168 Staatsrecht.

mit der ihm erteilten Bewilligung Missbrauch treibt, so besitzen
die Behörden immer die Möglichkeit, dagegen _ durch das Mittel. des
Verwaltungszwangs oder von Strafsanktionen einzuschreiten. Das Verbot der
Vornahme einer an sich rechtmässigen Handlung kann mit dieser Gefahr nicht
begründet werden. Die angefochtene Verfügung enthält demnach in dieser
Beziehung eine offenbare Gesetzesverletzung, die einer Reehtsverweigerung
gleichkommt.

II. HANDELSUND GEWERBEFREIHEIT

LIBERTÉ DU COMMERCE ET DE L'INDUSTRIE

32. Urteil vom 11. April 1924 i. S. Nell gegen Regierungsrat Schwyz.

ssBV Art. 31 litt. e, Art. 49 Abs 4. Ein aus kirchlichen Grün den
erlassenes Verbot kinematographischer Vorstellungen während der Fastenund
Adventzeit ist unstatthaft. Da-

gegen kann ein solches für einzelne hohe dem Kultus

gewidmete Feiertage einer Konfession wie den St. Josefstag erlassen
werden. Zulässigkeit einer. Verfügung, wonach die Kinos an allen sonntagen
Abends 10 Uhr zu schliessen sind.

A. Die vom schwyzerischen Regierungsrat gestützt auf § 43 des kantonalen
Gesetzes vom 21. April 1902 über die Ausübung der Handelsgewerbe im Kanton
Schwyz am 8. Januar 1921 erlassene Verordnung betreffend die Einrichtung
und den Betrieb von Kinos bestimmt in § 5: An den Hauptfesten: Ostern,
Auffahrt, Pfingsten, Fronleichnam, Eidgenössischer Bettag, Allerheiligen,
Weihnachten und während der Fastenzeit ist der Betrieb des Kinos den
ganzen Tag, an den Vorabenden von abends 7 Uhr an verboten. An den übrigen
Sonnund Feiertagen dürfen sie nachmittags von 3 Uhr an bis abends 11
Uhr geöffnet sein. Handelsund Gewerbetreiheit. N° 32. 159

Am 19. Juli 1923 hat der Regierungsrat einen Beschluss betreffend die
teilweise Abänderung dieser Verordnung gefasst, der am 30. November 1923
im Amtsblatt bekannt gemacht worden ist und nach dem § 5 nunmehr lautet:

An den Hauptfesten: Ostern, Auffahrt, Pfingsten, Fronleichnam,
Eidgenössischer Bettag, Allerheiligen und Weihnachten ist der Betrieb
der Kinos den ganzen Tag, an den Vorabenden von abends 5 Uhr an verboten.

An den übrigen Sonnund Feiertagen dürfen sie nachmittags von 3 Uhr an
bis abends 10 Uhr geöffnet sem.

Während der Adventund der Fastenzeit sind Kinovorstellungen gänzlich
verboten.

Dieser Beschränkung sind alle Lichtbildervorstel--

lungen unterworfen. B. Der Rekurrent Karl Nell in Siebnen ist Inhaber
eines Kinematographen, mit dem er jeweilen am Samstag und Sonntag in
dieser Gemeinde Vorstellungen gibt. Als er im November 1923 um die
Bewilligung zur Abhaltung solcher im kommenden Dezember ersuchte,
wurde sie ihm vom kantonalen Patentbureau unter Hinweis auf den
Regierungsratsbeschluss vom 19. Juli 1923 (Verbot des Kinobetriebes
während der Adventzeit) verweigert, wodurch der Rekurrent erstmals von
diesem Beschluss erfuhr, der dann einige Tage später publiziert wurde.

