144 Expropriationsrecht. N° 28.

liquidation praktisch nicht durchführbar Wäre, stünde einer Haftbarmachung
der Expropriantin auch in derart beschränktem Rahmen die von ihr mit
Recht angerufene Spezialhestimmung des Art. 44 ExprG entgegen, wonach
der des Expropriationsrechts teilhaftige Bauunternehmer von jeder,
mit dem Ubergang der abzutretenden Rechte im Zusammenhang stehenden
Steuerauflage befreit ist. Ein Grund, weshalb diese Bestimmung

auf die in Frage stehende, durch die Expropriation aus '

gelöste Steuerpflicht nicht Anwendung finden sollte, ist nicht
ersichtlich. A ]artiori schlösse diese Vorschrift die vom Expropriaten
verlangte, gänzliche Abwälzung der gestützt auf die Wertung der
Liegenschaft im Expropriationsverfahren von ihm erhobenen Gewinnsteuer
auf die Expropriantin aus.

4. Das Begehren des Expropriaten ist somit abzuWeisen. Die weitere Frage
(die in dem von den berniscllen Steuerbehörden zitierten Urteil vom 4. Mai
1923 i. S. Büttikofer vom Gesichtspunkt des Verstosses gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV
aus behandelt wurde), ob es angängig sei, den Expropriaten im Anschluss
an das Expropriationsverfahren mit einer solchen Wertzuwachssteuer zu
belasten, steht hier nicht zum Entscheide,_und es ist deshalb nicht zu
untersuchen, ob die vorliegende Steuerauflage vor gen Grundsätzen des
eidg. E)}propriationsrechts stand

alte.

Demnach erkennt dàs Bundesgericht :

Das Gesuch des Expropriaten um Erhöhung derExpropriationsentschädigung
von 160,000 Fr. nebst Zins um den Betrag der an den Staat Bern und
die Gemeinde Thun zu entrichtenden Gewinnsteuer von 8684 Fr. 91 Cts.
wird abgewiesen.

OFDAG Offset-, Formularund Folodruck AG 3000 Bern

.STAATSREGHT DROIT PUBLIC

I. GLEICHHEIT VOR DEM GESETZ ' (RECHTSVERWEIGERUNG)ÉGALITÉ DEVANT LA LOI
(DEN! DE JUSTch)

29. Urteil vom. 1. März 1924 i. S. Müller gegen St. Gallen, Regierungsrat.
Kantonales Steuerrecht. Der Satz, dass die Veranlagung,

um gültig zu sein, innert des Steuerjahres stattfinden oder begonnen
sein müsse, kann nicht aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV hergeleitet

werden.

A. Der Rekurrent Müller liess sich Ende Oktober 1921, von Solothurn
kommend, in Rorschach nieder. Er unterlag daher für das Staatssteuerjahr
1921 und das Gemeindesteuerjahr, das vom 1. Juli 1921 bis 30. Juni
1922 ging, der sog. Zwischenrevision. Das Selbsttaxationsformular
für beides wurde ihm erst im Dezember 1922 zugestellt, und bei einer
Verhandlung des Rekurrenten mit der Steuerkommission im Januar 1923 kam
eine Einkommenstaxation von 12,000 Fr. zustande. Im März 1923 erhielt
der Rekurrent Steuerzettel mit der Ratasteuerberechnung pro November
und Dezember 1921 für die Staatssteuer und pro November 1921 bis Juni
1922 für die Gemeindesteuer (total 954 Fr. 05 Cts.). Die Verspätung der
Einschätzung erklärt sich daraus, dass sich die Totalrevision pro 1920
in der Gemeinde Rorschach weit in das Jahr 1921 hinauszog, was auch eine
entsprechende Hinausschiebung der Zwischenrevisionen pro 1921 und 1922
zur Folge hatte.

AS 50 l 1924 11

146 Staatsrecht.

In der Folge bestritt der Rekurrent jenen Steueranspruch mit
der Begründung, er sei verwirkt, weil die Veranlagung nicht in dem
betreffenden Steuerjahr stattgefunden habe oder doch wenigstens begonnen
worden sei. Er drang damit aber nicht durch. Letztinstanzlich wurde
seine Beschwerde vom Regierungsrat durch Entscheid vom 18. Januar 1924
abgewissen.

