe, um die beabsichtigte Ableitung
von Quellwasser zu untersagen; die von Schwyz angerufene Übereinkunft
beziehe sich nicht und könne sich nicht beziehen auf Quellwasser, das
der ausschliesslichen Verfügungsbefugnis desjenigen nnterstehe,dem Grund
und Boden gehört. Immerhin

1 74 Staatsrecht.

wurde der betreffende Grundeigentümer aufgefordert, bis zur Erledigung
des Anstandes sein Vorhaben nicht zur Ausführung zu bringen. Eine
Verhandlung zwischen Abgeordneten der beiden Regierungen führte zu
keiner Lösung. Infolgedessen erhob der Kanton Schwyz gegen den Kanton
Zürich vor dem Bundesgericht staatsrechtliche Klage über die Rechtsfrage
: Ist nicht gerichtlich zu erkennen : 1) Es sei der Kanton Zürich
pflichtig, dafür zu sorgen, dass der ganze Zulauf von Wasser, welches
den Hüttensee im Jahre 1841 gebildet hat und heute noch bildet, auf
keine Weise abgeleitet werde. 2) Der Kanton Zürich sei daher pflichtig,
die Ableitung von Quellen, welche den Hüttensee speisen, zu verhindern,
eventuell sei er im Falle der Nichtverhinderung grundsätzlich pflichtig,
Ersatzwasser zu beschaffen, subeventuell sei er schadenersatzpflichtig
zu erklären.

Die Klage stützt sich auf den letzten Satz von Ziff. II der
Übereinkunft vom 19. Mai 1841. Nach dieser Bestimmung sei, wird
behauptet, der Kanton Zürich gehalten, jegliche Ableitung von Wasser,
das dem Hüttensee zufliesst, zu verhindern. Darunter fielen auch Quellen,
deren Wasser dem see zufliesse. Dieser werde nur zum kleinem Teil durch
Tagwasser gespiesen; in der Hauptsache geschehe es durch Quellen, die
teils im, teils ausserhalb des Sees aufstossen. Würde die Ableitung
dieses Quellwassers zugelassen, so würde der Seeabfluss zu einem
starken Prozentsatz geschmälert und die fragliche Vertragsbestimmung
wäre nicht mehr erfüllt. Für diese Auffassung spreche nicht nur der
Wortlaut der Übereinkunft, sondern auch ihr Zusammenhang. Schwyz
habe ohnehin durch dieselbe grössere Verpflichtungen übernommen als
Zürich. Wollte man sie nicht auch auf die Ableitung der dem Hüttensee
zufliessenden Quellen beziehen, so hätte Schwyz kein Interesse an
der Übereinkunft gehabt. Darauf, wie das zürcherische Privatrecht das
Quellenrecht damals geordnet habe, komme nichts an. Durch internationale
ÜbereinkunftStaatsrechtliche Streitigkeiten zwischen Kantonen. No 25. 175

könne auch geltendes Recht abgeändert werden. Wenn Zürich die Ableitung
von Quellen nach seiner Gesetzgebung nicht verhindern könne, so habe es
für Ersatzwasser zu sorgen oder Entschädigung zu zahlen.

