294 Obligationenrecht. N° 39.

kaufte Ware in zum Tageskurs in Franken. umzurechnenden Mark bezahlen
liess, das Risiko. für einen Kursverlust, welcher übrigens durch
rechtzeitige Umwandlung in Franken hätte vermieden werden können,
übernommen.

Da nach dem Gesagten als Leistung des Hess nicht der einbezahlte
Markbetrag als solcher zu gelten hat, sondern der auf Grund der Umrechnung
ermittelte und dem Hess gutgeschriebene Frankenbetrag, so hat der Beklagte
der Pflicht zur Rückerstattung des Geleisteten im Sinne von Art. 109 GR
durch Rückzahlung von 37,186 Mk. 30 Pf. an Hess nicht Genüge geleistet,
sowenig als umgekehrt die Kläger, wenn inzwischen die Kaufkraft der Mark
gestiegen wäre, gegenüber dem Beklagten auf Rückerstattung der von Hess
einbezahlten Marksumme hätten Anspruch erheben können. Vielmehr ist der
Beklagte gehalten, den Klägern den geforderten Frankenbetrag (welcher
in quantitativer Hinsicht nicht angefochten worden ist) zu bezahlen,
und denselben vom Datum der jeweiligen Einzahlungen des Hess an zu 5%
zu verzinsen.

3. _ Ist somit die Klage schon aus diesem Gesichtspunkt gutzuheissen,
so entfällt die von der Vorinstanz untersuchte weitere Frage, ob den
Klägern auf Grund von Art. 109 Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 109 - 1 Wer vom Vertrage zurücktritt, kann die versprochene Gegenleistung verweigern und das Geleistete zurückfordern.
1    Wer vom Vertrage zurücktritt, kann die versprochene Gegenleistung verweigern und das Geleistete zurückfordern.
2    Überdies hat er Anspruch auf Ersatz des aus dem Dahinfallen des Vertrages erwachsenen Schadens, sofern der Schuldner nicht nachweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle.
OR ein Anspruch auf Ersatz des
aus dem Dahinfallen des Vertrages erwachsenen Schadens zustehe. *

Demnach erkennt das Bundesgericht :

1. Die Berufung des Beklagten wird abgewiesen.

2. Die Berufung der Kläger wird begründet erklärt und damit, in Abänderung
des Urteils des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen vom 13. März 1923,
der Beklagte verurteilt, an die Kläger 23,716 Fr. 15 Cts., nebst 5% Zins
seit dem Datum der jeweiligen Einzahlungen des Hess an den Beklagten im
Oktober und Dezember 1918 und Januar 1919, zu zahlen.

Ohligationenrec'nt, N° 40. 295

40. Urteil der II. Zivilabteilung vom 12. Ju1i1923 11. S. Ph. Lutomirski
& Ole. gegen Kanton Zürich. Art. 61 Abs. 2 GB : Voraussetzungen der
Anwendung (Erw. 3). Haftung der Kantone für Bundesrechtswidrigkeit
ihrer Gesetzgebung und Beamtenhaftpflicht der Kantone folgt nicht
aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen (Erw. 4). Verjährung, Fristheginn
(Erw. 2). Beamtenhaftpflicht des Kantons Zurich folgt nicht aus §
227 des Zürcher. EG zum ZGB (Erw. 5).

A. Die Verordnung des Regierungsrates des Kantons Zürich vom
28. Juni 3. Juli 1918 über das Strafrecht und das Verfahren bei
Zuwiderhandlungen gegen Kriegsverordnungen ermächtigt in § 11 die
kantonale Polizeidirektion, Waren, mit welchen eine strafbare Übertretung
begangen worden ist oder voraussichtlich begangen werden soll, unabhängig
vom Strafverfahren zu beschlagnahmen und zu enteignen. Gemäss § 12 darf
die Enteignung erst vollstreckt werden, wenn die Frist von zehn Tagen
zur Beschwerde an den Regierungsrat abgelaufen oder die Beschwerde
abgewiesen ist.

