342 Obligationenreeht. N ° 54.

lichen Interessen darin. Dem Zweck und der Bedeutung des Rechts entspricht
es, dass es als ein mit verstärkter . individueller Zugehörigkeit
ausgestattetes, d. 11. als ein wohlerworbenes Recht im Sinne von Art. 627
Abs. _I

OR zugestanden ist, das nicht durch Mehrheitsbeschluss.

der Generalversammlung, im Wege der Statutenrevision, entzogen werden
kann. Ein solches Recht kann auch in den Statuten der Gesellschaft
durch deren einseitigen Willensakt begründet werden (s. z. B. BACHMANN.
Die Sonderrechte des Aktionärs, 180 f.; STRÄULI, in ZSR 36 10. Vgl. auch
v. TUHR, Allg. Teil des deutsch. bürg. R. I 555 zu der allgemeinen
Bestimmung von 535 BGB, die analog lautet wie Art. 627 Abs. I für-die
A.-G.). Es ist eine Frage der Auslegung der Statuten der Beklagten, ob
Art." 19 derselben den Gemeinden eine bloss präkaristische, im Wege der
Statutenänderung jederzeit Widerrufliche Befugnis, je einen Vertreter in '
den Verwaltungsrat zu wählen, einräumen will, oder aber ein wohlerworbenes
Recht dieses Inhalts im ange, gebenen Sinn. Im erstern Fall könnte nach
dem Gesagten "die Bestimmung gegenüber Art. 644 Abs. III Z. 1 OR kaum
als geschützt gelten durch den aus Art. 6 Abs. IV StimmrechtsG folgenden
Satz des Eisenbahnrechts des Bundes, wohl aber im letzteren Fall. Schon
hierin liegt ein starkes Argument für die Annahme eines wohlerworbenen
Rechts, da man ,doch gewiss eine rechtlich gültige Vorschrift aufstellen
wollte. Art. 19 spricht sodann, und zwar in denselben Wendungen wie für
den Staat, von einem A n s p r u c h auf Vertretung, den die Gemeinden
h a b e n, welche Ausdrücke auf ein dauerndes Recht, und nicht auf
eine blosse Widerrufliche Befugnis hindeuten. Dazu kommt die Erwägung,
dass das Vertretungsrecht eine Art Gegenleistung dafür ist, dass die
Gemeinden als Subvention Aktien in grösseren Beträgen zeichneten,
und dass es gewährt wurde in Anerkennung der dauernden Interessen der
Gemeinden am Unternehmen, was alles zwingend gegen die Aus-

Prozessrecht. N° 55. 343

legung spricht, die in Art. 19 nur eine jederzeit durch Statutenrevision
zurücknehmharev Vertretungsbefugnis der Gemeinden erblickt, wie sie
vor Art. 644 Abs. III Z. 1 OR kaum gültig gewährt werden könnte,
und nicht vielmehr ein unentziehbares Recht, wie es die Beklagte als
Eisenbahngesellschaft den beteiligten Gemeinden zubilligen konnte.

7. Hieraus folgt, dass die Bestimmung in Art. 19 der Statuten, derzufolge
die dort genannten Gemeinden, worunter die Klägerin, als Inhaber von
sog. Subventionsaktien Anspruch auf je einen Vertreter im Verwaltungsrat
haben und diesen wählen, rechtsgültig ist als unentzieh-bares
Sonderrecht. Klagebegehren 1 ist daher gutzuheissen. (Abweisung von
Rechtsbegehren 2 und Gutheissung von Reehtsbegehren 3.)

Demnach erkenni das Bundesgericht :

Die Klage wird dahin gutgeheissen, dass festgestellt wird, dass die
Klägerin berechtigt ist, einen Vertreter in den Verwaltungsrat der
Beklagten zu Wählen, und dass die Beklagte den vom Gemeinderat in
dieser Eigenschaft gewählten Gemeinderat und Amtsrichter Jakob E. als
Mitglied ihres Verwaltungsrats anzuerkennen hat. Im übrigen wird die
Klage abgewiesen.