C. Mit Eingabe vom 18. Januar 1924 hat darauf Nell gegen den § 5
der beiden Verordnungen vom 8. J anuar 1921 und 19. Juli 1923 beim
Bundesgericht staatsss rechtliche Beschwerde erhoben. Er erklärt,
sich einer Beschränkung der Spielzeit an Sonntagen von 3 bis 10% Uhr
nachmittags und dem gänzlichen Spielverbote für die in die Advents-und
Fastenzeit fallenden allgemeinen Feiertage (Weihnachten und Ostern) Wie
auch für die übrigen in Abs. 1 der angefochtenen Vorschrift erwähnten
_Hauptfeste nicht zu Widersetzen. Dagegen erblickt

170 Staatsieclxt.

er in der Ausdehnung dieses Verbotes auf die Werktage und gewöhnlichen
Sonntage der Adventsund Fastenzeit und in dem Vorstellungsschluss um
5 Uhr nachmittags an den Vorabenden beider Zeiten eine Verletzung der
Gewerbefreiheit. Irgendwelcher haltbare polizeiliche Grund, insbesondere
die Rücksicht auf die Wahrung des Religionsfriedens, könne für die
erstere Einschränkung nicht geltend gemacht werden, zumal im übrigen die
gewerbliche Arbeit an den Werktagen der Adventsund Fastenzeit auch den
Katholiken im Kanton Schwyz bedingungslos erlaubt sei. Und ebenso fehle
für die abweichende Behandlung der in beide Perioden fallenden Sonntage
gegenüber den sonstigen Sonntagen ein hinreichendes Motiv. Mit Rücksicht
auf die Zulassung anderer gewerblicher Verrichtungen an den Werktagen und
des Betriebes wenigstens des Wirtschaftsgewerbes auch während der Sonntage
der Adventsund Fasten-zeit verstosse die Bestimmung in diesen Beziehungen
auch ferner gegen die Rechtsgleichheit. In die Fastenzeit falle nun
allerdings noch ein Tag, der von der schwyzerischen Vollziehnngsverordnung
zum Fabrikgesetz auf Grund der . in letzterem enthaltenen Ermächtigung
als einer der weiteren hohen Feiertage erklärt worden sei, an denen in
den Fabriken nicht gearbeitet werden dürfe, nämlich das St. Josefsfest
(19. März). Auch für dieses Wäre indessen das Spielverbot gegenüber
dem Rekurrenten als Protestanten nicht haltbar. Nach der Praxis des
Bundesgerichts dürften besondere Feiertage einer Konfession gegenüber
Andersgläubigen nur insoweit verbindlich erklärt werden, als ihnen
die Vornahme von Arbeiten und Verrichtungen untersagt werden könne,
die den Kultus dieser Konfession stören würden. Das könne aber von
Kinematographenvorstellungen in den Nachmittags-. und Abendstunden
des St. Josefstages offenbar nicht gesagt werden. Endlich sei auch
die Begrenzung der Vorstellungszeit auf Abends 10 Uhr an Sonntagen
unverständlich. In

Handelsund Gewerbefreiheit. N° 32. 171

früheren Entscheidungen habe das Bundesgericht lediglich die Ansetzung
des Vorstellungsschlusses auf lol/2 Uhr als zulässig erklärt. Das
Beschwerdebegehren lautet : es seien die angefochtenen Bestimmungen
aufzuheben, soweit darin Kinovorstellungen an Werktagen und zwischen 3
und lip/2 Uhr an Sonntagen während der 'Fastenund Adventszeit verboten,
bezw. auf die frühen Nachmittagsstunden des letzten vor die Adventsoder
Fastenzeit fallenden Tages beschränkt sind.

D. Der Regierungsrat von Schwyz hat Abweisung der Beschwerde
beantragt. Die Kinematographen seien keine notwendigen oder auch nur
wirtschaftlich nützlichen Veranstaltungen, sondern dienten ausschlieslich
der Unterhaltung und Belustigung des Publikums. Ihr Betrieb könne
daher nicht mit der Arbeit des Landwirtes oder Handwerkers auf eine
Linie gestellt werden und dürfe ohne Verletzung der Rechtsgleichheit
Begrenzungen unterworfen werden, die für die sonstigen Berufsarbeiter
nicht gelten. Das angefochtene Verbot von Vorstellungen während der
Fastenund Adventszeit gehe über den Rahmen einer zulässigen polizeilichen
Einschränkung der Gewerbeausübnng nach Art. 31 litt
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
. e BV nicht hinaus. Es
stütze sich weder auf fiskalische noch auf wirtschaftspolitische
Motive, sei nicht etwa bestimmt, die volkswirtschaftlichen Wirkungen
eines Gewerbes zu korrigieren (BURCKHABDT, Kommentar zur BV p. 260),
sondern bezwecke lediglich den Schutz der allgemeinen (staatsbürgerlichen)
Ordnung und des religiösen Empfindens. Es handle sich dabei nicht um die
Sistierung des Betriebes an Werktagen, sondern zu bestimmter Zeit aus
einem bestimmten Grunde zur Wahrung bestehender ziviler und kirchlicher
Anordnungen. Das gleiche Verhältnis bestehe auch bezüglich der Sonntage in
der Fastenund Adventszeit und des St. Josefstages im März: sie gehörten
eben in jene im katholischen Kirchenjahr besonders geheiligten Zeiten
und Feste. Auch der Andersgläubige habe sich in einem