B. In Anwendung dieser Vorschriften in Verbindung mit Art. 1 litt. (:
der Verordnung des Bundesrats vom 18. April 1916 gegen die Verteuerung
von Nahrungsmitteln und andern unentbehrlichen Bedarfsgegenständen
beschlagnahmte die kriegswirtschaftliche Polizeikontrolle des Kantons
Zürich am 26. November 1918 11 Stücke (44? Meter) Wolltuch (serge),
welche am 1. Oktober 1917 von der Firma Thomann, Arbenz & Cie. für 9
Fr. 50 Cts. per Meter bei der Wollweherei Gyr & Cie. in Frauenfeld gekauft
und sodann sukzessive unter erheblichen Preiszuschlägen weiterverkauft
worden waren : zunächst, und zwar noch vor der ,Lieferung, an Isidor
Ullmann in Basel, dann durch Vermittlung des Kommissionärs L. Wertheimer
in Basel an die Klägerin, Firma Ph. Lutomirski & Cie. in Zürich,

295 Ohligationenreoht. N° 40.

und endlich am 2. September 1918 an E. Mandowsky in Zürich, welcher für
den Meter 17 Fr. 35 Cts. bezahlen musste. Die Direktion der Justiz und
Polizei des Kan' tons Zürich verfügte am folgenden Tage, dass der Stoff
dem Mandowsky enteignet und zu angemessenem Preis verkauft werde. Eine
von Mandowsky gegen diese Verfügungen geführte Beschwerde wies der
Regierungsrat des Kantons Zürich durch Beschluss vom 21. Dezember 1918
ab. Der Stoff wurde dann am 14. Mai 1919 zum Preise von 9 Fr. 50 Cts. per
Meter verkauft. Der Nettoerlös, welcher nach Abzug der Kosten und einer
Staatsgebühr 4217 Fr. 65 Cts. betrug, wurde an die Firma Ph. Lutomirski
& Cie. ausgerichtet, da Mandowsky keinen Anspruch darauf erhob, mit der
Begründung, er werde von jener schadlos gehalten.

Das inzwischen gegen Ullmann, Wertheimer und die Klägerin wegen Sachwucher
eingeleitete Strafverfahren endete mit deren Freispruch durch Urteil
des Bezirksgerichts Zürich vom 17. Februar 1920, dessen Begründung im
wesentlichen dahingeht, mit den Weiterverkäufen der Ware sei? nicht die
Absicht verfolgt worden, sie dem Verbrauch zu' entziehen, dadurch eine
Preissteigerung herbeizuführen und damit einen -Gewinn zu machen. Die
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich legte zunächst Berufung gegen
dieses Urteil ein, nahm sie aber am 21. Januar 1921 wieder zurück. '

B. Mit der vorliegenden, am 29. Juni 1921 beim Friedensriehteramt
angemeldeten, am 3. Januar 1922 beim Bundesgericht direkt eingereichten
Klage verlangt die Firma Ph. Lutomirski & Cie. vom} Kanton Zürich
Schadenersatz im Betrage von 4677 Fr. 86 cts. nebst 6% Zins seit
15. Februar 1921, nämlich der Differenz zwischen dem am 15. Februar 1921
an Mandowsky zurückerstatteten Kaufpreis von 7755 Fr. 45 Cts. nebst
Zins bis dahin = 1140 Fr. 05 Cts. und dem durch den Verkauf erzielten
Nettoerlös.

Obligationenrecht. N° 40. 297

Der Kanton Zürich trug auf'Abweisung der Klage an, neben anderen Gründen
wegen Verjährung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1. Die Zuständigkeit des Bundesgerichts als einziger instanz ist
gemäss Art. 48 Ziff. 4
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 109 - 1 Wer vom Vertrage zurücktritt, kann die versprochene Gegenleistung verweigern und das Geleistete zurückfordern.
1    Wer vom Vertrage zurücktritt, kann die versprochene Gegenleistung verweigern und das Geleistete zurückfordern.
2    Überdies hat er Anspruch auf Ersatz des aus dem Dahinfallen des Vertrages erwachsenen Schadens, sofern der Schuldner nicht nachweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle.
OG gegeben. Insbesondere entspricht es ständiger
Rechtssprechung des Bundesgerichts, Streitigkeiten der vorliegenden Art
als zivilrechtliche Streitigkeiten im Sinne der angeführten Bestimmung
aufzufassen (AS 42 Il S. 613)·

