20.0 ss Staatsrecht.

IV. PRESSFREIHEIT

LIBERTÉ DE LA PRESSE

36. Urteil vom 23. Kai 1924 i. S.!'rey gegen Obergericht Thurgau.
Kritik eines Urteils in der Tagespresse. Vorwurf an die Richter, dass
es ihnen nicht um die Sache zu tun gewesen sei. Als

blosse Schlussfolgerung aus mitgeteilten Tatsachen steht die Bemerkung
unter dem Schutze des Art. 55
SR 101 Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999
Cst. Art. 55 Participation des cantons aux décisions de politique extérieure - 1 Les cantons sont associés à la préparation des décisions de politique extérieure affectant leurs compétences ou leurs intérêts essentiels.
1    Les cantons sont associés à la préparation des décisions de politique extérieure affectant leurs compétences ou leurs intérêts essentiels.
2    La Confédération informe les cantons en temps utile et de manière détaillée et elle les consulte.
3    L'avis des cantons revêt un poids particulier lorsque leurs compétences sont affectées. Dans ces cas, les cantons sont associés de manière appropriée aux négociations internationales.
BV.

A. In der "Thurgauer Zeitung vom ]. Juli 1922 erschien folgende
Mitteilung : Ein ganz krasser Fall von Prämienhinterziehung (bei
der obl. Unfallversicherung) beschäftigte kürzlich die thurgauischen
Gerichte. Ein Betriebsinhaber hatte es verstanden, während zirka drei
Jahren eine Lohnsumme von über 274,000 Fr. zn verheimlichen und damit
eine Prämienpflicht von über 14,000 Fr. zu umgehen. Um einer Entdeckung
womöglich vorzubeugen, hatte er den ihm verwandten Buchhalter des
Geschäftes veranlasst, eine doppelte Buchhaltung

zu, führen, eine für den Eigengebrauch, wo sämtliche

von ihm ausbezahlten Löhne aufgeführt waren, und eine für die Organe
der Versicherung, in der ausbezahlt-e Löhne in erheblichem Masse
einfach weggelassen waren. Die hinterzogenen Prämien hätten natürlich
sofort nachbezahlt werden müssen. Ausserdem hatten sich aber die
beiden Fel1lba1en,de1 Betriebsinhaber und der zu dem unerlaubten
Handeln angestiftete Buchhalter, wegen Prämienhinterziehung vor dem
Strafiichter zu veiantworten, der in Berücksichtigung dei Schwere des
Falles, der Höhe der nicht deklarierer Löhne, der während mehr als
drei Jahren fortgesetzten Begehung der Tat, und der zur Täuschung der
Anstaltsorgane angewendeten Mittel den als Haupttäter zu bezeichnenden
Betriebsinhaber mit einer Gefängnisstrafe und einer erheblichen

Pressfreiheit. N° 36. zer; ·

Geldbusse und den fehlbaren Buchhalter zu einer schweren Geldbusse
verurteilte.

Der Rekurrent, der Redaktor des Thuigauischen Tagblattes ist, griff die
Angelegenheit in dieser Zeitung auf. Unter dem Titel Ein unverständliches
Urteil teilte er den Tatbestand nach der Thurgauer Zeitung mit und fügte
bei : Die Tatsache, dass es der Einsender unterliess, der Öffentlichkeit
das Strafmass mitzuteilen, machte uns stutzig und wir fanden es für
angezeigt, uns über die Angelegenheit zu informieren. Der Betrag von
14,782 Fr. 50 Cts. zog für die F ehlbaren folgende Strafen nach sich :
der Unternehmer erhielt e i n e Woche Gefängnis und 500 Fr. Busse, der
Buchhalter eine Busse von 400 Fr. Das Urteil ist lächerlich milde... Die
StaatsanWaltschaft beantragte folgende Strafen : für den Unternehmer
vier Wochen Gefängnis und 500 Fr. Busse, für den Buchhalter vierzehn Tage
Gefängnis und 400 Fr. Busse. Der Strafantrag der Staatsanwaltschaft war
unseres Erachtens äusserst milde, das Urteil aber des Bezirksgeiichts
Weinfelden, das unverständlicherweise vom Obergericht bestätigt wurde,
bildet keine Sühne für einen so schweren Betrug. Das Urteil wird im ganzen
Kanton ein Kopfschütteln auslösen, und was schlimmer ist, den Glauben
an die Unabhängigkeit und Gerechtigkeit unserer Justiz erschüttern. Die
Einsendung in der Thurgauer Zeitung erhält, sobald man über den wahren
Sachverhalt aufgeklärt ist, besondere Bedeutung. Das Urteil getraute
man sich nicht zu veröffentlichen, dagegen tuschelt man von schweren
Strafen, und hofft, dass das gute Volk damit zufrieden sei. solche Fälle
mahnen zum Aufsehen. '

