I. FAMILIENRECHTDROIT DE LA FAMILLE

61. Urteil der II. Zivilabteîlung vom 22. November 1923 i. S. Gabathuler
gegen Peter.

Art. 41 ff OR; Haftu ng eines Minderjährigen für Velounfall; Verschulden
im Fahren mit einem fremden Rad ; einhändiges Fahren ; Unterlassen eines
Signals ; reglementswidriges Vorfahren (Erw. 1). Mitverschulden (Erw. 2).

Art. 333
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 333 - 1 Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469
1    Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469
2    Das Familienhaupt ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass aus dem Zustand eines Hausgenossen mit einer geistigen Behinderung oder einer psychischen Störung weder für diesen selbst noch für andere Gefahr oder Schaden erwächst.470
3    Nötigenfalls soll es bei der zuständigen Behörde zwecks Anordnung der erforderlichen Vorkehrungen Anzeige machen.
ZGB: Haftung des Familienhauptes für den unmündigen Hausgenossen
für V e 1 o u n f a 11 (Erw. 3) Herabsetzungsgründe der Art. 43
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 43 - 1 Art und Grösse des Ersatzes für den eingetretenen Schaden bestimmt der Richter, der hiebei sowohl die Umstände als die Grösse des Verschuldens zu würdigen hat.
1    Art und Grösse des Ersatzes für den eingetretenen Schaden bestimmt der Richter, der hiebei sowohl die Umstände als die Grösse des Verschuldens zu würdigen hat.
1bis    Im Falle der Verletzung oder Tötung eines Tieres, das im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten wird, kann er dem Affektionswert, den dieses für seinen Halter oder dessen Angehörige hatte, angemessen Rechnung tragen.27
2    Wird Schadenersatz in Gestalt einer Rente zugesprochen, so ist der Schuldner gleichzeitig zur Sicherheitsleistung anzuhalten.
und 44
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 44 - 1 Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden.
1    Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden.
2    Würde ein Ersatzpflichtiger, der den Schaden weder absichtlich noch grobfahrlässig verursacht hat, durch Leistung des Ersatzes in eine Notlage versetzt, so kann der Richter auch aus diesem Grunde die Ersatzpflicht ermässigen.

OR auch für Haftung des Familienhauptes wirksam. Bei Berücksichtigung
der Notlage des Ersatzpflichtigen ist auch auf die Lage des Geschädigten
Rücksicht zu nehmen (Erw. 4).

A. Die am 25. November 1873 geborene Klägerin wurde am 2. August
1921 vormittags zwischen 11 und 12 Uhr, als sie vom Dorfe Sargans in
der Richtung des dortigen Bahnhofs ging, vom 13-jährigen Beklagten
Walter Peter, der auf einem fremden Velo in der gleichen Richtung
auf der Landstrasse fuhr, Während er in der rechten Hand ein kleines
Päckchen trug, angefahren und umgeworfen. Sie erlitt einen linksseitigen
Oberschenkelbruch, der eine dauernde Verminderung ihrer Arbeitsfähigkeit
zur Folge hatte. Sie helangte den Knaben und dessen Vater Friedrich
Peter auf Bezahlung einer Schadenersatzsumme von 6000 Fr.

B. Mit Urteil vom 8. Juni 1923 hat das Kantonsgericht des Kantons
St. Gallen die Klage teilweise gutgeheissen und die Beklagten verurteilt,
der Klägerin unter solidarischer Haftbarkeit die Heilungsk'osten von

AS 49 Il _1923 30

440 Familienrecht. N° 61.

427 Fr. zu vergüten und ihr bis zu deren Ableben, längstens aber für 10
Jahre, eine Jahresrente von 150 Fr. jeweiien am 1. Januar, das erste Mal
auf den 1. Januar 1923, zu entrichten und ihr Sicherheit für 1500 Fr.
zu leisten.

C. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung an das Bundesgericht
erklärt. Sie beantragt, die Klage sei im Betrage von 4200 Fr. bezw. unter
Abrechnung der zugesprochenen Heilungskosten von 427 Fr. im Betrage von
3773 Fr. zu schütZen, eventuell sei die Jahresrente, unter Sicherstellung
von 3750 Fr. auf 375 Fr. zu erhöhen. Die Beklagten haben sich der Berufung
mit dem Antrag auf gänzliche Abweisung der Klage angeschlossen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung :

1. Eine Haftung des Knaben Walter Peter, der den Unfall verursacht
hat, kommt nur in Betracht, wenn ihn ein Verschulden trifft. In dieser
Richtung stellt die Vorinstanz fest, dass der Knabe urteilsfähig und
imstande gewesen sei, vorauszusehen, dass er durch einen Zusammenstoss
mit der Fussgängerin einen Unfall verursachen könne. Trotz seiner
Unmündigkeit kann daher den Knaben nach den zutreffenden Ausführungen
der Vorinstanz ein Verschulden treffen, wenn er den schaden bei der
durch die Umstände gebotenen Sorgfalt hätte vermeiden können. Das ist
aber nach den Feststellungen der Vorinstanz anzunehmen.

Zunächst hat der Knabe ein fremdes, ihm unpassendes Velo benutzt. Die
Beklagten rügen diese Feststellung allerdings als aktenwidrig, ohne
jedoch das Aktenstück zu bezeichnen, dem es widersprechen soll. Der
Hinweis darauf, dass das Rad anderthalb Jahre später für den Knaben
eher zu niedrig gewesen sei, woraus sich der Schluss ergebe, dass es
für ihn zur Zeit des Unfalles jedenfalls nicht zu hoch gewesen sei,
kann eine Aktenwidrigkeit nicht begründen, auch wenn der Schluss richtig

Familienrecht. N° 61. 441

wäre ; denn zur Aktenwidrigkeit genügt nicht, dass eine Feststellung
einem logischen Schluss zuwiderlaufe, sondern es ist nötig, dass sie
einer in den Akten liegenden Tatsache widerspreche. Dass nun aber die
Herrschaft über ein Velo mehr oder weniger beeinträchtigt wird, wenn
seine Grössenverhältnisse dem Fahrer nicht entsprechen, ist ohne weiteres
klar. Das Fahren mit einem solchen Velo bedeutet somit eine vermehrte,
mit dem Velofahren nicht notwendig verbundene Gefährdung und ist dem
Fahrer zum Verschulden anzurechnen. Diese erhöhte Gefährdung wurde im
vorliegenden Falle umso ausgesprochener, als der beklagte Knabe während
der Fahrt in der rechten Hand ein Paket trug. Ob er infolgedessen nur
linkshändig fuhr, oder trotz dem Paket auch die rechte Hand an der
Lenkstange hielt, wie entgegen der Annhame der Vorinstanz nach dem
unangefochtenen Zeugnis des Augenzeugen Willi anzunehmen wäre, kann
dahingestellt bleiben. Denn durch das Halten des Paketes, das nicht
geschnürt, sondern nur gewickelt war, und das der Knabe mit der Hand
umfasste, musste die rechte Hand in der Beherrschung der Lenkstange auf
jeden Fall mehr oder weniger beeinträchtigt sein, so dass nur eine Hand
in der Führung der Lenkstange vollständig frei war. Wenn nun auch der
Umstand, dass ein Fahrer einhändig oder wesentlich gestützt auf eine
Hand fährt (sofern es sich dabei nicht um einen blossen Versuch oder um
ein blosses Uebungsfahren in dieser Stellung handelt), im allgemeinen
den Schluss rechtfertigen mag, das er des Fahrens besonders kundig sei,
so ist damit doch noch nicht die Tatsache beseitigt, dass diese Art des
Fahrens notwendiger Weise und zwar auch beim geübten Fahrer eine erhöhte
Gefahr in sich schliesst, da sie die Herrschaft über das Rad vermindert
und gegebenenfalls in Frage stellen kann. Die Tatsache, dass der Knabe,
obwohl zum Ausweichen mehr als genügend Raum vorhanden gewesen ist,
doch in die ruhig dastehende Klägerin hineingefahren ist,

442 Familienrecht. N° 61.

beweist, dass er das Rad nicht beherrschte. Es muss daher der Vorinstanz
zugestimmt werden, wenn sie annimmt, die Art und Weise, wie der Knabe mit
einem Paket in der einen Hand auf einem ihm unpassenden Velo gefahren,
sei für den Unfall kausal gewesen.