B. Der Regierungsrat von Zürich trägt auf Abweisung der Klage an und
stellte für den Fall ihrer Gutheissung das Widerklagebegehren: Ist nicht
gerichtlich zu erkennen, dass die vom Kanton Schwyz gegenüber dem Kanton
Zürich verlangte Auslegung des Staatsvertrages vom Jahre 1841 auch inbezug
auf die vertragliche Verpflichtung des Kantons Schwyz, gilt, d. h. ist
nicht der Kanton Schwyz pflichtig, die Ableitung der Quellen aus dem
Einzugsgebiet der Sihl zu verhindern, eventuell schadenersatzpflichtig
für Ableitung von Quellen aus dem Einzugsgebiet der Sihl ? Es wird
bestritten, dass Schwyz durch die Übereinkunft von 1841 grössere
Verpflichtungen eingegangen sei als Zürich. Für Schwyz habe es sich
nur um die Anerkennung einer nach internationalem und interkantonalem
Recht bestehenden Verpflichtung gehandelt, ein interkantonales Gewässer
nicht ableiten zu lassen, Während Zürich die Erstellung einer Schleuse
übernommen habe. Auch sei nicht richtig, dass der Hüttensee zum grössten
Teil durch Quellen gespiesen werde ; jedenfalls seien die Quellen, die
ausserhalb des Sees aufstossen, im Verhältnis zum übrigen Zulauf des Sees
nicht allzu bedeutend. In rechtlicher Beziehung wird eingewendet: Nach
dem zürcherischen Recht, das zur Zeit des Ahschlusses der Übereinkunft
galt, seien die Quellen als Teil der Grundstücke, in dem sie entspringen
zu betrachten gewesen und der Eigentümer habe darüber frei verfügen
können. An dieser Ordnung sei durch die Übereinkunft nichts geändert
worden. Es wäre dazu nur der Grosse Rat als Gesetzgeber befugt gewesen,
der seine Befugnisse auch nicht an den Regierungsrat habe delegieren
können (Art. 39 Ziff. 1 und Art. 10 der damals geltenden zürcherischen
Verfassung). Nach der Art des Zustandekommens

1 76 St aatsrecht.

der Übereinkunft habe es sich um eine Angelegenheit der Landesverwaltung
gehandelt, die mit Rücksicht darauf, dass sie einen andern Kanton
berührte, dem Grossen Rate zur Kenntnis gebracht worden sei. Das
private Quellwasser falle daher nicht unter die Übereinkunft. Sollte
es ebenfalls gemeint gewesen sein, so wäre der Regierungsrat nicht
zuständig gewesen, einen solchen Vertrag abzuschliessen, und dieser
deshalb unverbindlich. Auch eine Verpflichtung zur Abänderung seiner
gesetzlichen Ordnung sei der Kanton Zürich nicht eingegangen, ebensowenig
eine solche den Wasserwerkbesitzern am Abfluss des Hüttensees das
Expropriationsrecht zu verschaffen. Eventuell wäre die Übereinkunft
aus dem Gesichtspunkt der clausula rebus sic stuntibus als für Zürich
unverbindlich zu erklären. Die Pflicht, die Ableitung von Quellwasser
zu verhindern, würde gegenwärtig eine unverhältnismässig grössere Last
bedeuten als bei Abschluss der Übereinkunft. Es müsste ferner eventuell
umgekehrt auch der Kanton Schwyz als pflichtig erachtet werden, die
Ableitung von Quellwasser, das der Sihl zufliesst, zu verhindern.

C. In der Antwort auf die Widerklage wird deren Abweisung beantragt:
Die'Verpflichtung von Schwyz betreffend die Ableitung von Wasser aus
der Sihl umfasse nach dem Wortlaut das Quellwasser nicht, während dies
nach dem Wortlaut der den Zulauf des Hüttensees betreffenden Bestimmung
der Fall sei. Auch könne nicht anerkannt werden, dass der Regierungsrat
von Zürich unter der letzteren Annahme zum Abschluss der Übereinkunft
nicht zuständig gewesen wäre oder dass der Kanton Zürich sich von
der übernommenen Verpflichtung wegen wesentlicher Veränderung der
massgebenden Verhältnisse heute als entbunden ansehen dürfte {clausula
rebus sic stantibus).