lm Thurgauer Tagblatt vom 8. Juli 1922 hielt sich ein Einsender über das
fragliche Urteil auf. Der Rekurrent sagte in einer Anmerkung hiezu : Er
begreife die Entrüstung des Einsenders vollauf. Zum vollen Verständnis
der Sache müssen wir aber hinzufügen, dass die Prämienhinterziehung
gegenüber der schweizerischen

202 staatsrecht-

Unfallversicherunganstalt ein Spezialdelikt darstellt, und nicht unter die
Betrugsparagraphen des thurgauischen Strafgesetzes fällt. Das Höchstmass,
das ausgesprochen werden kann, beträgt drei Monate Gefängnis und 500
Fr. Geldbusse. Es wäre also immerhin möglich gewesen, eine dem Delikt
entsprechende Strafe auszufällen. Die vielen Anfragen, die in dieser Sache
an uns gerichtet wurden, beweisen die Empörung über das unverständliche
Urteil, das gegenüber demUnternehmer Franz Vago und seinem Buchhalter
W'epf in Wigoltingen gefällt wurde.

Nachdem die Bodenseezeitung dem Thurgauer Tagblatt den Vorwurf gemacht
hatte, dass es (im ersten Artikel) den Namen der Verurteilten verschwiegen
habe, schrieb der Rekurrent im Thurgauer Tagblatt vom 9. Juni 1922 :
Wir haben im ersten Artikel den Namen nicht genannt, weil wir die
Aufmerksamkeit in erster Linie auf das absolut unbefriedigende Urteil
lenken wollten. Nicht um die Person, sondern um die Rechtsprechung ist es
zu tun, bei den Richtern (nicht bei allen) scheint es umgekehrt gewesen
zu sein...

Durch den letzten Satz fühlten sich vier Richter des Bezirksgerichts
Weinfelden, die heutigen Rekursbeklagten in ihrer Ehre gekränkt, und
sie erhoben gegen den Rekurrenten Strafanzeige wegen Amtsehrverletzung.
Durch Urteil des Bezirksgerichts Bischofzell vom 16. November 1923 wurde
der Rekurrent der Amtsehrverletzung durch die Presse schuldig erklärt
und zu einer Geldbusse von 150 Fr., eventuell 30 Tage Gefängnis, und
den Kosten verurteilt. Das Ohergericht des Kantons Thurgau bestätigte
am 15. Januar 1924 das Urteil immerhin unter Reduktion der Busse auf
100 Fr. eventuell 20 Tagen Gefängnis. In der Begründung wird bemerkt
: Der eingelclagte Passus habe objektiv ehrverletzenden Charakter ;
es sei damit ein Teil der Richter verdächtig't worden, sie hätten im
fraglichen Straffall unter Ansehung der Person, d. h. unter Verletzung
ihrer richterlichen