172 Staatsrecht.

katholischen Kanton nach den kirchlichen Vorschriften und ,Gebräuchen
soweit zu richten als' die öffentliche Ordnung, die religiösen
Interessen und der Anstand es verlangen. Und wie er an gewöhnlichen
Sonnund Feiertagen keine gewöhnlichen Arbeiten offen verrichten dürfe,
so habeer sich auch den polizeilichen Verfügungen bezüglich kirchlicher
Zeiten und heiliger Tage bei den der Beschränkung unterliegenden
Gewerbebetrieben zu unterwerfen, wenn er sich nicht der Verletzung des
Empfindens einer katholischen Bevölkerung, ihrer bürgerlichen Ordnung und
des Religionsfriedens schuldig machen wolle. Auch die Beschränkung der
Spielzeit auf bestimmte Tagesstunden liege ebensosehrim Interesse der
öffentlichen Ordnung und der Volkswohlfahrt wie das Vorstellungsverbot
für bestimmte Festtage und die kirchlichen Jahreszeiten Fasten und
Advent. Hinsichtlich der Stunde des Vorstellungsschlusses (10 oder
101/2 Uhr) sei übrigens die Differenz so unbedeutend, dass sich der
Staatsgerichtshof kaum damit werde befassen wollen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die Beschwerde gegen die Verordnung vom 19. Juli 1923 ist
unbestrittenermassen rechtzeitig erhoben worden. Dagegen ist sie gegenüber
dem früheren Erlasse vom 8. Januar 1921 als solchem verspätet und kann in
dieser Beziehung auch nicht darauf gestützt werden, dass in der Verfügung
des kantonalen Patentbureaux vom 26. November 1923 eine Anwendung des
Erlasses liege, im AnSchluss an die die Frage der Verfassungsmässigkeit
desselben als Präjudizialpunkt für die Rechtsbeständigkeit der Verfügung
selbst nach der Praxis immer noch aufgeworfen werden könne. Denn das
damit erledigte Gesuch des Rekurrenten um Bewilligung der Abhaltung von
Vorstellungen im Monat, Dezember 1923 ist nicht unter Berufung auf den
§ 5 der Verordnung vom 8. Januar 1921, sondern auf den die Vorschrift
abändernden

Handelsund Gewerbetreiheit. N° 32. 173.

Regierungsratsbeschluss vom 19. Juli 1923, abgewiesen worden. Im übrigen
hat diese Unterscheidung nur theoretische Bedeutung, weil der gedachte
Beschluss den 55 der früheren Verordnung nicht etwa nur nach gewissen
Richtungen ergänzt, sondern durch eine die Frage des Spielverbots an
einzelnen Tagen und zu bestimmten Tagesstunden erschöpfend regelnde neue
Vorschrift ersetzt hat.