VI. PROZESSRECHT

PROCEDURE

55. Beschluss des Geamtgerizhtsss vom 3. Juli 1925 i. S. Moos g-si
gen Kaufmann.

Die Unterlassung der Einlegung einer die Berufung begründende-n
Rechtsschrift im Sinne des Art. 67 Abs. 4 OG macht die Berufung
unwirksam. '

Die blosse Rüge aktenwidriger Feststellungen kann nicht als schriftliche
Begründung der Berufung gemäss Art. 67 Abs. 4 OG gelten. '

344 szessrecht. N° 55.

A. undB. (gekürzt). Mit durch Eid der KlägerinMutter bedingtem Urteil vom
15. Dezember 1924 wurde die vorliegende Vaterschaftsklage vom Obergericht
des Kantons Basel-Landschaft zugesprochen, vor welchem noch streitig waren
eine praenumerando zu entrichtende monatliche Alimentation von 50 Fr. bis
zum vollendeten 18. Altersjahr des Kindes und die Kosten der Entbindung,
des Unterhalts der Mutter um die Zeit der Geburt und anderer infolge der
Schwangerschaft und der Entbindung notwendig gewordener Aufwendungen im
Betrage von insgesamt 436 Fr.

C. Gegen dieses am 24. Dezember zugestellte Urteil hat der Beklagte
mit Schreiben vom 12. Januar 1925 an das Obergericht die Berufung
an das Bundesgericht erklärt mit dem Antrag auf Abweisung der Klage.
Am 13. Januar 1925 sodann hat er an die Obergerichtskanzlei eine Eingabe
gerichtet, welche sich auf die Bezeichnung von vier aktenwidrigen
Feststellungen der Vorinstanz und der damit in Widerspruch stehenden
Akten beschränkt.

D Die 11. Zivilabteilung des Bundesgerichts hat in ihrer Sitzung
vom 19. Februar, in welcher die Eintretensfrage zur Behandlung kam,
die Eingabe des Beklagten vom 13. Januar als dieBerufung begründende
Rechtsschriftim Sinne des Art. 67 Abs. 4 OG gelten lassen, welcher
anWendbar ist, Weil der Streitwert nur (höchstens, nämlich bei
Kapitalisierung zu 4%) 6426 und 436 = 6862 Fr. beträgt. Da jedoch die
I. Zivilabteilung in ihrem Urteil vom 20. Januar 1925 i. S. Decurtins und
Berther c. Gebrüder Huber eine gleichartige Eingabe nicht als die Berufung
begründende Rechtsschrift hatte gelten lassen, hat die II. Zivilabteilung
die Erledigung des Falles ausgesetzt bis zur Entscheidung der Rechts[rage
durch das Gesamtgericht gemäss Art. 23 Abs. 2 OG, ob die blosse Rüge
aktenwidriger Feststellungen als schriftliche Begründung der Berufung
gemäss Art. 67 Abs. 4 gelten könne . Im Zusammenhang damit hat die

Prozessrecht. N° 55. 34,5 II. Zivilabteilung am 18. Juni weiter
beschlossen, dem Gesamtgericht die Rechtsfrage vorzulegen, ob die
Unterlassung der Einlegung einer die Berufung begründenden Rechtsschrift
im Sinne des Art. 67 Abs. 4 OG die Berufung unwirksam mache .

Das Bundesgericht ( Gssesamtgericht) zieht[ in Erwägung:

1. Da die dem Gesamtgericht in ersterLinie zur Entscheidung unter-breitete
Rechtsfrage bei der Verneinung der ihm in zweiter Linie vorgelegten
gegenstandslos würde, ist letztere vorwegzunehmen.