Es steht ferner fest, dass der Knabe kein Signal gegeben hat. Er will sich
damit ausreden, dass er sagt, die Klägerin habe ihn schon wahrgenommen,
als er noch 4 bis 5 m, vielleicht sogar 10 m von ihr entfernt gewesen
sei, und dadurch sei ein Signal unnötig geworden. Vor der ersten Instanz
gab der Augenzeuge Willi zwar an, der Abstand habe etwa 10 m betragen,
als sich die Klägerin umgedreht habe, um nach dem Radfahrer zu sehen;
in seiner Einvernahme vor der Vorinstanz berichtigte er sich aber dahin,
es können auch 5 bis 4 In gewesen sein. Mag dem sein wie ihm Will,
der beklagte Knabe hätte die Pflicht gehabt, schon früher ein Signal
zu geben, weil die Entfernung auch von annähernd zehn Meter unter
Umständen zum ruhigen Ausweichen nicht mehr genügte, und damit musste
er umso eher rechnen, als er sah, dass die Klägerin, die infolge ihres
linken Klumpfusses hinkte, unbeholfen war. Auf jeden Fall darf aber ein
Radfahrer, der im Vertrauen darauf, ein ihm vorgehender Fussgänger habe
ihn bereits bemerkt, jegliches Signal unterlässt, nicht in unmittelbarer
Nähe an jenem vorbeifahren ; der Beklagte Walter Peter versuchte aber
hart an der rechtsgehenden Klägerin vorbeizukommen, trotzdem links und
rechts von ihr noch genügend Raum war. Auch in der Unterlassung eines
Signals ist daher ein Verschulden zu erblicken.

Ein solches liegt endlich auch darin, dass er reglementswidrig rechts
vorfuhr. Er wendet allerdings ein, die Klägerin habe von der Landstrasse
in das links davon abzweigende Bahnhofsträsschen gehen wollen ; das
habe ihn bewegen, rechts an ihr vorbeizufahren; es habe sieh nicht um
ein Verfahren, sondern um ein Sichkreuzen gehandelt. Wohl ist richtig,
dass die erste In-

Famiiienrecht. N° 61 . 443

stanz von der Annahme ausgeht, die Klägerin habe ins Bahnhofsträsschen
einlenken wollen ; es ist aber nicht ersichtlich, gestützt auf welche
Umstände sie sizu dieser Annahme gelangt; die Vorinstanz hat denn auch
hierüber nichts festgestellt. Auf jeden Fall fuhr der Knabe schon
rechts, ehe die Frau sich drehte, also bevor er aus ihrem Verhalten
schliessen konnte, sie wolle die Richtung nach links, über die Strasse,
einschlagen. Es handelte sich in der Tat um ein Verfahren, indem die
Klägerin, die sich in der gleichen Richtung wie der Fahrer bewegte,
stillestand und dieser an ihr vorbeifahren wollte.

2. Ein Mitverschulden der Klägerin ist nicht dargetan. Sie ging
richtiger Weise auf der rechten Seite der Strasse; als sie hinter sich
ein Geräusch hörte, schaute sie sich um und blieb stehen, sobald sie
den Radfahrer gewahrte. Damit war dem Fahrer die Möglichkeit gegeben,
ruhig an ihr vorbeizukommen. Dessen Behauptung, sie habe sich bereits
gegen die Strassenmitte fortzubewegen begonnen gehabt und sei dann wieder
in seine Fahrbahn getreten, ist nicht bewiesen. Der Zeuge Willi sagt,
die Klägerin habe, was übrigens bei den gegebenen Umständen verständlich
ist, unschlüssig' geschwankt, (1. h. sie habe sich halbumgedreht, ohne
aber ihren Standort zu verlassen.

3. Nach Art. 333
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 333 - 1 Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469
1    Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469
2    Das Familienhaupt ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass aus dem Zustand eines Hausgenossen mit einer geistigen Behinderung oder einer psychischen Störung weder für diesen selbst noch für andere Gefahr oder Schaden erwächst.470
3    Nötigenfalls soll es bei der zuständigen Behörde zwecks Anordnung der erforderlichen Vorkehrungen Anzeige machen.
ZGB haftet der Beklagte Vater Peter als Familienhaupt
für den Schaden, den sein unmündiger Sohn verursacht hat, sofern er nicht
darzutun vermag, dass er das übliche und durch die Umstände gebotene Mass
an Sorgfalt in dessen Beaufsichtigung beobachtet hat. Bei der heutigen
Entwicklung des Fahrradverkehrs kann es allerdings einem Vater nicht
ohne weiteres als Mangel in der Beaufsichtigung angerechnet werden,
wenn er seinen Knaben Botendienste auf dem Rad ausführen lässt. Immerhin
fällt im vorliegenden Fall in Betracht, dass nach der st. gallischen
Vollzugsverordnung vom 29. Mai 1914 zum Konkordat über den Motorwagenund
Fahrradverkehr die Fahrbewilligung, ohne