2. Die Kinema'oographentheater stehen als Gewerbebetriebe im Sinne von
Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV nach feststehender Praxis grundsätzlich und zwar in jeder
Beziehung unter dem Schutze dieser Verfassungsvorschrift. Ihr Betrieb
darf daher nur aus zureichenden polizeilichen Gründen, zur Wahrung der
öffentlichen Ordnung, Ruhe, Sicherheit, Sittlichkeit, Gesundheit und nicht
zu andern, wirtschaftspolitischen Zwecken noch aus Rücksichten kirchlicher
Natur eingeschränkt werden, denen das sonstige Verfassungsrecht des
Bundes die Anerkennung gegenüber dem aus den verfassungsmässigen
Freiheitsrechten hervorgehenden Anspruche auf freie Betätigung des
Individuums versagt. Daran ändert die Tatsache nichts, dass es sich nicht
um eine volkswirtschaftlich notwendige, gütererzeugende Verarbeitende oder
vermittelnde Tätigkeit, sondern um Veranstaltungen handelt, die lediglich
Unterhaltungs-und Vergnügungszwecken dienen. Einschränkende Massnahmen,
die sich lediglich auf diese Erwägung stützen würden, ohne dass dafür
andere statthafte, polizeiliche Gründe im oben umschriebenen Sinne
angerufen werden könnten, Würden, weil auch solche Erwerbshandlungen wie
überhaupt jede berufsrnässig ausgeübte, auf Erwerb gerichtete Tätigkeit
grundsätzlich unter Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV fallen, einen Eingriff in den Grundsatz der
Gewerbefreiheit selbst enthalten, wie ihn Art. 31 litt. e gegenüber den
kantonalen Verfügungen über die Ausübung, des Gewerbebetriehes vorbehält
(AS 49 I S. 91 Erw. 1 mit Zitaten).

Das gänzliche Verbot kinematographischer Vorstel-

1 74 St aatsrecht .

lungen während der ganzen Adventsund Fastenzeit und die Beschränkung
der Vorstellungen an den Vortagen beider Zeiten auf die Stunden bis
abends 5 Uhr wird vorn schwyz. Regierungsrate mit keinen allgemein staat
sbürger-lichen Interessen, insbesondere nicht mit der sozialpolifischen
und hygienischen Erwägung des allgemeinen Ruhebedürfnisses begründet. Es
wäre ohne inneren Widerspruch auch nicht möglich, die Bestimmungen auf
das letztere Motiv zu stützen, nachdem alle sonstige gewerbliche und
berufliche Arbeit an'den Werktagen beider Perioden frei ist und auch
die Kinovorstellungen an den nicht in dieselben fallenden Sonntagen von
3 Uhr bis 10 Uhr abends zugelassen werden, die Verordnung also selbst
davon ausgeht, dass in diesem Rahmen ein aus dem Charakter des Sonntags
als allgemeinen Ruhetags sich ergebender Grund sie zu verbieten nicht
bestehe. Die Rechtfertigung der angefochtenen Einschränkung wird vielmehr
ausschliesslich in der besonderen Heiligkeit beider Zeiten innert des
kath. Kirchenjahres , für die den Grossteil der Bevölkerung des Kantons
ausmachenden Anhänger der katholischen Konfession erblickt, womit die
Zulassung öffentlicher Lustbarkeiten wie kinematographischer Vorstellungen
nicht verträglich wäre. Der Berücksichtigung solcher Erwägungen durch
die staatlichen Behörden ist aber eine Schranke gezogen durch Art.

z 49 Abs. 4 BV, wonach die Ausübung bürgerlicher und = politischer Rechte,
also auch des Rechtes freier Gewerbe-

ausübung nach Art. 31
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 31 Freiheitsentzug - 1 Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
1    Die Freiheit darf einer Person nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden.
2    Jede Person, der die Freiheit entzogen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzugs und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Sie hat insbesondere das Recht, ihre nächsten Angehörigen benachrichtigen zu lassen.
3    Jede Person, die in Untersuchungshaft genommen wird, hat Anspruch darauf, unverzüglich einer Richterin oder einem Richter vorgeführt zu werden; die Richterin oder der Richter entscheidet, ob die Person weiterhin in Haft gehalten oder freigelassen wird. Jede Person in Untersuchungshaft hat Anspruch auf ein Urteil innert angemessener Frist.
4    Jede Person, der die Freiheit nicht von einem Gericht entzogen wird, hat das Recht, jederzeit ein Gericht anzurufen. Dieses entscheidet so rasch wie möglich über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs.
BV, durch Vorschriften kirchlicher und religiöser
Natur nicht beschränkt werden darf. Freilich ist auch diese Freiheit des
Einzelnen von der Rücksicht auf die religiösen Interessen anderer keine

unbegrenzte, indem sich aus Art. 50 Abs. 1
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV, dem Grundsatz der
Kultusfreiheit die Pflicht des Staates er-

gibt, die Kultushandlungen der einzelnen Konfessionen vor Störungen
durch Andersdenkende zu schützen und unter Umständen auch weitergehende
Anordnungen sich aus der Befugnis der kantonalen und Bundesbe-