, Pressfreiheit. N° 36. 203

Pflicht zur Unpar'reilichkeit, gem-teilt. Dass der Vorwurf begründet sei,
behaupte der Rekurrent, selber nicht, und es liege dafür nichts vor. Der
Rekurrent sei sich auch des ehrverletzenden Charakters seiner Äusserung
bewusst gewesen. Er habe dabei wohl in erster Linie an die Richter im
Bezirksgericht Weinfelden gedacht, die den Verhältnissen näher stünden
als das Obergericht. Dass ihm bei Abfassung des Artikels die Namen der
die Mehrheit bildenden Richter nicht bekannt gewesen seien, tue nichts
zur Sache. 'Die Anrufung der Pressfreiheit sei unbehelflich. Das Recht
der Presse zur Kritik der Tätigkeit der öffentlichen Organe sei nicht
unbeschränkt ; die Befugnis zu unbegründeten ehrverletzenden Angriffen
gegenüber solchen sei darin auf keinen Fall enthalten. lmmerhin sei
das Strafmass zu reduzieren angesichts des nicht sehr ausgesprochenen
deliktischen Willens des Rekurrenten, dem die strafbare Äusserung sehr
nebenbei aus der Feder geflossen sein möge.

B. Gegen das Urteil des Obergerichts hat Frey den staatsrechtlichen Rekurs
wegen Verletzung von Art. 55
SR 101 Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999
Cst. Art. 55 Participation des cantons aux décisions de politique extérieure - 1 Les cantons sont associés à la préparation des décisions de politique extérieure affectant leurs compétences ou leurs intérêts essentiels.
1    Les cantons sont associés à la préparation des décisions de politique extérieure affectant leurs compétences ou leurs intérêts essentiels.
2    La Confédération informe les cantons en temps utile et de manière détaillée et elle les consulte.
3    L'avis des cantons revêt un poids particulier lorsque leurs compétences sont affectées. Dans ces cas, les cantons sont associés de manière appropriée aux négociations internationales.
BV an das Bundesgericht ergriffen. In der
Begründung wird zunächst ausgeführt, dass die Kritik am Strafurteil
Vago und Wepf durchaus berechtigt gewesen sei und unter den Schutz
de'r'Pressfreiheit falle. Von einer EhrVerletzung, begangen durch
die inkriminierte Stelle könne schon deshalb keine Rede sein, weil
dem Rekurrenten jede Absicht zu beleidigen gefehlt habe. Die Abwehr
gegen den grundlosen Vorwurf der Bodenseezeitung habe ganz zufällig
den beanstandeten Satz veranlasst, dem keine Selbständige Bedeutung
und Absicht zukomme, und der dem Rekurrenten nebenbei entschlüpft
sei. Der ganze Zusammenhang spreche durchaus für den guten Glauben des
Rekurrenten. Aber auch wenn man den fraglichen Satz isoliert betrachte,
sei er durch die Pressfreiheit gedeckt. Der. Rekurrent habe nur
geschrieben, es schei' ne so, als ob die Richter auf die

,Person Rücksicht genommen hätten. Darin liege keine

204 sssi ss Staatsrech't.

Verdächtigung, sondern nur die Feststellung, dass .si das unverständliche
Urteil einen solchen Eindruck beim Aussenstehenden erwecke, was
hervorzuheben die Presse durchaus befugt sein müsse, wenn sie ihre Aufgabe
erfüllen wolle. Das angefochtene Urteil sei. auch deshalb unhaltbar, weil
im Artikel die Bezeichnung des Angegriffenen fehle. Der Tatbestand der
Ehrverletzung setze voraus, dass eine Person erkennbar angegriffen sei.

C. Das Obergericht, die Staatsanwaltschaft von Thurgau und die Kläger
im kantonalen Verfahren haben die Abweisung des Rekurses beantragt.

Das Bundesgericht zieht ,in Erwägung :

"Die Kritik, die der Rekurrent im T hurgauer Tagblatt am, strafurteil
Vago und Wepf geübt hat, fällt an sich durchaus in den anerkannten
Aufgabenkreis der Presse ; denn wie die Tätigkeit der Behörden überhaupt,
so untersteht auch die Rechtspflege der öffentlichen Besprechung