444 Familienrecht. N° 61 .

welche die öffentiichen Strassen nicht befahren Werden dürfen, an Personen
unter 18 Jahren nur ausnahmsweise erteilt wird, unter der Bedingung
nämlich, dass der Inhaber der elterlichen Gewalt durch schriftliche

Erklärung die zivilrechtliche Verantwortlichkeit für die

Person übernimmt. Damit brachte der st. gallische Gesetzgeber auf
jeden Fall zum Ausdruck, dass er für radfahrende Personen unter 18
Jahren eine erhöhte Beaufsichtigung geboten erachte, da von ihnen eher
eine Gefährdung der Oeffentlichkeit zu befürchten ist als von ältern
unmündigen Personen. Ob indessen mit dieser Haftungserklärung der
Inhaber der elterlichen Gewalt ausnahmslos eine Haftung für alle von
seinem Kinde verursachten Unfälle übernehme, und ob ein Vater, der wie
im vorliegenden Fallsein Kind unter 18 Jahren ohne Fahrbewilligung fahren
lässt, infolge dieser kantonalen. Ordnungsvorschrift ebenfalls für jeden
von diesem verursachten Schaden verantwortlich sei, wie die Vorinstanz
annimmt, mit andern Worten, ob eine solche kantonale Vorschrift neben den
Bestimmungen des schweizerischen Obligationenrechts zu bestehen vermöchte,
kann hier dahingestellt bleiben ; denn der Entlastungsbeweis des Beklagten
Vater Peter kann ohnehin nicht als erbracht angesehen werden. _VVohl
können an diesen Entiastungsbeweis, wenn anders die Verschuldenshaftung
des Art. 333
SR 210 Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907
ZGB Art. 333 - 1 Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469
1    Verursacht ein Hausgenosse, der minderjährig oder geistig behindert ist, unter umfassender Beistandschaft steht oder an einer psychischen Störung leidet, einen Schaden, so ist das Familienhaupt dafür haftbar, insofern es nicht darzutun vermag, dass es das übliche und durch die Umstände gebotene Mass von Sorgfalt in der Beaufsichtigung beobachtet hat.469
2    Das Familienhaupt ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass aus dem Zustand eines Hausgenossen mit einer geistigen Behinderung oder einer psychischen Störung weder für diesen selbst noch für andere Gefahr oder Schaden erwächst.470
3    Nötigenfalls soll es bei der zuständigen Behörde zwecks Anordnung der erforderlichen Vorkehrungen Anzeige machen.
ZGB nicht zu einer 'Kausalhaftung werden soll, nicht zu
strenge Anforderungen gestellt werden. Allein der Beklagte hat gar keine
konkreten Entlastungsgründe geltend gemacht. In seiner Klageantwort hat
er lediglich erklärt, es sei üblich, dass man einen lid-jährigen Knaben
mit einem Velo Kommissionen besorgen lasse , und er hat den Beweis
dafür angeboten, dass sein Knabe des Radkahrens durchaus kundig sei.
Das genügt jedoch nicht. Auch wenn es möglich ist, dass ein gewandter
Knabe das Velo technisch ebensogut oder besser beherrscht als sein Vater,
so ist dieser doch noch nicht der Pflicht enthoben,