Handelsund Gewerbefi'eflreff. N° 32. 175 '

hòrcien ergeben können, Bedrohungen des öffentlichen Friedens unter den
Anhängern der verschiedenen Be,-' kenntnisse durch die dazu geeigneten
Massnahmen zu verhindern (Abs. 2 ebenda). Über diesen Rahmen geht aber
die hier angefochtene Massnahme weit hinaus, Adventsund Fastenzeit. sind
nicht Zeiten besonderen, gesteigerten gemeinsamen Gottesdienstes
(Kultus) son- dern lediglich Perioden, für die demGläubigen eine
besondere individuelle religiöse Sammlung und ein entsprechender Ernst
in seinem äusseren Verhalten von der Kirche zur Pflicht gemacht sind,
während die Einwirkung auf den Kultus sich in gewissen Eigenheiten der
Liturgie der auch sonst an den gleichen Wochentagen stattfindenden
gottesdienstlichen Handlungen erschöpft (vgl. HERGENRÖTHER-KAULEN,
Kirchenlexion s. v. Adventzeit und Fastenzeiten I ). Es kann daher auch
die Veranstaltung _kinematographischer Vorstellungen an den Werktagen
beider Perioden keine Störung gottesdienstlicher Handlungen bedeuten
und ebensowenig kann eine solche hierin für die davon umfasst-en
sonntage liegen, nachdem die Verordnung selbst durch die Zulassung
solcher Veranstaltungen an den anderen Sonntagen in der Zeit von 3 Uhr
nachmittags an das Nichtzutreffen dieses Motives für ihre Unterdrückung
aner-kennt. Bei dem Fehlen besonderer allgemeiner Kultushandlungen
während beider Perioden und der Behandlung der darein fallenden Werktage
als gewöhnlicher Arbeitstage kann auch unmöglich angenommen werden,
dass durch die Vorstellungen der religiöse Friede und infolgedessen
die öffentliche Ordnung in einer Weise gestört zu werden vermöchte-,
die das Einschreiten der staatlichen Behörden durch ein Verbot
wie das angefochtene rechtfertigen würde. Das besondere individuelle
Verhalten,.das dieKirche ihren Gliedern während beider Zeiten zur Pflicht,
macht, kann von ihnen durch den einfachen Nichtbesuch der Vorstellungen
ungehindert beachtet werden und ein Zwang gegenüber den Glaubens-

176 _ Staatsrecht.

