180 Schuldbetreibungs und Konkursrecht. N° 46.

46. Entscheid vom IS.-Oktober 1923 _i. S. Einwohnergemsinde Bern.

SchKG Art. 151. Eine Betreibung auf Pfandverwertung darf nicht
stattfinden, wenn aus den eigenen Angaben des Gläubigers hervorgeht,
dass für die Forderung keine der in SchKG Art. 37 genannten Sicherheiten
besteht.

ZGB Art. 675 u. 779. Die für die Einräumung eines Baurechts geschuldete
Gegenleistung ist ohne Errichtung eines Pfandrechts oder einer
Grundlast durch das als Grundstück eingetragene Baurecht nicht dinglich
sichergestellt. '

A. Die Einwohnergemeinde Bern hat gegen die Baugenossenschaft Neue
Könizstrasse Bern Betreibnng auf Grundplandverwertung angehoben. Als
Pfandgegenstand nennt der Zahlungsbefehl ein selbständiges Baurecht
auf gewissen, der Einwohnergemeinde gehörenden Parzellen mit den
daraufstehenden Gebäuden, welches Baurecht die Einwohnergemeinde
durch Vertrag vom 30. Juni 1920 mit Nachtrag vom 4. November 1922 der
Schuldnerin eingeräumt hat, als Forderung die für dieses Baurecht laut dem
erwähnten Vertrag zu entrichtende Grundrente für die Zeit _vom 1. Mai 1922
'bis 30. April 1923. Die Schuldnerin anerkennt die Forderung, bestreitet
aber, dass sie grundpfandversichert sei, und hat aus diesem Grunde gegen
die zur Anwendung gebrachte Betreihungsart Beschwerde erhoben. Durch
Entscheid vom 21. September 1923 hat die Anksichtsbehörde für den Kanton
Bern die Beschwerde gutgeheissen und den angefochtenen Zahlungsbefehl
aufgehoben. _

B. Diesen ihr am 3. Oktober zugestellten Entscheid hat die
Einwohnergemeinde Bern am 12. Oktober an das Bundesgericht weitergezogen
und verlangt, dass die eingeleitete Betreibung als zulässig erklärt
werde. Sie gibt zu, dass weder ein Grundptandrecht noch eine Grundlast
zu ihren Gunsten im Grundbuch

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eingetragen sei, behauptet aber, die ihr geschuldete Grundrente sei
von Gesetzes wegen durch das Baurecht dinglich sichergestellt, weil
sie im Baurechtsvertrag mit dem Baurecht zu einem einzigen dinglichen
Rechtsverhältnis verbunden worden sei. Die angerufene Vertragsbestimmung
lautet:

Die Rentenverpslichtung wird inhaltlich mit dem Baurecht zu einem
einzigen dinglichen Verhältnis verbunden. Sie geht von Gesetzes
wegen bei jeder Art der Übertragung des Baurechts und Sondereigentums
(Vertrag, ZWangsvollstreckung, Enteignung, Erhgang, Aneignung, Ersitzung,
richterliches Urteil usw.) auf den Erwerber über. Im Falle der Säumnis des
Rentenschuldners in der Bezahlung der Grundrente steht dem Rentengläubiger
das Recht zu, auf dem Wege der Zwangsvollstreckung Befriedigung aus dem
Erlöse des Baurechts und 'Sondereigentums zu verlangen. --

Die Schuldbetreibungs und Konkurskammer zieht

in Erwägung : --

Vorerst ist festzustellen, inwieweit die Aufsichtsbehörden auf die
von der Schuldnerin einzig aufgeworiene Frage nach dem Bestehen
eines Grundpiandrechtes für die in Betreibung gesetzte Forderung
über-haupt eintreten dürfen. Nach feststehenden durch Art. 85 Abs. 1
der Verordnung über die Zwangsverwertung von Grundstücken vom 23. April
1920 stillschweigend hestätigter Ansicht hat der Schuldner, welcher das
Pfandrecht bestreiten ,will, Rechtsvorscblag

' und nicht Beschwerde zu erheben (vgl. JÄGER zu SchKG

Art. 38 N. 11; 41 N. 4 am Ende; 69 N. 12; 151 N. 2), weil es grundsätzlich
weder dem Betreibungsamte noch der Aufsichtsbehörde zukommt, über Bestand
oder Nichtbestand der mit der Betreibung geltend gemachten Rechte zu
entscheiden, dieser Entscheid vielmehr dem Zivilrichter vorbehalten
ist. Dabei wird aber vorausgesetzt, dass die eigenen Angaben des
Betreibenden em

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Pfandrecht wenigstens als möglich erscheinen lassen (vgl. JÄGER zu
Art. 41 N. 2). Behauptet der Betreibende selbst nicht, dass seine
Forderung im Sinne von SchKG flirt. 151 pfandversichert sei, d. h. dass
dafür eine der in Art. 37 genannten Sicherheiten bestehe, oder folgt aus
seinen tatsächlichen Vorbringen auf Grund des Gesetzes ohne weiteres das
Gegenteil, so steht für Betreibungsamt und Aufsichtsbehörde fest, dass
eine gesetzliche Voraussetzung für die Betreibung auf PfandVerwertung
mangelt, und dari daher eine solche Betreihung nicht stattfinden. si