rund Erörterung ' in zustimmendem oder ablehnendem Sinne. Dabei
darf freilich die Erörterung, um durch !die Pressfreiheit gedeckt zu
sein, in der Form nicht in' juriös sein und muss sich inhaltlich an
die Tatsachen halten. Die ÄusSerung, um derentwillen der Rekurrent
wegen Amtsehrverletzung verurteilt worden ist, gehört durchaus in den
Zusammenhang jener Kritikhinein. Sie ist in der Form unhestrittenermassen
nicht zu beanstanden. Was aber ihren Inhalt anlangt, so hat der Rekurrent
darin im Anschluss an die Bemerkung gegenüber der Bodenseezeitung,
dass es ihm bei seiner Polemik nicht um die Person, sondern um die
Rechtsprechung zu tun sei, sehr beiläufig derMeinung Ausdruck gegeben,
bei den Richtern, die das fragliche Urteil gefällt haben, scheine es
umgekehrt gewesen zu sein, d. h. sie scheinen in Ansehung der Person so
milde Strafen ausgefällt zu haben. Frägt es sich, ob diese Aeusserung
inhaltlich durch Art. 55
SR 101 Constitution fédérale de la Confédération suisse du 18 avril 1999
Cst. Art. 55 Participation des cantons aux décisions de politique extérieure - 1 Les cantons sont associés à la préparation des décisions de politique extérieure affectant leurs compétences ou leurs intérêts essentiels.
1    Les cantons sont associés à la préparation des décisions de politique extérieure affectant leurs compétences ou leurs intérêts essentiels.
2    La Confédération informe les cantons en temps utile et de manière détaillée et elle les consulte.
3    L'avis des cantons revêt un poids particulier lorsque leurs compétences sont affectées. Dans ces cas, les cantons sont associés de manière appropriée aux négociations internationales.
BV geschützt sei, so muss beachtet werden,
dass das-Strafurteil Vago und Wepf angesichts der Schwere

Presstreiheit, NO 36 205,

des Falles Höhe des hinterzogenen Piämienbetrages, Dauer der fortgesetzten
Hinterziehung, Fälschung der Buchhaltung als Mittel der Begehung und
in Anbetracht des gesetzlichen Strafrahmens -Gefängnis bis drei Monate
und Geldbusse bis 500 F r. (UV G Art. 60) in der Tat als auffallend
milde erscheinen mochte, ferner, dass der Rekurrent das Urteil unter
Mitteilung der wesentlichen Tatsachen in völlig objektiver und: sach-_
licher Weise kritisiert hatte. In der angefochtenen Stelle sodann hat er
nicht positiv die Behauptung aufgestellt, die Richter hätten sich durch
Erwägungen persönlicher statt sachlicher Art zu einem so milden Strafmass
bestimmen lassen, sondern nur, das Urteil erwecke diesen Anschein,
das will heissen, es sei so, dass der Gedanke mangelnder objektiver
Beurteilung auskomme. Das ist aber lediglich und zwar für den Leser
ohne weiteres erkennbar und kontrollierbai eine Schlussfolgerung aus dem
mitgeteilten Tatbestand. Der Leser wird dadurch mit nichten irregeführt
über Tatsachen; er weiss, dass die Objektivität der Richter nicht etwa
auf Grund einer persönlichen Kenntnis ihrer Charaktereigenschaften
oder von besonderen Vorgängen anlässlich des Prozesses, sondern nur
deshalb bezweifelt wird, weil das Urteil unverständlich und unerkläilich
milde erscheine. Er kann die Schlussfolgerung an Hand der mitgeteilten
Tatsachen uachprüfen, und sie je nachdem zu der seinigen machen oder
verwerfen. Nach der Praxis des Bundesgerichts siehe namentlich das Urteil
Läubli vom 24. Okt. 1913,ss BGE 39 I Nr. 104 überschreitet eine solche
b10sse' Schlussfolgerung aus mitgeteilten oder bekannten Tat ' sachen,
die keine unrichtigen Vorstellungen über den Sachverhalt erweckt, den
Schntzkreis der Pressfreiheit nicht. Und es ist dies hier um so weniger
anzunehmen, __als die Schlussfolgerung, wie bereits bemerkt, nicht in
positiver. sondern in dubitativer Weise vorgebracht Wurde und als der
Vorwurf nicht dahin geht, dass die Richter das Recht aus persönlichen
,Rücksicfiten ge-