D. Die Duplik enthält keine neuen Gesichtspunkte.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung : 1. Das erste Klagebegehren hat keine
selbständigeStaatsrechtliche Streitigkeiten zwischen Kantonen. N° 25. 177

Bedeutung sondern gibt nur den Rechtsgrund für das zweite Begehren an,
nämlich die nach dem letzten Satz von Ziff. II der Übereinkunft vom
19. Mai 1841 von Zürich eingegangene Verpflichtung. streitig ist, ob
gemäss dieser Verpflichtung dem Kanton Schwyz gegenüber dem Kanton Zürich
ein Anspruch im Sinne des zweiten Klagebegehrens zustehe. Auch soweit
die Verbindlichkeit der Verpflichtung vom Kanton Zürich bestritten wird,
bezieht sich dies nur auf die Tragweite, die der Kanton Schwyz ihr nach
dem zweiten Klagebegehren geben will, während die Verbindlichkeit in der
ihr von Zürich beigelegten Bedeutung nicht in Frage gestellt ist. Es ist
deshalb über dieses Klagebegehren nicht besonders zu urteilen. Vielmehr
steht und fällt es mit dem Schicksal des zweiten Klageantrages.

2. Die Übereinkunft von 1841 schafft nur wechselseitige Bindungen der
vertragschliessenden Kantone als staatlicher Gemeinwesen, ohne unmittelbar
in die innere Rechtsordnung dieser Gemeinwesen, in das Verhältnis des
Staates zu seinen Angehörigen einzug'reifen. Zu dieser Annahme führen
schon die Fassung und der Inhalt der getroffenen Vereinbarung, ganz
abgesehen von der durch Zürich aufgeworfenen Frage, ob für diesen Kanton
die verfassungsmässige Form eines die innere Rechtsordnung berührend-In
Erlasses beobachtet wäre. Wohl sind die gegenseitigen Verpflichtungen
im Interesse von einzelnen Angehörigen der beiden Vertragsparteien
eingegangen worden; aber sie verpflichten und berechtigen nicht jene
selber, sondern nur die vertragschliessenden Gemeinwesen als solche. Das
gilt insbesondere von dem letzten Satz der Ziff. II der Übereinkunft,
aus dem der Kanton Schwyz seinen Anspruch an den Kanton Zürich herleitet,
wie Inhalt und Fassung der Bestimmung ohne weiteres zeigen. So haben denn
auch nicht die schwyzerischen Wasserwerkbesitzer gegen die zürcherischen
Quelleigentümer geklagt, sondern der Kanton Schwyz erhebt einen eigenen
Anspruch gegen den Kanton Zürich darauf, dass dieser

178 Staatsrecht.

die Ableitung von Quellen, die den Hüttensee speisen, zu verhindern,
eventuell Ersatzwasser zu beschaffen oder Schadenersatz zu leisten habe. -

3. Nach der Klage hätte Zürich dem Kanton Schwyz gegenüber die
Gewährleistung dafür übernommen, dass auch die Quellen, deren Wasser
dem Hüttensee zufliesst, in keiner Weise abgeleitet werden. Für die
Auffassung des Kantons Schwyz scheint auf den ersten Blick der Wortlaut
der fraglichen Verpflichtung zu sprechen. Immerhin bestehen hier bereits
deshalb einige Zweifel, weil vom Zulauf von Wasser die Rede ist, was im
Sinne von Wasserlauf ausgelegt werden kann, und weil die Vasserläufe
fast überall, insbesondere in den schweizerischen Rechtsordnungen,
hinsichtlich der Verfügungs--

befugnis anders behandelt waren als die Quellen. Entsi

scheidend fallen aber für die Ablehnung jener Auffassung folgende
Erwägungen in Betracht : Da die Verpflichtung, die Ableitung von Wasser
zu verhindern, das zürcherische Gemeinwesen als solches trifft, kann sie
nur Massnahmen umfassen, die in der Machtbefugnis dieses Gemeinwesens
oder seiner Behörden liegen. Wäre die Verpflichtung