Und so verhält es sich im vorliegenden Fall. Die Bekurrentin gibt
selbst zu, dass zu ihren Gunsten weder ein Grundpfandrecht noch eine
Grundlast im Grundbuch eingetragen ist, und da sie sich ebensowenig auf
ein gesetzliches Pfandrecht oder eine öffentlichrechtliche Grundlast,
die der Eintragung nicht bedürften (ZGB Art. 836 und 784), berufen kann,
ist irgendwelche grundpfändliche Sicherstellung ihrer Forderung im Sinne
von SchKG Art. 37 Abs. 1 nicht vorhanden. _ Die Rekurrentin behauptet nun
freilich, eine dingllche Sicherheit dadurch erlangt zu haben, dass im
Baurechtsveitrag die Rentenverpflichtung inhaltlich nut dem Baurecht zu
einem einzigen dinglichen Verhältnis verbunden und dem Rentengläubiger das
Recht eingeräumt worden ist, im Falle der Säumnis des Rentenschuldners
in der Bezahlung der Grundrente auf dem Wege der Zwangsvollstreckung
Beiriedigunö aus dem Erlöse des Baurechts und Sondereigentums z;
_verlangen . Allein es ist nicht ersichtlich, wie diese Befugnis zum
Bestandteil des Baurechts gemacht werden könnte. Das Baurecht ist nach dem
Zivilgesetzbuch (Art. 675 und 779) eine einfache Dienstbarkeit zu besten
eines Grundstücks. Allerdings kann es unter bestimmten Voraussetzungen
als Grundstück in das Grundbuch eingetragen werden, das ändert jedoch
an seiner rechtlichen Natur im Verhältnis zum belasteten

Grundstück nichts. Als Dienstbarkeit aber begründet. es immer nur ein
dingliches Recht seines Trägers am belasteten Grundstück, niemals ein
dingliches Recht des Eigentümers des belasteten Grundstücks; für diesen
tritt es ausschliesslich als Last in die Erscheinung. Durch den Vertrag,
welcher für die Einräumung des Baurechts eine Gegenleistung festsetzt,
entsteht bloss ein obligatorischer Anspruch auf diese Gegenleistung,
eine Forderung. Die Eintragung des Baurechts als Grundstück eröffnet die
Möglichkeit, daran ein Pfandrecht tür diese Forderung zu bestellen oder,
soweit dies nach ZGB Art. 782 Abs. 3 zulässig erscheint, die persönliche
Schuld des Bauberechtigten als Grundlast daraufzulegen. Aber von Gesetzes
wegen besteht ein solches Pfandrecht oder eine solche 'Grundlast nicht,
sondern sie müssen von den Parteien vereinbart und in der vom Gesetz
für vertragliche Grundpfandrechte und privatrechtliche Grundlasten
vorgeschriebenen Weise, d. b. durch Eintragung im Grundbuch begründet
werden.

Im übrigen ist gegenüber den gutachtlichen Äusserungen von Prof. Eugen
Huber, welche die Rekurrentin für ihren Standpunkt anführt, daran
festzuhalten, dass es keine andern dinglichen Sicherheiten gibt, welche
zu einer Grundpfandbetreibung berechtigen, als die in SchKG Art. 37
SR 281.1 Bundesgesetz vom 11. April 1889 über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG)
SchKG Art. 37 - 1 Der Ausdruck «Grundpfandrecht» im Sinne dieses Gesetzes umfasst: die Grundpfandverschreibung, den Schuldbrief, die Grundpfandrechte des bisherigen Rechtes, die Grundlast und jedes Vorzugsrecht auf bestimmte Grundstücke sowie das Pfandrecht an der Zugehör eines Grundstücks.63
1    Der Ausdruck «Grundpfandrecht» im Sinne dieses Gesetzes umfasst: die Grundpfandverschreibung, den Schuldbrief, die Grundpfandrechte des bisherigen Rechtes, die Grundlast und jedes Vorzugsrecht auf bestimmte Grundstücke sowie das Pfandrecht an der Zugehör eines Grundstücks.63
2    Der Ausdruck «Faustpfand» begreift auch die Viehverpfändung, das Retentionsrecht und das Pfandrecht an Forderungen und anderen Rechten.
3    Der Ausdruck «Pfand» umfasst sowohl das Grundpfand als das Fahrnispfand.

Abs. 1 genannten, von denen hier nur die Grundpfandverschreibung, der
Sehnldbrief, die Gült, die Grundlast und die (,unter den Vorzugsrechten
begriffenen) der Eintragung nicht bedürfenden gesetzlichen Pfandrechte
an Grundstücken in Frage kommen können. Da der Rekurrentin, ihren
eigenen Angaben zufolge, kein dingliches Recht solcher Art zusteht,
ist sie ' nicht in der Lage, auf Grundpfandverwertung zu betreiben,
und die von ihr eingeleitete Betreibung muss deshalb aufgehoben werden;
' · Demnach erkennt die Schuldbetr.und Kankurskammer :

Der Rekurs wird abgewiesen.

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