B. Gegen diesen Entscheid hat Müller den staatsrechtlichen Rekurs
ergriffen mit dem Antrag, er sei aufzuheben und es sei festzustellen,
dass der Rekurrent zur Nachzahlung der Staatssteuer für die Monate
November und Dezember 1921 und der Gemeindesteuer für die Monate
November 1921 bis Juni 1922 nicht verhalten werden könne. Es wird
an dem schon im kantonalen Verfahren aufgestellten Satz festgehalten,
dass ein Steueranspruch für ein Steuerjahr nur entstehen könne, wenn die
Veranlagung während des steuerjahres mindestens noch begonnen habe und
dafür auf Art. 33 des kantonalen Steuergesetzes, auf BGE 33 I Nr. 112
und 34 I Nr. 4, ferner auf Ausführungen von BLUMENSTEIN in der Berner
Festschrift für Eugen Huber (1919) S. 235 ff. verwiesen.

Das Bundesgericht zieht 'in Erwägung :

Der Satz, den der Rekurrent als ein Postulat aus Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV aufstellt und
der allerdings auch in der Theorie, so von Blumenstein a. a. 0: und von
andern Schriftstellern (s. die Zitate bei Blumenstein) vertreten wird,
kann nicht als derart feststehender Satz des allgemeinen Steuerrechts
angesehen werden, dass seine Nichtbefolgung durch die, Gesetzgebung oder
Praxis der Kantone als ein Verstoss gegen Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV erscheinen würde;
auch Blumenstein a. a. 0. 236 gibt zu, dass der kantonale Gesetzgeber
davon abweichen könne. Eine solche Befugnis wird man aber vom Standpunkt
des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV auch der kantonalen Praxis, da wo die Frage vom

Gesetze nicht ausdrücklich anders geregelt ist, mer-'

Gleichheit vor dem Gesetz. N° 29. 147

kennen müssen, dies jedenfalls dann, wenn es sich, wie hier, um eine
im Anschluss an das fragliche Steuerjahr erfolgende, lediglich zufolge
starker Inanspruchnahme der Behörden etwas verspätete Veranlagung handelt.
Der Rekurrent behauptet zwar, dass das st. gallische Steuergesetz die
gedachte Beschränkung positiv enthalte, aber mit Unrecht, zumal auf dem
Boden des Art. 4
SR 101 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999
BV Art. 4 Landessprachen - Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.
BV.

si'Wenn es in Art. 33 des Gesetzes heisst, dass in den

Zwischenjahren eine neue Taxation nur bei neuen Steuerpflichtigen
oder bei Veränderung der Verhältnisse stattfinde, so braucht man die
zeitliche Bezeichnung in den Zwischenjahren nicht notwendig im Sinne
des Rekurrenten zu verstehen; es mag damit nur der Regelfall angedeutet
sein, da die Revision tatsächlich im Steuerjahr erfolgt, und die Wc-rte
können ebensogut bedeuten, dass die neue Taxation für die Zwischenjahre
stattfinde. Diese Auslegung liegt um so näher, als das Gesetz, wenn es
die gedachte Verwirkungsfolge hätte statuieren wollen, dies doch wohl
ausdrücklich getan hätte und zwar nicht nur für die Zwischentaxationen,
sondern für die Steuerveranlagung überhaupt. Von einer willkürlichen
Verletzung des kantonalen Steuerrechtes, wie sie ein Einschreiten des
Bundesgerichts zu rechtfertigen vermochte, kann daher nicht die Rede
sein. Die angerufenen Urteile des Bundesgerichts betreffen andere Kantone
und lassen sich auch sonst nicht zugunsten des Rekurrenten verwerten. Im
Urteil VetterLeuzinger, BGE 33 I Nr. 112 handelt es sich um die Frage, ob
die rechtskräftig gewordene Einkommensveranlagung nachträglich zugunsten
des Fiskus berichtigt werden könne; das wurde auf Grund des damaligen
zürcherischen Steuerrechtes verneint und der abweichende Standpunkt
dcr Zürcher Behörden als willkürlich bezeichnet. Und auch im Falle der
Emmenthaler Mobiliarversicherungsgesellschaft, BGE 34 I Nr. 4, war der
Tatbestand vom vorliegenden wesentlich verschieden; es war fraglich,
ob die Gesellschaft nicht steuerfrei sei ;

148 Staatsrecht.

die Behörden hatten ihre Veranlagung bewusst unterlassen, und nun sollte
sie auf 10 Jahre zurück nachgeholt werden. Wenn auch die Erwägungen
z. T. etwas allgemeiner im Sinn der Auffassung des Rekurrenten

verstanden werden können, so sind doch daraus keine.