Familienrecht. N° 61. 445

ihn zu vorsichtigem Fahre-n zu ermahnen und ihn namentlich auf die
Verkehrsvorschriften und Verkehrsübungen aufmerksam zu machen. Der
Beklagte Friedrich Peter behauptet nicht, dies getan zu haben, und
es ist auch kaum wahrscheinlich, dass "er dieser Pflicht nachgekommen
ist,. nachdem er dem Knaben keine Fahrbewilligung verschafft hat ; gerade
die Erteilung der Fahrbewilligung wäre die Gelegenheit gewesen, ihm
vorsichtiges Fahren einzuschärfen und ihn mit den Verkehrsvorschriften
vertraut zu machen; dieses hat der Vater versäumt, was umsomehr
beachtlich ist, als der-Knabe durch sein Verhalten gezeigt, dass
er die Verkehrsvorschriften nicht kannte oder sie jedenfalls nicht
beobachtete. Der beklagte Vater hat auch nicht verhindert, dass der
Knabe mit einem ihm unpassenden Velo Botendienste besorgte und nicht
dafür gesorgt, dass das Paket, das der Knabe bei diesem Anlasse holte,
getragen werden konnte, ohne den Fahrer in der Lenkung · des Rades zu
beeinträchtigen. Friedrich Peter ist daher für den von seinem Sohne bei
diesem Anlasse verursachten Schaden mitverantwortlich.

4. Der schadensberechnung der Vorinstanz ist ein allen Teilen
beizupflichten. Das ärztliche Gutachten besrechnet die Verminderung
der Arbeitsfähigkeit, welche die damals 48-jährige Klägerin durch den
Unfall erlitten hat, auf wenigstens 25%. Gestützt hierauf und bei einem
Jahresverdienste von 1500 Fr. und einer Rentendauer von zehn Jahren
gelangt die Vorinstanz zu einerJahresrente von 375 Fr. Diese Ziffer
ist im Ernste nicht angefochten. Die Klägerin erklärt allerdings. in
ihrer Berufungsbegründung, sie könne nicht dabei behaftet werden,
dass sie in der Klage nur von einer noch zehn Jahre dauerndem sonstigen
Arbeitsfähigkeit gesprochen habe. ,Allein sie behauptet nicht, dass sie
noch länger als zehn Jahre arbeitsfähig gewesen wäre, und daher hat die
Vorinstanz mit Recht nicht auf eine längere Dauer der Arbeitsfähigkeit
abgestellt.

446 Familienrecht. N° 61.

Ernstlich streitig ist nur, welche Abstriche von der Rente gemacht werden
müssen. Dabei unterliegt keinem Zweifel, dass die Herabsetzungsgründe der
Art. 43
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 43 - 1 Art und Grösse des Ersatzes für den eingetretenen Schaden bestimmt der Richter, der hiebei sowohl die Umstände als die Grösse des Verschuldens zu würdigen hat.
1    Art und Grösse des Ersatzes für den eingetretenen Schaden bestimmt der Richter, der hiebei sowohl die Umstände als die Grösse des Verschuldens zu würdigen hat.
1bis    Im Falle der Verletzung oder Tötung eines Tieres, das im häuslichen Bereich und nicht zu Vermögens- oder Erwerbszwecken gehalten wird, kann er dem Affektionswert, den dieses für seinen Halter oder dessen Angehörige hatte, angemessen Rechnung tragen.27
2    Wird Schadenersatz in Gestalt einer Rente zugesprochen, so ist der Schuldner gleichzeitig zur Sicherheitsleistung anzuhalten.
und 44
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 44 - 1 Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden.
1    Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden.
2    Würde ein Ersatzpflichtiger, der den Schaden weder absichtlich noch grobfahrlässig verursacht hat, durch Leistung des Ersatzes in eine Notlage versetzt, so kann der Richter auch aus diesem Grunde die Ersatzpflicht ermässigen.
OR, wenn deren tatsächliche Voraussetzungen gegeben sind,
nicht nur vom Sohne, sondern auch von dem an seiner Stelle oder neben ihm
haftenden Vater für seine Person angerufen werden können. Die Vorinstanz
berücksichtigt zunächst, dass bei der Schadensverursachung Umstände
mitgewirkt haben, welche die Beklagten nicht zu vertreten hätten,
so die durch ihren Klumpfuss bedingte Hilflosigkeit der Klägerin,
insbesondere ihre Veranlagung zu derartigen Schädigungen infolge
Atrophie des linken Unterschenkels. Die Klägerin wendet dagegen ein,
der Arzt habe diese Umstände bei der Berechnung ihrer Arbeitsbehinderung
auf 25% schon berücksichtigt ; denn an sich betrage die Verminderung
ihrer Arbeitsiähigkeit 50% und nur mit Rück-sicht auf die von ihr zu
vertretenden Umstände habe sie der Experte auf 25-3034. herabgesetzt. Das
trifft indessen nicht zu. Der Arzt hat die Folgen des Unfalls im Gegensatz
zur Gesamtbehinderung, wobei die vom Unfall unabhängige Verkürzung des
Beines, Verdrehung des Fusses und der Muskelschwund eine Rolle spielten,
auf 25 bis 30% geschätzt, ohne dabei die Tatsache zu berücksichtigen,
dass jene physischen Defekte den Unfall Viel folgenschwerer gemacht haben,
als er sonst geworden wäre. Wenn dies die Vorinstanz in Berücksichtigung
gezogen hat, so ist dagegen nichts einzuwenden.