weiter in dem Sinne auszulegen, dass sie auch die Bei

schränkung von Rechten der einzelnen Bürger oder den Verzicht auf
solche umfasste, so müsste dies in bestimmter Weise zum Ausdruck gelangt
sein, und es wäre ferner der Regierungsrat, selbst mit grossrätlicher
Ermächtigung, kaum zuständig gewesen, eine solche Verpflichtung zu
übernehmen. Wenn überhaupt, hat ein Staatsvertrag unmittelbar verbindliche
VVirkung für die Einzelnen nur, soweit er selber Rechtsätze aufstellt,
was hier nicht der Fall ist. Aber auch von einer Verpflichtung der
Gemeinschaft, die Befugnisse der Einzelnen (hier gewisser zürcherischer
Kantonseinwohner) über das Mass der der Gemeinschaft und ihren Organen
zustehenden Rechte hinaus zu bestimmen und zu beschränken, kann vorliegend
nicht die Rede sein. Eine solche Beschränkung im Sinne des heute von
Schwyz erhobenen Staatsrechtliche Streitigkeiten zwischen Kantonen. N°
25. 179

Anspruchs wäre auf eine Änderung der inneren zürche-a rischen
Rechtsordnung hinausgelaufen, welche die nichtzürcherischen Besitzer
von Wasserwerken am Ablauf des Hüttensees vor den zürcherischen
Wasserwerkbesitzern an dortigen Vasserläufen bevorzugt hätte. Schon
das frühere, vor dem Inkrafttreten des privatrechtlichen Gesetzbuches
geltende zürcherische Recht gab den Besitzern solcher Werke kein Recht
an den Quellen, die den Wasserlauf speisen, sondern unterstellte diese,
soweit sie in privatem Eigentum entspringen, der freien Verfügung des
Grundeigentümers (ULLMER Kommentar zum Privat-rechtlichen Gesetzbuch, Anm.
958, 1 zu § 658). Das in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts
erlassene Privatrechtliche Gesetzbuch hat dann ausdrücklich bestimmt,
dass auf einem Grundstück entspringendes Quellwasser, solange es auf
dem Grundstück verbleibt, Bestandteil desselben sei (g 658 des früheren
Gesetzes und § 221 der Fassung von 1887), woraus die Rechtsprechung
schloss, dass den Unterliegern ein Anspruch auf den Zufluss des
Quellwassers nicht zustehe, soweit sie nicht ein besonderes dingliches
Recht darauf erworben haben (vgl. Anm. 958, 3 und 4, Anm. 959, 2 und
3 des Uhr-Menschen Kommentars). Die nämlichen Grundsätze gelten nach
dem schweizerrischen ZGB (Art. 704
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 704 - 1 Quellen sind Bestandteile der Grundstücke und können nur zugleich mit dem Boden, dem sie entspringen, zu Eigentum erworben werden.
1    Quellen sind Bestandteile der Grundstücke und können nur zugleich mit dem Boden, dem sie entspringen, zu Eigentum erworben werden.
2    Das Recht an Quellen auf fremdem Boden wird als Dienstbarkeit durch Eintragung in das Grundbuch begründet.
3    Das Grundwasser ist den Quellen gleichgestellt.
ZGB, Urteile des Bundesgerichts vom
4. Oktober 1916 AS 42 II S. 438 und vom 13. März 1917 AS 43 II s. 152). Es
kann aber nicht die Meinung der Übereinkunft von 1841 gewesen sein,
für die Rechtsverhältnisse an den Quellen, die den Hüttensee speisen,
und die Rechte der schwyzerischen Besitzer von Wasserwerken am Ablauf
desselben eine hievon abweichende besondere, letztere begünstigende
Ordnung zu schaffen. Vielmehr kann die vom Kanton Zürich durch die
streitige Bestimmung übernommene Verpflichtung nur darauf gegangen sein,
die Ableitung des dem Hüttensee zufliessenden Wassers zu verhindern,
soweit dem nicht private Rechte Einzelner entgegenstehen. Zu diesen