Art. 67 Abs. 4 OG bestimmt : Wenn der Wert des Streitgegenstandes
den Betrag von, 8000 Fr. nicht erreicht, so hat der Bemfnngskläger
der Berufungserklärung eine Rechtsschrift beizulegen, Welche die
Berufung begründet. Diese Vorschrift ist seit ihrer Geltung in ständiger
Rechtsprechung dahin ausgelegt worden, dass in den Fällen, in welchen die
Einlegung einer die Berufung begründenden Rechtsschrift gefordert wird,
die Unterlassung dieser Verkehr die Berufung unwirksam macht. An dieser
Rechtsprechung ist fest; zuhalten. Sie findet ihre Begründung zunächst
in der imperativen Fassung der Vorschrift, die im Gegensatz steht zu
Art. 72 OG (Wonach der Berufungsbeklagte befugt ist, innerhalb der Frist
von zehn Tagen eine Ante-Ä wort einzureichen) und Art. 74 OG (wonach den
geladenen Parteien das Recht zusteht, an dem festgesetzten Tage vor dem
Bundesgerichte das Streitverhältnis mündlich entweder selbst vorzutragen
oder durch Bevollmächtigte vortragen zu lassen, und ihr Ausbleiben für
sie keinen Rechtsnachteil zur Folge hat) und nicht erlaubt, dass an ihre
Ausserachtlassung keinerlei Rechtsnachteil geknüpft wird, als ob es sich
lediglich um eine Befugnis des Berufungsklägers handeln Würde. Welches
dieser Rechtsnachteil sei, sagt das OG freilich nicht ausdrücklich;
allein wenn es in Art. 79, vorschreibt, dass das Bundesgericht von Amtes
wegen zu prüfen habe. ob die

346 Prozessrecht. N° 55.

Berufung in der gesetzlichen Form (und Frist) eingelegt sei, so ist kein
anderer ZWeck dieser Prüfung ersichtlich, als dass Berufungen, die nicht
in der gesetzlichen Form s eingelegt worden sind, zurückzuweisen sind,
was denn auch nicht in Zweifel gezogen wird bei Verletzung anderer
Formvorschriften (Art. 67 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs._3), die zum Teil
(Abs. 1) weniger kategorisch formuliert sind. Nichts anderes ergibt
sich aus der Verwendung des Indikativ Praesens im französischen Text
(seit der Revision von 1921 statt des früheren Futurums) und des
Futurums im italienischen Text; denn nach dem Sprachgebrauch wird durch
diese Zeitformen der gleiche Sinn zum Ausdruck gebracht wie durch die
imperative Formulierung des deutschen Textes, und sie sind denn auch
zur Verwendung gelangt bei anderen Formvorschriften, deren Verletzung
unbestrittenermassen die Unwirksamkeit der Berufung zur Folge hat
(Art. 67 Abs. 1 und 2 Satz 1 des französischen und Art. 67 Abs. 2 Satz
I und Abs. 3 des italienischen Textes). Endlich darf auch nicht etwa
ein Gegenschluss gezogen Werden aus Art. 167 OG, der die Einlegung des
Rechtsmittels der strafrechtlichen Kassationsbeschwerde als wirkungslos
erklärt bei Nichtbeobachtung der Vorschrift, dass innerhalb zwanzig
Tagen seit der Eröffnung des kantonalen Urteils oder Entscheides der
Beschwerdeführer dem Kassationshofe seine Anträge schriftlich einzureichen
und zu begründen hat. Hier hedurfte es einer ausdrücklichen Vorschrift zur
Anordnung, dass das zunächst gemäss Art. 164 und 165 DG wirksam eingelegte
Rechtsmittel nachträglich wirkungslos werde, und übrigens hat ein solcher
Gegenschluss aus dem Fehlen einer entsprechenden Vorschrift bei den andern
im OG vorge-sehenen Rechtsmitteln nie gezogen Werden Wollen. Aber auch in
dem durch die Vorschrift des Art. 67 Abs. 4 OG verfolgten Zweck findet
die Rechtsprechung, von der die II. Zivilabteilung abweichen möchte,
ihre ss Begründung. Dieser ZWeck ist im Urteil vom 3. Oktober

Prozessrecht. N° 55. 34?