genossen, die sich den betreffenden Geboten zu sentziehen suchen,
durch die Unterdrückung sonst polizeilich nicht zu beanstandender
gewerblicher Veranstaltungen, die dazu Gelegenheit bieten was nach
der Absicht der Priesterkapitel Inner Schwyz und March,Glarus,
auf deren Petitionen die Verordnung in dieser Beziehung zurückgeht,
wohl vornehmlich der Zweck derselben sein sollte würde gegen klares
Verfassungsrecht, Art. 49 Abs. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 49 Vorrang und Einhaltung des Bundesrechts - 1 Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
1    Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor.
2    Der Bund wacht über die Einhaltung des Bundesrechts durch die Kantone.
BV verstossen. Wenn zugegeben werden
mag, dass andererseits schon die blosse Tatsache der Abhaltung solcher
Anlässe und ihr Besuch durch Andersdenkende in derartigen Perioden
für den Strenggläubigen eine gewisse Verletzung in seinem religiösen
Empfinden bedeuten mag, so muss dies als eine Folge, die mit dem durch
die erwähnte Verfassungsvorschrift gewährleisteten Nebeneinanderbestehen
aller Glaubensrichtungen, der positiven wie der negativen, unvermeidlich
verbunden ist, hingenommen werden und kann einen hinreichenden
Grund für die beanstandete Einschränkung des freien Gewerbebetriebes
nicht abgeben. Muss diese demnach in der Allgemeinheit, wie sie die
Verordnung vorsieht, als verfassungswidrig betrachtet werden, so stünde
dagegen einem Spielverbote bloss für den in die Fastenzeit fallenden
St. Josefstag (19. März) nichts entgegen. Dabei handelt es sich, im
Gegensatz zu der vierzigtägigen Fastenperiode vor Ostern im allgemeinen,
um ein besonderes religiöses Fest, einen dem Gottesdienste gewidmeten
Freudentag (_HERGENRòTHER-KAULEN, a. a. O. s. v. Feste ) der katholischen
Konfession. Wenn dieser Umstand ein allgemeines Verbot gewerblicher
Verrichtungen gegenüber Andersgläubigen, soweit durch dieselben der
Gottesdienst nicht gestört wird, nicht zu stützen vermochte, so muss
doch da, wo die Angehörigen der betreffenden Konfession den Grossteil der
Bevölkerung des Kantons oder doch einer Ortschaft ausmachen, eine Ausnahme
inbezug auf solche Veranstaltungen zulässig sein, welche nach ihrer Natur

Handelsund-Gewerbefi'esheit. N° 32. 17?

geeignet sind, allgemeines öffentliches Ärgernis _'zu erregen
und so den religiösen Friedenund damit ein vom Staate zu wahrendes
Rechtsgut zu gefährden. Dazu dürfen aber öffentliche Anlässe wie die
kinematographischen Vorstellungen, die nur Vergnügungszwecken dienen,
an einem hohen religiösen Feiertag gerechnet werden und ein solcher
ist der St. Josefstag im Kanton Schwyz, wie auch seine Behandlung
durch die kantonale Vollziehungsverordnung zum Fabrikgesetz zeigt,
unzweifelhaft. Schon der Bundesrat als frühere Rekursbehörde hatte
denn auch diesen Gesichtspunkt als neben demjenigen der Störung
gottesdienstlicher Handlungen ebenfalls in Betracht fallendes Motiv für
die Einschränkung der Gewerbeausübung an gewissen Feiertagen und damit
den Art. 50 Abs. 2
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 50 - 1 Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
1    Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kantonalen Rechts gewährleistet.
2    Der Bund beachtet bei seinem Handeln die möglichen Auswirkungen auf die Gemeinden.
3    Er nimmt dabei Rücksicht auf die besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete.
BV als eine Schranke nicht nur für die Kultusfreiheit,
sondern auch für die Betätigung anderer Individualrechte erklärt (SALrs
III Nr. 1013 insbes. Ziff. 2).

3. Die weiter angefochtene Bestimmung, wonach an Sonntagen die
Vorstellungen nicht länger als bis 10 Uhr Abends dauern dürfen, hat
nach der Erklärung des Regierungsrates ihren Grund nicht in religiösen
Bücksichten, sondern lediglich in solchen auf die allgemeine Sonntags-ruhe
und kann auch sehr wohl damit erklärt werden, ohne dass es nötig wäre,
dazu andere Motive heranzuziehen. Darf aus sozialpolitischen Gründen der
Gewerbebetrieb am Sonntage als einem allgemeinen bürgerlichen Ruhetag
überhaupt verboten werden, so kann aber auch gegen ein auf bestimmte
Stunden beschränktes Verbot als die weniger weitgehende Massnahme nichts
eingewendet werden (AS 35 I 721 Erw. 2). Nachdem das Bundesgericht für
die Städte aus Rücksichten der Volksgesundheit als statthaft erklärt hat,
die Ausdehnung der kinematographischen Vorstellungen bis in die letzten
Tagesstunden überhaupt zu untersagen und sie auf die Zeit bis lol/2 Uhr
Abends zu beschränken (AS 49 I vS. 93), liesse sich sogar die allgemeine
Ansetzung des