2. Der Beklagte geht davon aus, der geltend gemachte Anspruch sei
der einjährigen Verjährungsfrist unterworfen, weil er aus einem
quasideliktischen Tatbestand hergeleitet werde, und verweist zur
Begründung seiner Verjährungseinrede darauf, dass der Verkauf des
Stoffes, durch welchen der Schaden Ziffermässig bestimmt worden ist,
bereits am 14. Mai 1919 erfolgte, die Klage aber erst am 29. Juni 1921
erhoben wurde. Indessen übersieht der Beklagte, dass die Klägerin die
Klage nicht auf die Vornahme der Enteignung als solche, sondern auf die
Widerrechtlichkeit dieser Massnahme stützt, die durch die Freisprechung
der wegen Sachwucher Angeklagten dargetan worden sei. Es leuchtet ohne
weiteres ein, dass ein solcher Anspruch nicht geltend gemacht werden
konnte, bevor das freisprechende Urteil des Bezirksgerichts Zürich
die Rechtskraft beschritten hatte ; ja es war geradezu die Entstehung
des Anspruchs von der gerichtlichen Feststellung abhängig, dass mit
der enteigneten Ware weder eine strafbare Übertretung begangen worden
ist noch voraussichtlich begangen werden sollte. Die Rechtskraft jenes
Urteils trat aber erst mit dem am. 21. Januar 1921 erklärten Rückzug
der von der Staatsanwaltschaft dagegen ergriffenen Berufung ein,
und die Verjährungsfrist konnte nicht vor diesem Zeitpunkt zu laufen
beginnen. Binnen einem Jahre seither wurde die Klage nicht nur beim
Friedensrichteramt, sondern

298 Obligationenrecht. N° 40.

auch beim erkennenden Gericht anhängig gemacht. Die Verjährungseinrede ist
daher zu verwerten. 3. Die Klägerin stützt die Klage einmal auf Art. 61

Abs. 2
SR 220 Erste Abteilung: Allgemeine Bestimmungen Erster Titel: Die Entstehung der Obligationen Erster Abschnitt: Die Entstehung durch Vertrag
OR Art. 61 - 1 Über die Pflicht von öffentlichen Beamten oder Angestellten, den Schaden, den sie in Ausübung ihrer amtlichen Verrichtungen verursachen, zu ersetzen oder Genugtuung zu leisten, können der Bund und die Kantone auf dem Wege der Gesetzgebung abweichende Bestimmungen aufstellen.
1    Über die Pflicht von öffentlichen Beamten oder Angestellten, den Schaden, den sie in Ausübung ihrer amtlichen Verrichtungen verursachen, zu ersetzen oder Genugtuung zu leisten, können der Bund und die Kantone auf dem Wege der Gesetzgebung abweichende Bestimmungen aufstellen.
2    Für gewerbliche Verrichtungen von öffentlichen Beamten oder Angestellten können jedoch die Bestimmungen dieses Abschnittes durch kantonale Gesetze nicht geändert werden.
OR, indem sie Enteignung und Verkauf des Stoffes als gewerbliche
Verrichtung bezeichnet. Dieser Standpunkt scheitert jedoch daran,
dass die Enteignung ein Hoheitsakt ist, somit begrifflich im Gegensatz
steht zur gewerblichen Vorrichtung, die dem Betrieb einer auf Erzielung
von Gewinn gerichteten Unternehmung angehören muss (vgl. AS 48 II
S. 417/8 und zahlreiche frühere Urteile). Auch führte der Beklagte
die Ent-eignung nicht etwa durch, um alsdann mit dem Stoffe Handel zu
treiben, insbesondere um ihn mit Gewinn verkaufen zu können, sondern
um ihn zu einem angemessenen Preis dem Verbrauch zuzuführen, nachdem
er wie mindestens die zuständigen Organe glaubten annehmen zu dürfen
-- mit Spekulationsabsicht dem Verkehr entzogen und sein Preis durch
Zwischenhandelsgewinne unangemessen gesteigert worden war.

