168 Schuldbetreibungs und Konkursrecht. N° 38.

so werden die Massagiäubiger an der Verteilungsliste ausnahmsweise
interessiert; sie können .sie nötigenfalls auf dem Beschwerdewege
anfechten und durch die Aufsichtsbehörden, die hierzu zuständig sind (BGE
1911 .AS 37 I Nr. 30 ; Sep.-Ausgabe 1.4 Nr. 10), berichtigen lasærn Eine
besondere Anzeige an jeden Massagläubiger unter Beifügung eines seinen
Anteil betreffenden Auszuges ist daher in diesem Ausnahmefalle ebenso sehr
geboten, wie gegenüber den einzelnen Konkursgläubigern gemäss Art. 263
Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 263 - 1 Die Verteilungsliste und die Schlussrechnung werden während zehn Tagen beim Konkursamte aufgelegt.
1    Die Verteilungsliste und die Schlussrechnung werden während zehn Tagen beim Konkursamte aufgelegt.
2    Die Auflegung wird jedem Gläubiger unter Beifügung eines seinen Anteil betreffenden Auszuges angezeigt.
SchKG. Wie für diese, beginnt auch für die Massagläubiger die
Frist .zur Anfechtung der Verteilungsliste solange nicht zu laufen, als
ihnen eine solche Anzeige nicht zugestellt wird. Diesen Anforderungen
entspricht aber die Mitteilung des Konkursamtes Brig vom 3. Juni,
worin nur allgemein von der Auflage der Verteilungsliste die Rede ist,
nicht. Die Anfechtungsfrist hat daher für die Rekursbeklagte noch
gar nicht zu laufen begonnen. Die Beschwerde erweist sich somit als
rechtzeitig eingereicht. -

38. Entscheid vom 20. November 1924 i. S. Domenig.

Art. 46
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 46 - 1 Der Schuldner ist an seinem Wohnsitze zu betreiben.
1    Der Schuldner ist an seinem Wohnsitze zu betreiben.
2    Die im Handelsregister eingetragenen juristischen Personen und Gesellschaften sind an ihrem Sitze, nicht eingetragene juristische Personen am Hauptsitze ihrer Verwaltung zu betreiben.
3    Für die Schulden aus einer Gemeinderschaft kann in Ermangelung einer Vertretung jeder der Gemeinder am Orte der gemeinsamen wirtschaftlichen Tätigkeit betrieben werden.83
4    Die Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer ist am Ort der gelegenen Sache zu betreiben.84
SchKG. Inwiefern enthält diese Vorschrift zwingenden Charakter
? (Erw. 1).

Art. 50 Abs. 2
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 50 - 1 Im Auslande wohnende Schuldner, welche in der Schweiz eine Geschäftsniederlassung besitzen, können für die auf Rechnung der letztern eingegangenen Verbindlichkeiten am Sitze derselben betrieben werden.
1    Im Auslande wohnende Schuldner, welche in der Schweiz eine Geschäftsniederlassung besitzen, können für die auf Rechnung der letztern eingegangenen Verbindlichkeiten am Sitze derselben betrieben werden.
2    Im Auslande wohnende Schuldner, welche in der Schweiz zur Erfüllung einer Verbindlichkeit ein Spezialdomizil gewählt haben, können für diese Verbindlichkeit am Orte desselben betrieben werden.
SchKG. Die Klausel in einer Bürgschafts-urkunde: Für die
Abwicklung aller aus gegenwärtiger Bürgund Zahlerschaftsverpflichtung
entstehenden Verhältnisse erwähle ich Domizil bei... schliesst auch die
Vereinbarung eines Spezialb e t r e i b u n g sdomizils in sich (Erw. 2).

A. Am 20. März 1924 gingen Paul Brander, Arosa und Thomas Domenig, Arosa
zu Gunsten der Rhätischen Bank zur Sicherstellung einer Schuld des Arnold
Bissegger, Arosa eine Bürgund Zahlerschaftsverpflichtung bis zum Betrage
von 20,000 Fr. ein. Die betreffende Urkunde enthält am Schluss den Passus:
Für diesammeln;und Rauh-mochtN° 38. 169

Abwicklung aller aus gegenwärtiger Bürgund Zahlenschaitsverpflichtung
entstehenden Verhältnisse erwähleich Domizil bei der _Rhätischen Bank
(vormals Bank für Davos) in Arosa und unterwerfe mich den hnerisehen
Gesetzen und dem Gerichtsstand Arosa.