über die Würdigung des dortigen und ähnlicher Tatbestände hinausgehende
Schlüsse zu ziehen. Die Veranlagung oder wenigstens der Beginn des
Veranlagungsverfahrens im steuerjahr selber ist gewiss die Regel und
soll die Regel sein; aber eine ausnahmsweise spätere Veranlagung ist
nach dem Gesagten nicht willkürlich, weder als Verletzung schlechthin
feststehender allgemeiner steuergrundsätze, noch als solche des positiven
st. gallisehen Steuerrechts.

Demnach erkennt das Bundesgericht .-

Der Rekurs wird abgewiesen.

30. Urteil vom 15. März 1924 i. S.Verband der Fuhrhalter und

Pferdebesitzer von St. Gallen gegen St. Gallen, Regierungsrat.

Durch Gemeindestatut eingeführte Pflicht der Pferdebesitzer, zum
Feuerwehrdienst Pferde unentgeltlich zu stellen, verbunden mit einer
Ersatzabgabe derjenigen Pferdebesitzer, deren Pferde nicht in Anspruch
genommen werden. Anfechtung Wagen fehlender gesetzlicher Grundlage und
Verletzung der Rechtsgleichheit.

A. Die vom Regierungsrat des Kantons St. Gallen am l. August 1905
erlassene Verordnung betreffend das Feuerlöschwesen erklärt in Art. 7
alle männlichen Einwohner des Kantons vom 17. bis zum 60. Altersjahr
für feuerwehrpflichtig. Die Feuerwehrpflicht wird nach Art. 8 durch
aktiven Dienst oder durch Entrichtung einer jährlichen Dienstersatzsteuer
erfüllt, die innerhalb bestimmter Grenzen von den Gemeinden bestimmt
wird (Art. 9). Wegen ihrer amtlichen Stellung sind nach Art. 10 gewisse
Personen von der Feuerwehrpflicht, andere nur

Gleichheit vor dem, Gesetz. N° 30. 149

vom aktiven Dienst befreit (Art. 11). Die Ersatzsteuer kann Personen,
welche wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen keinen Aktivdienst
leisten können, je nach ihren finanziellen Verhältnissen ganz oder
teilweise erlassen werden; Armengenössige sind davon befreit. Art. 13
Abs. 1 lautet : cc Jeder Pferdebesitzer kann verpflichtet werden,
bei Brandfällen oder zu Übungen der Feuerwehr Pferde unentgeltlich zu
stellen. In Art. 14 ist bestimmt : Einzelne Pferdebesitzer können gegen
Entrichtung einer jährlichen Ersatzsteuer von der Pferdestellung befreit
werden, sofern ' zur Beförderung der Fahrgeräte noch eine genügende
Anzahl Pferde zur Verfügung steht. Die Ersatzsteuer beträgt 5 bis 50
Fr. und wird unter Berücksichtigung der Zahl der zu befreienden Pferde,
sowie der Vermögensund Einkommensverhältnisse des Besitzers erhoben.
Nach Art. 15 fällt der Ertrag der Feuerwehrersatzsteuer ausschliesslich
Feuerwehrzwecken zu. Art. 16 sieht vor, dass die Gemeinden weitere
Befreiungen und Erleichterungen gewähren können, soweit dies mit der
steten Dienstbereitschaft vereinbar ist.

Am 10. Juni 1919 hat der Gemeinderat von St. Gallen eine am 1. Juli vom
Regierungsrat genehmigte Feuerwehrordnung erlassen, die in den Art. 2
bis 10 die persönliche Dienstund Ersatzpflicht im Anschluss an die
Vorschriften der kantonalen Verordnung regelt und über das Fuhrwesen in
den Art. 19 und 20 bestimmt:

Art. 19. Jeder Pferdebesitzer, welcher zwei oder mehr Pferde hält, ist
verpflichtet, für den FeuerwehrdienstPferde samt Führer zu stellen und
im Falle des Verkaufes der Pferde der Feuerwehr Anzeige zu machen.

Wenn zur Bespannung der Spritzen und Geräte genügend Pferde vorhanden
sind, können Pferdebesitzer gegen Entrichtung eines jährlichen Beitrages,
dessen Höchstansatz laut kantonaler Feuerwehrverordnung vom 1. August
1905 Fr. 50 beträgt, von dieser Verpflichtung enthoben werden. .

Pferdebesitzer im feuerwehrpflichtigen Alter, welche