MSCI 1924 13

178 Steam-echt.

Vorstellungsschlusses auf abends 10 Uhr bei mehr ländlichen Verhältnissen,
wie sie im Kanton Schwyz bestehen, wo mit den Abendvorstellungen ohne
finanzielle Einbusse für den Betriebsinhaber frihrer begonnen werden
kann als in den Städten, nicht beanstanden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

Der Rekurs wird teilweise dahin gutgeheissen, dass das in § 5 Abs. 3
des Regiemngsratsbeschlusses vom 19. Juli ]26. November 1923 betreffend
Abänderung der Verordnung über die Einrichtung und den Betrieb von
Kinos ausgesprochene Verbot von Kinovorstellungen während der Adventund
Fastenzeit aufgehoben wird. Das Weitergehende Beschwerdebegehren wird
abgewiesen.

III. DOPPELBESTEUERUNG

DOUBLE IMPOSITION

33. Auszug aus dem Urteil vom 29. Februar 1924 i. S. .A -G. Merkur
gegen Kantone Zürich und Bern. Detailhandelsgeschäft mit zahlreichen
unselbständigen Verkaufsstellen. Vermögensbesteuerung. Die Aktivposten
Vertschriftem Kassen, Debitoren und dergleichen gehören zum Zentralsitz
und sind nicht auf die Verkaufsstellen zu verteilen.

Die A.-G. Merkur betreibt durch über hundert im Jahre 1921 waren es 135
auf das Gebiet der ganzen Schweiz verteilte Verkaufsstellen (Filialen)
den Détailverkauf von Kaffee, Thee, Chokolade, Kakao und andern Lebensund
Genussmitteln. Das Bundesgericht hatte schon wiederholt über Anstände,'
die sich aus der Besteuerung der Gesellschaft in einzelnen Kantonen
ergaben, zu entscheiden (5. AS 34 I 3.495; 42 I

Doppelbesteuerung. N° 33. si 179

S. 130, 311 und das nicht publizierte Urteil vom 5. Februar 1921 gegen
die Stadt Genf). Die Organisation des Unternehmens und insbesondere
das Verhältnis der Verkaufsstellen zum Hauptsitz sind heute. noch die
nämlichen wie zur Zeit des erstzitierten Urteils mit der Ausnahrne, dass
der Gesellschaftssitz noch im Jahre 1908 von Olten nach Bem verlegt worden
ist und sich nunmehr dort die gesamte Geschäftsführung, abgesehen von
der in den Verkaufsstellen vor sich gehenden Ab-satztätigkeit, abspielt.

Bei der Einschätzung der Gesellschaft im Kanton Zürich für die Jahre
1921 und 1922 zu der von Aktiengesellschaften an Stelle der ordentlichen
Vermögenssteuer zu entrichtenden Kapitalsteuer wollte die zur-, cherische
Steuerbehörde, um das Verhältnis der zürcherischen Aktiven zu den
Gesamtaktiven des Unternehmens und danach den in Zürich steuerbaren Teil
des Aktienkapitals und der Reserven zu bestimmen, als den zürcherischen
Teilbetrieben zugehörige Aktiven ausser den Warenvorräten und dem Mobiliar
der dortigen Verkaufsstellen auch eine gewisse Quote der als nicht
lokalisierbar bezeichneten weiteren Bilanzkonti Wertschriften, Kasse,
Postchek, Debitoren, Banken behandeln, die am Zentralsitz verwaltet
werden und buchmässig allein ihm gutgeschrieben sind. Das BG erklärte
dies auf Beschwerde der A.-G. Merkur für unzulässig. Gründe: .

Massgebend für die Ausscheidung der Steuerhoheit inbezug auf das V e
r m (1 g e n eines interkantonalen Unternehmens der vorliegenden Art
ist die örtliche und wirtschaftliche Beziehung der einzelnen Aktiven
zu den verschiedenen Kantonsgebieten, in dem Sinne, dass von der
Erfassung des Liegenschaftsbesitzes am Orte der L_age {durch besondere,
Kantonseinwohner und auswärtige Eigentümer in gleicher Weise treffende
Objektsteuem abgesehen , jeder Kanton, wo sich In ständigen î Anlagen
oder Einrichtungen ein wesentlicher Teil des