B. Mit Zahlungsbefehl vom 9. Mai 1924 wurde. Th. Domenig, wohnhaft
in Issy les Moulineaux, Avenue de Verdun 90 (Frankreich) in Arosa
für eine Summe von 20,000 Fr. nebst Zinsen von der Rhätischen Bank
betrieben. Am 19. Mai erhob Domenig Rechtsvorschiag, wobei er sich
vol-behielt (wegen der mangelnden Zuständigkeit des Betreibungsamtes
Schanfigg) bei der Aufsichtsbehörde Beschwerde zu führen. Am 16. Juli
gewährte das Kreisamt Schanfigg provisorische Rechtsöffnung, worauf,
auf das Begehren der Gläubigérin, Pfändungsankündigung erfolgte. Die
Pfändung wurde am 14. August in Abwesenheit des Schuldners vollzogen.
Es wurden gepfändet : bei der Rhätischen Bank in Arosa 8 StüCk Aktien
der Th. Domenig A.-G. in Arosa im Schätzungswerte von je 500 Fr. sowie
bei der Th. Domenig A. -G. in Arosa 36 Stück der gleichen Gesellschaft.

C. Gegen diese Pfändung erhob der Schuldner Domenig am 27. September
Beschwerde beim Kleinen Rate des Kantons Graubünden als Aufsichtsbehörde
über Schuldbetreibung und Konkurs, indem er mit dem Hanptbegehren (das
heute einzig noch streitig ist) um Aufhebung der fraglichen Betreibung
eventuell der

'Pfändung in dieser Betreibung ersuchte, weil er, der

Schuldner. in Issy-les-Moulineaux wohne und deshalb nicht in Arosa hätte
betrieben werden können.

,D. Mit Entscheid vom 24. Oktober 1924 hat der Kleine Rat des Kantons
Graubünden das Hauptbegehren abgewiesen mit der Begründung, dass durch
die Vereinbarung im Bürgschein ein Spezialdomizil in AroSa begründet
worden sei.

E. Gegen diesen Entscheid hat der Schuldner Domenig rechtzeitig den
vorliegenden Rekurs an das

170 Schuldbetrelhungsund Komm-echt. N° 38.

Bundesgericht erhoben, mit deiner erneut die Gutheissungseines
Hauptbegehrens beantragtéw .

Die Schuldbeireibungsund Kmkurskammerzuhi -si --

T in BMW 1893 : +...

i. " Die Gläubigerin, die .Rhätische Bank; in Arosaihat

in ihrer .'Vemelimlassung an die Vorinstanz den Etat-de punkt vertreten,
"dass mangels-Anfechtung des Zahlungsbete-bis "durch klean Schuldner Arosa
defim'tiv als Betreihungsort' festgesetzt werden sei, welche Einrede
jedoch von der Vorinstanz unter Hinweis auf die M des .Bundcsgerichts
verworfen wurde. Es ist richtig, dass das Bundesgericht; in seiner
neuem Praxis die Vorschriften über denBetreibungsort grundsätzlich als
öffentlichrechtlich und daher als zwingend erachtet, sodass auch durch
unbenützten Ablauf der Beschwerdefrist ein ungesetzlicher Betreibnngsort
nicht unanfechtbar wird (vgl. AS 38 I S. 773/74; JAEGER, SchKG Praxis 1
zu Art. 46 Ziff. 2). Dabei wurde jedoch die Einschränkung gemacht, dass
diesen Bestimmungen zwingender Charakter nur insofern beizumessen sei,
als diese'im öffentlichen Interesse aufgestellt sind oder zum Schutze
von Interessen Dritter dienen. sos wurde z. B. erklärt, dass es im
Interesse der Gläubiger liege, dass nicht ein anderer Gläubiger an einem
ungesetzlichen Betreibungsorte die Pfändung verlange-, weil sie dadurch in
ihrem Rechte zum Anschluss benachteiligt werden könnten. Insofern es zum
Schutze dieses Interesses notwendig sei, seien daher die Vorschriften über
den Betreibungsort als zwingend zn erachten. Dagegen wurde erklärt, dass
eine an einem unrichtigen Orte eingeleitete Pfandverwertungsbetreibung
nach Ablauf der Frist zur Beschwerde nicht mehr angefochten werden könne,
weil hiehei ein Anschluss dritter Gläubiger ohnehin nicht möglich ist
(vgl. AS 38 I S. 232/33 Erw. 3). Es könnte .sich nun in der Tat fragen,
ob nicht auch im vorliegenden Falle, wo es sich lediglich um die Frage
handelt, ob der Schuldner sichMW und Kakuzu-echt. N.' 38. 171