1902 i S. Schumann gegen Krauth & Cie (AS 28 II S. 598; vgl. auch
die Botschaft des Bundesrates 1mBundesblatt 1892 II S. 333 f.) dahin
umschrieben worden, dass in Fällen geringeren Streitwertes der
Berufungsrichter in den Stand gesetzt sein soll, innert relativ kurzer
Zeit das Streitverhältnis nach seiner tatsächlichen und rechtlichen
Seite überblicken zu können und so eine raschere Erledigung dieser
Fälle herbeizuführen Hieraus hat das Bundesgericht im angeführten
Urteil gefolgert, dass der hlosse Hinweis auf die Rechtsausführungen
vor den kantonalen Instanzen die Rechtsschrift nicht zu ersetzen
vermag, und im gleichen Sinn hat sich die I. Zivilabteilung auch
noch im Urteil vom 8. Mai 1919 i. S. Morgenegg c. Bächler (AS 45 il
S. 214 f.) ausgesprochen. Genügt aber die ausdrückliche Bezugnahme
auf die Rechtserörtemngen im kantonalen Verfahren nicht, so lässt sich
gegen die in Frage gezogene Rechtsprechung auch nicht etwa anführen,
dass jede Berufungserklärung ss implizite eine solche Bezugnahme
enthalte. Anderseits folgt aus der angegebenen Zweckbestimmung, dass
die Einlegung einer die Berufung begründendenr Rechtsschriit nicht
nur eine Befugnis des Berufungsklägers darstellt, auf deren Ausübung
er nach seinem Belieben verzichten könnte. Hiegegen kann daraus nichts
hergeleitet werden, dass die B,.ruiungsbegründung für das Bundesgericht
nicht verbindlich ist, sondern es die Berufung gegebenfalls auch aus in
der Begründungsschrift nicht angeführten Gründen gutheissen kann.

Endlich setzt die Anwendung des Art. 72 OG betreffend Mitteilung
der Rechtsschrift des Berufungsklägers an den Berufungsbeklagten und
Befugnis des letzteren zur Einreichung einer Antwort voraus, dass eine
Berufungsbegründungsschrift vorliege.

Es mag nun freilich als Anomalie erscheinen, dass der Berufungskläger,
während er sich in Fällen höheren Streitwertes ohne Rechtsnachteil auf
die Berufungs-

_erklàrung beschränken darf, in Fällen geringeren Streit si

348 Preises-steckt N° 55.

weites ein mehreres tun muss. Allein dies erklärt sich einerseits
aus der angeführten Zweckbestimmung des Art. 67 Abs. 4 OG, anderseits
daraus, dass die dem ' Berufungskläger aus dem mündlichen Vortrag des
Streitverhältnisses vor Bundesgericht durch einen Anwalt ers-wachsenden
Kosten so bedeutend sind, zumal bei weiter Entfernung der Vorinstanzen
vom Sitze des Bundesgerichts, dass es nicht anging, an sein Ausbleiben
bei der mündlichen Parteiverhandlung den Rechtsnachteil der Unwirksamkeit
der Berufung zu knüpfen. Dazu kommt, dass der mündliche Vortrag dem Zweck
nicht mehr zu dienen vermag, um deswillen die schriftliche Begründung
der Berufung vom Bundesgericht und mit ihm vom Bundesrat im Interesse der
Rechtsprechung schon im Jahre 1893 und wieder bei der neuesten Revision
des OG im Jahre 1921 ohne Beschränkung auf die geringeren Streitwerte
postuliert worden ist. Nach der Auffassung des Bundesgerichts stellt
das Fehlen der schriftlichen Begründung bei höheren Streitwerten und
bei nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten einen Mangel dar, der sich
historisch daraus erklärt, dass die rein mündliche Berufung erst durch
die Verhandlungen der Bundesversammlnng in den Gesetzesentwurf eingeführt
wurde, und dessen Übertragung auf das besser geordnete Berufungsverfahren
bei geringeren Streitwerten vermieden Werden muss.