4. Wenn die Klägerin die Klage weiter auf den angeblich allgemein
anerkannten Rechtsgrundsatz stützt, dass der Staat auch ohne
positive Vorschrift für die Mangelhaftigkeit seiner Gesetzgebung
und für rechtswidriges' Verhalten seiner Beamten bei der Ausübung der
Staatsgewalt hafte, so kann demgegenüber einfach darauf verwiesen werden,
dass das Bundesgericht es stets abgelehnt hat, einen solchen Grundsatz
anzuer-kennen (vgl. AS 47 II S. 504 und die dort zitierten Urteile,
insbesondere 12 S. 228 ff.). Dies ist auch für den Fall zu bestätigen,
dass die Mangelhaftigkeit der (kantonalen) Gesetzgebung darin bestehen
sollte, dass sie gegen Bundesrecht verstösst, was die Klägerin vorliegend
behauptet, und das rechtswidrige Verhalten der Beamten infolgedessen
darin, dass sie kantonales Recht anwenden, welches vor dem Bundesrecht
nicht Stand zu halten vermag. Hievon abgesehen müsste die Geltung dieses
Grundsatzes für den Kanton Zürich als dadurch ausgeschlossen angesehen
werden, dass

Obligationenrecht. N° 40. 299

dieser Kanton über die Verantwortlichkeit des Staates für durch
Amtshandlungen seiner Beamten gestifteten Schaden eine positive Vorschrift
erlassen hat: den von der Klägerin ebenfalls angerufenen § 227 EG 2. ZGB.

5. Diese Vorschrift lautet: Der Staat hattet für den Schaden, der
jemandem bei Ausübung der Staatsgewalt aus Gründen der öffentlichen
Wohlfahrt, z. B. bei Überschwemmungen, Brandausbrüchen, oder durch
polizeiliche Massnahmen zugefügt wurde, wenn der Geschädigte den Schaden
nicht aus öffentlichreehtlichen Gründen zu tragen verpflichtet ist oder
sich selbst zuzuschreiben hat. -

Bei ihrer Auslegung ist zunächst festzustellen, dass es auf ein offenbares
Versehen zurückzuführen ist, wenn die Interpunktion den Anschein erweckt,
als ob sich die Schadenersatzpflicht des Staates aus zwei verschiedenen
Rechtsgründen ergebe, nämlich einerseits aus Massnahmen, die aus
Gründen der öffentlichen Wohlfahrt getroffen werden, und anderseits
aus polizeilichen Massnahmen. Dies folgt einmal aus der Überlegung,
dass die polizeiliche Massnahme ihrem Begriffe nach der öffentlichen
Wohlfahrt zu dienen bestimmt ist, ferner aber auch aus der Vergleichung
mit der entsprechenden Vorschrift des früheren Rechts, Art. 420 des
privatrechtlichen Gesetzbuches für den Kanton Zürich, welcher lautete:

Wenn bei Ausübung der Staatsgewalt aus Gründen der öffentlichen Wohlfahrt
Jemandem Schaden zugefügt worden, welchen er nicht aus öffentlichen
Gründen zu tragen verpflichtet ist, noch sich selber zuschreiben muss,
z. B. bei Gelegenheit von Militärübungen oder infolge polizeilicher
Massregeln, so haftet demselben nicht der Schädiger, sondern die
Staatskasse insofern für Ersatz, als der Gesichtspunkt oder die Analogie
der Entschädigung für zwangsweise Abtretung von Privatrechten zur
Anwendung kommt, sonst nicht.

Vielmehr sind die polizeilichen Massnahmen als Bei--

300 Obligationenrecht. N° 40.

spiel der aus Gründen der Öffentlichen Wohlfahrt getroffenen Massnahmen
aufgeführt; richtiger-weise hätte . dies freilich mit dem Beifügen andere
(polizeiliche Massnahmen) geschehen sollen, da nicht einzusehen ist,
durch welch' andere als polizeiliche Massnahmen bei Überschwemmungen und
Brandausbrüchen in Ausübung der Staatsgewalt aus Gründen der öffentlichen
Wohlfahrt Schaden gestiftet werden könnte.