die Betreibung an einem 'Spezialdomizil durch einen ein ze lne n
[Gläubiger gefallen lassen müsse, Inte-

ressen dritter Gläubiger somit nicht gefährdet werden,

die vorgenommene Pfändung nur innert der zehntägigen Frist hätte
angefochten-werden können und ob nicht, da diese Frist vom'Rekurrenten
nicht eingehalten werden ist,. die Beschwerde'verspätet wäre. Diese
Frage kann hier jedoch deshalb unentschieden bleiben, da die vorliegende
Beschwerde auch sachlich nicht begründet erscheint. 2. -_Die Vorinstanz
hat mit Recht im Schlusspassus des fraglichen Bürgscheins die Vereinbarung
eines Spezialdomizils auch für die Vollstreckungfder in dieser Urkunde
vereinbarten Verpflichtungen erblickt. Zwar ist richtig, dass die blosse
Vereinbarung eines besondern Gerichtsstandes, eines Spezialdomizils
zur Beurteilung von Rechtsstreitigkeiten, noch nicht ohne weiteres auch
die Begründungeines Spezialdomizils zur Völlstreckung der betreffenden
Verbindlichkeiten, also die Begründung eines Betreibungsforums in sich
schliesst. Dies ist jedoch für den vorliegenden-Fall ohne Bedeutung. Denn
hier wurde zweifellos absichtlich nicht bloss eine Gerichtsstandsklausel
vereinbart, sondern es wurde Arosa als Domizil für die Abwicklung
al 1 e r aus gegenwärtiger Bürgund Zahlerschafts-Verpflichtung
entstehenden V e r h ä l t n i s s e bezeichnet. _ Dieser
Ausdruck Abwicklung aller Verhältnisse geht viel weiter als die
bei der blossen Gerichtsstandk vereinbarnng übliche Bezeichnung a
Rechtsstreitigkeiten und umfasst notwendigerweise auch die E x e k nt
i o n der Bürgschaftsverpflichtungen. Zweck jeden Bürgschaftsvertrages
ist die erhöhte Sicherstellung eines Gläubigers. Dieser wird daher
bei Stipulation des Bürgschaftsvertrages alles daran setzen, um diese
Sicherung möglichst wirksam zu gestalten und Gefährdungen seiner Rechte
zu vermeiden. Eine solche läge aber dann vor, wenn der Bürge im Ausland
gesucht werden müsste. Wenn daher in eine Bürgschaftsurkunde eine so weite

172 Schuldbetreibungs und Konkursreeht. N° 39.

Formel, wie sie in der-vorliegenden enthalten ist, aufgenommen wurde,
so ist es zweifellos, dass dies vom Gläubiger absichtlich geschah, um
damit auch für die E x e k u t i o n gegen den Bürgen ein Spezialdomizil
im Inlande zu schaffen, zumal wenn, wie dies hier der