206 Staatsrecht.

beugt hätten, sondern nur, dass. bei der Lösung einer reinen
Ermessensfrage, als welche sich die Bestimmung der Strafe im Falle Vago
und Wepf darstellte, und bei der die persönlichen Verhältnisse der
Angeklagten in weitem Umfang zu beachten sind, Motive persönlicher
Rücksichtnahme und Schonung eine zu grosse Rolle gespielt haben
könnten. Es erscheint als eine übertriebene Empfindlichkeit der
Rekursbeklagten, wenn sie sich durch eine solche, den Rahmen des nach
Art. 55 Erlaubten nach dem Gesagten nicht überschreitende Kritik des
Urteils im Gegensatz zu den an diesem in gleicher Weise beteiligten
Mitgliedern des Obergerichts iu ihrer Amtsehre verletzt geglaubt haben.

Mit der Aufhebung der Verurteilung fallen auch die an sie hinsichtlich
der Kosten geknüpften prozessualen Nebenkolgen dahin. Es wird Sache des
Obergerichts sein, über diesen Punkt auf Grund des bundesgerichtlichen
Urteils neu zu entscheiden.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Der Rekurs wird begründet erklärt und das Urteil des Obergerichts des
Kantons Thurgau vom 15. Januar 1924 aufgehoben.

37. Urteil vani 7. Juni 1924 i. S. Gadient gegen Graubünden,
Kantensgerichtaansschuas.

Beleidigung einzelner Personen unter einer Gesamtbezeichnung (die
politischen Führer des Kantons). Grenzen des Rechts freier Kritik in
der Presse, soweit sie sich gegen das Verhalten oder die Gesinnung von
Personen richtet.

"' A. Dr. Andreas Gadient, Sekundarlehrer in Chur, hat im Jahr 1921 in
Chur ein Buch herausgegeben Das Prätigau. Ein volkswirtschaftlicher
Beitrag. Dasselbe

* Gekürzter Tatbestlud.

Presse-These No 37. no'-7

enthält vier Teile, überschrieben : Die natürlichen Verhältnisse,
Erwerbsverhältnisse, Siedlung und Bevölkerung, Rückund Ausblicke,
ausserdem ein Vorwort und eine Zusammenfassung. Im Vorwort ist bemerkt :
die Arbeit sei ursprünglich bloss als Diplomarhét für die Universität
gedacht gewesen, doch habe der Verfasser erkannt, dass es nötig sei,
dem Volke selbst die Augen zu öffnen, weshalb er versucht habe, den
Erscheinungen nachzugehen, die das wirtschaftliche und kulturelle Wohl und
Wehe der Gebirgshevölkerung bedingen, die Aufgabe, die er sich in erster
Linie gestellt, sei nicht die gewesen, eine akademische, wissenschaftliche
Studie im strengsten sinne des Wortes zu liefern, die Arbeit richte sich
vielmehr an das Prätigau, sei geschrieben für dessen Bevölkerung und in
mancher Hinsicht für diejenige des ganzen Kantons. Es seien, besonders
im zweiten und vierten Teil, verschiedene Probleme bloss angedeutet,
aufgedeckt. Fertige Lösungen hätten nicht überall gegeben werden
können. Das Ziel sei, zum Nachdenken anzuregen, was bitter nötig sei,
da es der herr-. schenden Schicht, besonders den herrschenden Parteien
von heute, stets gelungen sei jede Kritik und Opposition niederzuhalten
und es nicht zum guten Ton gehöre über irgend einen Zustand oder eine
Einrichtung der herrschenden Schicht, über das Verhalten eines führenden
Politikers freimiitig und unvoreingenommen zu urteilen oder sich darüber
zu äussern. Dem Zweck der Arbeit entsprechend habe der Verfasser nichts
verheimlichen und nichts beschönigen können. Auch daran müsse sich
das Volk gewöhnen und lernen, die Wahrheit zu ertragen. Die Trägen und
Denkfaulen sollten durch die Arbeit aufgerüttelt, die Gleichgültigen und
Satten aus ihrer Ruhe ein wenig aufgestört werden. Denn nur auf dem Wege
der Selbstbesinnung und Selbsterkenntnis gehe es aufwärts.

Während die drei ersten Abschnitte wesentlich eine Darstellung der in
den Überschriften genannten Ver-