2. Die Rüg'e der Aktenwidrigkeit richtet sich gegen die tatsächlichen
Gründe des angefochtenen Urteils und gehört daher unzweifelhaft zur
Berufungsbegründung. Wenn nun aber einerseits nach Art. 67 Abs. 2
OG, soweit die Berufung das Vorliegen aktenwidriger Feststellungen
geltend macht, diese und die damit in Widerspruch stehenden Akten in der
Berufungserklärung bezeichnet werden sollen und anderseits nach Art. 67
Abs. 4 OG, sofern der Streitwert den Betrag von 8000 Fr. nicht erreicht,
der Berufungskläger der Berufungserklärnng eine Rechtsschrift beizulegen
hat, welche die Berufung

Prezessrecht. N° 55. 349

begründet, so ist daraus zu schliessen, dass die AktenWidrigkeitsrüge
für sich allein noch nicht die die Berufung begründende Rechtsschrift
darstellen kann, sondern dass gegebenenfalls die Rechtsschrift als ein
Mehreres zur 'Aktenwidrigkeitsrüge hinzutreten muss, sich also nicht
in der blossen Aktenwidrigkeitsrüge erschöpfen darf. Hievon abgesehen
vermag die Aktenwidrigkeitsrügc für sich allein gar nicht eine Begründung
der Berufung abzugeben. Da nämlich die Berufung nur darauf gestützt
werden kann, dass die angefochtene Entscheidung auf der Nichtanwendung
oder auf nicht richtiger Anwendung eines in einem eidgenössischen
Gesetz ausdrücklich ausgesprochenen oder aus demselben sich ergebenden
Rechtsgrundsatzes beruhe, wobei jede unrichtige rechtliche Beurteilung
einer Tatsache als nicht richtige Rechtsanwendung betrachtet wird
(Art. 5706), so gehört zur Berufungsbegründung eine Ausführung darüber,
welche (geschriebene oder ungeschriebene) Rechtsnorm nach Ansicht des
Berufungsklägers verletzt ist und inwiefern, bezw. darüber, inwiefern
seiner Ansicht nach Tatsachen rechtlich unrichtig beurteilt worden
sind. Diesem Erfordernis muss (und kann) die Berufungsbegründungsschrift
auch dann genügen, wenn der Berufungskläger das kantonale Urteil
ausschliesslich wegen aktenwidrigen tatsächlichen Feststellungen
angreift. Denn auch in diesem Fall kann eine Verletzung des Bundesrechts
nicht schon in der aktenwidrigen Feststellung als solcher gefunden werden,
sondern nur darin, dass die aktenwidrige Feststellung zur Anwendung einer
bundesrechtlichen Norm geführt hat, für deren Anwendung in Wahrheit
die tatsächlichen Voraussetzungen gar nicht vorliegen, bezw. darin,
dass die aktenmässige Tatsache bezw. das Nichtbestehen der aktenwidrig
festgestellten Tatsache richtigerweise rechtlich anders -zu beurteilen
ist als die aktenwidrig festgestellte Tatsache von der Vorinstanz
beurteilt wurde. Demgemäss muss in der Berufungsbegründungsschrift
gegebenenfallsauch AS 51 II 1925 _ 23

350 Presse-steckst N° 58.

nach ausgeführt werden, inwiefern nach der Ansicht des Berufungsklägers
die Korrektur der aktenwidrigen Feststellung eine andere als die im
angefochtenen Urteil s ausgesprochene Rechtsfolge nach sich ziehen
soll. Eine Eingabe, welche sich auf die Bezeichnung aktenwidriger
Feststellungen und der damit in Widerspruch stehenden Akten beschränkt
wie die vorliegende, erfüllt somit das ,hauptsächlichste Erfordernis
nicht, welches an die Berufungsbegründungsschrift entsprechend ihrer
Funktion gestellt werden muss. Inwieweit diesem Erfordernis allfällig
durch hlosse Bezugnahme auf frühere Vorbringen genügt werden könnte, steht
vorliegend nicht zur Entscheidung. Demnach beschliesst das Bundesgericht
(Gesamtgerichi) :

Die dem Gesamtgericht unterbreiteten Rechtsfragen werden dahin
entschieden, .