180 Staatsrecht.

Rechten Dritter aber gehört das Recht der Eigentümer von Grundstücken,
in denen Quellen entspringen, über deren Wasser zu verfügen. Dies
ergibt sich auch daraus, dass es sich bei der Übereinkunft von 1841 um
die Ordnung von Verhältnissen handelt, die in die verwaltungsrechtliche
Befugnis der Behörden der beiden beteiligten Kantone fallen. so ist nach
der Auffassung beider Parteien, die Verpflichtung des Kantons Schwyz,
dafür zu sorgen, dass das Wasser des Sihlflusses nicht abgeleitet werde,
dahin zu verstehen, dass aus dem Flusslauf selber kein Wasser abgeleitet
werden soll, was die Kantonsbehörden zu verhindern in der Lage sind,
dass aber das Recht der Grundstückeigentümer, über das zu

ihren Grundstücken gehörende Quellwasser zu verfügen,_

dadurch nicht beschränkt wird. Es läge daher ein Missverhältnis der
gegenseitigen Verpflichtungen vor, wenn diejenige Zürichs mit Bezug auf
die Zuläufe des Hüttensees anders ausgelegt würde. Die Verschiedenheit
der Fassung der beiden Bestimmungen erklärt sich leicht dadurch, dass
dieselbe der konkreten Sachlage angepasst wurde.

4. Erscheint danach der von Schwyz erhobene Anspruch aus der Übereinkunft
nach dem Inhalt der Bestimmung, auf die sich derselbe stützt, als
unbegründet, so brauchen die weiter von Zürich dagegen erhobenen
Einwendungen der Unzuständigkeit der zürcherischen Behörden zum Abschluss
einer so weit tragenden Vereinbarung, und der clausula rebus sic stantious
nicht geprüft zu werden. Auch wird damit die Viderkiage gegenstandslos,
da sie nur für den Fall der Gutheissung der Klage erhoben ist.

5. Andererseits bleibt die Frage unpräjudiziert, ob und inwiefern
allenfalls bei dem interkantonalen Charakter des in Betracht kommenden
Gewässers (Ablauf des Hüttensees) der Kanton Schwyz sich der Ableitung
von Quellen, die den See speisen, aus einem anderen rechtlichen Grunde,
nämlich deshalb Widersetzen könnte,Staatsverträge. N° 26. 18 1

weil die dadurch bewirkte Schmälerung des Wasser ablaufes in Seine
Hoheitsrechte, die Befugnisse eingreife die ihm als Inhaber der
Wasserhoheit an dem auf seinen; Gebiete liegenden Teil des Gewässers
zustehen (ng hiezu das Urteil des Bundesgerichts AS 3 34 insbes. Erw. 4
ff.). Es würde sich hiebei um einen Anspruch anderer Art handeln, der
sowohl hinsichtlich seines Bestehens als seines Umfangs an von dem aus
der Übereinkunft von 1841 hergeleiteten verschiedene Voraus-setzungen
geknüpft wäre. Die vorliegende Klage gründet s1ch aber ausschliesslich
auf die erwähnte Ùbereinkunft während für einen auf jenen anderen
Rechtstitel sit-ji stützenden Anspruch weder tatsächlich noch rechtlich
eine Substantiierung gegeben worden ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht : Die Klage wird abgewiesen.

X I I I. STAATSVERTRÀGE

TRAITÉS INTERNATIONAUX

26. Arrèt du 23 janvier 1926 dans la cause Truffat et consorts contre
dames Barras et Boz-card.

Traité france suisse du 15 juin 1869.

Jugement d'un tribuna] francais

1° donnant acte aux parties défendsseresses de leur declaration-de
se rallier aux conclusions des demandeurs celles ci tendantes à donner
mission au liquidateur d'une succcession ouverte en France de requérir de
tous dépositaires ou détenteurs les titres dépendant de la succession, et

2° ordonnant que les fonds et valeurs en dépöt auprés d'une Justice de
paix en Suisse seront remis audit liquidateur

Considerant Z : Question de savoir si pour faire lever l'oppo: Sition
des défendeurs à la remise des titres il était nécessaire d'obtenir
l'exequatur du jugement. (Question réservée.) AS 52 I 1926 13