Für den durch polizeiliche Massnahmen zugefügten schaden hattet nach
der angezogenen Vorschrift der Staat, wenn der Geschädigte den Schaden
nicht aus öffentlich rechtlichen Gründen zu tragen verpflichtet ist
oder sich selbst zuzuschreiben hat. Die Klägerin bestreitet nun, aus
Öffentlich-rechtlichen Gründen verpflichtet zu sein, den ihr aus der
Enteignung der Stoffe erwachsenen Schaden zu tragen; denn, macht sie
geltend, wenn es sich auch um eine durch die Rechtsordnung vorgesehene
polizeiliche Massnahme handle, so sei eben durch die Freisprechung im
Strafprozess doch festgestellt, dass im vorliegenden Fall die gesetzlichen
Voraussetzungen für eine solche Massnahme nicht vorgelegen haben. Es fragt
sich somit, ob die Sehadenersatzpilicht des Staates gemäss Art. 227 EG
zum ZGB auch für solche polizeiliche Massnahmen bestehe, welche von der
Rechtsordnung zwar vorgesehen, jedoch in einem gegebenen Fall infolge
versehentlicher Suhsumtion zu Unrecht getroffen worden sind.

Gegen diese Auslegung sprechen zunächst die vom Gesetz
aufgeführten Beispiele: Der Grund, aus welchem schädigende polizeiliche
Massnahmen, die aus Anlass von Überschwemmungen oder Brandausbrüchen
getroffen werden sind, den Staat zu Schadenersatz verpflichten,
liegt nämlich darin, dass sich bei solchen plötzlich hereinbrechenden
Ereignissen die Notwendigkeit ergeben kann, Schaden von einem grösseren
Kreis von gefährdeten Personen oder Sachen abzuwenden durch Eingriffe
in Privatrechte, zu welchen

Obligationenreeht. N° 40. 301

kein Rechtssatz die Polizei ermächtigt und welche diese denn auch
im vollen Bewusstsein des Fehlens einer gesetzlichen Grundlage
vornimmt. Weisen diese Beispiele somit darauf hin, dass Art. 227
EG zum ZGB die Pflicht des Staates zum Ersatz von Schaden im Auge
hat, den der Staat. aus Notstand anrichtet, soergibt sich aus dessen
Entstehungsgeschichte zweifelsfrei, dass die gesetzgebenden Organe damit
keineswegs eine Verantwortlichkeit des staates für Versehen seiner Beamten
einführen wollten. Nach dem früheren Recht. (vgl. vorstehendes Zitat)
war die Haftung des Staates ausdrücklich auf die Fälle beschränkt, wo
der Gesichtspunkt oder die Analogie der Entschädigung für zwangsweise
Abtretung von Privatrechten zur Anwendung kommt. In Überseinstimmung
mit dieser Regelung schlugen bei der Beratung des EG zum ZGB die vom
Regierungsrat ernannte Expertenkommission, wie auch der Regierungsrat
selbst folgende neue Fassung vor :

Wenn jemandem bei Ausübung der Staatsgewalt aus Gründen der
öffentlichen Wohlfahrt Schaden zugefügt worden ist, so entstehen daraus
Ersatzansprüche, insoweit sich dies aus einer entsprechenden Anwendung
der Grundsätze des Expropriationsrechtes ergibt.