1. dass die Unterlassung der Einlegung einer die Berufung begründenden
Rechtsschrift im Sinne des Art. 67 Abs. 4 OG die Berufung unwirksam macht,

2. dass die blosse Rüge aktenwidriger Feststellungen nicht als
schriftliche Begründung der Berufung gemäss Art. 67 Abs. 4 OG gelten kann.

58. Urteil der II. Zivîlabteflung vom 9. September 1925 i. S. Jecklin
und Keys. gegen Flütsch. Unzulässigkeit der Berufung in Streitigkeiten
über öffentliche

Beurkundung. ZGB Schlusstitel Art. 55; OG Art. 56.

A. Am 21. Januar 1924 legten die Parteien dem Grundbuchverwalter von
Schiers einen schriftlichen Kaufvartragsentwurf über die Liegenschaft
des Klägers, 'den sie unterzeichnet hatten, zur öffentlichen Beurkundung
vor und stellten-auch den Antrag auf Eintragung in das Grundbuch. Wie
der Kläger behauptet, machte er damals den Vorbehalt, 'dass'er durch
seine Unterschrift

Papa-stecke N° 58. 351

nur gebunden sein wolle für den Fall, dass der Hypothekargläuhiger Riffel
seine Forderung, welche die Beklagten nach dem Vertragsentwurf nicht
übernahmen, erlasse oder dass die Beklagten sie doch noch übernehmen. Der
Grundhuchverwalter verschob die öffentliche Beurkundung und schrieb dem
Kläger am 29. Januar, er könne den Kaufvertrag in der gegebenen Form erst
eintragen, nachdem ihm der Pfandtitel des Riffel mit dem Löschungsvermerk
und quittiert zu Handen des neuen Eigentümers zur Löschung zugehe, womit
er das Ersuchen verband, der Kläger möchte die Sache sofort mit Riffel
erledigen, damit der Eintrag erfolgen-könne Am 7. Februar sodann nahm
der Grundbuchverwalter die öffentliche Beurkundung des Kaufvertrages
und die Eintragung in das Grundbuch vor, ohne dass der Kläger seinem
Ersuchen vom 29. Januar entsprochen oder sonstwie irgendwelche neue
Erklärung abgegeben hätte.

Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger Ungültigerklärung,
eventuell Nichtigerklärung des Kaufvertrages und Löschung des
Grundbucheintrages, in erster Linie mit der Begründung, dass der
Grundbuchverwaltet die öffentliche Beurkundung wegen des gemachten
Vorbehaltes nicht habe vornehmen dürfen.

B. Durch Urteil vom 2./3. April 1925 hat das Kantonsgericht von Graubünden
die Klage zugesprochen, den Kaufvertrag ungültig erklärt und die Löschung
des Grundhucheintrages angeordnet.

C. Gegen dieses Urteil haben die Beklagten die Berufung an das
Bundesgericht eingelegt mit dem Antrag auf Abweisung der Klage.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

Gemäss Art. 55
SR 210 Code civil suisse du 10 décembre 1907
CC Art. 55 - 1 La volonté d'une personne morale s'exprime par ses organes.
1    La volonté d'une personne morale s'exprime par ses organes.
2    Ceux-ci obligent la personne morale par leurs actes juridiques et par tous autres faits.
3    Les fautes commises engagent, au surplus, la responsabilité personnelle de leurs auteurs.
des Schlusstitels des ZGB bestimmen die Kantone, in
welcher Weise auf ihrem Gebiete die öffentliche Beurkundung hergestellt
wird. Danach ,ist in Zivilstreitigkeiten, welche die öffentliche
Beurkundung zum Gegenstand haben, die Berufung nicht statthaft,