Fall ist, der Schuldner, von dem der Gläubiger wusste,

dass er seinen ordentlichen Wohnsitz ausserhalb der Schweiz hat,
Exekutionsobjekte im Inlande (in casa in Arosa) hatte. Aber auch der
Bürge musste sich klar darüber sein, dass die erwähnte Klausel etwas
Mehreres hesage, als nur die Unterwerfung unter den AroserGerichtsstand
für den Fall eines Prozesses ; dabei konnte er vernünftigerweise an nichts
anderes denken als an die Exekution. Denn dass damit etwa hättevereinbart
werden wollen, dass Arosa Erfüllungsort sei (womit allein allerdings
noch kein Spezialbetreibungsdomizil geschaf'_ fen worden wäre) konnte
der Schuldner nicht annehmen, z da sich dies ja nach den allgemeinen
obligationenrecht : lichen Grundsätzen (Art. 74 Ziff. 1
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 74 - 1 Der Ort der Erfüllung wird durch den ausdrücklichen oder aus den Umständen zu schliessenden Willen der Parteien bestimmt.
1    Der Ort der Erfüllung wird durch den ausdrücklichen oder aus den Umständen zu schliessenden Willen der Parteien bestimmt.
2    Wo nichts anderes bestimmt ist, gelten folgende Grundsätze:
1  Geldschulden sind an dem Orte zu zahlen, wo der Gläubiger zur Zeit der Erfüllung seinen Wohnsitz hat;
2  wird eine bestimmte Sache geschuldet, so ist diese da zu übergeben, wo sie sich zur Zeit des Vertragsabschlusses befand;
3  andere Verbindlichkeiten sind an dem Orte zu erfüllen, wo der Schuldner zur Zeit ihrer Entstehung seinen Wohnsitz hatte.
3    Wenn der Gläubiger seinen Wohnsitz, an dem er die Erfüllung fordern kann, nach der Entstehung der Schuld ändert und dem Schuldner daraus eine erhebliche Belästigung erwächst, so ist dieser berechtigt, an dem ursprünglichen Wohnsitze zu erfüllen.
OR) von selbst
verstand und ,daher nicht noch extra stipuliert zu werden ,brauchte.

Demnach erkennt die Schuldbetr.und Konkurskammer: Der Rekurs wird
abgewiesen. ·

39. Entscheid vom 20. November 1924 i. S. Staat Solothurn.

_ Ist in der gegen eine Konkursverwaltung gerichteten Be-treibung
definitive Rechtsöffnung bewilligt worden, so kann die Pfändung
des Konkursmassenvermögens nicht verweigert werden, auch wenn
der Rechtsöffnungsrichter offen liess, ob die Betreibung eine
Masseverhindlichkeit betreffe oder nicht.

A. _ Im Konkurs über Otto Henzi in Solothurn wurden für die Liegenschaft
Grundbuch Solothurn

Nr. 869,"welche Henzi seinerzeit um 45,000 Fr. gekauft hatte, 9?,100
Fr. erlöst. Infolgedessen forderte das

Schuldbetreibungs und Kankursrecht. No 39. 173

,kantonale Finanzdepartement von der Konkursmasse

eine Wertzuwachssteuer von 1563 Fr., und zwar als Massaforderung,
unter Ansetzung einer Einspmchefrist von 14 Tagen. Auf von
der. Konkursverwaltung erhobene Einsprache setzte der Regierungsrat des
Kantons Solothurn durch Beschluss vom 11. Dezember 1922 den Steuerbetrag
zwar auf 942 Fr. 75 Cts. herab; dagegen trat er .der Auffassung des
Finanzdepartements bei, dass die steuer-als Massaschuld zu bezahlen
sei. Da die Konkurs,verwaltung die Steuer nicht bezahlte, hob der Staat
Solothurn am 12. April 1924 gegen die Konkursverwaltung im Konkurse
Otto Henzi für Staatssteuer aus erzieltem Liegenschaftsgewinn gemäss
Regierungsratsbeschluss... vom 11. Dezember 1923 (recte 1922) Betreihung
an. Die Konkursverwaltung schlug Recht vor. Auf Verlangen des Staates
erteilteihm das Amtsgerichtspräsidium Solothurn-Leben: definitive
Rechtsöffn'ung, indem es davon ausging, dass die Betreibung gegen die
Konkursmasse des Otto Henzi gerichtet sei, jedoch die Entscheidung der
Frage, ob diese Forderung das Privileg einer Massaschnld geniesse
oder nur als ge' wöhnliche Konkursschuld in Betracht falle , als
ausserhalb seiner Kognition liegend erachtete. Als das Betreibungsamt
dem in der Folge gestellten Fortsetzungsbegehren durch Pfändung von
Konkursmassevermögen. zu entsprechen sich weigerte, führte der Staat
Solothurn Beschwerde.

B. Durch Entscheid vom 1. Oktober 1924 hat die Aufsichtsbehörde für
Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn die Beschwerde
abgewiesen.

C. Diesen Entscheid hat der Staat Solothurn an das Bundesgericht weiter
gezogen.

Die Schuidbetreibungsund Konkurskammer zieht . in Erwägung : Die
Vorinstanz hat der in Betreibung gesetzten Steuer den Charakter einer
Massaverbindlichkeit abgesprochen,