In der vorberatenden Kommission des Kantonsrats wurde folgende Abänderung
beantragt: insoweit sich der Ersatzanspruch aus der entsprechenden
Anwendung des Expropriationsrechts ergibt , und die Kommission
beauftragte die Subkommission (Redaktionskommission), ungefähr im Sinne
des Antrages... eine redaktionelle Fassung zu suchen . Aus der zweiten
Beratung der vorberatenden Kommission des Kantonsrates ging die dann
(mit einer hier nicht interessierenden Abweichung) zum Gesetz gewordene
Fassung hervor, ohne dass nach den Protokollen weder in dieser Kommission,
noch in der Folge im Rate selbst darüber gesprochen worden wäre, weshalb
der Hinweis auf das

302 Obligatienenxecht. N° 40.

Expropriationsrecht fallen gelassen wurde. Aus diesem stillschweigen
muss nun geschlossen werden, dass die

Subkommission wie die vorberatende Kommission des

Kantonsrates davon ausgingen, die neue Fassung entspreehe dem der ersteren
erteilten Auftrag, auch wenn der Hinweis auf das Expropriationsrecht nicht
mehr zum Ausdruck gebracht werde, und sie führe gegenüber derjenigen
des alten privatrechtlichen Gesetzbuches keine Rechtsänderung herbei,
jedenfalls nicht eine so tiefgreifende, wie die Klägerin behauptet. Sollte
es demnach auch nach dem neuen Recht sein Bewenden dabei haben, dass der
Staat für durch polizeiliche Massnahmen zugefügten Schaden nur dann Ersatz
sehnlde, wenn der Gesichtspunkt oder die Analogie der Entschädigung für
zwangsweise Abtretung von Privatrechten zur Anwendung kommt, so ergibt
sich die Unhegründetheit der Klage ohne weiteres, da die Expropriation
einen Eingriff in Privatrechte darstellt, bei dem sich die handelnden
Beamten bewusst sind, dass es sich um schutzwürdige Privatrechte handelt,
deren Verletzung den Staat zu Schadenersatz verpflichtet, während sich
die Klage auf einen Eingriff in Privatrechte stützt, bei welchem sich
die handelnden Beamten im Irrtum darüber befanden, dass er durch eine
Polizeivorschrift gerechtfertigt sei.

6. Die Klage ist somitabzuweisen, ohne dass zu den weiteren Fragen
Stellung genommen zu werden braucht, ob der Eingriff wireklich
ungerchtfertigt war, insbesondere ob die bezügliche rechtskräftige
Feststellung des Strafrichters für den Zivilriehter ohne weiteres
verbindlich ist, und ob endlich der Klage nicht das Bedenken
entgegenstünde, dass die Klägerin sich den Schaden infolge ihres
verdächtigen Verhaltens selbst zuzuschreiben habe.

Demnach erkennt das Bundesgericht : Die Klage wird abgewiesen.

Prozessrecht. N° 41. 303

II. PROZESSRECHT

PROCEDURE

41. Arx-dt de la IIe section civile da 14 septembre 1923 dans la cause
dame Jaquet contre Jaquet.

Art. 63 ch. 3 OJF: Obligation pour l'instance cantonale

de preciser les faits qu'elle tient pour constants; annu-

lation d'un jugement ne renfermant pas d'indications suffisantes à ce
Sujet. '

Les parties au procès se sont mariées le 19 avril 1900. Trois enfants
sont nes de cette union en 1901, 1903, 1906. ,

En 1922 le mari a quitte le domicile eonjugal et a ouvert action en
divorce en alléguant en resume ce

,qui suit :

Peu après le mariage, la femme a révélé une méchanceté qui n'a fait
que s'accentuer. Elle est agressive et tyran-_ nique. Le mari n'a plus
rien à dire dans son ménage. Elle détient toutes les elefs et va jusqu'à
fermer à clef toutes les chambres sauf la chambre à voucher et la chambre
des enfants; quand elle sort elle emporte les clefs de sorte qu'il est
impossible au mari d'entrer dans l'appartemenf. Malgré le gain assez
élevé du demandeur qu'il donne toujours à sa femme, il n'a pu réaliser
aucune economie ; la défenderesse a dù mettre de l'argent de còté, mais
refuse tous renseignements. Elle interdit à sen mari de rendre visite à
sa mère qu'elle injurie quand elle la reneontre. Elle est d'une jalousie
maladive et est excessivement grossiére, traitant son mari de miston ,
charogne cochon devant les enfants; elle intimide ceux-ci, les excite
contre leur pere. Elle est manvaise langue et s'est hrouillée avec