Sodann stellt die Vorinstanz fest, Vater Peter besitze kein Vermögen
und habe nur ein bescheidenes Einkommen ; er sowohl wie sein Sohn würden
durch die Verpflichtung zur Bezahlung einer grössern Summe in eine Notlage
geraten. Die Klägerin bestreitet die Richtigkeit dieser Annahme allerdings
und erklärt, diese Feststellung sei nur deshalb möglich gewesen, weil
die Vorinstanz ihre Beweisanträge über die Vermögenslage der Beklagten
nicht berücksichtigt habe. Diese Anträge

Familienrecht. N° 61. 447

gingen dahin, Vater Peter habe einen Monatsverdienst, von 350 Fr. und
daneben verdienten noch zwei seiner Töchter; auch besitze er in
Sargans ein Haus. Diese letzte Behauptung ist durch die Bescheinigung
der Gemeindekanzlei Sargans, die bestätigt, dass Vater Peter weder
Barvermögen, noch Liegenschaften bes1tze, Widerlegt. Der Verdienst der
Töchter kann nur insoweit in Frage kommen, als sie des väterlichen
Unterhalts nicht mehr bedürfen, nicht aber in dem Sinne, dass ihr
Verdienst dem des Vaters zugerechnet ,werden dürfte. Wenn nun auch der
Monatsverdienst Vater Peters wirklich 350 Fr. betragen sollte, so ist er
doch nicht derart, dass Peter daraus grössere Beträge entrichten könnte,
ohne in Not zu geraten. Die Vorinstanz hat daher,. da im uhrigen die
Klägerin nicht grobfahrlässig geschädigt werden lst, mit Recht Art. 44
Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 44 - 1 Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden.
1    Hat der Geschädigte in die schädigende Handlung eingewilligt, oder haben Umstände, für die er einstehen muss, auf die Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens eingewirkt oder die Stellung des Ersatzpflichtigen sonst erschwert, so kann der Richter die Ersatzpflicht ermässigen oder gänzlich von ihr entbinden.
2    Würde ein Ersatzpflichtiger, der den Schaden weder absichtlich noch grobfahrlässig verursacht hat, durch Leistung des Ersatzes in eine Notlage versetzt, so kann der Richter auch aus diesem Grunde die Ersatzpflicht ermässigen.
OR herangezogen und die den Beklagten aufzuerlegende Rentenzahlung
herabgesetzt. Dabei ist indessen auch auf die Lage der Klägerin Rucksicht
zu nehmen ; es ginge nicht an, dass die Vermeidung einer besonderen
Härte gegenüber den Beklagten zu einer solchen gegenüber der Klägerin
führte. .In der Herabsetzung der Rente auf 150 Fr. ist die Vorinstanz
allerdings sehr weit gegangen ; da es sich dabei laJedoch um eine reine
Ermessenfrage handelt, liegt fur das Bundesgericht keine Veranlassung für
eine abweichende Regelung vor. Endlich ist die diese Rente srchernde Summe
mit 1500 Fr. rechnerisch zu hoch angesetzt, indem einer Rente von 150
Fr. nur ein Kapital von rund 1200 Fr. entspricht. Da jedoch die, Beklagten
d1esen Punkt nicht releviert haben, liegt auch hier keine Veranlassung
vor, das im übrigen in allen Teilen zubestatigende Urteil abzuändern.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

Die Hauptberufung und die Anschlussberuiung werden abgewiesen und das
Urteil des Kantonsgerichts des Kantons St. Gallen vom 8. Juni 1923
wird bestatlgt.